Initiative zur Förderung einer gerechten und sachlichen Debatte

Auf dem Blog „Der Volksverpetzer – Keine Demokratie ohne Fakten“ erschien gestern ein langer Beitrag von einem Kollektiv aus Wissenschaftler_innen verschiedener Disziplinen.

Sie sind alte Hasen:

Zusammen bringen wir viel Erfahrung im breit gefächerten wissenschaftlichen Diskurs und unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema mit, die wir hier zur Anwendung bringen wollen, um eine gerechte, sachliche Debatte zu fördern. Nichtdestotrotz haben wir uns dazu entschieden, diesen Text nicht mit unseren Klarnamen bei Volksverpetzer zu veröffentlichen.

Das Doofe ist, dass gar keine Debatte stattfinden kann, weil es auf der Seite vom Volksverpetzer keine Kommentarfunktion gibt und weil der Twixxer-Account des Volksverpetzers in dem Post die Kommentare auf Accounts, denen er folgt, beschränkt hat.

Da wir bei Psiram auf eine lange und geile Tradition gerechter und sachlicher Debatten zurückblicken können, und das in der wunderbar geschlechts-, gesichts- und autoritätslosen Welt der Anonymität, können wir einfach und niederschwellig den Kommentarbereich unseres Blogs für eine Diskussion zur Verfügung stellen.

Hart in der Sache, sanft zur Person, wie ein kluger Mann kürzlich sagte.

So, kämpft Euch durch die ca. 66.000 Zeichen von:

Gegen eine Moral Panic – eine Replik auf die Kritik an „Critical Studies“

… und diskutiert einfach hier.

Wir Anonymen Wissenschaftler müssen doch zusammenhalten.

Möge das bessere Argument gewinnen!

123 Gedanken zu „Initiative zur Förderung einer gerechten und sachlichen Debatte“

  1. Mir stößt besonders dieser Strohmann, auf den seitenlang eingedroschen wird, auf:

    „legt Mahners Pamphlet dar, warum er sich an ganzen akademischen Forschungsfeldern stört und weswegen diese als Verdachtsfälle der Pseudowissenschaftlichkeit zu kategorisieren seien. Um dies zu begründen, subsumiert Mahner unterschiedlichste Disziplinen – konkret die Critical Race Theory, Post-Colonial Studies, Gender Studies, Queer Studies, Fat Studies und Disability Studies – unter dem Dachbegriff der „Critical Studies“ und versucht sie so als monolithisches Gesamtkonstrukt anzugreifen.“

    Belegt werden soll das mit diesem Zitat Mahners:
    „Um zu verstehen, warum die CS [Critical Studies, Anm. d. Red.] im Verdacht stehen, ihren Wissenschaftsanspruch zumindest teilweise nicht zu erfüllen, ist es hilfreich, einen Blick auf ein allgemeines Analyseschema zu werfen, das auf alle Bereiche angewandt werden kann, die einen Erkenntnisanspruch erheben, sei er berechtigt oder nicht (s. Abb 1, S.8). Das Schema kann also gleichermaßen auf die Physik und die Homöopathie oder auf die Erziehungswissenschaften und die Waldorfpädagogik angewandt werden.“

    Wie kann man es schaffen, die Einschränkung „zumindest teilweise“ zu überlesen und zu ignorieren?
    Gehört sinnverstehendes Lesen nicht zur Grundvoraussetzung, um irgendein Studium abzuschließen und sich stolz Skeptiker_in und Wissenschaftler_in zu nennen?

    Es wirkt eher wie eine wortreiche Übung in absichtlich-missverstehendem Lesen.

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    • @Cohen: Zumindest in diesem Punkt ist das dann jetzt wohl die schriftliche Fassung eines Videotalks von „Team Hümmler and friends“. Wurde vor zwei oder drei Monaten herumgereicht, kennen wahrscheinlich die meisten besser als ich. Da wurde Martin Mahner ähnlich angegangen. Die Attacken gingen – jeweils sinngemäß – von: Texte von Mahner zu lesen ist sowieso verschwendete Lebenszeit, bis: Der ist zu blöd für richtige logische Schlussfolgerungen, aber falls er demnächst begriffen haben sollte, was Fußnoten sind, darf er eventuell nochmal mit dem Hut in der Hand vorsprechen und um Gehör bitten.

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  2. Vielen Dank für die Möglichkeit der Diskussion.

    Ich beginne mal mit Fehlern, die mir spontan auffallen und die darauf hinweisen, dass Martin Mahner mit seiner Kritik an den CS recht hat. Die unbekannten Wissenschaftler machen nämlich eben jene Fehler, die ihnen z. B. von Sokal et al. vorgeworfen werden.

    Der Absatz KEINE PRÄZISEN LOGISCHEN KAUSALKETTEN beginnt mit einem Strohmann und zeugt von Unkenntnis. A. „Wissenschaft funktioniert allerdings meist nicht nach dieser simplen, rein logischen Struktur“ Richtig mit der Ausnahme der Mathematik funktioniert keine Wissenschaft nach einer rein logischen Struktur. Dies behauptet Mahner aber auch nicht. Mahner fordert nur wissenschaftstheoretische Voraussetzungen für wissenschaftliches Arbeiten. B. Obwohl meine Logik-Seminare schon einige Jahre her sind, gibt es meines bescheidenen Wissens keine logischen Kausalketten. Es gibt logische Folgerungen und Kausalitäten meinetwegen auch Kausalketten. Kausalität ist ein empirischer Begriff und Logik ist nicht empirisch. C. Der Hinweis auf Thomas Kuhn ist zudem häufig eine Ausrede für fehlende Methodik und schwächelnde Theoriebildung. In der Religionswissenschaft warten wir seit über 100 Jahren auf beides vergebens.

    Im Abschnitt DIE THESE DER INTERSEKTIONALITÄT referenzieren die Autoren erneut auf Mathematik und Naturwissenschaften, ohne – so möchte ich behaupten – die Bedeutung der Begriffe zu kennen. „Die These der Intersektionalität besagt, dass sich Diskriminierungsformen nicht linear überlagern, sondern dass es zu nichtlinearen Effekten kommt.“ Soweit ich weiß, sind die meisten naturwissenschaftlichen Phänomene auch nicht linear.

    Beim Lesen sind mir auch qualitative Einzelstudien aufgefallen, die dann für alle Mitglieder einer Gruppe gelten sollen – ein in der qualitativen Sozialforschung häufiger und gerne gemachter Fehler. Und dann die schon übliche Vermischung zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit der Wissenschaft und wissenschaftstheoretisch-normativen Anspruch an wissenschaftliches Arbeiten.

    Sollte ich selbst etwas missverstanden haben, bitte ich um Korrektur.

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    • Der Absatz mit Kuhn ist mir auch in Erinnerung:

      „Sie hat die Phase der Normalwissenschaft noch nicht erreicht“

      Das klingt wie die „Anomalistik“, die davon ausgeht, dass es paranormale Phänomen gibt, man sie aber derzeit noch nicht wissenschaftlich erfassen und erklären kann (mglw. auch: nur noch nicht erklären kann). So neu sind die CS auch nicht (dabei soll es die ja eigentlich auch gar nicht geben..?). Man sollte doch mittlerweile festgestellt haben, ob das nun Wissenschaft oder Ideologie ist bzw. welche Positionen diese Kriterien erfüllen. Aber wenn man das nicht klären will, dann bleibt man eben noch länger / ewig in der Schwebe. Mahner wollte doch nur behilflich sein.

