Reinventing Discovery – Der Weg der Wissenschaft in die Zukunft

Vor einer Weile habe ich mir „Reinventing Discoveries – The new Era of Networked Science“ gekauft. Das Buch stammt von Michael Nielsen, einem der führenden Wissenschaftler im Bereich der Quantencomputer. Er schrieb auch das Buch „Quantum Computing an Quantum Information“, das wohl mit Fug und Recht, obwohl 10 Jahre alt, als eines der besten Bücher in dem Bereich betrachtet werden kann. Kleine Einschränkung: Wenn man mit Grundbegriffen der Linearen Algebra wie Vektor, Matrix, Kern einer Abbildung, Kreuzprodukt, Pauli-Matrix nichts anfangen kann, ist das Buch ein ziemlicher Brocken. Etwas Wissen über Informatik, die Geschichte mit den Nullen und Einsen, ist ebenfalls hilfreich. 😉

Michael Nielsen hat übrigens eine kleine Serie von 5-10 Minuten Online-Videos zum Thema Quantum Computing in seinem Blog, die wirklich sehenswert sind (Auch hier wird Lineare Algebra als Basiswissen vorausgesetzt). Es lohnt sich reinzuschnuppern. Quantengeschwurbel ist ja im Esoterikbereich weit verbreitet, es scheint manchmal fast, als gebe es einen Preis für die unsinnigst mögliche, aber wohlklingende Satzkonstruktion die das Wort „Quantenphysik“ enthält.

Jedenfalls ist das neue Buch „Reinventing Discoveries“ sehr gut und ich hatte mir vorgenommen, eine Rezension darüber zu schreiben. Das kann ich mir aber im Wesentlichen sparen, da der Autor Michael Nielsen einen TED Talk hält, der vor allem den Geist und die Aussage wundervoll präsentiert.

Michael Nielsen: Open science now!

 

Im Buch sind natürlich wesentlich mehr Beispiele, Details und Diskussionspunkte als in diesem kurzen Vortrag enthalten. Das Buch enthält ausserdem einen reichen Anhang, voll Referenzen und Detailinformationen.

Aber der Kern des Ganzen ist der Gedanke der offenen Wissenschaft. Ein großer Teil unserer Wissenschaft ist weggesperrt, Wissenschaftler hüten ihre Daten wie Dagobert Duck seinen Geldspeicher. Warum? Ganz einfach, es herrscht hoher Konkurrenzdruck und der Wert eines Wissenschaftlers, seine berufliche Zukunft, hängt von seinen Veröffentlichungen ab. Alle anderen Tätigkeiten sind im wesentlichen zweitrangig.

Diese Veröffentlichungen werden dann auch noch durch die Wissenschaftsmagazine teuer vermarktet und Universitäten müssen ein Vermögen ausgeben, um Zugriff auf die wichtigen Wissenschaftsjournale und Artikel zu haben. Dies hat so manchen schon dazu veranlasst, die Verlage Blutsauger zu nennen.

Der Druck, Veröffentlichungen zu produzieren, ist ein Problem. Echte wissenschaftliche Erfolge stehen oft erst an zweiter Stelle. Hier ist ein Umdenken notwendig; Wissenschaftler sollten nicht nur „Punkte“ für Veröffentlichungen bekommen. Weitere Kriterien, wie z.B. ihre Verbesserungen in der Wikipedia, ihre Blogbeiträge, Antworten auf Fragen in anderen Blogs, die Daten, die sie freigegeben haben und vieles mehr sollten sich in ihrem wahrgenommenen Wert für die Gesellschaft und auch potentielle Arbeitgeber widerspiegeln. Das kann mit so einfachen Dingen beginnen, dass z.B. Arbeitgeber bei der Stellenausschreibung anmerken, dass Wikipedia-Edits (falls angegeben) berücksichtigt werden. Wenn es den Forschern einen Vorteil oder sogar nur keinen Nachteil bringt, werden sie eher bereit sein, ihre Daten zu teilen und eher bereit sein, mit anderen zusammenzuarbeiten.

Wir können alle dabei mithelfen, indem wir ein Bewusstsein schaffen, ein Bewusstsein für offene Daten und offene Wissenschaft. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass sehr viel Forschung durch die öffentliche Hand finanziert wird. Warum sind die Daten aus solcher Forschung nicht öffentlich verfügbar? Das soll jetzt übrigens keinen radikalen Schlachtruf im Sinne „Alle Forschung muss frei sein!“ darstellen. Wenn z.B. in Kooperation mit einer Firma geforscht wird, so muss ein zukünftiges Modell natürlich dieser die Vermarktung ermöglichen. Aber in einem zukünftigen Modell muss ausreichend Platz für freie Daten sein, ja sogar ein hohes Gewicht darauf liegen. Wenn jemand seine Daten frei gibt, sollte es ihm/ihr zur Ehre gereichen.

Darüber hinaus dreht sich ein großer Teil des Buches darum, wie kollaborative Wissenschaft aussehen kann und in Zukunft aussehen könnte. Er zeigt, wie „normale“ Menschen der Wissenschaft helfen können und Entdeckungen ermöglichen, die vorher undenkbar waren. Hier sei z.B. auch an das Foldit Projekt erinnert, wo es Computerspielern gelang, ein Problem zu lösen, an dem sich Wissenschaftlern seit 15 Jahren die Zähne ausgebissen hatten. In 3 Wochen! Oder Galaxy Zoo, wo mehr als 80.000 Freiwillige Galaxien klassifizieren und schon einige überraschende Entdeckungen gemacht haben. Natürlich sind viele solche Projekte auch Misserfolge, momentan weiß auch niemand so genau, was die Möglichkeiten und Grenzen sind.

Das darf uns jedoch nicht davon abhalten, solche Versuche zu starten; auf dem Weg in die Zukunft müssen wir auch diese Grenzen ständig ausloten, unsere Methoden ständig überdenken, Wissenschaft und sogar den Weg zur Erfindung ständig neu erfinden.

 

3 Gedanken zu „Reinventing Discovery – Der Weg der Wissenschaft in die Zukunft“

  1. Schöner Text. Lust hier einen Gastbeitrag, natürlich inklusive Bitte um Mitstreiter, im Blog zu schreiben? Einfach Mail an info@…

    Erregt vielleicht mehr Aufmerksamkeit als ein Kommentar. 😉

    Antworten
  2. Pingback: Psiram » Monsanto vs. Bowman oder der Wert der Innovation

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