Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 3)

Teil3

Oder: Die Kirsche auf Ponzis Torte – Risikoselektion und Adverse Selektion

In den letzten Wochen haben wir gelernt, dass eine Solidargemeinschaft sich durch gemeinschaftliche Solidarität auszeichnet. Und dass man besser nicht zu genau nachbohrt, wenn es um die Frage geht, wo denn da jetzt genau der Unterschied zum Solidaritätsprinzip in der GKV liegen soll. In der GKV sind die Mitglieder, die nicht krank, aber finanziell leistungsfähig sind, solidarisch mit den Mitgliedern, die krank sind, deren finanzielle Leistungsfähigkeit aber die Kosten der Krankheit nicht abdeckt. In einer Solidargemeinschaft sind die Mitglieder solidarisch mit denen, die beim Henner um den Buchenholztisch in „Wherethef**khausen“ sitzen.

Interessantes Konzept von Solidarität, eigentlich: Wir sind solidarisch – aber vorzugsweise nur untereinander, da ist das „solidarisch sein“ so viel einfacher. Das ist nicht elitistisch, sondern nur verständlich: Wenn man sich selbst in Gesundheitsfragen als Kirsche auf der Torte oder „crop of the cream“ betrachtet, dann wird man sich doch wohl noch mit den anderen Kirschen zusammentun dürfen. Die muss man dann nur noch picken. Den Rahm abschöpfen, sozusagen. Das würden die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungen nur zu gerne ebenfalls, weswegen der Gesetzgeber dem „cream-skimming“ und dem „cherry-picking“ mit dem Kontrahierungszwang schon 1996 in der GKV und 2009 dann auch in der PKV einen Riegel vorgeschoben hat. Es ist keine Kunst, eine Handvoll mittelalte Freiberufler mit viel freier Zeit und Jesuslatschen zu läppischen Preisen zu versorgen. Eine heterogene Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Risiken und finanziellem Hintergrund zusammenzufassen und denen eine unterschiedslos gute Versorgung zukommen zu lassen, ist dagegen schon deutlich schwieriger. Aber dafür sind ja eh‘ die anderen da.

Aber, und jetzt kommt der ganz gemeine Haken, der das gesamte Konzept zu nichts anderem als einem Ponzi-Schema macht: Der einzelne Mensch ist ja nicht blöd, die in Gruppen zusammen geschlossenen Menschen sind es aber schon. Das nennt man „Widerspruch zwischen individueller und kollektiver Rationalität“. Diesen Widerspruch findet man an ganz vielen Stellen, wo man ihn gar nicht vermuten würde. Zum Beispiel bei der – warum nur landen wir immer und immer wieder bei der Masernimpfung? – Herdenimmunität. Kollektiv geht es uns am Besten, wenn wir alle solidarisch sind und uns und die Unsrigen, sofern medizinisch möglich, impfen lassen. Die paar Leutchen, die sich nicht impfen lassen können, nehmen wir – Einer für alle und alle für Einen – mit, wollen ja mal nicht so sein. Leider nehmen wir aber auch diejenigen mit, die durchaus impfen lassen könnten, aber lieber von der kollektiven Leistung der Anderen profitieren, die soll’s ja auch geben.

Die – nennen wir sie mal – „Wherethef**khausener“ sind da nicht anders. Wie sollten sie auch, es sind ja die Gleichen, die auch die Sache mit der Herdenimmunität kognitiv immer noch nicht ganz überrissen haben. Eigentlich macht man mit der Mitgliedschaft in einer „Solidargemeinschaft“ keinen guten Deal: Man zahlt vielleicht ein bisschen weniger als wenn man sich gesetzlich oder privat versichert, im Krankheitsfall hat man aber keinen Anspruch auf eine Leistung, muss also im schlimmsten Fall die Leistung ganz oder teilweise selbst „out-of-pocket“ zahlen. Damit lohnt sich die Mitgliedschaft in einer „Solidargemeinschaft“ nur in zwei Fällen: Für jemanden, der von vollkommen unrealistischen Annahmen zum eigenen Krankheitsrisiko ausgeht und für jemanden, der sein Krankheitsrisiko zwar korrekt einschätzt, aber für eine „echte“ Versicherung schlicht zu knauserig ist. Ersterer ist auch individuell nicht ganz knusprig. Man fühlt sich gar an die Darwin-Award-Anwärterin erinnert, die technisch versiert genug war, den Kontrollmechanismus in der Tür ihrer Mikrowelle zu manipulieren – um dann den Kopf zum Haaretrocknen in eben jene Mikrowelle zu legen. Letzterer ist dagegen für sich genommen eigentlich sogar ganz pfiffig: Wenn er jetzt gerade nicht liquide ist (Heilpraktiker-Praxen werfen ja auch nicht mehr wirklich was ab …), warum dann nicht einer Ortsgruppe anschließen und dort beharrlich darauf hinarbeiten, den eingezahlten Betrag wieder raus zu holen? Da sitzen ein paar Leute mit braunen Kulleraugen um den (schon recht strapazierten) Buchenholz-Tisch und klagen sich gegenseitig ihre Zipperlein. Kleine Gruppen, individuelle Beziehungen, traurige Geschichten, geschicktes Spiel mit Emotionen, keine fixierten Rechte. Das Konzept zieht … ähem … Netto-Nutznießer magisch an. Ein paar Jahre geht es gut, weil alle an Einhörner glauben, dann werden die … ähem … Netto-Nutznießer mehr. Die Einhorn-Gläubigen fühlen sich übervorteilt und beginnen, ihre Ansprüche aggressiver durchzusetzen. Die Rücklagen werden aufgebraucht. Weitere Ansprüche werden angemeldet. Neue Leute müssen geworben werden, um die auflaufenden Forderungen auszugleichen. Der Ton wird rauer, Zombies ziehen durch eine post-apokalyptische Wüstenlandschaft und am Ende vom Lied ist vom „indivdiduellen und wohlwollenden Dialog“ untereinander wenig übrig.


Wenn Impfgegner eine Krankenkasse gründen wollen, oder: Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 1)

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 2)

2 Gedanken zu „Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 3)“

  1. Flo :

    Sollte der Link beim Darwin-Award nicht evtl. besser auf, sagen wir mal, die Geschichte mit dem Darwin-Award zeigen?

    Könnte so sein, aber da das ein Gastbeitrag ist, können wir es nicht wirklich klären. Vll. ist mit dem Link eine verschlüsselte Botschaft verbunden, die sich erst nach monatelanger intensiver transzendentaler Meditation erschließt. Möglich, oder? Obwohl…

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