Psychology of Vision II – Staatsknete abgreifen, Spenden fordern und den Wohltäter mimen

Bevor sich unsere Leser um ihre Steuergelder sorgen: das findet nicht hierzulande statt, sondern in Kanada. Methoden und Vorgehen werden dadurch nicht weniger perfide und verdienen, ins Auge gefasst zu werden.

Kanada hat, wie die USA, eine indigene Bevölkerung, die von Staats wegen nicht sonderlich gut behandelt wurde. In Kanada gibt es ebenfalls eine Vielzahl von Reservationen, die aber meist nicht gesamten Ethnien zugeteilt wurden, sondern einzelnen Gruppen oder Siedlungen einer Ethnie. Bei den alten Römern nannte sich dies: divide et impera. Angehörige dieser Gruppen wurden als „Status Indian“ anerkannt. Nun sind indigene Bevölkerungen ja auch immer irgendwie eine Erinnerung daran, dass das Land an und für sich mal anderen Leuten gehört hat, was unbequem drücken kann – andererseits will der gute Kolonialist natürlich „die Wilden“ zivilisieren und weiß, was für diese gut ist.

Der Zivilisierung dienen sollten z.B. sogenannte Residential Schools (Schulinternate) für indigene Kinder und Jugendliche. Die Internate (das letzte wurde erst 1996 geschlossen) lagen meist weit entfernt von ihren Heimatgemeinden, so dass Familienaufenthalte höchstens in den Sommerferien zustande kamen. Diese Internate waren nun in der Tat keine Sommerfrische: häufig von verschiedenen Kirchen unterhalten, wollte man indigene Kinder zivilisieren und christianisieren, und achja: auch ein wenig bilden. Unterhaltungen in der Muttersprache waren verboten und wurden brutal bestraft, die Herkunftskulturen wurden als minderwertig diffamiert. Versorgung und Unterbringung waren grauenhaft; viele Kinder verstarben an grassierenden Infektionskrankheiten, bei Fluchtversuchen und durch Selbstmord. Zudem wurden viele Kinder und Jugendliche in diesen Internaten Opfer physischer, psychischer und sexueller Gewalt. Dies wurde vor einigen Jahren in Kanada thematisiert und die Regierung sah sich genötigt, Gelder zur Behandlung der überlebenden Opfer zur Verfügung zu stellen. Insgesamt machte sie für die Therapie der traumatisierten indigenen Personen eine Summe von CAD 500 Millionen locker. Der Haken? Es wurden z. B. keine (in vielen Fällen angebrachten) Einzeltherapien bezahlt, sondern nur Gruppentherapien. Ein Artikel bietet einen Überblick, wie sich Scharlatane und Quacksalber zum Absahnen aufmachten und Health Canada lieber nicht zur Kenntnis nehmen wollte, dass es sich z. B. bei Neurolinguistischem Programmieren und anderen Schwurbelangeboten um Esoterik handelt.

Chuck Spezzano
Chuck Spezzano – Gründer von PoV

Auch PoV hüpfte auf den Zug und fiel im Bundesstaat British Columbia ein; schließlich ist man ja angetreten, „den Planeten zu heilen“. Und überhaupt ist man ja sooo toll zu den Indianern, die selbstverständlich ordentlich dankbar sind – der „weiße Vater“ weiß schließlich genau, was für seine „roten Kinder“ gut ist. Sowieso hat PoV dieselben Werte wie indigene Kulturen – sagen die Spezzanos, und überall, wo PoV aufschlägt, komme es zu einer „Renaissance indigener Kultur“.

Übrigens ist einer der Grundsätze bei PoV, dass einem nur das widerfahre, was man selbst zuvor anderen angetan hat oder noch antut. Wie ein solcher gequirlter Schwurbelmist bei Überlebenden sexueller Gewalt und systematischer Misshandlungen ankommen muss und welche zusätzlichen Traumata ausgelöst werden, mag man sich gar nicht vorstellen.

PoV erweckt auch gerne den Eindruck, man „behandele“ indigene Personen für umme: nein, die Seminargebühren werden nur leicht reduziert. So z. B. bei diesem Seminar von CAD 460 auf CAD 360, jeweils plus Steuern. Natürlich sollen auch indigene Kunden möglichst das 100-Tage-Programm sowie die anderen Programme abreiten. Die reduzierten Preise holt man durch weltweite regelmäßige Sammlungen bei anderen PoV-Mitgliedern wieder herein, die freigiebig für einen „First Nations Fund“ spenden dürfen, mit dem PoV jedoch angeblich gar nichts zu tun hat: das sei eine Aktivität der Mitglieder.

Susan How, mManagerin des First Nation Fund
Susan How, Managerin des First Nation Fund

Auch intern gibt es erhebliche Anreize, PoV-Seminare in indigenen Gemeinden zu organisieren, da die Kursleiter in diesen Fällen alle ihnen entstehenden Kosten erstattet bekommen, die bei Seminaren außerhalb dieses Kontextes natürlich von den Kursleitern selbst zu tragen sind. Die jährlich anfallenden Trainerlizenzen können ebenfalls mit für indigene Kundschaft angebotenen Seminaren ganz oder teilweise verrechnet werden. Sagt Kapitel K des PoV-Trainerhandbuchs. Pro ganzem Seminartag kann der Trainer die Lizenzgebühren damit um $350 reduzieren.

