Edzard Ernst und der Halb-Quack-Prinz

Als wir Edzard Ernst wegen des schmachvollen Interviews im Telegraph kontaktierten, bekamen wir die Gelegenheit, ein volles Interview zu machen. Es war sehr interessant und ein wenig alarmierend…

Wie vielleicht bekannt ist, ist Edzard Ernst der weltweit erste Professor für Alternativmedizin und mehr oder weniger im Ruhestand, zwei Jahre vor dem üblichen Alter. Um die Gründe für den vorzeitigen Ruhestand und einige unserer Fragen zu verstehen, müssen wir ein paar Jahre zurückblicken:

Edzard Ernst wurde 1993 Professor für Alternativmedizin und hat sich eine ziemliche Reputation als Forscher und Mann der Wissenschaft aufgebaut. Aber 2005 nahm die Geschichte eine bemerkenswerte Wendung. Der Ökonom Christopher Smallwood, persönlich von Prinz Charles beauftragt, behauptete, dass eine Menge Geld durch den Einsatz alternativer Behandlungsmethoden gespart werden könne. Leider wurde diese Position nicht durch Beweise gestützt. Nicht einmal im Ansatz! Edzard Ernst nannte es “kompletten, irreführenden Unsinn.”. Um die Geschichte kurz zu fassen, der Privatsekretär von Prinz Charles beschwerte sich über Edzard Ernst, der in der Folge “persona non grata” an seiner Universität wurde.

Herrn Ernst waren weitere Mittel versprochen worden, aber alle Quellen versiegten zu diesem Zeitpunkt. (Was eigentlich eine offensichtliche Entwicklung ist, die meisten alternativmedizinischen Institutionen wollen offenbar nicht, dass echte Wissenschaft sich mit ihren Methoden beschäftigt.) Die Universität hatte ihm versprochen, dass sie eine Summe in Höhe der anfänglichen Mittel seiner Abteilung bereitstellen werde, aber das geschah nicht. Die Abteilung war dann nicht in der Lage, alle Mitarbeiter zu halten. Ernst wurde informiert, dass seine Abteilung bei seiner Pensionierung aufgelöst werden solle.

Und so verhandelte er. Der Deal: Sofortiger Ruhestand und erneute Halbtags-Anstellung für ein Jahr, um zu helfen, einen Nachfolger zu finden. Die Abteilung würde weiter bestehen.

Im Mai 2011 ging Professor Edzard Ernst offiziell in den Ruhestand. Wir mochten diesen Kuhhandel nicht, aber wenn es Professor Ernst recht ist, ist es uns das auch. Die Welt ist nun mal kompliziert. Der einzige gute Teil des Handels war, dass Professor Ernst seinen Nachfolger wählen kann. Zumindest dachten wir das, als wir zu fragen begannen…

Aber fangen wir mit dem Interview an:
Als Sie begannen diese Methoden wissenschaftlich zu untersuchen, haben Sie da erwartet, dass Ihnen so massiver Widerstand entgegenschlägt oder hat Sie das überrascht?
Viele Dinge waren für mich überraschend: Dass Anwender von Alternativmedizin in Großbritannien oft wissenschaftsfeindliche, untrainierte Nicht-Mediziner sind. Dass so viele unserer Ergebnisse sich als negativ erwiesen. Dass die Öffentlichkeit so sehr an meiner Arbeit interessiert war. Dass Alternativmedizin adeligen Schutz genießt, etc. etc. Die Tatsache, dass ich von den Enthusiasten heftig kritisiert wurde, war natürlich ein Ergebnis davon.

Die meisten Alternativprofessoren betreiben Cargo-Cult-Science. Wieso ist kritische Herangehensweise so selten?
Ja, die meisten, wenn nicht alle meiner Kollegen benutzen Wissenschaft wie ein Betrunkener eine Straßenlaterne – zum Anlehnen und nicht zur Erleuchtung. Ich bin zum Schluss gekommen, dass der Grund dafür darin liegt, dass sie in Wirklichkeit Befürworter der Alternativmedizin sind und echte wissenschaftliche Prüfung weit abgeschlagen an zweiter oder dritter Stelle steht.

Wie könnte man das verbessern?
Man müsste sicher stellen, dass nur kritische Wissenschaftler berufen werden, z.B. indem man sich genau ansieht, was der Kandidat bisher publiziert hat. Wenn es hauptsächlich dürftiges Material oder Werbung in Form von Pseudowissenschaft ist, sollte die Person disqualifiziert werden.

Werden Ihre Ergebnisse so kommuniziert, wie Sie sich das wünschen?
Ich werde von beiden Seiten oft falsch zitiert. Der Artikel im Telegraph behauptete zum Beispiel, dass ich gegen die gesamte Alternativmedizin bin. Das ist nicht wahr. Ich bin gegen alle wirkungslosen oder unsicheren Behandlungen und das ist etwas völlig anderes.

Sie sind inzwischen ja mehr oder weniger gezwungenermaßen im „Ruhestand“, ausgelöst durch den Eklat mit Prinz Charles. (Smallwood Report)
Gab es eigentlich eine Reaktion des Prinzen (oder von jemandem aus seiner Umgebung), nachdem Sie ihn ’snake oil salesman‘ genannt haben?

Ich habe angeboten zu gehen, um meine Unit zu retten. Meine Universität sucht nun nach einem Nachfolger. Vorher sagte man mir, dass die Unit nach meinem Ruhestand aufgelöst werde. Als ich Charles einen “snake oil salesman” nannte, gab es weder von ihm noch seinem Gefolge eine Reaktion. Ich habe auch keine erwartet.

