Zwei tolle Kommentare

Heute trudelten diese zwei interessanten Kommentare in unserem Blog ein, die zu schade sind, sie in den Threads zu verstecken.
Der erste ist eine Gurtpflichanalogie auf die „Argumente“ der Impfgegner von Vanguard:

Auf der 1. nationalen Konferenz für differenzierte Fahrsicherheit sind Autofahrer und Leute mit Autopostern im Zimmer zusammengekommen, um zu beraten, wie eine differenzierte Fahrsicherheitspraxis aussehen kann, die sich den Herausforderungen einer ganzheitlich orientierten Prävention und Gesundheitsförderung stellt.

Die wirksamsten Präventionsmaßnahmen gegen unerwartete und lebensbedrohliche Unfälle weltweit sind sichere, trockene Straßen, angemessenes Licht und geringes Verkehrsaufkommen. Im Unterschied zu diesen aktiven Ansätzen handelt es sich bei Gurten und Airbags um Defensiv-Maßnahmen. Sie können ergänzend sinnvoll sein, um bestimmten lebensbedrohliche Unfallauswirkungen vorzubeugen.

Die Aufwendungen für die Installation von Gurten und Airbags müssen abgewogen werden gegen ihren individuellen und gesellschaftlichen Nutzen. Auf diese Weise müssen sie sich dem Vergleich mit anderen Formen der Verkehrssichert stellen, denen angesichts begrenzter Ressourcen im eigenen Geldbeutel Mittel entzogen werden, die auch für neue Felgen verwendet werden könnten. Dabei kommt insbesondere in Betracht:

* negative Auswirkungen auf die Reifung der Fahrpraxis vor allem junger Fahrer durch ein trügerisches Gefühl von Sicherheit
* die abnehmende natürliche Selektion im Straßenverkehr
* die zunehmende Überlastung der Verkehrswege durch geringere Todesfälle

Die dramatische Zunahme von Sonntagsfahrern und Frauen am Steuer, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Ländern wie Deutschland zu beobachten ist, macht es dringend erforderlich, Fragen der Verkehrssicherheit in größeren Zusammenhängen zu betrachten und zu untersuchen als bisher geschehen. Eine freie Fahrt für freie Bürger benötigt grundlegend andere Konzepte als eine Führerscheinprüfung, die jeder bestehen kann nur weil er die Verkehrsregeln kennt.
Die jetzige Praxis von als „Gurtpflicht“ interpretierter wird den wissenschaftlichen, gesundheitlichen und ökonomischen Erfordernissen einer modernen integrierten Fahrtheorie nach Cobra 11 in keiner Hinsicht gerecht und ist in dieser Form ein Anachronismus.
Wir fordern deshalb:

* Fahrzeughersteller dürfen nicht schon durch serienmäßige Gurtausstattung einen „Anschnalldruck“ provozieren
* Überhaupt dürfen die Hersteller kein Interesse mehr an der Sicherheit ihrer Fahrzeuge haben
* Alternative Modelle wie flauschige Kissen an Leitplanken müssen endlich gleichwertig behandelt werden
* Die Unfallstatistik muss gesamtheitlicher werden und auch Sternzeichen und Chakra-Typ der Betroffenen aufführen
* Wer sich anschnallt muss in der Öffentlichkeit ein Schild um den Hals tragen, auf dem „Schwul!“ steht
* Irgendwas muss da auch gesetzlich gemacht werden. Keine Ahnung was, aber um die Details kann sich ja wer anders kümmern. Wofür bezahlen wir die Politiker überhaupt?

Nanu, aber was ist das denn?

Drakula als Chef der Blutbank?

Für sie immer noch „Dr. Akula“, bitteschön!

https://blog.psiram.com/?p=2638&cpage=1#comment-11476

und der zweite ist ein Erfahrungsbericht aus der ersten Reihe von Treffen der anonymen Alkoholikern, geschrieben von JaHalloErstmal:

Ach ja, die 12-Schritte-Programme. Herzallerliebst. Gut, dass ihr das Thema aufgegriffen habt.