Apropos Behandlung: wir sollten uns nochmals vergegenwärtigen, dass es sich bei PoV um keine anerkannte psychologische Methode handelt – noch nicht einmal um eine psychologische Methode. Eine Peer Review hat nie stattgefunden. PoV wird dennoch in einer in Deutschland verfassten Dissertation erwähnt: als esoterische Selbstoptimierungstherapie in einer Aufzählung mit vielen anderen Schwurbel- und Quackmethoden.

Auf eigenen Webseiten wird das folgendermaßen verschwurbelt:

Psychology of Vision is both a healing model and a global community of people teaching and practicing that model. Psychology of Vision is a path of the heart that has helped tens of thousands of people around the world through seminars, one-to-one coaching and its many products and publications. It has helped people improve their lives, their relationships and their health by giving them an understanding of themselves and others, and giving them insights into the events in their lives. It is a model that teaches emotional intelligence through a remembering of Self.[1]Psychology of Vision ist sowohl ein Heilungsmodell wie auch eine globale Gemeinschaft von Menschen, die dieses Modell lehren und praktizieren. Psychology of Vision ist ein Pfad des Herzens, der zehntausenden Menschen auf der Welt durch Seminare, Einzelberatungen und seine vielen Produkte und Publikationen geholfen hat. Sie [PoV] hat Menschen geholfen, ihr Leben, ihre Beziehungen und ihre Gesundheit zu verbessern, indem sie ihnen ein Verständnis von sich selbst und anderen und Einsichten in Ereignisse in ihrem Leben ermöglicht hat. Sie ist ein Modell, das emotionale Intelligenz durch das Erinnern des Selbst lehrt.

Der Herr Beziehungsretter mutiert also intern zum Heiler. Die Verquickung des behaupteten Heilungsmodells mit einer angeblich globalen Gemeinschaft zeigt eine sektenähnliche Struktur bei PoV auf. Zusätzlich wird durch die Erwähnung von „Seminaren, Einzelberatungen und seine vielen Produkte und Publikationen“ der kommerzielle Charakter von PoV herausgestellt und damit letztlich eingeräumt, dass es sich um keine Therapie handelt. Apropos „kommerziell“: auf einer PoV-Webseite wird Spezzanos Europareise angekündigt und erläutert, dass Spezzano im April und Juli 2014 in England für „private Beratungssitzungen“ zur Verfügung stehe und – „Seine Gebühr beträgt £700 für eine einstündige Sitzung“[2]. Na, von dem Stundenlohn träumt jede Gewerkschaft.

PoV bevorzugt als indigene Kunden offenbar Personen, die in den örtlichen tribalen Verwaltungen arbeiten. Aus dem Trainerhandbuch von PoV geht hervor, dass mindestens beim internen Aufstieg zu höheren Positionen Selbstverpflichtungen und Erklärungen anstehen, wie der Kandidat dazu beizutragen gedenke, „den Planeten zu heilen“. Tipps dazu werden gleich mitgeliefert: Kollegen und vor allem Vorgesetzte in der Verwaltung, aber auch Familie und Freunde sowie auch Angehörige der traditionellen tribalen sozialen und politischen Strukturen (bei den Ethnien in British Columbia häufig erbliche Positionen) an PoV-Methoden heranzuführen und zur Übernahme und Anwendung zu veranlassen. Also ein gewöhnliches Schneeballsystem, in dem die Opfer weitere Opfer rekrutieren müssen und so allmählich zu Tätern „aufsteigen“. Insbesondere, wenn Verwaltungsmitarbeiter gegenüber PoV Erfolgsberichte abgeben müssen (vierteljährlich), ist eine Einflussnahme auf weitere Angehörige der Ethnie vorstellbar, denn in vielen Reservationen ist die Verwaltung ein wichtiger, teils sogar der einzige größere Arbeitgeber vor Ort, und auch weitere wichtige Bereiche wie Wohnungsbau, die Verwaltung und Verteilung von Erträgen aus Gemeinschaftsbesitz, Vergabe von Qualifizierungsmöglichkeiten, Zuschüssen etc. bieten Möglichkeiten, den Zustrom in PoV-Seminare zu lenken.

Hier entsteht das Bild eines Spinnennetzes, in dem Kunden sich verfangen und nicht mehr freikommen (sollen). Jetzt sind wir neugierig – schauen wir doch im Teil III gleich mal, ob PoV in Europa ähnliche Strategien anwendet oder ob es hier beim Beziehungskitten (Spezzano verkauft u.a. ein „Beziehungs-Notfallset“ — nein, liebe Leser, ihr seid Ferkel mit unreinem Gemüt, es geht wirklich nur darum, dass ihr euren Partner/eure Partnerin mit Uhu am Sessel bei euch behaltet!) bleibt.


[1]http://povcanada.com/about-us/

[2]http://www.povevents.com/chuck-spezzano/private-coaching-chuck-spezzano/

Schreibe einen Kommentar

css.php