Karl Popper zum 110. Geburtstag

Sir Karl Popper

Karl Popper, der seinen 110. Geburtstag am letzten Samstag gefeiert hätte, sei dieser etwas verspätete Nachruf gewidmet. Popper war unserer Meinung nach für die Wissenschaft einer der bedeutendsten Menschen der letzten 110 Jahre. Sein deutscher Wikipedia-Eintrag, nüchtern, enzyklopädisch, ist da zu bescheiden. In der englischen Wikipedia ist man nicht so zurückhaltend und bezeichnet ihn zu Recht als einen der größten Wissenschaftsphilosophen des 20. Jahrhunderts. Seine Einsichten sind in alle Bereiche der Wissenschaft eingesickert und eine Grundlage heutiger Beweisführung.

Für Popper war das Abgrenzungsproblem, die Kriterien, die Wissenschaft vom „Rest“ trennen, von zentraler Bedeutung. Er akzeptierte als einer der wenigen Philosophen seiner Zeit die Gültigkeit von David Humes Kritik an der Induktion (Die Wahrheit des Satzes „Alle Schwäne sind weiß“ kann nicht durch einzelne Beobachtungssätze des Typs „Dieser Schwan ist weiß“ bewiesen werden) und basierte seine Wissenschaftstheorie nicht auf der Verifizierbarkeit, sondern auf der Falsifizierbarkeit (Wenn ein Schwan gefunden wird, der nicht weiß ist, ist der Satz falsch).

Wir können nichts wirklich wissen, wir können uns dem “absoluten” Wissen nur annähern, indem wir wir das Falsche wegwerfen. Diesem Ziel des möglichst übereinstimmenden menschlichen Wissens über die Realität können wir uns nur durch kühne Hypothesen (Vermutungen), die man dann schärfster Kritik aussetzt, um herauszufinden, ob man sich geirrt hat, nähern. Übersteht eine Hypothese alle Angriffe, wird sie zur Theorie.

Hier offenbart sich auch ein Problem in der Alltagssprache, wo eine Theorie oft im Sinne einer Hypothese, einer Vermutung, genutzt wird. „Evolution ist ja nur eine Theorie“, hört man manchmal. Dies im Unverständnis, dass eine wissenschaftliche Theorie bereits viele Tests und Prüfungen überstanden und sich allem Widerstand zum Trotze bisher als korrekt erwiesen hat.

Der von ihm definierte Falsifikationismus, die Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus, ist in der Grundidee zwar weit älter, aber erst Popper setzte die Falsifikation an die Stelle der Verifikation einer empirischen Theorie.

Jede wissenschaftliche Theorie muss Aussagen treffen, die getestet und gegebenenfalls falsifiziert werden können.

Popper war bei Philosophen allerdings nie besonders beliebt. Sein „Fehler“ war wohl, das er Philosophieren nicht als Selbstzweck, sondern als Notwendigkeit der Erkenntnis sah. Er hat keine eigene Sprache entwickelt, er war im Gegenteil der Meinung, dass das, was man zu sagen hat, für jeden verständlich sein und auf einer Seite Platz haben sollte (Im Sinne Wittgensteins: „Alles, was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen läßt, läßt sich klar aussprechen.“).

Popper war auch sozial und politisch interessiert und plädierte für eine offene und pluralistische Gesellschaft. Popper war als jüdischer Wiener völlig entsetzt, wie so etwas wie ein “Drittes Reich” entstehen konnte. Er griff die Positionen historischer Philosophen scharf an, die mit Theorien über Eliten totalitäre Systeme theoretisch begründet hatten.

In seinem Buch “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde” ging er daher weit zurück zu Platon, um für den Irrwitz eine Erklärung zu finden. Die “Idea”, das “Eidos” des Platon, war für ihn das Grundübel: Nach der absoluten Idee, wie alles zu sein hat, kann nichts Besseres kommen; man muss also streng darauf achten, dass in den folgenden Generationen nichts schlechter wird – besser kann es nicht werden, weil die Quelle die ursprüngliche Idee ist. Damit ist man bei diktatorischen Staaten, und vor allem bei Ideologien, die sich nur dadurch unterscheiden, dass das Eidos noch nicht verwirklicht ist.

Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, daß nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann.

Popper hat als Gegenantwort die “offene Gesellschaft” gesetzt, die eng mit dem Gedanken der Demokratie verbunden ist, aber ihm ist dabei vor allem ein Punkt wichtig: Wer zum Chef gewählt wird, ist weniger wichtig; ob er taugt oder nicht, werden wir dann sehen. Wichtig ist, dass der intellektuelle Meinungsaustausch gewährleistet ist. Und wenn der Chef ein Idiot ist, muss er einfach wieder abgewählt werden können, ohne das es zu Blutvergießen kommt.

Popper hat uns den Umgang mit dem Nichtwissen gelehrt. Dafür ist er nicht hoch genug zu schätzen.

Popper: Wie ich die Philosophie sehe/Alles ist nur Vermutung

23 Gedanken zu „Karl Popper zum 110. Geburtstag“

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  2. Ich finde diese Lobhudelei auf Popper Schade. Ich habe seine Bücher gelesen und auch genossen, aber Popper wird in diesem Artikel völlig überbewertet, was auch damit zusammenhängt, dass er sehr darauf bedacht, sich als ein enfant terrible der Philosophie zu inszenieren. Wenn die eigene Theorie einfach nicht genug Substanz hergibt, dann muss man vermutlich die Popper’sche Show abziehen und sich zum ersten vernünftigen Philosophen der Geschichte stilisieren. Entsprechend geht der Artikel dieser Show völlig auf den Leim und macht sich lächerlich, wenn der akademischen Philosophie, die Poppers Arbeiten zurecht nicht so wahnsinnig wichtig findet, vorgeworfen wird, sie würde Philosophie nur als Selbstzweck betreiben. Zum empirischen Gegenbeweis könnte man sich ja mal ansehen, was Philosophie-Institute an Universitäten wirklich tun und sich bitte nicht nur irgendein negatives Beispiel heraussuchen (Induktion?), sondern ein bisschen gründlicher nachforschen.

    Aber werden wir doch gerne etwas konkreter:

    Dass Popper der erste gewesen sein solle, der Humes Induktionskritik ernst genommen habe, stimmt einfach nicht. Man könnte Kant oder Hegel anführen, die sich beide sehr deutlich über die Ungewissheit sinnlicher Erfahrung ausgelassen haben. Deren Kritik läuft letztlich auf genau das gleiche hinaus. Popper hat aber hier Hegel vermutlich einfach nicht verstanden, was sich auch an seiner überaus undifferenzierten Hegel-Hetze in Band II der offenen Gesellschaft zeigt. Popper ist dort einfach nicht sachlich und ruiniert damit große Teile des ansonsten legitimen Anliegens.

    Zweitens ist Poppers Forschungstheorie aus zwei erheblichen Gründen in der philosophischen Diskussion durchgefallen: Erstens ist sie inkonsistent, da sie vom eigenen Abgrenzungskriterium als Metaphysik ausgewiesen wird. Um das zu sehen, muss man nur versuchen, sich ein Experiment auszudenken, dass seine Forschungstheorie widerlegt. Das geht trivialerweise nicht. Also Metaphysik. Zweitens ist seine Theorie normativ, entwickelt also Sätze, wie Wissenschaftler arbeiten sollen. Philosophen sind aber im 20. Jahrhundert, dank den Franzosen, auf die Idee gekommen, dass Wissenschaft ein bissl komplizierter ist und man sich vielleicht mal ansehen sollte, was Wissenschaftler und ihre Vorläufer über die Jahrhunderte so getan haben (und heute noch tun). Dann sieht man nämlich, dass Poppers Theorie nur die Niederschrift eines großen Selbstbetrugs ist: Niemand arbeitet in Laboren so, wie Popper behauptet. Das passt fabelhaft zu seinem Metaphysikproblem: Er spricht nicht über eine empirische Realität, sondern reproduziert, was man Studis im Grundstudium erzählt, damit sie erstmal nicht so viele Fragen stellen, sondern sich auf ihr Fach konzentrieren. Popper mischt sich stattdessen einfach in alle anderen Wissenschaften ein und erzählt denen, wie es richtig geht. Was für ein Witz! Ordentliche Wissenschaftsforscher schauen sich empirisch an, was in Laboren und an Universitätsschreibtischen stattfindet und versuchen dann eine geeignete Beschreibung hierfür zu finden.