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  3. Da wird behauptet

    „Die an der Debatte beteiligten Gegner_innen der „Critical Studies“ sind bis heute nicht in der Lage, konkrete Fehler innerhalb der Disziplinen zur Diskussion zu stellen. Es handelt sich lediglich um abstraktes Geraune zu möglichen Problemen und potentiellen Schwächen, die auf einer Meta-Ebene diskutiert werden sollen, was auch hier in Mahners Papier der Fall ist.“

    Fakt ist https://miz-online.de/die-pseudowissenschaftlichkeit-der-critical-studies-der-fall-robin-diangelo/

    Die Pseudowissenschaftlichkeit der Critical Studies – der Fall Robin DiAngelo
    Die Critical Studies (nachfolgend: CS) sind Forschungsansätze im Zuständigkeitsbereich der Sozial- und Geisteswissenschaften. Sie umfassen u.a. die Critical Race Studies, Gender Studies, Disability Studies sowie Queer Studies und bilden den theoretischen Hintergrund für „woke“ Politik und Aktivismus. Kürzlich erläuterte Martin Mahner, warum die CS unter Pseudowissenschaftsverdacht stehen (MIZ 1/23). Dieser Text analysiert ein konkretes Beispiel aus dem CS-Kontext: die amerikanische Autorin und Diversity-Aktivistin Robin DiAngelo.

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  4. Schon die Einleitung deutet einen Doppelstandard an:

    „Ein Teil der Mitglieder versucht wiederholt, den Verein und seine Strukturen für die eigene politische, anti-progressive Agenda zu nutzen und ihn zu einem Propagandawerkzeug gegen „Wokeness“ und „Critical Studies“ zu machen.“

    Ist das mit „Moralic Panic“ gemeint? Dunkle Mächte wollen einen Verein unterwandern, der für die gerechte Sache kämpft. Wer ernst genommen werden will, der sollte auf Verschwörungsnarrative verzichten.

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    • Schon die Einleitung deutet einen Doppelstandard an:

      Ja, das ist mir auch aufgefallen. Die Autoren sind mit einer vorgefertigten Meinung an die Thematik rangegangen. Der Text war nie als eine objektive Analyse angedacht.

      „Ein Teil der Mitglieder versucht wiederholt, den Verein und seine Strukturen für die eigene politische, anti-progressive Agenda zu nutzen und ihn zu einem Propagandawerkzeug gegen „Wokeness“ und „Critical Studies“ zu machen. Ein anderer Teil versucht, die GWUP vor diesen Entwicklungen schützen.“

      Auf der einen Seite steht also Team Sebastiani: Die bösen, reaktionären, alt-right-Unterstützer. Der feuerspuckende zerstörerische Drache.

      Auf der anderen Seite steht Team Hümmler: Die Weißen Ritter, die Helden. St. Georg, der der´n Drachen erschlagen wird.

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    • Ich sage mal nur ganz kurz was zur Mahner-Kritik im ersten Teil.

      Der Positivismusstreit der 60er Jahre zwischen den Lagern von Karl Raimund Popper und Theodor W Adorno hat eine wichtige Erkenntnis erbracht: Die Gesellschaft lässt sich nicht mit denselben Methoden untersuchen wie die Natur.

      Nein, diesen Schluss würde ich nicht ziehen. Der entscheidende Punkt der Wissenschaftlichkeit ist das „check your guesses“, das Überprüfen der Vermutungen, und das ist für alle Wissenschaften gleich. Der gängige Vorwurf des „Szientismus“, von Hayek über Popper bis Habermas, geht deshalb fehl.

      Diese Möglichkeit besteht bei der Gesellschaft nicht. Es gibt keine denkunabhängige Realität, die es zu entdecken gilt.

      Das sind so die Behauptungen des Konstruktivismus, die ich für gründlich falsch halte. Natürlich ist auch die Gesellschaft, ein komplexes System, real existent. Entsprechend halte ich es für absurd zu behaupten, dass die Korrespondenztheorie der Wahrheit in den Gesellschaftswissenschaften nichts verloren hätte. Auf diese Weise hätte jegliche empirische Sozialforschung keine Daseinsberechtigung, und es würde genügen, das Gewollte zu verkünden, um es „wahr“ werden zu lassen.

      Von Karl Marx stammt der Ausspruch: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an, sie zu verändern.“

      Er hielt es für überflüssig zu erwähnen, dass man sie vor der Veränderung verstehen sollte.

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      • Wenn das so einfach ist, dann können Sie mir erklären, was die „denkunabhängige Realität“ in den empirischen Sozialwissenschaften ist. Für mich sind Gesellschaft und Kultur auch ein Produkt des Geistes und höchst wandelbar. Bunge und Berger, beide damals noch GWUP, haben sich vor 15 Jahren verkämpft, weil es vielleicht doch nicht so einfach ist. Im Positivismusstreit der 60er Jahre ging es auch darum. Für mich sind sowohl Popper als auch Adorno ernst zu nehmen. Zum Schmunzeln ist Poppers Geschichte vom objektiven Standpunkt eines Sozialanthropologen, der „sich zu sehr auf die Beobachtung unseres Gruppenverhaltens habe konzentrieren müssen, um unseren sachlichen Auseinandersetzungen im einzelnen folgen zu können.“ (1969, 1989, 1993, S. 110). Das zur Trennung von Forscher und Untersuchungsobjekt – eine Grundforderung der objektiven Naturwissenschaften.

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        • Wenn Denken die jeweils konkrete Hirntätigkeit des Einzelnen ist, dann ist die Gesellschaft als, sagen wir Resultante, davon durchaus nicht determiniert und noch von vielen anderen Variablen abhängig. So ähnlich hat das wohl schon Marx gesehen: „die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken“. „Der Geist“ als handelnde Entität ist eine dualistische Fiktion – eine Ansicht, die natürlich nicht überall geteilt wird. Über den Streit Bunge-Berger kann ich nichts sagen, weil ich ihn schlicht nicht kenne. Zum Schmunzeln ist der eigentümliche Literaturverweis, der offensichtlich daher stammt, dass der Passus einfach von irgendwo hierherkopiert wurde. Und wie man als mit dem Untersuchungsobjekt verschmolzener Forscher Hypothesen empirisch prüfen kann, wäre durchaus auch eine Erläuterung wert, oder wenigstens ein Beispiel.

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          • Theodor W Adorno, Hans Albert, Ralf Dahrendorf, Jürgen Habermas, Harald Pilot, Karl Raimund Popper. Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Deutscher Taschenbuch Verlag DTV München. 1969, 1989, 1993, S. 110.

          • Popper erklärt explizit, dass er u. a. die sogenannte Wissenssoziologie (nach Art von Latour, der bei den Gästen von Volksverpetzer hoch im Kurs steht; zu ihm vgl. hier, am Schluss) mit dieser Kritik meint (S. 111), und darin stimme ich mit ihm überein. Mit seiner Herleitung des Szientismus stimme ich natürlich nicht überein. Aber dazu ausführlicher zu werden, wäre special interest.

