Hier ist nun endlich auch Teil 3 des Gast-Foto-Blogs zur sechsten Welt-Skeptiker-Konferenz in Berlin. Besten Dank erneut unserer Forumsleserin. Den zweiten Teil könnt Ihr hier nachlesen.
Für viele Teilnehmer war heute der große Tag: Keynote von James Randi.
Entsprechend voll war es gleich von Anfang an.
Wer sich etwas näher mit Randi beschäftigt hatte, kannte auch einige seiner Vorträge und ahnte, was heute passieren würde.
Trotzdem kostete es den „honest liar“ nur wenige Minuten und das Publikum war gebannt.
Man wurde hereingelegt und ausgetrickst.
Randi führte einige Tricks vor und ließ seinen ganzen Charme spielen.
Der eben noch klein und gebrechlich wirkende Mann entwickelte eine beeindruckende Präsenz, Behendigkeit und Lebensfreude.
Er zeigte, von welch simplen Tricks sich Wissenschaftler hereinlegen lassen.
Und erzählte vom McDonnell Laboratory for Psychical Research, das viel, viel Geld mit dem Project Alpha ausgab. Auch etwas über Peter Popoff und leckere Psychic Surgery durfte nicht fehlen.
Wie alle Redner bekam auch Randi eine Eventtasse und Globuli „Murus berlinensis„.
Die Tasse wurde selbstverständlich gleich einem skeptischen Test unterzogen.
Sven Ove Hansson ging es philosophischer an und klärte, was mit dem Begriff „Skepsis“ alles gemeint sein kann.
Es wurde schnell klar, dass es auch viele Pseudoskeptiker gibt, die sich in Wirklichkeit an ihren Feindbildern abarbeiten oder aus politischen, wirtschaftlichen oder ideologischen Gründen eine Agenda verfolgen, z.B. bei den Themen Tabak/Rauchen und Klimawandel. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind da nicht das Ziel, sondern stören eher.
Hansson plädierte für eine saubere Trennung von Wissenschaft und Politik. Er fand es auch gut, dass die Industrie wissenschaftliche Arbeit finanziert. Das ist viel besser, als würde das Geld für pseudowissenschaftliche Arbeit verschwendet.
Chris Mooney ging auf die Unterschiede zwischen den amerikanischen Liberalen und Konservativen ein.
Er sieht diese in unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen, psychologischen Bedürfnissen und der Struktur des Gehirns selbst begründet. Konservative brauchen mehr Ordnung, Sicherheit und bevorzugen Bekanntes. Liberale sind eher offen für Neues und kommen mit weniger Ordnung und Stabilität besser klar. Die geringere Offenheit für Neues führt bei Konservativen zur einer Selbstverstärkung, da sie zu einer geringeren Aufnahme von konträren Informationen führt, womit sich das bestehende Weltbild weiter festigt.
Interessant war die Feststellung, dass gebildete Konservative oft „schlimmer“ sind als weniger gebildete. Mooney bezeichnete das als den „smart idiot effect“. Mich erinnerte es an die eigentlich gut gebildeten Anhänger der Homöopathie.
Nach dem wie immer sehr leckeren Mittagessen gab es Abwechslung durch ein wenig Musik, natürlich mit skeptischer Ausrichtung.
Kenny Stanger war schon am Publikums-Donnerstag aufgetreten und brachte jetzt nochmals seinen Song über Homöopathie. Den leider abwesenden Chor ersetzte er sehr gekonnt durch Technik. Das Publikum fand es toll und dankte es durch reges Mitsingen.
Simon Singh übernahm die Moderation des Nachmittags.
Ein lebhafter Simon Perry schaffte es problemlos, die Zuhörer nach dem Mittag wach und bei Laune zu halten, indem er zeigte, wie man mit Technologie gegen Nonsens kämpfen und dabei sogar Spaß haben kann.
Es fing für ihn mit Simon Singhs Auseinandersetzung mit den Chiropraktikern an. Er entdeckte auf vielen ihrer Webseiten unzulässige und unbelegte Behauptungen. Nach etwas Recherche schrieb er einen Beschwerdebrief an den zentralen Verein. Beigefügt war die Datenbank mit allen gefundenen unzulässigen Behauptungen. Der Verein muss jede Beschwerde bearbeiten, lehnte diese aber ab, da nur Einzelfallbeschwerden zulässig seien. „Das könnt Ihr haben“, dachte Perry sich und brachte sein IT-Know-how ins Spiel. Schnell waren die ersten 55 Serienbriefbeschwerden gedruckt und verschickt. Den Rest hob er für später auf.
