Teil I
Es ist Sommer, also Hochsaison für alle möglichen Plastikschamanen für Seminare, Heilsitzungen, Schwitzhütten und sonstiges Brimborium. Daher haben wir nun die Ehre, als zahlende Gäste zu Einführungsseminaren bei einem Herrn namens Ac Tah geladen zu werden. Ac Tah ist schon ein paar Jahre im Geschäft, zunächst mit 2012-Schwurbelei. Nun gut, 2012 ist durch, 2013 hat er offenbar weitgehend pausiert (die am 21.12. geladenen Energien verdauen, nehmen wir an), aber dieses Jahr geht es weiter mit Veranstaltungen in den USA und auch in Deutschland. Auch ein Plastic möchte sich ja am essen halten.
Auffällig ist, dass sein bürgerlicher Name nirgendwo erscheint – bis auf den Vornamen Felipe. In der deutschen Werbung für die vier Seminare heißt es, er sei bereits 22 Jahre im Geschäft, aber bis 2012 nur in Mexiko tätig gewesen und erst danach auch in den USA und Kanada. Er wird aber auf US-Seiten bereits vor 2012 mit Veranstaltungen außerhalb von Mexiko erwähnt.
Nun bietet er in Deutschland vier Seminare an. Das erste Seminar lehrt in nur sieben Stunden angebliche heilige Tänze (das sieht aus wie Tai-Chi in einem auf indianisch getrimmten Outfit), mit denen man sein Energiefeld ausgleichen, konstant das Nervensystem stimulieren (wollen wir das eigentlich wirklich?) und neue Synapsen entwickeln können soll (reichen die 100 Billionen, die Wikipedia uns zubilligt, denn nicht?). Für einen Kurs von € 100 ist das doch ein ordentlich dickes Paket.
Ein zweites Seminar à sieben Stunden lehrt angebliche Heilgesänge. Du sprichst keine Maya-Sprache – macht nix: „Diese heiligen Lieder sind auch ohne Worte für jedes Wesen mit dem Herzen sofort zu verstehen.“ Also, lieber Kunde, wenn es bei dir mit dem Verständnis nicht so klappt, hast du vermutlich einen Herzfehler. Nachsingen ist offenbar nicht vorgesehen, aber „Singen erzeugt elektromagnetisches Feld welches unser eigenes und das anderer beeinflussen kann“ und „In dieses heilige Wissen um die Kraft und Wirkungsweise der Lieder der Mayas wird uns Ac Tah einweihen“. Auch dieses eintägige Seminar ohne Sprachkurs für nur € 110.
Weiter geht es am nächsten Tag mit einem ebenfalls eintägigen Schwitzhüttenseminar. Weiß ja jeder: Indianer machen Schwitzhütten. Wie anderen Ankündigungen seiner Seminare zu entnehmen ist, nennt Felipe Ac Tah diese übrigens „Temazcal“. Das wiederum ist aus keiner Maya-Sprache, sondern das Wort temazcalli kommt aus dem Nahuatl und die Azteken gehören nicht zu den Maya-sprachigen Ethnien. (Chor: Das macht doch nix, das merkt doch keiner…) Übersetzt ist ein temazcalli ein Schwitzhaus; in Mesoamerika wurden diese auch traditionell aus Stein errichtet und hatten keine spirituelle Funktion, sondern wurden eher genutzt wie eine Sauna. Das spricht nicht für ein profundes Wissen bei Herrn Ac Tah und zusätzlich ist er mit einem Preis von € 110 am oberen Ende der Preisskala für eine Schwitzhütte.
Am letzten Tag gibt es ein weiteres Seminar über Heilrituale und verschiedene Zeremonien zur Energiebewegung, in dem gleich verschiedene Techniken vermittelt werden sollen. Auch alles in sieben Stunden, inklusive Praxisübungen. Wir dachten uns schon: für € 110.
Trotzdem sind wir etwas enttäuscht von diesem Angebot, das gegenüber den Prä-2012 organisierten Seminaren im Anspruch doch zurückfällt. Da haben wir z.B. ein Seminar in den USA gefunden, bei dem Folgendes gelehrt wurde:
„Maya-Philosophie und Kosmovision
Alchemische Weisheit zum Regulieren der inneren und äußeren Energien
Astronomie zu Regeneration der Zellen
Geometrie und Trigonometrie für perfekte Balance und Gesundheit
Thermodynamik zur Kontrolle Ihres Verstands und Ihrer Emotionen.“
Oder Vorträge in Santa Monica:
„… über Wissenschaft (d.h. Quantenphysik, Antimaterie und Partikelbeschleuniger, Protonenkollision, tektonische Platten und Magma-Aktivität, Quecksilber in LED-Leuchten, Torsionsenergie, Massenkonstruktion von Pyramiden, elektromagnetische Felder und Zusammenprall des galaktischen Zentrums mit der Sonne, Auswirkung auf das elektrische Netz)…“
So viel Wissenschaft für nur $ 95 an der Abendkasse! Und bitte, wir hätten doch auch gerne Aufklärung darüber, welchen Einfluss das „Quecksilber“ in LED-Leuchten auf die tektonischen Platten nun haben soll – das muss man doch wissen.
Wir reichen aber noch eine Zugabe hinterher – Ac Tah über meso-amerikanische Pyramiden:
“Pyramiden sind eine natürliche Technologie, die von unseren Vorfahren gebaut wurden, um Ultraschallfrequenzen zu übertragen, die die Zirbeldrüse im Gehirn aktivieren, so dass ein breiteres Spektrum an Frequenzen empfangen werden kann und wir uns daher bewusst werden, dass wir Teil eines Ganzen sind…“
Vielleicht sollte Ac Tah doch mal bei Wikipedia nachlesen, wofür eine Zirbeldrüse üblicherweise zuständig ist: sie produziert Melatonin und zwar vorwiegend nachts. (Achso, dann hat sie tagsüber Zeit für den Ultraschall?)
Unsere Freunde bei NAFPS kennen Ac Tah übrigens schon – sie haben außerdem recherchiert, dass Ac Tah offenbar Seminarteilnehmerinnen gerne einredet, die Aufnahme sexueller Beziehungen zu ihm werde ihren Zugang zum Wissen ganz erheblich beschleunigen.
Fortsetzung folgt – die Organisatoren und Werber sind auch interessant.
Der Vergleich der gebotenen Inhalte in Seminaren der USA und Deutschland halte ich für interessant. Das Land des Pragmatismus mag es eher handfest, will also positivistisch fundiert wissen, was die Zauberei nun alles ganz praktisch bringt. Die Deutschen wollen eher Unbestimmtes, Seichtes, was fürs Herz und Seele – den Deutschen ist selbst Margot Käßmann noch zu ‚rational‘. Gibt es eigentlich eine Art Überblick über solch‘ länderspezifischen Bedürfnisse, aus denen die Esoterik ihr Kapital schlägt?
ACTA(h)? Da klingelt was.