        • Ich bin kein Poper- und kein Adorno-Experte, aber ich kann zumindest den Versuch unternehmen, zu erklären, was die denkunabhängige Realität in den empirischen Sozialwissenschaften ist.

          Beispiel: Die Zeit titelte in der letzten Woche „Evangelische Kirche verliert 560.000 Mitglieder innerhalb eines Jahres“. Sowohl bei der Evangelischen Kirche als auch bei ihren Mitgliedern handelt es sich nicht um natürliche sondern um soziale Entitäten. Mir sind in den letzten Jahrzehnten natürlich immer wieder Mitglieder der evangelischen Kirche begegnet, welche den Mitgliederschwund denkabhängig (Es kann nicht sein, was nicht sein darf.) mir dargestellt haben, nur denkunabhängig hat die evangelische Kirchen in den letzten 60 Jahren sehr viele Mitglieder verloren. Und mit Hilfe statistischer Methoden können Religionssoziologen auch erklären, warum die Menschen, die evangelische Kirche verlassen haben, wenn sie nicht gestorben sind. Auch die Korrespondenztheorie der Wahrheit funktioniert bei der oben genannten Aussage hervorragend. Die denkunabhängigen sozialen Tatsachen bestehen also darin, dass es eine evangelische Kirche (als Institution) und deren Mitglieder (in Form von Mitgliederlisten) gibt. Dass es auch soziale Zugehörigkeiten gibt, die sich nicht in MItgliederlisten fassen lassen, ändert erst einmal nichts an der Beobachtung.

          Gestatten Sie mir noch einen zweiten Gedanken, der von meiner ersten Argumentation unabhängig existiert und den ich vielleicht weniger präzise beschreiben kann. Wenn es keine denkunabhängigen sozialen Realitäten gibt, verstehe ich die Begriffe Diskriminierung, Privilegien und Benachteiligungen nicht. Wenn diese „bloße“ soziale, denkabhängige Konstrukte sind, worüber regen sich dann die Aktivisten auf. Wenn kein Argument einen sozialen Sachverhalt beschreibt, erklärt oder begründet, gilt rhetorisch das Recht der Stärkeren und wieder worüber regen sich dann die Aktivisten auf. Es ist anders, schon die erste qualitative, sozialwissenschaftliche Studie (Die Arbeitslosen von Marienthal) erkannte, eine reale, soziale Benachteiligung der Menschen aufgrund real existierender sozialer Tatsachen (Arbeitslosigkeit) und zusammen mit den Betroffenen analysierten die Sozialwissenschaftler real existierende Probleme und suchten nach realen Lösungen, um das Leben der Menschen real zu verändern.

          Vielleicht habe ich aber auch etwas missverstanden, wenn Sie von „denkunabhängiger Realität“ sprechen.

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        • „Nein, diesen Schluss würde ich nicht ziehen. Der entscheidende Punkt der Wissenschaftlichkeit ist das „check your guesses“, das Überprüfen der Vermutungen, und das ist für alle Wissenschaften gleich. Der gängige Vorwurf des „Szientismus“, von Hayek über Popper bis Habermas, geht deshalb fehl.“

          Selbstwiderspruch: Sie treffen die Aussage, dass nur das empirisch verifizierbare bzw. falsifizierbare Gegenstand der Wissenschaft sein kann.
          Diese Aussage hält ihre eigenen Standards nicht ein: sie ist vorerst pragmatisch und normativ, schließlich ist sie ja ein Trick, um das Grundproblem der Protokollsätze beiseite wischen zu können.
          Schlichtweg falsch ist der Vorwurf des „Konstruktivismus“ gegen Adorno. Seine negative Dialektik und seine Argumentation im Positivismusstreit leugnet ja eben nicht die „denkunabhängige Realität“. Als „das Ganze“bleibt sie in Adornos Argumentation als das, was auch bei allen im Forschen isolierten berücksichtigt werden muss. Folgerichtig ist Adorno der „Positivismus“ bzw. das empirisch Faßbare (vom Szientismus wird hier übrigens weniger gesprochen) „ein Teil der Dialektik“. Popper hingegen kennt nur die isolierten Fragestellungen, was damals mitunter „Stückwerkarbeit“ geschimpft wurde.

          Dieses „Ganze“ der Gesellschaft, das Popper aus allen Gleichungen gestrichen sehen Will, verweist auch darauf, dass der Forscher in den Sozialwissenschaften eben nicht „denkunabhängig“ ist. Er ist Teil des Forschungsgegenstandes, seine Forschung ist vom Sein geprägt, gestaltet aber selbst – sogar noch im Unterlassen- das gesellschaftliche Sein mit. Beisiele: Rassentheorie, bürgerliche Ökonomie, und ganz besonders auch: Wissenschaftstheorie. Allerdings: Poppers normativer Falsifikationismus kann sich selbst gar nicht reflektieren. Dass dieser „evolutionäre“ Erkenntnisprozess aber zu unserer Gesellschaftsform passt wie angenäht ist kein Zufall, sondern eines der schönsten Beispiele dafür, wie sehr das Denken/Forschen „seinsabhängig“ ist.

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          • „Selbstwiderspruch: Sie treffen die Aussage, dass nur das empirisch verifizierbare bzw. falsifizierbare Gegenstand der Wissenschaft sein kann.“ – Das ist falsch. Überprüfen kann auch bedeuten, Aussagen auf Konsistenz zu prüfen; anders könnte keine Formalwissenschaft (Logik, Mathematik) eine Wissenschaft sein. Für den Fall, dass ich von Adorno gesagt habe, er sei Konstruktivist (ich erinnere mich nicht), bestehe ich um des lieben Friedens willen nicht darauf. Ich werde nicht nochmal in den düsteren Nebelwolken von Dialektik der Aufklärung stöbern. „Der arme Adorno ist ja tot“, schreibt Karl Popper an Hans Albert am 9. Jan. 1970, und was er noch hinzugefügt hatte, verschweige ich aus Pietät.

          • Bist du der Grüntext, der eines der …ähm.. Pamphlete als Erwiderung auf Edmüllers Vortrag geschrieben hat? Davon würde ich meine Antwort abhängig machen.

          • Das will ich dann doch noch anmerken.

            Dieses „Ganze“ der Gesellschaft, das Popper aus allen Gleichungen gestrichen sehen Will, verweist auch darauf, dass der Forscher in den Sozialwissenschaften eben nicht „denkunabhängig“ ist.

            Der Forscher denkt also, aha. Mit aller Schärfe und großer Kühnheit wird hier etwas verteidigt … was infrage zu stellen wohl noch niemandem in den Sinn gekommen ist. Aber zumindest bei manchen Critical Theorists mag man es gelegentlich bezweifeln; das ja.

