Die Pfingstkirche und die HIV-Wunderheilungen

Wie die BBC berichtet, sind einige Pastoren der Pfingstbewegung in lebensgefährlicher Mission unterwegs. Oh, sie gefährden natürlich nicht das eigene Leben, nur das von Gläubigen.

Die Children’s HIV Association befragte 19 Mediziner, die in England mit Kindern und Babys arbeiten, da die Organisation Gerüchte vernommen hatte, dass HIV-Patienten ihre Medikamente absetzten, weil ihre Pastoren ihnen das befahlen.

Zehn dieser Mediziner hatten schon in den letzten 5 Jahren mit diesem Problem zu kämpfen: 29 ihrer Patienten hatten erklärt, sie seien unter Druck gesetzt worden, ihre Medikamente abzusetzen und mindestens elf hatten das dann tatsächlich getan.

Darunter Eltern, die unter Druck gesetzt worden waren, ihren kleinen Kindern die antiretroviralen Medikamente nicht zu geben und sich dem Druck beugten. Stillende Mütter, HIV positiv getestet, verweigerten die Medikamente, die ihre Kinder vor dem Virus geschützt hätten.

Einige Pastoren hatten den Patienten erklärt, dass sie stattdessen beten und Weihwasser trinken sollten.

Die Pfingstler sind ja auch bei uns nicht ganz unbekannt; sie zählen zu den Freikirchen. Ganz klassische Sekte, die ihr Leben nach der Bibel ausrichtet und von tiefer Liebe allen Menschen gegenüber beseelt ist. Außer natürlich denen, die Sex vor der Ehe haben, sich scheiden lassen, Homosexuellen (und deren Freunden) und sonstigen Sündern. Die kommen alle in die Hölle. Die Evolutionstheorie ist natürlich auch des Teufels. Die Zeit hat dazu einen Bericht einer traumatisierten Aussteigerin.

Die BBC schildert den Fall eines Sechzehnjährigen, dem sein Pastor empfahl, er solle seine Medikamente gegen eine Plastikflasche mit heilendem Wasser eintauschen. Der junge Mann berichtete, dass er in Kirchen war, in denen die Pastoren ihm und anderen Jugendlichen sagten:

Come take this water… if you drink it for this certain amount of days, you are going to be healed

Nach dem seine Mutter eine „Wunderheilung“ erfahren hatte, hörte er auf, seine Medikamente zu nehmen und seine Gesundheit verschlechterte sich rasch. Heute glaubt er, dass er auf Medikamente und Geistheilungen vertrauen sollte.

Ein befragter Pastor erklärte, in seiner Kirche seien Blinde sehend, Taube hörend und Todkranke geheilt worden. Natürlich würden sie (die Pastoren) nie irgendjemandem raten, seine Medikamente nicht zu nehmen. Aber selbstverständlich komme Heilung nur aus dem Inneren, aus dem Glauben.

Leider verliert die BBC dazu kein Wort, aber es wäre doch nett gewesen, wenn der Reporter den Pastor festgenagelt und ihn nach Namen und Anschrift der Blinden, Tauben und Todkranken gefragt hätte. Das sollte doch einen eigenen Bericht wert sein. Aber vermutlich wären wie blöderweise bei solchen Anekdoten üblich, der Blinde, der Taube und der Todkranke zur Feier ihrer Heilung gerade nicht greifbar. Zusammen auf Weltreise oder so.

Großbritannien (oder zumindest London) scheint tatsächlich ein Problem mit den evangelikalen Sekten zu haben. Bereits 2011 führten versprochene HIV-Heilungen zu mindestens sechs Todesopfern. Damals hatte die „Synagogue Church of All Nations“ HIV-Kranken Heilung in Aussicht gestellt.

Die Children’s HIV Association plant jedenfalls, sich mit den Pastoren auseinanderzusetzen, die diese Ratschläge geben, um das Übel bei der Wurzel zu packen.