Ich war zweimal bei so einer Versammlung, einmal zum Reinschnuppern und das zweite Mal, weil ich mich gefragt hatte, ob es wirklich so übel war, wie ich es in Erinnerung hatte, und mir das deshalb unbedingt nochmal angucken wollte. Muss dazusagen, der Gruppenleiter war gleichzeitig Pastor einer evangelikalen Gemeinde, und ich will nicht wissen, wie der mit dem Hirn seiner Schäfchen rumgefuhrwerkt hat. Von daher war die Gruppe wohl nicht so repräsentativ. Jedenfalls wussten die bei den AA anscheinend über mich und auch mein Privatleben, meine Freunde usw. offenbar alles und empfahlen sofort Kontaktabbruch, bevor ich auch nur die Klappe aufgemacht hatte zu dem Thema. Klasse. Mir wurde auch das “blaue Buch” empfohlen, weil da alles drinsteht, was man so braucht, obwohl das Ding über 60 oder 70 Jahre alt ist. Auf meine Nachfrage, ob sich mittlerweile nicht was getan hat in der Suchtforschung, kam die Antwort: “im blauen Buch steht alles, was man braucht”, die Wissenschaft tauge da nix. Das Ding wollten die mir auch andrehen, zu dem Preis, “den mir das wert war”, aber ich hatte an dem Tag nicht mal genug Geld für die Druckkosten einstecken und war auch nicht von der Qualität eines so alten Schinkens überzeugt, also hab ich dankend verzichtet.

Die Räumlichkeiten gehörten den AA oder wurden von ihnen gemietet, und dort fanden sich AA-Wimpel, die 12 Schritte ganz groß an der Wand, diverse Symbole und zig Gedöhnst, und ein Porträt des AA-Gründers Wilson an der Wand. Kurios, aber gut, sowas findet man auch bei Kegelvereinen. Auch Bücher zum Thema hatten sie, konnte man glaub ich auch ausleihen – aber nur das steinalte “blaue Buch” von Wilson und noch drei oder vier Bücher, die auf derselben Schiene liefen. Sonst nix.

Am Besten war noch das gemeinsame “Vater unser” am Ende des Treffens. Hab mitgemacht, um kein Spielverderber zu sein, aber mir war das seeehr suspekt. Mir war zuvor beteuert worden, dass das Treffen nicht “religiös”, sondern “spirituell” war. Ich hatte nach dem Unterschied zwischen beidem gefragt und bekam gesagt, ich sei noch nicht soweit, um den Unterschied zu verstehen, und ich würde generell zu sehr intellektualisieren, sollte meinen Verstand ausschalten, denn genau dieser hätte mich ja in die Sucht gebracht. Aha. Außerdem hätten Alkoholiker eine bestimmte Persönlichkeit (ist längst wissenschaftlich widerlegt), und nur die 12 Schritte könnten raushelfen, sonst nix, und man müsse zeitlebens dabeibleiben, sonst würde man rückfällig. Ohne die 12 Schritte sei man nicht “nüchtern”, sondern nur ein “trockener Alkoholiker”. Ehrlich, ich hab was anderes zu tun, als in meiner Freizeit in Selbsthilfegruppen abzuhängen, wir sind ja hier nicht bei “Fight Club”.

Im 12-Schritte-Programm finden sich allerhand Parallelen zu Sekten-Mechanismen, vielleicht, weil der Gründer der Anonymen Alkoholiker ein ziemlich schräger, evangelikaler Christ war und so ein Zeugs für ihn völlig normal war. Das “blaue Buch” der AA von ihm ist total veraltet, sektenartig gruselig und spricht Bände, kann man auf Englisch online nachlesen, kriegt ihr bei Bedarf über die englischsprachige Wikipedia heraus. Wobei ich nicht behaupten will, dass diese Tradition in jeder Gruppe zum Tragen kommt, wenngleich mir auch schon manche andere Leute aus anderen 12-Schritte-Gruppen ähnliches bestätigt haben, steht ja genauso in dem “blauen Buch”. Vielleicht hatte ich nur außerordentliches Pech, aber dafür gibt’s genug andere Berichte.