Die schlagartige Flut an Beschwerden legte den Verein mehr oder weniger lahm und verursachte panische Reaktionen. Der Verein mailte alle Mitglieder an und forderte die sofortige Entfernung aller unbelegten Behauptungen, empfahl sogar, die Webseiten besser ganz vom Netz zu nehmen. Seitdem wurden die britischen Chiropraktiker-Webseiten immer wieder überarbeitet und hunderte unbelegte Behauptungen aus dem Netz genommen.
Da auch staatliche Aufsichtsbehörden die Möglichkeit bieten, sich über solche Missstände zu beschweren, erweiterte er das Konzept und hat das Browser-Plugin FishBarrel erstellt, das es sehr leicht macht, Belege zu sichern und zusammen mit der Beschwerde online einzureichen. Je mehr Leute dies tun, umso eher und mehr wird gegen unseriöse Gesundheitswerbung erreicht. Er selbst hat schon weitere Aktionen durchgeführt, z.B. zu den Angeboten der Drogerie-Kette „Boots“ und freut sich über weitere Helfer und Unterstützer.
Den letzten Vortrag hielt Rebecca Watson, die erst am Vormittag mit dem Flugzeug aus den USA anreisen konnte.
Den Jetlag im Nacken begann sie ihren Vortrag deshalb mit einer Bildersammlung von Faultieren und schloss damit den Bogen zu Kylie Sturgess vom ersten Tag.
Danach ging es um evolutionäre Psychologie und deren unwissenschaftliche Umtriebe. Sie tat dies ausgesprochen unterhaltsam und demontierte auf humorvolle Art jede Menge Stereotypen, Vorurteile und so gen. Studienergebnisse. Frauen hätten es mehr mit der Mode als Männer. Männer seien schon immer die Jäger und Frauen die Sammler gewesen, deshalb gingen Männer heute lieber ins Museum als zum Shoppen. Diese Gleichsetzung von Jagd und Museumsbesuch machte die Absurdität gut deutlich.
Als typischer Vertreter der evolutionären Psychologie wurde Satoshi Kanazawa genannt. Er will herausgefunden haben, dass Männer blonde Frauen bevorzugen, weil bei dieser Haarfarbe das Alter besser abschätzbar sei. In Afrika haben die Frauen nun aber eher selten blonde Haare?! Dort seien blonde Haare nicht nötig, da die Frauen dort meist nackt sind und so das Alter gut schätzbar. Die sei besonders leicht bei Frauen mit großen Brüsten, da diese im Alter immer weiter nach unten sinken. Deshalb bevorzugten Männer auch Frauen mit großen Brüsten.
Und so ging es weiter durch diverse andere Aspekte des Themas. Die Zuhörer waren hellwach und hatten ganz offensichtlich ihren Spaß.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine Houdini-Séance mit Massimo Polidoro, James Randi und Ray Hyman.
Die Altmeister konnten nochmal ihr Können präsentieren.
Auch wenn sich Houdini leider nicht meldete, klappte zumindest der Rest sehr gut.
James Randi ließ sich von Freiwilligen aus dem Publikum fesseln. Er bat direkt nach der Fesselung um einen Stuhl, damit er während der Entfesselung sitzen kann. Welchen Stuhl er genau haben wollte, zeigt er den Freiwilligen mit seinen bereits wieder freien Händen. Beeindruckend.
Gegen Ende war Randi aber nicht ganz bei der Sache.
Er war einfach zu beschäftigt, das Interview mit Massimo Polidoro im Playboy zu suchen.
Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten die drei Skeptikerorganisationen CSI, ECSO und GWUP eine Resolution zur „Einhaltung von Standards in Wissenschaft und Bildung“. Die aktuellen Skandale rund um die Universität Viadrina zeigen, wie wichtig und nötig dieser Aufruf ist.
Ganz zum Schluss möchte ich der GWUP und allen anderen Beteiligten für die sehr gut organisierte Konferenz danken. Es war ein tolles Erlebnis und ich kann jedem die Teilnahme nur empfehlen.
> Hansson plädierte für eine saubere Trennung von Wissenschaft und Politik
da würde mich, der leider nicht anwesend war, interessieren, wie genau (1) diese Trennung aussehen soll, was sie (2) für Vorteile brächte, und ob (3) so etwas wie eine unpolitische Forschung überhaupt möglich ist. Der aktuelle, d.h. seit etwa 60 Jahren gültige Stand der Wissenschaftstheorie lässt letzteres eher unwahrscheinlich erscheinen.