    Schließlich und drittens ist das Gerede davon, dass man alles einfach ausdrücken können muss, ein unsagbar dummes Stammtischgerede für Leute, die zu faul sind, etwas zu studieren, aber trotzdem überall mitreden wollen. Manche Dinge sind einfach kompliziert und es dürfte bei normaler Schriftgröße arg schwierig sein, eine gegenwärtige wissenschaftliche Theorie, etwa aus der Physik, akkurat, d.h. nicht didaktisch-populär reduziert, auf eine Seite unterzubringen. Man kann sich auch überlegen, wie man wohl die kleinste natürliche Zahl beschreibt, deren konkrete Berechnungsvorschrift mit nicht weniger als drei Schreibmaschinenseiten dargestellt werden kann. Und jetzt macht das mal auf einer Seite: ohne Reduktion ist da nichts zu machen. Aber wie schon Einstein gesagt haben soll: Keep it simple, as simple as possible, but not simpler. Die Alternative ist natürlich, neuere Forschungsergebnisse nicht akzeptieren zu wollen und sich mit Gewalt an irgendein wirres Weltbild zu klammern, das irgendwie versucht, zu beweisen, das Einstein und Planck falsch lagen – notfalls auch mit freier Energie oder müdem Licht. Kommt bekannt vor, oder?

    Popper hingegen schreibt metaphysischen Kram vom Schreibtisch herab, immunisiert die eigene Theorie gegen empirische Kritik, wirft genau dieses anderen vor und kann, sobald es etwas kompliziert wird, nur noch polemisieren. Das ist der Grund, warum in der akademischen Philosophie nur eine Minderheit Popper macht. Nicht weniger kritisch ist seine politische Philosophie zu sehen: Popper hat, wenn man auf die Details schaut, ein extrem reaktionäres Demokratie-Bild, das allenfalls in schön klingende Worte verpackt ist. Dass da etwas nicht stimmt, sollte leicht auffallen, wenn man sich vor Augen führt, dass Popper ein Zwei-Parteien-System vorgeschlagen hat. Übrigens ein System aus zwei sozialdemokratischen Parteien. Weniger kann man die moderne Demokratie nicht verstehen und schon lange vor 1945 haben moderne Gesellschaften nicht mehr so funktioniert. Popper reproduziert in den Texten einen unreflektierten Philoamerikanismus, der überaus irrational ist.

    Ich schlage vor, Ihr lasst die unreflektierte Popper-Feierei sein und schaut Euch einfach mal ohne Vorurteile an, was Wissenschafts- und Technikphilosophen (das gehört heute untrennbar zusammen) nach 1932 so gemacht haben. Man könnte sehen, dass seine 80 Jahre alte Theorie aus gutem Grund heute keine Rolle mehr spielt.

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  3. @Kai Denker: Vielen dank für den Kommentar.
    Bestätigt er doch Poppers Bonmot wenigstens im Umkehrschluss, dass, das, was man klar denken kann, auch klar sagen kann.

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  4. @Kai Denker @PSIRAM: Klasse, vielen Dank für die Beiträge. Aufgestanden GWUP Tweet gecheckt, hierher gekommen, was gelernt und Lust auf neuen Lesestoff bekommen.