Ich kenne übrigens auch eine Dame, die bei einer Magersucht-12-Schritte-Gruppe dabeiwar. Die haben einfach nur die Infrastruktur der entsprechenden Anonyme-weißichwas-Organisation genutzt, die 12 Schritte sowie Wimpel und Gedöhnst zugesandt bekommen, den Kram abgeheftet bzw. weggepackt und einstauben lassen, nach dem Motto: “Was ist denn das für ein komisches, unnützes christliches Zeugs? – Bring nix, weg damit und vergessen.” Und dadurch eine normale Selbsthilfegruppe gehabt, so wie es sein sollte. Trotzdem firmierten sie offiziell als Anonyme-Essstörungs-Gruppe.

Nicht alle 12-Schritte-Gruppen sind krass, aber soweit ich mitbekommen habe, haben sich in vielen sektenartige Strukturen eingebaut. Und das liegt mit am 12-Schritte-Programm usw.

Kommen wir nun zu den 12 Schritten, und vor allem:
a) was daran generell Blödsinn ist, und
b) wieweit das mit sektenartigen Mechanismen harmoniert oder diese fördert.

Ich seziere mal kurz und hoffe, dass die Zitatfunktion klappt:

1. Schritt: Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.
Der einzige der 12 Schritte, der überhaupt irgendwas mit der Sucht zu tun hat!! Aussage: da kann man leider nix machen. Grandios. Bravo. Passt nämlich nicht auf jeden.
> Bei Sekten ist es normal, dass man sich zunächst niedermacht, um empfänglicher für Indoktrination zu sein.

2. Schritt: Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.
Hier wird’s für Atheisten ungemütlich.
> Glaube an eine größere, rettende Macht ist für Sekten (aber nicht nur für Sekten) typisch.

3. Schritt: Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – wie wir Ihn verstanden – anzuvertrauen.
Jetzt wird’s konkreter: also es geht doch um Gott. Verdeckte Glaubensgemeinschaft. Bravo. Da sind mir diverse offen christliche Anti-Sucht-Programme lieber. Auch hier sehe ich keine Verantwortungsübernahme für das eigene Leben. Was soll übrigens das Geschwafel von wegen “wie wir ihn verstanden”?
> Thema Sekte: nix konkret, aber es wird jetzt jedenfalls klar religiös.

4. Schritt: Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.
Okay, ist ja nie verkehrt, solange man es nicht übertreibt.
> Thema Sekte: irrelevant

5. Schritt: Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.
Soweit in Ordnung. Allerdings, wenn Süchtige erst mal soweit sind, dass sie in einer Selbsthilfegruppe aufkreuzen, möchten sie auch auf ihre Stärken hingewiesen werden, nicht nur auf ihre Schwächen.
> Sekte: steht nicht in den 12 Schritten direkt drin. Aaaber: bei den AA kriegt man ziemlich zu Anfang schon eine Art Betreuer aus der Gruppe, einen “Sponsor”, der einen unterstützen soll. Von Familie und Freunden soll man sich eher fernhalten laut blauem Buch, denn die hätten einen ja erst in diese Lage gebracht. Die ersten 30 Tage soll man jeden Abend an einem Treffen teilnehmen, also erst recht wenig Zeit für private Kontakte dann. Demnach: wem beichtet man? Richtig, am ehesten dem Sponsor. Hier entstehen u. U. Abhängigkeitsverhältnisse zu psychologischen Laien. Das kann bös in die Hose gehen – auch wörtlich (schon einiges in die Richtung von anderen Leuten erfahren, und ich wurde auch tatsächlich entsprechend schmierig angegraben von dem Leiter auf dem Treffen. Der Leiter guckte mir nämlich sonstwohin und sagte mir dabei, dass er mein Sponsor werden will. Igitt).