          • Die Naturwissenschaften verändern die Welt ja auch. Ich würde sogar behaupten, in erheblich größerem Maße wie die Kulturwissenschaften. Ist deshalb die Welt von den Naturwissenschaften konstruiert? Oder gibt es Konstanten (aka Naturgesetze), die das alles nicht interessiert? Und wenn man in den Kulturwissenschaften falsche Annahmen macht, werden sie dann durch ihre Anwendung real? (Kann das ggf. anhand der „Maori“ mal verdeutlichen)

  5. Noch einmal zurück zum Volksverpetzer-Gastwissenschaftlerkollektiv. Zu einem „wissenschaftstheoretischen“ Aspekt s. #1542; zu einem „medizinischen“ s. #1543. Vielleicht hätten sie doch mal einen Mediziner drübergucken lassen sollen, ich mein‘ ja nur. Auch heißt es:

    Foucault behauptet nicht, dass es keine objektive Wirklichkeit gibt, sondern dass jede Form, diese Wirklichkeit einzuordnen und zu beschreiben, von Wissenssystemen und gesellschaftlichen Diskursen geprägt ist

    Foucault kommt in dem Text mehrfach vor, was auch nicht verwunderlich ist. Versuchen wir, uns vorzustellen, wie das gemeint ist, und fragen wir den großen Meister selbst. Foucault im Gespräch mit M. Dillon, 1980 (zit. n. Schriften Bd. IV, S. 50f.):

    M. Foucault: Ich bin kein Historiker. Und ich bin kein Romancier. Aber ich schreibe so etwas wie historische Romane. Dabei weiß ich sehr wohl, dass meine Aussagen nicht wahr sind. Ein Historiker könnte durchaus sagen, was ich geschrieben habe, sei nicht die Wahrheit. Oder um es anders auszudrücken: Anfang der 60er Jahre habe ich viel über den Wahnsinn geschrieben, eine Geschichte der Entstehung der Psychiatrie. Was ich damals gemacht habe, ist aus historischer Sicht gewiss voreingenommen und übertrieben. Das weiß ich sehr wohl.

    Sollte das, bei aller brutalen Offenheit, nicht verstören? Nein, nicht wenn man Konstruktivist ist – dann ist es ein Grund, stolz zu sein:

    Aber mein Buch hat die Wahrnehmung des Wahnsinns bei den Menschen verändert. Darum besitzt das Buch samt der darin entwickelten These in der heutigen Realität eine gewisse Wahrheit. Ich versuche, ein Wechselspiel zwischen unserer Realität und unserem Wissen über die geschichtliche Vergangenheit herzustellen. Wenn mir das gelingt, wird dieses Wechselspiel reale Auswirkungen auf unsere heutige Geschichte haben. Ich hoffe, meine Bücher finden ihre Wahrheit, wenn sie geschrieben sind, und nicht schon vorher.

    Foucault ist einer der Stichwortgeber der Antipsychiatrie, einer in ihren Konsequenzen wissenschaftsfeindlichen und inhumanen Ideologie.

    „Ich ermahne alle meine Leser, über diese beiden Passagen gründlich nachzudenken.“
    – Pierre Bayle.

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    • Hier bemerke ich eine ganz üble Methode, die ich oft bei „Wokismus“ wahrnehme. Cherrypicking eines Zitats, um darin die kritisierte Position zuerst falsch darzustellen um sie dann widerlegen zu können. Foucaults Forschung und Philosophie stützt sich auf umfangreichste kulturhistorische Quellensammlungen. Er rekonstruiert daraus fast schon „darwinistisch“ die Genese sozialer Formen: Kloster, Gerichtshöfe, Krankenhäuser, Gefängnisse, usw. Er fragt warum genau jene Verhältnisse genau jene Formen hervorgebracht haben: und da kommt man eben auch nicht ohne das Thema „Herrschaft“ aus. Um die Selbstbezeichnung als „Schriftsteller“ zu verstehen und richtig zu zitieren, müsste man nun erwähnen, dass auch die historische gesellschaftliche Form (Theorie UND Praxis) des Wissenschaftsbetriebs an die jeweilige Herrschaftsverhältnisse angepasst, durch sie bestimmt ist. Foucaults „Schriftstellerei“ enthält (zwangsläufig) die Wissenspraxis seiner Zeit: und wie Marx stützt er sich auf Unmengen von empirischen Daten, historischen Fakten(!). „Schriftstellerei“ weist lediglich auf eine weitere Reflexionsebene neben der empirischen und formallogischen hin: ohne sie aufzugeben oder zu ignorieren….. wie ja so gerne unterstellt wird.

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      • Ich finde überhaupt nicht, dass diese Zitate Foucault falsch darstellen.

        Ja, der Wissenschaftsbetrieb ist der Herrschaftspraxis unterworfen. Damals wie heute, nur dass das Unterwerfen heute „Forschungsgelder beantragen kommt“ und „Publizieren bis zum Umfallen“ heißt.

        Aber das heißt noch lange nicht, dass die Ergebnisse grundsätzlich und unbedingt derart beliebig sind, dass in einer anderen Gesellschaft was Anderes rausgekommen wäre. (Mangels Paralleluniversum kann man das leider nicht empirisch erforschen …)

        NB, was bitte sind „umfangreichste“ Quellensammlungen? Superkallifragilistischexpialigetisch umfangreich, und dann noch mehr als eine? Wow. Ich ziehe meinen Hut.

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      • „Cherrypicking eines Zitats, um darin die kritisierte Position zuerst falsch darzustellen um sie dann widerlegen zu können.“ – Das Zitat ist nun einmal wie es ist, ich habe nichts hinzugefügt. Das cherrygepickte Zitat ist ein Pleonasmus, denn es gibt keine anderen. Vor dem Feuerspucken wäre es dann schon nötig, zunächst die Umgebung abzutasten und daraus zu belegen, dass es verzerrend wiedergegeben ist. Ich kann gelassen dabei bleiben, dass es sowohl von brutaler Offenheit wie von Hybris zeugt. Ich habe Wahnsinn und Gesellschaft gelesen, und ich bin zufällig in der Lage sagen zu können, dass Foucault vom Wahnsinn keine Ahnung hat; mit anderen Worten, was er darüber in seinem Zitat sagt, ist völlig korrekt. Ich bin nicht der einzige, der das so sieht. Aus einer Rezension habe ich mal aufgeschnappt „Foucaults These von der „Großen Einsperrung“, derzufolge Bettler und „Irre“ in Frankreich seit Ludwig XIV. weggesperrt wurden, die einer empirischen Überprüfung nicht standhalten kann, wie die […] Historikerin Doris Kaufmann für Deutschland gezeigt hat.“ Es gibt eine Zusammenfassung seiner Philosophie; Lorenz/Ruffing: Michel Foucault. Philosophie für Einsteiger, 2012, genau das Richtige für schlichte Gemüter wie mich. Der Mann ist eine geistige Schlagwetterkatastrophe. Ich könnte das noch ausführlicher belegen und noch ein wenig Sekundärliteratur beifügen, aber das Pamphlet selbst, um das es hier geht, ist gerade von seiner Autorin für unwissenschaftlich erklärt worden (hier). Das wäre also Overkill.

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  6. Anonym bleibt erstmal anonym, und die Larmoyanz, mit der die Anonymität begründet wird (Sorge vor Angriffen) ist schon ziemlich absurd, bedenkt man, dass im Grunde die GWUP-Fraktion um Sebastiani und deren Unterstützer nicht nur einmal von der derzeitigen GWUP-Führung in die „rechte Ecke“ verfrachtet wurden. Selbst in der GWUP-internen Diskussion hielt der derzeitige Vorsitzende es für angemessen, zwei anonyme Papiere ins Feld zu führen (die sich durch gepflegtes ad hominem auszeichnen).

