Überraschung, Überraschung: Studie kann Hellseherei nicht nachvollziehen

Vor kurzem hatte eine Studie von Daryl Bem, Professor emeritus an der Cornell University, für sagen wir mal: „milde Aufregung“ gesorgt.

Dieser hatte behauptet, dass „Präkognition“ – also die Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken -, existiert. Mit seinen Experimenten an 1.000 Versuchspersonen wollte er gezeigt haben, dass diese besser bei Tests abschnitten, wenn sie im Nachhinein „übten“.

Natürlich fanden sich sofort Kritikpunkte an der Studie, aber wie es nun in der Wissenschaft so üblich ist, wurde das Wichtigste Experiment unabhängig wiederholt, um Nachweise für den genannten Effekt zu finden. Jeder Skeptiker wird wahrscheinlich ob des Ergebnisses total verblüfft sein: „Nichts.“

Der Effekt, den Bem beobachtet hatte, konnte nicht repliziert werden. Wiederholbarkeit ist jedoch eines der Hauptkriterien wissenschaftlicher Experimente und ohne Wiederholbarkeit hat man „Nichts“.

Bem selbst ist davon wenig beeindruckt. In einem Kommentar schrieb er, es sei „premature to conclude anything about the replicability“ und vor allem:

But there is one potential difference they fail to discuss: The possible effects of experimenter expectations and attitudes about the experimental hypothesis—as demonstrated by Robert Rosenthal in mainstream psychology several years ago. This has also been found to be a source of non-replication in psi experiments. Even if the principal investigator is not the actual experimenter, he or she can easily transmit skepticism and negative expectations to the actual experimenters …

Mit anderen Worten: die Skeptiker seien voreingenommen an die Sache herangegangen und hätten so das Ergebnis negativ beeinflusst.

Also, da haben wir auf der einen Seite ein dubioses Ergebnis, das sich nicht mit unserem Erkenntnisstand vereinbaren lässt. Aber das Ergebnis, das zum aktuellen Wissensstand passt, soll durch Voreingenommenheit verfälscht sein.

Ernsthaft? Dieses Argument wollen Sie vorbringen, Professor Bem?

Die Autoren der Studie antworten auf diese und andere vorgebrachte Argumente in einem eigenen Kommentar, in dem sie ihre Vorgehensweise erklären und zu den Vorwürfen von Bem Stellung nehmen.

Spannend ist noch zu erwähnen, dass die Studie ebenfalls beim Journal of Personality and Social Psychology – dem Journal, das auch Bem publiziert hatte – eingereicht und dann abgelehnt wurde, da es „nur“ eine Replikation eines Experiments sei.

Einer der Autoren der Studie (Ritchie) zeigt sich bestürzt:

„There’s a real problem with finding shocking findings and then not being interested in publishing replications,“

Es zeigt das Problem des Publikationsbias sehr schön. Journale sind nicht interessiert an Studien mit negativen Ergebnissen – speziell solchen, die einfach nur vorhergehende Ergebnisse prüfen. Nur Erfolge zählen, Misserfolge sind nicht erwünscht. Auch weitere Versuche, das Papier zu veröffentlichen, schlugen fehl, diverse Journale lehnten ab. Besonders pikant die Ablehnung durch das „British Journal of Psychology“, da dort Bem selbst einer der Reviewer war. (Der Bock zum Gärtner …)

Die Autoren waren dann sehr erfreut, dass sie ihre Arbeit schließlich beim Open Access Journal PLoS ONE(Public Library of Science) veröffentlichen konnten.

Der Guardian berichtet sehr umfassend darüber.

Weitere Wiederholungen der Experimente werden sicher durchgeführt werden und die uns Esowatchern innewohnenden hellseherischen Kräfte lassen uns ganz klar vorhersehen, dass auch weiterhin keine hellseherischen Kräfte gefunden werden.

Was die Journale und ihre Publikationsstrategie angeht, so zeigt dieses Beispiel einmal mehr, dass Änderungen notwendig sind. Wir haben ja schon öfter über die Journal/Publikations/Open Science-Thematik geschrieben; es steht zu hoffen, dass Publikationsbias irgendwann der Vergangenheit angehört.

7 Gedanken zu „Überraschung, Überraschung: Studie kann Hellseherei nicht nachvollziehen“

  1. Bem schreibt übrigens selbst:

    Issues of Replication
    Replication packages are available on request for Macintosh and Windows-based
    computers to encourage and facilitate replication of the experiments reported here. I suspect that the experiments on retroactive priming and retroactive facilitation of recall will be the easiest to replicate successfully…

    Etwas schade, dass ihr auf euren Artikel
    https://www.psiram.com/de/index.php?title=Publication_Bias
    nicht verlinkt.

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  2. Pingback: Skeptische Presseschau @ gwup | die skeptiker
  3. > Ergebnis, das sich nicht mit unserem Erkenntnisstand vereinbaren lässt

    mit unserem vielleicht nicht, aber an den Erkenntnisstand zumindest der aktuellen, also konstruktivistischen mainstream-Neurobiologie kommt es recht nahe ran. Denn für die ist experimentell erwiesen, dass das Gehirn sehr wohl vorher — d.h. vor seinem Besitzer — „weiß“, was z.B. der Finger gleich tun soll.

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  4. @Esocore

    Das muss ja wohl auch so sein, oder? Andersherum würde ja der Hund mit dem Schwanz wedeln, soll heißen es wäre doch eher überraschend, wenn der Finger Befehle empfangen könnte, bevor das Hirn sie sich ausgedacht hat.

    Aber vermutlich bin ich heute nur etwas schwer von Begriff oder Du hast Dich ein wenig unglücklich ausgedrückt 😉

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  5. @Mephisto
    Aber mephistopheles, du kannst doch auch die armen seelen im voraus bestimmen die du dir holst, oder sehe ich da etwas falsch.

    @esocore
    da verwechselst wohl ein klein wenig etwas, das Gehirn ist alles was zwischen den beiden Ohren ist und besteht aus mehreren Teilen, der „automatische“ Teil macht einfach und fragt nicht das Großhirn, ist auch besser so, denn da sind die trainierten Teile unseres Lebens drinnen. Stell dir vor du fährst mit dem Auto mit 180Sachen über die Autobahn und plötzlich schert vor dir einer aus, deine „Hirnautomatik“ löst das Problem, erst nachdem das alles vorbei ist kommt das Großhirn drauf dass es gefährlich war. Manche machen sich dann in die Hose veranlasst durch das Grosshirn vermutlich, keine natürliche sondern eine Angsreaktion. Alles ganz normal.

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