6. Schritt: Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.
Ohne Gott geht hier nix: Atheisten sind hier also fehl am Platze. Außerdem machen einen Charakterfehler doch gerade erst liebenswert? Und ganz ohne Charakterfehler, wer ist das schon? Ein Halbgott? Ein Gott? Dieser 6. Schritt ist zumindest theologisch bedenklich, rational sowieso, und psychologisch richtig autsch.
> Thema Sekte: Autsch, autsch, autsch. Kein Kommentar… Lest den Satz einfach nochmal durch und denkt kurz nach. Das tut einfach weh im Hirn.

7. Schritt: Demütig baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.
Und schon wieder Demut. Erinnern wir uns: da kommt ein Mensch reinspaziert in eine Selbsthilfegruppe, der i. d. R. schon ziemlich am Boden ist. Macht dann die Schritte 1-6 durch, von denen keiner das Selbstvertrauen aufbaut. Und jetzt das. Zu Boden kriechen vor Gott und um Verzeihung flehen. Auch hier merkt ein Atheist: ich bin fehl am Platz.
> Es ist sektentypisch, dass Selbstvertrauen möglichst niedergeschmettert wird, bevor die Persönlichkeit sektentypisch umgeformt wird.

8. Schritt: Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten und wurden willig, ihn bei allen wieder gutzumachen.
Total in Ordnung. Sollte jeder mal machen.
> Sekte: kein Problem.

9. Schritt: Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war -, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
Total in Ordnung. Sollte jeder mal machen.
> Sekte: kein Problem.

10. Schritt: Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir es sofort zu.
Wir sind schon bei Schritt 10 und ich seh immer noch nix, womit man das Selbstbewusstsein stärken kann.
> Wer bestimmt, wann man Unrecht hat? In einer lockeren AA-Gruppe das Umfeld allgemein, in dem man unterwegs ist, also alle möglichen Leute. In einer strikten AA-Gruppe macht das der Gruppenleiter und/oder Sponsor. Die Abhängigkeit vergrößert sich dadurch.

11. Schritt: Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott – wie wir Ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns Seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen.
Das ist religiöser Krempel und mag bei einigen Leuten helfen, sollte aber kein allgemeiner Punkt sein. Für eine Gruppe, die nicht von vornherein klar sagt, dass sie religiös ist. Spätestens hier ist ein Atheist aufgeschmissen.
> Sekte: dito. Außerdem, was für ein Selbstbild entwickelt man, wenn man “Gottes Willen” ausführt? Richtig, religiösen Größenwahn. Es ist einfach typisch Sekte: in den ersten Schritten wird man psychisch noch mehr zermalmt, als man es eh schon ist, und gegen Schluss hin wird man eine Art Übermensch. Kein normaler Mensch kann nämlich einfach so wissen, was “Gottes Wille” ist, sowas ist Propheten vorbehalten.

12. Schritt: Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.
Was ist spirituelles Erwachen?
> Sektenmerkmal Missionierung! Bingo. Kein weiterer Kommentar

Versteht mich bitte nicht falsch, es gibt sicher solche und solche 12-Schritte-Gruppen, und es mag auch sein, dass ich hier etwas polemisch formuliert habe. Aber das 12-Schritte-Programm als solches ist wirklich nicht gesund. Und es passt weitgehend in ein Sektenschema. Sprich, die Gruppe kann zumindest durch einen Sektenführer “gehijackt” werden und er kann alles, was er macht, mit den 12 Schritten rechtfertigen. Außerdem sind diejenigen Gruppen, die am “blauen Buch” kleben, besonders stark gefährdet, sektenartig zu werden. Das Buch ist nämlich… naja man muss es lesen, und das hab ich gemacht, wirklich krass.

https://blog.psiram.com/?p=2044&cpage=2#comment-11470

11 Gedanken zu „Zwei tolle Kommentare“

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  2. Das kann ich dir so allgemein nicht sagen, gute und schlechte Gruppen gibt es überall, das hängt nicht nur an der Organisation, die dahintersteckt. Und das Angebot vor Ort ist auch sehr verschieden, je nachdem, wo man wohnt. Ich bin mir sicher, dass man – anders als mir das passiert ist – auch mit den AA durchaus hier und da einen Glücksgriff landen kann.