    Wie man das in einer Diskussion in und über eine Skeptikerorganisation bewerten will, bleibt jedem selbst überlassen. Für mich jedenfalls ist das nicht akzeptabel.

    Der Beitrag beim Volksverpetzer arbeitet sich an einem kleinen internen Thesenpapier von Martin Mahner ab, es sei es ein ultimatives Statement mindestens im Umfang und mit dem Anspruch eines Buches oder einer peer reviewten umfangreichen Fachveröffentlichung. Das ist es aber nicht und damit bekommen die ellenlangen Ausführungen beim Volksverpetzer je länger sie werden desto mehr einen Strohmanncharakter.

    Martin Mahner selbst hat das anlässlich seines Abschiedes aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der GWUP (er ging vor einigen Tagen in den Ruhestand) selbst wie folgt kommeniert:

    „So haben … in Bezug auf die Critical Studies gerade anonym (!) eine Kritik eines kurzen, zunächst nur zur vereinsinternen Diskussion gedachten Thesenpapiers von mir veröffentlicht, in der sie generös die Anforderungen an eine 400-Seiten-Dissertation mit mindestens dreijähriger Voll-Arbeitszeit anlegen, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass das – wohlgemerkt achtseitige, mit drei Abbildungen elfseitige – Thesenpapier diese nicht erfüllt.“

    Der Punkt ist, dass eine wirkliche Diskussion zu Mahners Paper in der GWUP ja nie stattgefunden hat, weil sie nicht stattfinden durfte. Statt dessen führt man nun, nachdem die Pressure in der GWUP zu diesem Thema offenkundig geworden ist, externe Verstärkung ins Feld, die aus der Sache einen pseudointellektuell aufgeblasenen Popanz macht. Ist vielleicht ein bisschen polemisch ausgedrückt, aber wie soll man das sonst sehen?

    Man diskutiert also unter dem aktuellen Vorstand der GWUP nicht, man lässt diskutieren.

    Statt sich einmal klarzumachen, dass man durchaus unvoreingenommen und streng nach wissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten prüfen und diskutieren kann, ob Critical Studies die Kriterien unversalistisch aufgefasster Wissenschaft erfüllen. Von einem Vorstand, der offenbar mit dem universalisitischen Wissenschaftsanspruch Probleme hat, kann man das natürlich nicht erwarten.

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    • Der Punkt ist, dass eine wirkliche Diskussion zu Mahners Paper in der GWUP ja nie stattgefunden hat, weil sie nicht stattfinden durfte.

      Dieser Hinweis lässt sich auf das ganze Themengebiet der Critical Studies ausdehnen. Ob Nikil Mukerji oder Sinan Kurtulus, sie wollten die Criticial Studies diskutieren. Sinan hat auf seinem YT-Kanal des öfteren erklärt, dass auch bereit ist, Kritik anzunehmen und Fehler zu korrigieren. Er wollte verständlicherweise jedoch Belege sehen.

      Nichts davon ist geschehen, sondern aus dem Dunstkreis von Holm Hümmler hieß es immer nur, dass somit reaktionäre bzw. alt-right Thesen bedient würden. Auf weiteres Nachfragen konnten diese Anschuldigungen aber nicht belegt werden, denn es stellte sich heraus, dass sich die entsprechenden Personen überhaupt nicht mit der Thematik der Critical Studies beschäftigt hatten. Es wurde dann nur auf irgendwelche fragwürdigen Quellen verwiesen.

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      • Eine „wirkliche Diskussion“ hätte eine immanente Kritik, Sachkenntnis und eine angemessene Darstellung vorausgesetzt.
        Diese Standards wurden von Sinan, Edmüller und Mahner nicht erfüllt.
        Genau das wird zuerst beim Volksverpetzer tatsächlich nachgewiesen.
        Die Reaktionen auf diesen Artikel sind der lebendige Beweis. Im Antwort die geht Mukerji nicht auf die wissenschaftstheoretischen Aspekte ein. Der einzige Satz dazu sinngemäß zitiert: man könne es sehr leicht, da sehr falsch…. Aber man wolle nicht.
        Aus dem Unwillen sich an minimale Standards zu halten ein „nicht dürfen“ zu machen, ist mies.

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        • Diesen Unwillen können wir der „Gegenseite“ genausogut attestieren. Ich sehe auch nicht, dass der VVP hier irgendwas nachweist. Kann man so lesen wenn man mit einem Berg guten Willens und Voreingenommenheit gegenüber der „Gegenseite“ an die Sache rangeht. Nur: wenn ich angesichts dieses (anonymen!) Exkurses schon beim dritten Satz „nun bleibt mal auf dem Teppich“ sagen muss, dann ist es mit dem guten Willen schnell zu Ende.

          Der VVP ist ansonsten um Einiges vernünftiger.

          Wie man Mahner, der nun wirklich kein Neuling auf dem Gebiet ist, mangelnde Sachkenntnis attestieren kann, erschließt sich mir nicht so ganz. Eher dass er keinen Bock hatte, sich den Aufwand zu geben, diese gegenüber Leuten zu demonstrieren, die mit der alt-right-Keule daherkommen.

          Für die Erkenntnis, dass *das* ein vorsätzlicher Diskussionskiller ist, brauch ich nicht mal Minimalstandards.

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          • Ich schließe mich an und habe nur eine Anmerkung zu „VVP ist ansonsten um Einiges vernünftiger“. – Partiell, denn in der Gender-Debatte bekleckern sie sich nicht mit Ruhm. Unser Gender-Faden im Forum ist voll davon.

          • @pelacani: Ich meinte mit „ansonsten“ auch genau das: „wenn es um andere Themen(bereiche) geht“.

    • Man diskutiert also unter dem aktuellen Vorstand der GWUP nicht, man lässt diskutieren.

      Eins der vielen Probleme, und nicht das geringste. Ich fürchte allerdings, es handelt sich hier auch um Leute, die in der Gwup sind (es gibt dazu gewisse Hinweise von Sarma, Wismeg-Kammerlander hat das Paper von Mahner selbst als „unwissenschaftlichen BS“ bezeichnet). Dabei hat man in der Gwup genug Leute, die das mindestens genauso gut beurteilen können. Im WR sitzen nicht nur Naturwissenschaftler, wie HH gerne unterstellt („das wäre kein Thema für Naturwissenschaftler“).

      Man will keine offene Debatte, weil die wahrscheinlich nicht schön verlaufen würde. Es gab da wohl mal ähnliche Verhältnisse bzgl. der Psychoanalyse. Aber ein Unterdrücken einer solchen Debatte (bzw. ein Verschieben in externe (unbekannte) Statementschreiben) kann so eine Debatte nicht ersetzen. Wendland sagt, der VV ist ein Verkündungsorgan, kein Debattenblatt. Jede Kritik an den Artikeln wird sofort mit einer Blockade beantwortet (nicht nur bei dem Thema). Daran alleine sollte man schon erkennen, dass es sich um ein (zumind.) ideologieverdächtiges Thema handelt. Die Kritik verschwindet aber nicht, wenn man sie ignoriert. Das hat mit Skeptizismus nichts zu tun.