7 Gedanken zu „Die Pfingstkirche und die HIV-Wunderheilungen“

  1. Und wiederum und abermals kann man sich nur mit der flachen Hand vor den Schädel hauen, dass angeblich gebildete und aufgeklärte Menschen sich so etwas bieten lassen und angeblich nächstenliebende Gläubige anderen so etwas antun. (Dabei rede ich noch nicht einmal davon, dass letztere glauben die Moral für sich gepachtet zu haben!)

    Wie gern würde ich diese Herren Pastoren mal unverhofft des Abends besuchen, um ihnen „ganz zivilisiert“ auseinanderzusetzen, warum sie anderen nicht von der Einnahme lebensrettender oder zumindest -verlängernder Medikamente abraten sollten.

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  2. gibts da nicht die family guy folge, in der stewie vom weihwasser [falls mit diesem getauft wird] krank wird? das ist – so oder so – auf jeden fall realistischer als eine heilung.

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  3. Das Unwesen, das von diesen oft selbsternannten Pastoren getrieben wird, habe ich in Ghana beobachten können. In jedem Dörfchen gab es mehrere Kirchen, oft mit einem guten Redner, der ein paar Bibelverse schmettern konnte und damit dann die einfache Bevölkerung einlullte. Die Leute wollen glauben, was ihnen da erzählt wird, um aus ihrem alltäglichen Elend zu entfliehen.
    Und da ist Religion immer noch ein probates Mittel. Man kann damit ein bestimmtes, nonkonformes Verhalten kontrollieren und unterdrücken, indem man es für nicht Gott gefällig erklärt. Schlimmer noch, man kann bestimmte Situationen (Armut, Elend) als Strafe Gottes für ein Verhalten erklären, und damit zur Hatz auf diejenigen einladen, die „Gottes Zorn“ provoziert haben.
    Das findet man auch in schon länger existierenden religiösen Gesellschaft, z.B. bei den Buren Südafrikas. Dort wird Homo Heilung betrieben, um Seelen zu retten. Und wenn dann der eigene Sohn zu Tode gefoltert wurde, wie im Falle von Raymond Buys, dann kann die Mutter immer noch erfreut feststellen, daß die Seele des Jungen ja nun bei Jesus ist. Und Jesus liebt ihn. Ja dann …
    Ich nähere mich so langsam aber sicher der Einsicht, daß man sich wieder ernsthaft mit dem Thema Christenverfolgung auseinandersetzen sollte. Was die Auswüchse dieses Glaubens betrifft.
    Wer in seinem stillen Kämmerlein wem auch immer huldigt, oder dafür in die Kirche geht – okay. Aber wer zwangsweise andere bekehren will oder dafür auch noch physische pder psychische Gewalt einsetzt, noch dazu gegenüber Kindern und Jugendlichen – da sollte man darüber nachdenken, ob das nicht so hart geahndet werden müßte wie Vergewaltigung und Kinderschändung.

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  4. Hagen Ulrich : Aber wer zwangsweise andere bekehren will oder dafür auch noch physische pder psychische Gewalt einsetzt, noch dazu gegenüber Kindern und Jugendlichen – da sollte man darüber nachdenken, ob das nicht so hart geahndet werden müßte wie Vergewaltigung und Kinderschändung.

    Leider wird das hierzulande nicht so bald der Fall sein. Jedenfalls nicht, solange die Kirchen in den meisten gesellschaftsrelevanten Fragen die Finger im Spiel haben (dürfen).
    Die sind ja auch alles andere als blöd und wissen, dass ein Verbot kindlicher Indoktrinierung wohl ihr Todesurteil wäre. Oder zumindest ein Versinken in die Bedeutungslosigkei bedeutetet.
    Ich befürchte, das wird uns noch einige Verteidigungskämpfe bescheren. Die aktuelle „Sexuelle-Diversitäts-Debatte“ ist nur ein Teil oder schlimmstenfalls ein Vorbote davon.
    Die werden alles aufbieten was sie haben und habe Zweifel, ob die säkularisierten Menschen ihr ganzes Gewicht in die Waagschale legen werden.
    Ehrlich gesagt, mir graut ein bißchen vor der Zukunft…

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  5. Pingback: Psiram » Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 45, 2018)

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