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  5. @Kai Denker: Bin zwar in Philosophie nicht sehr bewandert, aber das Poppers Wissenschaftstheorie nur Metaphysik ist, sehe ich nicht als Problem. Die Mathematik ist ja auch Metaphysik nach seiner Definition. Es ging ihm ja darum die empirischen Wissenschaften von den anderen abzugrenzen. Und die Philosophie ist nun mal im wesentlichen keine empirische Wissenschaft.

    Für die Naturwissenschaften ist meines Erachtens nach die Theorie von immensen Wert, da klar das Problem der Unbeweisbarkeit formuliert wurde. Das er nicht der einzige (und erste) war, der auf solche Gedanken gekommen ist, ist klar. Es liegt in der Natur der Wissenschaft und Erkenntnis, dass oft mehrere das selbe gleichzeitig „erfinden“. Auch Darwin musste sich beeilen, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen.

    Popper hat auch klar unterschieden zwischen dem Prinzip der Falsifizierbarkeit und der angewandten Methodologie. Ihm ging es um das Prinzip.

    Das seine Theorie heute in der Praxis keine Rolle mehr spielt, mag sein. Wissenschaft hat heute weniger das Problem, sich von Pseudowissenschaft abgrenzen zu müssen. Die wenigsten Wissenschaftler die ich kenne haben zu Popper einen Bezug, aber jeder weiß, dass eine These zu testen und wenn sie falsifiziert wird, fallen gelassen werden muss. Vielleicht ist die Theorie heute nicht mehr so wichtig, weil sie wissenschaftliches Alltagswissen geworden ist?

    Für Psiram ist das anders. Unsere Kunden sind die Pseudowissenschaftler, um die es Popper ging. Die Abgrenzung gegen diverse Teile der Metaphysik wie die Mathematik oder Logik war ihm nicht so wichtig, die Abgrenzung gegen Pseudowissenschaft schon.

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  6. Kurfürst :

    Lieber Psiram-Autor!
    Das Parkett der Philosophen nimmt es locker mit dem der Diplomaten auf. >:->

    Lieber Kurfürst,
    darum betreten es wir, wenn überhaupt, nur mit frisch geschliffenen Kufen.

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  7. @Kai Denker: Was ich Deinem ansonsten superinteressanten Rant vorwerfen möchte ist, dass Du darin zu einer Frage der ausreichend tiefen Beschäftigung mit der Materie machst, was eigentlich ein Richtungsstreit ist, in dem Du eine Position beziehst. Was meinst Du mit den Franzosen? Wenn Du damit Latour und so meinst, die natürlich, vorsichtig gesagt, auch nicht von der gesamten akademischen Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Technik ernst genommen werden, und bei denen ein Großteil der Leser hier wahrscheinlich zuerst an Sokal denken wird, dann ist das so, als würdest Du in einem libertären Blog unter einen Nachruf auf F. A. Hayek schreiben, der sei überschätzt, und um das zu erkennen, müsse man Lenin lesen.

    Das geht so weit, dass Du die Gegenposition absichtlich schlecht darstellst, glaube ich. Nämlich in dem Absatz über die Alltagssprachlichkeit. Den Vorwurf, den Popper und der Nachrufer einer bestimmten Art von Philosophie machen, ist doch nicht der, dass man sie erklären muss oder dass man studieren muss, um sie zu verstehen (dass das regelmäßig nötig ist, wird er als Freund der Naturwissenschaften gewusst und nicht bestritten haben), sondern darum, dass man sie auslegen muss. Dass ihre Autoren bewusst in Kauf nehmen, dass unterschiedliche Leser eine Argumentation unterschiedlich rekonstruieren werden, verbunden mit der Behauptung, das gehe gar nicht anders. Das ist mit den Werten der Naturwissenschaft und auch der konkurrierenden, anderen Art zu philosophieren, schwer vereinbar, und das war hier gemeint.