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  7. Als Nicht-Wissenschaftsphilosoph und Nicht-Gesellschaftswissenschaftlicher möge man mir verzeihen, wenn ich hier einige Dinge ganz redundant und unwissenschaftlich anbringe, die mir an dem VVP-Artikel aufgefallen sind:

    Wenn die Autoren den Versuch unternehmen, man könne schlecht wegen einzelner Fehler die Critical Studies komplett diskreditieren, und die Studies dann mit Chemie oder Biologie vergleichen, dann unterläuft ihnen imho ein deutlicher Einordnungsfehler: Für mich stehen Biologie und Chemie auf einer Ebene mit den Gesamtdisziplinen der Gesellschaftswissenschaften, so z.B. Soziologie und Politologie. Critical Studies bewegen sich aus meiner Sicht dann doch etwas „tiefer“, in etwa auf der Ebene von Phlogiston, Vitalismus oder Äthertheorie als theoretische Unterfütterung der jeweiligen Wissenschaften (wem etwas weniger polemische Vergleiche einfallen, der möge diese verwenden). – Sollte es wirklich Ziel des Autorenkollektivs gewesen sein, Critical Studies zum einzig sinnvollen Denkmodell in den Gesellschaftswissenschaften zu erheben?

    Die Frage, ob die Kritik an „Wokeness“ rechtsextrem sei, wird mit einem ziemlich billigen Taschenspielertrick so uneindeutig beantwortet (oder dann doch eindeutig), daß es mich würgt. Zu sagen: „Oh, dieser ist ein Rechtsextremist, daher ist alles, was er geschrieben hat, rechtsextrem!“, ist ein Armutszeugnis. Und letztlich bleibt die Hintertür, Autoren als rechtsextrem zu etikettieren, weil sie sich kritisch gegenüber den kritischen Studien äußern, noch immer offen.

    Zur Frage der Objektivität, Aktivismus und den Zielen von Gesellschaftswissenschaften:
    Selbstverständlich ist eine Stärkung demokratischer Strukturen in der Gesellschaft als Ziel eines Forschungsvorhabens legitm. Das sind dann halt angewandte Wissenschaften, die man gut mit einer Auftragsforschung in der Industrie vergleichen könnte. Aber sollte nicht auch Grundlagenforschung in den Gesellschaftswissenschaften ohne vorgegebenes Ziel möglich sein? Und ist es wirklich nicht möglich, dabei ein ähnliches Maß an Objektivität, wie in den Naturwissenschaften, an den Tag zu legen?
    Die Frage des Aktivismus wird von den anonymen Urhebern vollkommen unkritisch ausgebreitet und zeigt meiner Meinung nach sehr deutlich, wie immunisiert die in den CS forschenden Wissenschaftler bereits sind.

    Dies bringt mich zu einem weiteren Punkt: Wir wissen ja, von welcher politische Weltanschauung CS stark beeinflusst sind. Dies wird im vorliegenden Artikel gar nicht erst diskutiert. Alle jedoch, die die CS und deren Thesen offensiv vertreten, seien gefragt, ob sie wirklich am Ende den Sozialismus als gesellschaftliches System wünschen. Wenn ja, dann sollen sie auch so ehrlich sein und es offen aussprechen.
    Ich bin gelinde gesagt entnervt davon, daß es im Kampf gegen politische und soziale Ungerechtigkeiten, Diskriminierung aller Art und für Inklusion und Diversität nur diesen einen, in seinen Grundzügen undemokratischen und unduldsamen Weg geben soll, und auch keine wissenschaftstheoretischen Alternativen zur Erforschung in den Gesellschaftswissenschaften vorhanden sein sollen. So jedenfalls scheint es mir vorzukommen, wenn ich auf das Selbstverständnis der CS blicke.

    Zum Thema der Medizin (mein Fachgebiet) werde ich vielleicht noch schreiben, aber erst einmal muß das als Rant reichen.

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  8. Wie wäre es @Nora Feline, wenn du mal Punkt für Punkt darauf eingehst:

    https://miz-online.de/die-pseudowissenschaftlichkeit-der-critical-studies-der-fall-robin-diangelo/

    Sie wurde dazu mehrfach aufgefordert, lässt es aber aus verständlichen Gründen bleiben.

    Mit Religiösen kannst du auch nicht ihre Religion ergebnisoffen diskutieren.

    Anhand des Grüntextes will ich das mal superkurz vereinfachen:

    Alles, was nicht zum Ergebnis kommt, die Maori sind super, haben stets alles super gemacht, werden und wurden immer bösartig und durchgängig diskriminiert & unterdrückt, und dafür muss Wiedergutmachung geleistet werden, indem man sie als makellose Minderheit auf ein Podest hebt und all ihren Werken, Glaubenssystemen und Lehren huldigt, also jeder, der das nicht befolgt, verfolgt rassistische Argumentationsmuster.

    Man könnte stattdessen überprüfen, ob es stimmt, dass die Maori eine verkürzte Lebenserwartung haben und die Gründe hierfür herauszufinden versuchen.

    @ borstel

    Du warst doch derjenige, welcher keinen Nachteil darin sieht, wenn Krebspatienten mit seltenen Krebsarten in einem Wald- und Wiesenkrankenhaus (in dem du arbeitest!?) behandelt werden statt in einem auf diese Krebsart spezialisierten Kompetenzzentrum?

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    • @ zimtspinne

      Unabhängig davon, daß ich dort nicht mehr arbeite, wann soll ich das gesagt haben, und was hat das mit der aktuellen Diskussion zu tun? Bitte poste doch das Zitat, daß ich es einordnen kann.

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  9. Wenn Martin Mahner sein ABC-Thesenpapier nach seinem Ausscheiden als Leiter des skeptischen Zentrums selbst in die Tonne tritt, dann hilft das der GWUP nicht weiter. In seinem Text kommt ja zum Ausdruck, was die GWUP seit Jahrzehnten prägt: Die Engführung auf Themen, die dem naturwissenschaftlichen Denken zugänglich sind: Homöopathie, Wahrsagerei, Astrologie usw. Merkmale dieses Denkens sind die beobachterunabhängige und erkennbare Realität sowie die Korrespondenztheorie der Wahrheit.

    Wenn die GWUP dabei bleiben will, dann ist das nicht zu tadeln. Damit schließt sie aber praktisch alle die Fragen aus ihrem Tätigkeitsfeld aus, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Ansonsten müsste sie sich auch mit anderen wissenschaftlichen Ansätzen befassen, beispielsweise mit der ungeliebten Dialektik und der Kritischen Theorie.

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    • Wenn Martin Mahner sein ABC-Thesenpapier nach seinem Ausscheiden als Leiter des skeptischen Zentrums selbst in die Tonne tritt

      That is your opinion, man.
      Dein Leseverständnis unterscheidet sich doch sehr deutlich von meinem. Er hat gesagt, dass die Kritik an seinen Thesen unsachlich (impliziert: verlogen) ist, aber mit keiner Silbe, dass er von letzteren abrückt. Zitiere doch mal, worauf sich Deine Meinung stützt.

      die beobachterunabhängige und erkennbare Realität sowie die Korrespondenztheorie der Wahrheit […] schließt […] praktisch alle die Fragen aus ihrem Tätigkeitsfeld aus, die die Gesellschaft als Ganzes betreffen.