Sie suchen nach einem Nachfolger; glauben Sie, dass es Ihr Nachfolger leichter haben wird als Sie? Oder glauben Sie, dass Prinz Charles und Konsorten auch ihm Knüppel zwischen die Beine werfen werden?
Das hängt davon ab, was er/sie tun wird. Es ist leicht, es sich in dieser Position bequem zu machen. Man könnte entweder wenig tun oder nur Dinge, die niemanden stören [wie Umfragen] oder nur etwas Basisforschung, die nicht so relevant für die Öffentlichkeit ist. Oder auch die Öffentlichkeit komplett meiden – es gibt viele Wege.

Die Reaktion von Charles und anderen Enthusiasten von falscher Medizin wird von der Arbeit meines Nachfolgers und dem öffentlichen Bild davon abhängen.

Gibt es schon vielversprechende Kandidaten für die Nachfolge?
Ich habe noch von keinem gehört.

Wie viel Freiraum haben Sie bei der Auswahl des Kandidaten? Können Sie frei wählen/entscheiden?
Leider war ich nur am Entwurf der Stellenbeschreibung beteiligt. Alles andere liegt nicht in meinen Händen. Ich habe meine weitere Mithilfe angeboten aber bis jetzt wurde mein Angebot nicht angenommen.

Äääh, Moment mal. Moment!
Was zum …??? Wir verstehen, dass Professor Ernst einen Handel eingegangen ist, um seine Unit zu retten, aber bisher waren wir im Glauben, dass er seinen Nachfolger wählen würde!

Wir sind zusammengezuckt und haben den Verlust bedauert, als Professor Ernst in Ruhestand ging (obwohl er selbst in einem Interview sagte, dass er mit dieser Lösung sehr glücklich sei; dass er sich erschöpft fühle und die Narben vieler Schlachten spürt). Wir spürten den Verlust. Und jetzt haben wir erneut starke Gefühle zu dieser Situation!

Liebe Universität von Exeter, wen immer es angeht, vergessen Sie nicht, dass Sie (wahrscheinlich) den einzigen echten Lehrstuhl für Alternativmedizin der ganzen Welt (ganzen Welt!), die einzige Position die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft respektiert wird, nicht nur von Quacksalbern und adeligen Halb-Quacks. Bitte, bitte, bitte, setzen Sie Ihre Reputation nicht aufs Spiel.

Professor Ernst, kann Ihnen die Öffentlichkeit in irgendeiner Weise behilflich sein? Können wir Normalbürger Ihre Unit dabei unterstützen, wie vor dem Eklat weitermachen zu können?
Öffentliche Unterstützung wird ein zentrales Element sein, wann immer eine Auseinandersetzung droht. Ich hatte viel davon – trotz all dem Beschuss.

Diese Antwort ist für unseren Geschmack zu diplomatisch!

Wir wissen, dass Herr Ernst und seine fantastische Arbeit unter Euch viele Unterstützer hat. Daher wollen wir Euch auffordern, euch an diesem Kampf gegen die überwältigende Masse an Wahnsinn in der Welt zu beteiligen. Ihr mögt denken, dass das voreilig sei, dass die Universität von Exeter eine Chance bekommen sollte. Sicher, aber sobald eine Entscheidung gefällt ist, wird es zu spät sein. Wir müssen jetzt Stellung beziehen und proaktiv den Lehrstuhl verteidigen.

Lasst uns der Universität sagen, dass wir, die Öffentlichkeit keinen Quacksalber oder mittelmäßigen Wissenschaftler akzeptieren werden. Wir wissen, er/sie wird die Lücke nicht füllen können, aber er/sie muss ein wahrhafter Wissenschaftler sein! Wir werden nicht weniger akzeptieren!

9 Gedanken zu „Edzard Ernst und der Halb-Quack-Prinz“

  1. Schoener Beitrag. Also die Anforderung an die Position, die auf dem Peninsula College gestellt werden, klingen ganz vernuenftig. Wie soll man dem College klarmachen, dass wir einen Nachfolger vom Edzard-Format favorisieren? Soll man den Dean mit E-Mails bombardieren? Ich koennt‘ mir auch ne Petition vorstellen. Egal wie, ich wuerde das Anliegen auf jeden Fall unterstuetzen!

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  3. Haben die Frage weitergeleitet, Antwort: (per Twitter)
    „a petition would be one way,but they would probably reply that they are,of course,looking for a good scientist“

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  4. Es ist skandalös, dass ein dümmlicher Monarch wie Prinz Charles derart großen Einfluß auf die Besetzung der Uni Exeter hat. Mit Edzard Ernst ist wahrscheinlich der einzige neutrale und kompetente Wissenschaftler auf dem Gebiet der Paramedizin kaltgestellt worden. Ich schätze ihn als klugen, fairen, konsequenten und humorvollen Kollegen, der mir bei meiner schriftstellerischen Tätigkeit schon mehrfach als Vorbild diente. Aus seinem Buch über die Effektivität der Heilungsmöglichkeiten ohne Pillen, das er mir freundlicherweise anvertraute, kann man auf interessante und effektive Weise Licht in das Dickicht der pseudomedizinischen Therapieformen bringen und den wenigen Weizen von der weit überwiegenden Spreu trennen. Hat jemand konkrete Vorschläge, wie man einen effektiven Protest auf die Beine stellen könnte?

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