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  8. @Michael Zilske: Alles wird gut, die Umlaute hat wohl ein guter Geist repariert 🙂

    Ansonsten: Danke für die konstruktivie Replik. Popper ist halt im Wesentlichen Philosophie für Nichtphilosophen – jeder ist ein Philosoph, meinte er. Schmeckt natürlich nicht jedem, wenn man plötzlich merkt, dass man sein Spezialgebiet nicht mehr durch Inhalte, sondern Definitionen von diesem definieren muss.

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  9. @ Kai Denker:

    (1) Danke für den ausführlichen Kommentar. Einiges, wie der Metaphysik-Vorwurf an Popper, wird mir damit klarer.

    (2) In die kritische Sicht einzubeziehen ist m. E. zusätzlich die Mont-Pelerin-Society, zu deren Gründungern er zählen soll.

    (3) Was mir allerdings zu kurz kommt ist, dass – soweit ich weiß – zwischen frühem und alten Popper unterschieden werden sollte. Später soll er sich von seinem Falsifikationismus insofern abgerückt sein, als er dann nur noch die Idee vertrat, eine Theorie müsse kritisierbar sein. Das schützt ihn freilich nicht von Ihrer Kritik (vierter Absatz: „Zweitens ist Poppers Forschungstheorie aus …“), würd ihn aber deutlich stärker in die Richtung eines Pankritischen Rationalismus wie ihn Bartley verstand, rücken.

    (4) Ein Punkt Ihrer Kritik interessiert mich aber näher. Sie schrieben: „Um das zu sehen, muss man nur versuchen, sich ein Experiment auszudenken, dass seine Forschungstheorie widerlegt“. Genau das wird aber gelehrt und mit dem Null-Hypothesen-Test auch praktiziert.

    (5) Den positiven Wert Poppers sehe ich darin, dass Theorien und Wissenschaft allgemein verstärkt an einen gewissen formalen Prüf- und Kritikprozess gebunden sind, d. h. Theorien müssen kritisier- und prüfbar sein.

    (6) Heute wird viel auf Popper gehalten, dem Etikett nach auch „kritischer Rationalismus“ betrieben, unter der Haube bleibt es leider in bestimmten wissenschaftlichen Bereichen aber einfach nur ein Etikett (z. B. in der Ökonomik). Angesichts dessen ist mir ein wenig mehr ehrlich betriebener Popper lieber, als ein Pseudogepoppere.

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  10. @ Kai Denker
    Feine Kritik die Du da verfasst hast, hast du denn Vorschläge für eine Lektüre die einen auf einen etwas neueren Stand in der „Wisenschaftsphilosophie“ bringt?

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  11. @Kai Denker
    Kann ja gut sein, dass Popper in der akademischen Philosophie durchgefallen ist. Vielleicht gibt es da auch einen Zusammenhang mit der These Schnädelbachs, dass die Philosophie sich zu einem Orchideenfach zurückgebildet hat und „wichtige Beiträge zu den großen Orientierungsproblemen der nachdenklichen Menschen nicht länger zu erwarten sind“.

    Wie es im Labor ist, weiß ich nicht, aber in der täglichen Praxis hilft es doch sehr, sich immer mal wieder die Frage vorzulegen: „Was spricht eigentlich gegen meine Theorie?“ Ich kenne genügend Leute, die das nicht tun. Sie haben auf Dauer nicht das, was ich unter Erfolg verstehe.

    Was einem als Alternative zum Rationalismus Popperscher Prägung in der Medizin so angeboten wird, ist brauchbar allenfalls als Watte, in die die „Alternativ-Medizin“ eingepackt werden soll (z.B. Achenbach GB: „Pluralismus in der Medizin. Wahrheit als Verschiedenheit“, Dtsch Arztebl 2011; 108(3): A 98-101)
    http://www.aerzteblatt.de/archiv/80362

    Wenn ich nun, wie schon Stallone, Herrn Denker darum bitte, seine vornehme Zurückhaltung aufzugeben und uns konkreter zu informieren, welche Art von Philosophie in der Wissenschaft fruchtbringender als diejenige Poppers ist, damit ich meine bisherige Ansicht vielleicht widerlegen kann, bin ich dann für oder gegen Popper?