    Notfalls kann der Betroffene erst mal einen Bekannten bei der Gruppe vorbeischicken und ihn danach berichten lassen. Zum Beispiel bei den AA gibt es oft die Tendenz, jeden Besucher einer AA-Gruppe gleich zum Alkoholiker abzustempeln, auch wenn er es nicht ist, denn – so die Begründung – sonst wäre er ja nicht dort. Wenn der Besucher sagt, nein, nicht dass ich wüsste, wird er automatisch als „in Verleugnung“ angesehen. Sowas fällt einem einfach auf, wenn man einfach so als „Versuchskaninchen“ hingeht. Falls du mal Zeit hast, kannst du ja einfach unverbindlich bei zwei oder drei AA-Meetings vorbeigehen und dir einen Eindruck machen, vielleicht ist der ja anders als meiner. Die Leute dort beißen nicht, und die Meetings kosten nix oder nur einen symbolischen Betrag. (Brutale Geldmacherei kann man der AA wahrlich nicht unterstellen.)

    Für Drogenabhängigen-Selbsthilfegruppen (Heroin usw.) kann ich nur warnen vor „Narconon“! das ist ein Ableger der Scientology (und hat übrigens mit den 12-Schritte-Gruppen/Anonym-Gruppen nichts zu tun). Diese Organisation sollte man auf jeden Fall vermeiden, außer man legt Wert drauf, sich nicht nur gehirnwaschen, sondern auch finanziell ausnehmen zu lassen. Selbst war ich noch nie dort, aber allein schon deren Webseite und die diversen Aussteigerberichte – au weia!

    Die Telefonseelsorge schickt einem auf Nachfrage eine Liste der Gruppen vor Ort zu, das ist schon mal sehr praktisch.

    Es gibt z. B. „Freundeskreise“-Gruppen, die eher klassisch deutsch-vereinsmäßig organisiert sind, wie ein Kaninchenzuchtverein, ein Wanderclub oder sowas. Ich war ein- oder zweimal bei einer solchen Gruppe und fand die richtig gut und sinnvoll aufgebaut, da war nix sektenmäßig, die bieten auch Freizeitaktivitäten an usw. Nur muss man dafür die deutsche Vereinsmeierei abkönnen.

    Oder man sucht sich eine Selbsthilfegruppe von einer klar und offen als christlich auftretenden Organisation, die verstecken wenigstens nicht den religiösen Bezug und da weiß man dadurch von vornherein, woran man ist. Welche von denen empfehlenswert sind und welche sektenartig oder einfach schlecht sind, kann ich dir leider nicht pauschal sagen, ich war noch nie dort.

    Auf jeden Fall solltest du in der Diskussion die Leute darauf hinweisen, dass sich gerade bei Sucht-Angeboten einiges an Sektenartigem herumtummelt, weil das eine ideale Spielwiese zum Mitgliederfang ist, aus mehreren Gründen:

