Die österreichische Kronenzeitung und das EU-Verbot der Naturheilmittel

Es ist irgendwie verblüffend. Sogar wenn man glaubt, dass ein Thema längst gegessen, längst erledigt und schon zu Tode ausdiskutiert wurde: Weiter geht’s!

Die österreichische Kronenzeitung, sowieso nicht unbedingt bekannt für ihre präzise Berichterstattung (hier sei wie immer auf kobuk.at verwiesen), kann es auch diesmal in ihrer Sonntagsbeilage nicht lassen und hat einen extrem uninformativen Artikel zum Thema „EU-Angriff auf die Naturheilkraft“ abgedruckt.

Und das mit dem „uninformativ“ meinen wir genau so. Nach dem Lesen des Artikels ist man so schlau wie zuvor. Alles, was man erfährt ist, dass die böse, böse, gemeine EU und ihr Handlanger, die gentechnikfreundliche Behörde für Lebensmittelsicherheit – natürlich angestiftet durch die milliardenschwere Pharmamafia -, vorhaben, Naturheilmitteln den Garaus zu machen.

Wie sie das genau machen, welche Richtlinie, welches Gesetz? Nichts. Keinerlei Fakten. Man erfährt nur, dass ein einzelner Widerstandskämpfer (in ganz Österreich) sich diesem schrecklichen Vorhaben entgegenstellt.

Es wird außerdem auf eine Petition mit bereits 120.000 Unterschriften verwiesen und dann empfohlen, ein Protestschreiben an den sogenannten Umweltdachverband zu schicken.

Der Kenner der Thematik rollt jetzt bestimmt schon mit den Augen und erinnert sich an das imaginäre Verkaufsverbot von Heilpflanzen, das 2011 die Runde machte.

Rund 120.000 Leute hatten damals eine Petition unterzeichnet und gegen eine EU-Richtlinie protestiert. Eine EU-Richtlinie von 2004, die bereits 2005 nationales Recht (zumindest in Deutschland) wurde, erregte damals die Gemüter.

Jetzt mal abgesehen davon, dass der Protest gut 7 Jahre zu spät kam, gab es auch nichts, weswegen man hätte protestieren müssen. Der gesamte Petitionstext war zusammengesponnener Unsinn, der völlig ins Leere ging. Das hinderte aber diverse Blogs nicht, das Ganze unkritisch zu verbreiten.

Der erste Gedanke ist natürlich, dass die Kronenzeitung einfach 2 Jahre später dran ist. Der Skandal (der keiner war) einfach neu aufgewärmt. So genau ist das ja nicht, solange man nur vage genug ist. Kritischer Journalismus wird überbewertet.

Und da keine Fakten drin stehen, sondern nur wilde Adjektive, die das verschwörungstheoretisch schlagende Herz wärmen: was soll’s?

Aber wenn man dann etwas Aufwand in Recherche steckt, stellt man fest: Es geht wohl gar nicht um die EU-Richtlinie von 2004. Also, vermutlich. Steht ja nirgends. Es geht wohl um 1924/2006/EG, eine Richtlinie von 2006 „über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“.

Im Prinzip könnte man an der Stelle aufhören und sagen: „Leute, ohne Zeitmaschine wird das nichts!“

Es geht bei der Richtlinie um Gesundheitsangaben bei Lebensmitteln. Es geht dabei um Behauptungen wie „stärkt die Abwehrkräfte“, die man nicht mehr für Produkte verwenden darf, wenn sie nicht belegt sind. Im Prinzip dürfen nur mehr Gesundheitsbehauptungen in der Werbung verwendet werden, die in einer zur Verordnung gehörenden Liste stehen.

So, und dass nur belegte Behauptungen drauf stehen, das wollen wir ja nicht, oder?

Erneut eine extrem durchdachte Geschichte, bei der sich die österreichische Kronenzeitung wieder mal nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der Artikel ist nichtssagend, falsch und schlecht recherchiert.

Und auf der übernächsten Seite darf dann ein Anwalt in einem Gastbeitrag schwadronieren, wie gemein doch die EU sei, ständig hinter uns her. Ein Mann, der zutiefst von den (österreichischen?) Grünen enttäuscht ist, weil sie zu wenig radikal für die Umwelt kämpfen (da kriegt man ja Angst). Zumindest ist ihm kein Schlagwort – ob gerechtfertigt oder nicht – zu schade, um sich darüber aufzuregen.

Gemeinsam mit der Krone, dem Umweltdachverband Österreich und dem Leser will er gegen das Verbot der Naturheilmittel vorgehen. Der Kampf wird sicher heftig.

Und wir gehen in der Zwischenzeit den Drachen in der Garage erschlagen. Der Kampf wird sicher genauso heftig.

Insgesamt muss man der Krone gratulieren: Sie hat es wieder geschafft, mit heißer Luft mehrere Seiten zu füllen. Bravo.

5 Gedanken zu „Die österreichische Kronenzeitung und das EU-Verbot der Naturheilmittel“

  1. In unserem Netzwerk (geschlossenes Netzwerk von 200 Frauen) kursierte das auch, einige von uns haben recherchiert.
    So wie es aussieht, dürfte der Verlag, der da mitmischt, einfach Adressen / potentielle KundInnen sammeln – ganz schön peinlich, dass die Krone darüber berichtet, abgesehen vom unrichtigen Inhalt …

  2. Die „Petittion“ vom FID-Verlag macht auch in hessischen Verwaltungen aktuell die Runde… konkret wird folgender Link verschickt:
    http://www.fid-gesundheitswissen.de/spezial/talk/pet_13_33/index.html?ehkzneu=GNL5434

    Ich behaupte es ist eine Herausforderung der Frau bis zum Ende zuzuhören. Man fühlt sich wie in einer Zeitschleife gefangen wenn man das länger als 5 Min. durchhält.

    Ich finde der FID-Verlag mit seiner missionierenden Kundschaft (die wurden anscheinend aufgerufen den Link zu verbreiten) ist einen Wiki- und/oder Blog-Eintrag wert. Die Produkte und Dienstleistungen der unter diesem Dach agierenden Scharlatane sind in der Tat grässlich.

Schreibe einen Kommentar

css.php