      Die bloße Widerholung dieser steilen These macht sie nicht genießbarer, auch wenn sie (in einigen Varianten) seit Jahrhunderten bis Jahrtausenden repetiert wird (seit sich Philosophie und Theologie unterscheiden). Und „die Gesellschaft als Ganzes“ ist kaum je Thema der Einzelwissenschaften, auch nicht der humanities. Auch sie erfassen nur Ausschnitte … der Realität, sofern sie Wissenschaften sind.

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  10. @ borstel

    War nur meinem Zuordnungsbestreben geschuldet.

    Es ging dabei meiner dunklen Erinnerung nach um eine Whipple-OP und übergeordnet war das Thema Krankenhaus-Ausdünnung. Bezügl. deiner Meinung bin ich aber sehr sicher.

    „geschlechts-, gesichts- und autoritätslos“ war der Bezug auf der Metaebene.

    Ob es euch passt oder nicht, ein gewisses Bild entsteht mit der Zeit trotzdem (von euch allen).
    So lange ihr nicht eure Crossdresserei outet, muss das nicht negativ sein ;D

    ps. bin nicht sicher, warum ich hier so einen negativen smilie zugewiesen bekomme

    Antworten
    • Ja, da ging es tatsächlich um einen Herrn mit einer großen Operation bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Und um das Problem, daß natürlich das Pankreaszentrum am Uniklinikum sich diesen Fall nicht entgehen lassen hat, um auf die geforderten Operationen pro Jahr zu kommen (so meine subjektive Interpretation). Ohne mehr zu wissen, wann und wo ich geschrieben habe, aber dieser Fall war so eindrücklich, dass ich ihn in Erinnerung behalten habe. Der Patient wäre wahrscheinlich mit Best Supportive Care besser aufgehoben gewesen. Er kam in unser Haus in desolatem Zustand an, und ich weiß noch nicht einmal, ob er noch einmal entlassen werden konnte, oder ob wir die Sterbebegleitung durchgeführt haben. Ob man den Einzellfall zur Verallgemeinerung nehmen sollte (falls ich das getan haben sollte), ist natürlich methodisch – fragwürdig.
      Auf der anderen Seite war die Vernetzung meines Hauses zu Onkologen einfach nur miserabel, und ich habe erlebt, wie Patienten ziemlich elend eingegangen sind, weil eben die rasche Verlegung in ein Fachkrankenhaus nicht stattgefunden hat. Man sieht, daß jedes Ding zwei Seiten hat (außer, wenn es sich um ein Möbiusband handelt).
      Allerdings muß ich gestehen, daß es schon ziemlich gut aussehende Transvestiten gibt. Aber das nur OT.

      Nebenbei habe ich gerade den „Grüntext zu Erdmüller“ gelesen (nebst einem weiteren Dokument zu finden auf Holm Hümmlers Zwitter-Accout). Ziemlich traurig, das ganze.

      Ich danke Dir außerdem für die Auflösung, wer im Wissenschaftsrat der GWUP der Querschläger ist, der zur Eskalation der Situation beigetragen hat. Ich verstehe immer noch nicht, wie man so miteinander umgehen kann.

      Was mich aber zum Thema Medizin im VVP-Beitrag umtreibt: Ich habe die Einschätzung dazu hier im Forum gelesen, die scharfsinnig zum Thema Herzinfarkt argumentiert, daß das Erkennen eines solchen bei Frauen aufgrund der Differentialdiagnostik deutlich schwieriger ist, als bei Männern. Ein anderer Punkt, weshalb z.B. in Arzneimittelstudien eher Männer als Probanden angenommen werden, liegt daran, daß bei Frauen auf die Kontrazeption geachtet werden muß, sie nicht stillen dürfen usw. Und die Fallstricke bei Arzneimittelstudien mit Kindern werden hier noch gar nicht erwähnt.
      Nichtsdestoweniger gibt es selbstverständlich einen „europäisch-weißen und männlichen“ Blick in der Medizin. Ich werde gleich erläutern, was ich meine. Ob dieser Blick allerdings irgendwelchen Herrschaftsstrukturen entspringt, und ob CS hier irgendetwas zur Auflösung beitragen können, ist allerdings durch das Autorenkollektiv im VVP nicht belegt. – Es geht darum, daß die naturwissenschaftliche Medizin westlich (und in der Tat auch von Männern) geprägt ist, und daß Konditionen, Normvarianten und Erkrankungen, die z.B. bei Menschen afrikanischer oder levantinischer Herkunft relevant sind, in Zentraleuropa nur geringe Rollen gespielt haben (man denke an Thalassämien, Familiäres Mittelmeerfieber, Favismus, Sichelzellanämie, während hingegen Schuppenflechte und Multiple Sklerose deutlich seltener in diesen Populationen vorkommen; aber auch Infektionserkrankungen, die früher auch in Europa oft vorkamen). Wäre die moderne Medizin, sagen wir, in Ostafrika entwickelt worden, dann wäre das Problem genau umgekehrt. Wichtig ist nun, den Blick zu weiten, wie es beispielsweise in Bezug auf die Herausgabe von dermatologischen Atlanten mit Erkrankungen auf nicht-weißer Haut schon erfolgt, die „exotischen“ Erkrankungen bei Menschen „nicht-weißer“ Herkunft im Hinterkopf zu haben und so weiter.

      Antworten
  11. Und weil’s so schön ist, und noch keiner versucht hat, mich aufzuhalten:

    Zum Thema Frauengesundheit und Stereotype im VVP-Beitrag: Ich habe es mir verkniffen, nach den angegebenen Quellen im Netz zu suchen (eine Auflistung mit eventueller Verlinkung am Endes des Artikels hätte der Sache gut getan), aber es kann, wenn es um die Geburt geht, ja nur um die heftigen Auseinandersetzungen gehen, ob bei Nicht-Risikoschwangerschaften ein Geburtshaus ebenso gut ist, wie ein Krankenhauskreißsaal. Ich will mich darin nicht einmischen, aber gerade hier zeigt sich, daß nicht irgendwelche Mutmaßungen eines Foucault, Latour oder Adorno benötigt werden, sondern vorurteilfrei erhobene harte statistische Daten zu Verläufen, Komplikationen und so fort.
    Daß Männer insgesamt ein risikoreicheres Gesundheitsverhalten an den Tag legen, könnte auch biologisch bedingt sein. Und daß ausgerechnet „Fat Studies“ dazu beitragen, Menschen zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren, halte ich doch für recht fraglich. Belegt mit irgendeiner Quelle hat das Autorenteam dies jedenfalls nicht.

    Und damit bin ich hoffentlich durch …

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  12. @ borstel

    Psiramforum wurde im GWUP-Thread zu diesem Abschnitt schon etwas zu den Quellen gesagt, falls du dort schauen magst.
    Mir jagt der ganze Abschnitt einen Schauer nach dem anderen über den Rücken, es wird dort auch vieles wild durcheinandergeworfen. bzw meinem Gefühl nach sollte dort einfach nach dem aktuellen Zeitgeist-Modetrend mindestens drei, besser fünf mal Diversität untergebracht werden.
    Natürlich nicht irgendwo, sondern bei Frauen(gesundheit).
    Frauen und deren Themen sind keine Ramschkammer, wo alles reingeworfen wird, wenn Besuch kommt.