    – die Leute, die erstmalig hingehen, sind in dem Moment meist nicht in stabiler Verfassung, oft isoliert, also perfekte „Opfer“
    – man hat eine gute Ausrede, um Leute von ihrem sozialen Umfeld weiter zu isolieren, bzw. teilweise ist das sogar sinnvoll, wenn das Umfeld aus Abhängigen besteht oder einen destabilisiert
    – sonstige drastische Maßnahmen kann man wegen Rückfallgefahr rechtfertigen
    – das gesellschaftliche Tabu hinsichtlich Drogen, Alkohol, Essstörungen usw. sorgt dafür, dass Aussteiger nicht überall herumplaudern, was beim Treffen ablief
    – Sinnvollerweise gibt es bei Selbsthilfegruppen meist die Regelung, dass man nicht auswärts herumplaudert, was man dort erlebt hat (Datenschutz). Das lässt sich leider sehr gut missbrauchen.
    – Erzähl mal jemandem, den du nicht gut kennst, dass du z. B. bei den AA warst und diese Organisation oder Gruppe als sektenartig empfunden hast. Das wird dir dann oft so ausgelegt, dass du zu stark der Droge verfallen bist, um dein Erlebnis vernünftig beurteilen zu können, und/oder dich einfach nur gegen eine sinnvolle Behandlung wehrst.
    – Bestimmte Gruppen und Organisationen genießen ein Vorschuss-Vertrauen z. B. bei Therapeuten, aber auch in der allgemeinen Bevölkerung. Auf Basis von was, fragt man sich? Ganz einfach: Sie machen Eigenwerbung, genießen einen positiven Ruf, Betroffene sprechen meist nicht offen über ihre Erfahrungen dort, wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit sind schwierig aufgrund der Anonymität der Gruppen usw.

    Ich weiß noch, ich sah mir damals die 12 Schritte durch und fragte nach der Versammlung den Leiter, ob diese 12 Schritte aus der evangelikalen Ecke kommen. Er war verblüfft und sagte, ja, wie ich das denn gemerkt hätte? Naja, weil diese Kombination an Merkmalen haargenau auf Evangelikalismus zugeschnitten sind: Machtlosigkeit, Beichte, Sünde, Reinwaschung von Sünden, Übermensch usw.

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  3. Ok, also leider wieder Einzelfallentscheidungen.
    Ich würde mir ganz schön in den Allerwertesten beißen, wenn mir im Nachhinein bewusst werden würde, einen hilfsbedürftigen, destabilisierten Menschen zu irgeneiner Sekte geschickt zu haben…

    Man kann vielleicht drauf hoffen, dass die Alkoholiker evtl. gleichzeitig ne H.pylori-Eradikation wegen Ulcera machen müssen. ^^
    Zwei Wochen Metronidazol haben sicher schon manchen trocken gelegt… /joke

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  4. Stöber,

    den Mediziner-Witz verstehe ich leider nicht, bin nicht vom Fach.

    Die besten Tipps, die du einem solchen Menschen mitgeben kannst, sind:

    1. nach der Gruppe/Organisation googlen, z. B. „XY-Gruppe Sekte“ („AA cult“ z. B. spuckt einem eine Menge Informationen und Erlebnisberichte raus)
    2. mehrere Würste im Feuer haben, bei verschiedenen Gruppen verschiedener Organisationen vorbeischauen
    3. Vorsicht bei Sekten-Merkmalen, vor dem Treffen Checklisten durchgehen. Da gibt es verschiedene Checklisten, z. B. hier: http://www.sekten-sachsen.de/checkliste.htm
    4. Nicht gleich die Telefonnummer rausrücken, erst mal etwas Zeit verstreichen lassen vor dem nächsten Treffen, falls möglich (paar Tage oder so).

    Ganz zynisch könnte man auch sagen, eine Sektenmitgliedschaft mag auf Dauer weniger schlimm sein als eine Drogenkarriere. Ich kannte z. B. einen Ex-Junkie, der durch die Zeugen Jehovas nüchtern wurde und seitdem voll dabei war (war ein Bekannter von mir). Empfehlen würd ich das niemandem, aber zumindest seine Lebenserwartung dürfte sich dadurch sehr gesteigert haben.

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  5. @JaHalloErstmal: Metronidazol ist ein Antibiotikum, welches u.a. gegen Heliobacter Pylori (häufige ursache von Magengeschwüren) eingesetzt wird. In Kombination mit Alkohol wird einem in einem Maße Übel, dass man „gerne“ auf Alk verzichtet.