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  12. @bayle: repariert. Dass Umlaute zerschossen werden, ist ein Bug des Chaptchas, dieser Verifizierungsgeschichte, dass man ein Mensch sei. Also am besten hier registrieren (völlig unverbindlich natürlich), anmelden, dann kommentieren.

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  13. Das ist echt nicht mein Humor:
    Wenn ich zum Beispiel sage: „Kannst du widerlegen, dass Tante Emma, seit sie Rohkost isst, keinen Schnupfen mehr hat? Und kannst du widerlegen, dass Onkel Ernst, nachdem er wieder eine Schweinshaxe vertilgt hat, immer Sodbrennen bekommt und danach erschöpft im Sessel einschläft? Kannst du widerlegen, dass Rohkost die Gesundheit aufleben lässt und der Krankheit den Garaus macht? Kannst du widerlegen, dass die, die die meisten Vorbehalte dagegen haben, häufig sehr krank sind?“ Der Fantasie sind natürlich keine Grenzen gesetzt, und in diesem Sinne wünsche ich: Fröhliche
    Unterhaltung und viel Humor!

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  14. Da uns Kai Denker so schnöde im Stich lässt mit den Literaturnachweisen (wahrscheinlich sind wir sowieso nicht zu retten), helfe ich mir selbst. Als Guide zu den Franzosen habe ich mir Alan Sokal und Jean Bricmont „Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen“, Beck, München 1999, besorgt.

    Sokal und Bricmont zitieren Lacan: „… So also symbolisiert das erektionsfähige Organ den Platz des Genießens, nicht als es selbst, nicht mal als Bild, sondern als der dem begehrten Bild fehlende Teil: darum auch ist es dem [Wurzel aus -1] des weiter oben produzierten Bedeutung gleichzusetzen, des Genießens, den es durch den Koeffizienten seiner Aussage der Mangelfunktion des Signifikanten wiedererstattet: (-1).“

    Und sie kommentieren: „Wir gestehen, dass es uns bedrückt, wenn unser erektionsfähiges Organ mit [Wurzel aus -1] gleichgesetzt wird. Dies erinnert uns an Woody Allen, der sich in Der Schläfer gegen die Umprogrammierung seines Gehirns wehrt: ‚Sie dürfen mein Gehirn nicht anrühren, das ist mein zweitliebstes Organ!‘“

    Übrigens ist da auch eine vernünftige, wenn auch kurze, Popper-Kritik drin.

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  15. Völlig richtig. Aber es gibt einige Philosophen, die überwiegend Gescheites von sich gegeben haben – ebenso wie es einige Philosophen gibt, deren Grundannahmen, bei Lichte besehen, absurd sind. Aus der Tatsache, dass es keine Regeln gibt, die absolut richtig sind, folgt nicht, dass es gar keine Regeln gibt. Das Selber-Nachdenken („kann denn das sein“?) lässt sich leider durch keine reine Lektüre ersetzen.

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  16. edit: … lässt sich leider nicht durch reine Lektüre ersetzen; in irgendeiner Weise muss ein Abgleich mit der Realität erfolgen und ein Blick auf praktische Schlussfolgerungen geworfen werden.

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  17. @ bayle: Danke für das Stichwort Sokal, muss das Büchlein mal wieder vorziehen, eine wunderbare Erdung. Die Popper-Kritik dort zeigt übrigens, dass die Jungs denken können. Ich bin zwar überhaupt nicht ihrer Meinung, aber das ist ein Niveau, auf dem man freudig streiten kann, ohne in Tischkanten beißen zu müssen.

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