    Antworten
  6. Na dann lest doch mal den ganzen Blogbeitrag zu den AA durch,vielleicht findet Ihr etwas.Aber Vorsicht beim nachmachen:holt Euch Rat bei Angehörigen und vertrauenswürdigen Ärzten und Psychologen.Macht das mit denen zusammen.Wir wünschen gutes Gelingen und viel Freude beim mehr Emanzipation wagen.

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  7. Ich empfehle auch, bei einem Besuch KEINE Adresse, Telefonnummer oder echten Namen zu hinterlegen!

    Auch sehr schön, diese blaues-Buch-treue 12-Schritte-Seite, sozusagen AA-Fundis, wurde mir heute zugesandt. Ein Beleg dafür, dass ich meine Beobachtungen nicht nur zusammengefaselt hatte, und dass das „blaue Buch“, wenn man zu eng dran klebt, nicht ohne ist. Ach ja, ich war nicht bei genau diesen Meetings, sondern woanders:
    http://aabacktobasics.de/back-to-basics/

    Ich zitiere:
    „“Nüchternheit – Freiheit vom Alkohol – durch die Weitergabe und die Anwendung der Zwölf Schritte ist die alleinige Aufgabe einer AA-Gruppe. Gruppen haben immer wieder andere Wege ausprobiert und sie sind immer wieder gescheitert …
    Wenn wir nicht an diesen Prinzipien festhalten, werden wir sicherlich versagen und wenn wir versagen können wir niemandem hilfreich sein.”

    Bill W. AA Grapevine Inc, im Februar 1958
    (Dies wurde als führendes Prinzip auf der allgemeinen AA Dienstkonferenz in den Jahren 1969,1970 und 1972 bekräftigt.)“

    >>> Also: ohne 12 Schritte ist man verloren. So macht man alternative Programme madig. Eine seriöse Selbsthilfegruppe ist was anderes.

    „Geh alle zwölf Schritte in vier einstündigen Sitzungen.“

    >>>Das heißt, man schafft es demnach innerhalb von nur 4 Stunden, u. a. eine funktionierende Beziehung zu Gott aufzubauen. Da würde so mancher Gläubiger neidisch werden bei diesem rasenden Tempo. In der evangelikalen/neugeborener-Christ-Szene gibt’s solche Instant-gläubig-werden-Events ja öfters, aber selbst da geben die den Besuchern nicht immer gleich eine Erweckungs-Garantie.

    Zum blauen Buch dann noch folgende Anmerkung:
    „Das sechste Kapitel beinhaltet zusätzliches Material welches in den Beginner Meetings verwendet wurde. In den 40er Jahren arbeiteten “Neue” mit Listen von Charaktermängeln um den 4.+5. Schritt zu machen. In der “stillen Zeit” wurde der 11. Schritt schriftlich gemacht. Dadurch das “Neue” über einen Zeitraum von 3-6 Monaten in den Beginner Meetings eingebunden waren, lernten sie auch wie man neuere Mitglieder sponsoren oder solche Meetings leiten kann.“

    >>>Die Charaktermängel kriegt man ja angeblich durch diese 12 Schritte ausgemerzt.

    Antworten
  8. Der 6. und 7. Schritt, in dem ein quasi omnipotentes Wesen darum gebeten wird,einen Fehler,den es wohl bei seiner eigenen Schoepfung gemacht hat, naemlich mich als Suffkopp zu kreieren, wieder zu „Begradigen“ finde ich sehr fragwuerdig.Bin ich denn irgendwie durch die Qualitaetskontrolle der Schoepfung gerutscht und muss nun laut rufen:“Hey hoehere Macht, ich als dein Produkt bin fehlerbehaftet, hab keine Lust mehr darauf und moechte jetzt reklamieren und beantrage Reparatur?“ Wenn ein solches Ueberwesen existiert,woher weiss ich,dass ich nicht genauso so bin wie ES mich aus einem mir unbekannten Grunde haben will?
    Oder denke ich hier verkehrt?
    Anregungen sehr willkommen

    Maddog

    Antworten

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