    Biologische/genetische Faktoren für das Risikoverhalten von Männern halte ich auch für naheliegend und wurde doch längst alles nachgewiesen, soweit es nicht allgemein an Nachweisgrenzen stößt.

    Die FS hast du da wohl „ein bisschen“ missverstanden. Sie sollen gerade nicht Gesundheit und Schutzfaktoren in den Fokus rücken, sondern strukturelle Diskriminierung und Inferiorität. Adipositas wird als Odnungs- und Herrschaftskategorie analysiert, nicht als Gesundheitsgefahr. Ziel ist auch die Depathelogisierung, Normalisierung und Entstigmatisierung von Mehr- und Hochgewicht.

    Zu deinem anderen Post schreib ich später noch was.

    Antworten
    • Is‘ ja schön dass das eigentliche Ziel von FS u.A. die „Depathologisierung“ von Adipositas ist. Nur leider ist sie nunmal im Wortsinn pathologisch: sie verkürzt Lebensqualität und -dauer.

      Und somit haben wir wieder einen Club mehr, der mit seinem Kampf gegen „sein“ Problem letztlich mithilft, zu verhindern, dass die eigentlichen Ursachen angegangen werden.

      Wieso haben wir denn so viel mehr Fettleibigkeit als vor -zig Jahren? Was tun wir (als Politik, Gesellschaft, …) dagegen? Wenn ein BMI > Badezimmertemperatur „normal“ ist und jede Kritik an schlechter Ernährung, deine eigene wie die deiner Kinder, ein persönlicher Angriff: gar nix.

      Antworten
    • Danke für den Hinweis auf das Forum – ziemlich spannend, was da so als Beleg für die Thesen verwendet wird … Nebenbei: Zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen gibt es durchaus Unterschiede bei der Verstoffwechselung (und somit Wirksamkeit) verschiedener Medikamente aufgrund von Cytochrom-P-450-Polymorphismen in der Leber (darauf wird bespielsweise in den Fachinformationen von Tramadol und Codein asudrücklich hingewiesen). Hat aber wieder nix mit irgendwelchen Critical Theories zu tun. So’n Mist aber auch.
      Und natürlich weiß ich, daß es bei Fettstudien nicht um eine medizinische Betrachtung von Adipositas geht. Sondern um irgendetwas mit Laboruntersuchungen von Butter, Paraffin, Olivenöl und Petroleum. Oder so ähnlich.

      Worauf ich hinaus will: Der VVP-Artikel präsentiert CS ja nicht als Grundlagenforschung, sondern als reine Gebrauchswissenschaft. CS-Forscher (man verzeihe mir den Begriff, aber ich habe keinen besseren) versuchen offenbar krampfhaft, ihre Daseinsberechtigung als Ausübende von Hilfswissenschaften anderer Fächer zu ziehen. Nur daß dies im Falle der Medizin leider nicht wirklich überzeugend ist. Als Legitimation für CS ist gerade die Humanmedizin nicht geeignet.

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  13. Wenn man die persönlichen Animositäten zwischen den „Teams“ mal beiseite lässt, könnte ein Weg zu einem konstruktiveren Streit darin bestehen, einen Schritt zurück zu gehen; und zu debattieren, ob man sich in der GWUP überhaupt einig ist, wie man denn nun eigentlich Wissenschaft und Pseudowissenschaft unterscheidet.

    Und welche Kriterien man dabei anlegt, v.a. wenn man es mit nicht-empirischen Wissenschaften zu tun hat, die sich eben nicht (nur) an der „Scientific Method“ orientieren. Da scheint nämlich Nachholbedarf zu bestehen, vielleicht weil man sich in der GWUP in der Vergangenheit eher mit den eindeutigen Fällen (Homöopathie, Astrologie, Geller..) beschäftigt hat.

    Vor Jahren hatte ich mal einen Vortrag von Massimo Pigliucci über das „demarcation problem“ gehört, und er brachte da eine interessante Analogie:

    Wie entscheidet man, was ein „Tisch“ ist und was „kein Tisch“? Es gibt eindeutige Fälle: Das klassische Wirtshausmöbel (vier Beine, große rechteckige Platte…) ist ein Tisch. Eine Ente ist kein Tisch. Aber interessant wird es bei seltsamen Dingern wie manchen Barmöbeln („vier Beine, aber recht hoch und hat eine kleine quadratische Platte, keine Lehne“). Je nach Situation und Betrachtungsweise kann es eher ein Hocker sein, aber man kann sich auch drum rum stellen und das Ding als Standfläche für Bier und Chips verwenden – dann ist es eher wieder ein Tisch.

    Anzuerkennen, dass eine klare Abgrenzung „Wissenschaft/Pseudowissenschaft“ oft schwierig bis unmöglich ist und möglicherweise von der Betrachtungsweise – dem eigenen Standpunkt – abhängt, wäre m.E. gerade auch für die Diskussion um „Critical Studies“ ein wichtiger Schritt.

    Antworten
    • Anzuerkennen, dass eine klare Abgrenzung „Wissenschaft/Pseudowissenschaft“ oft schwierig bis unmöglich ist und möglicherweise von der Betrachtungsweise – dem eigenen Standpunkt – abhängt, wäre m.E. gerade auch für die Diskussion um „Critical Studies“ ein wichtiger Schritt.

      Schwierig durchaus, aber unmöglich definitiv nicht. Wenn Du Literatur über (den verdienstvollen) Pigliucci hinaus suchst: bei der „alten“ (d. h. vor-hümmlerschen) GWUP kannst Du fündig werden, z. B.:

      • Mario Bunge: Treatise on Basic Philosophy, Vol. 6 Epistemology & Methodology II: Understanding the World. Dordrecht 1983, Kap. 4.1.: Pseudoscience
      • Mahner M: Demarcation of Pseudoscience (in: Kuypers, Th (ed.): General Philosophy of Science – Focal Issues, 2011 S. 515-575)

      Alles was Sebastiani und seine Mitstreiter einfordern, ist genau dies: die Diskussion, die von Hümmler und den Anonymen erst pauschal mit „BS“ quittiert und dann mit dem Papier, über das wir hier reden, umgangen statt gesucht wird.

      Mahner sagt:

      Am dramatischsten dabei ist die kritikimmunisierende Funktion der Moralisierung: Sie führt dazu, dass Kritikern von A und B leicht unterstellt werden kann, sie wendeten sich „eigentlich“ gegen moralisch-gesellschaftspolitische Anliegen und deren Umsetzung (C). Diese Kritikimmunisierung wird noch durch ein empirisches Argument gestützt: In der Tat ist es so, dass C oft aus politisch-ideologischen Gründen kritisiert wird, in aller Regel von Vertretern des politisch rechten Spektrums. Zunächst sagt die Tatsache, dass eine Kritik aus einem bestimmten politischen Spektrum kommt, nichts über die Stichhaltigkeit der Argumente aus. Aus der Tatsache, dass C oft aus der rechten Ecke attackiert wird, folgt zudem weder, dass jede Kritik zwangsläufig eine politisch rechte Fundierung aufweist, noch, dass Kritiker von A und B das moralische Grundanliegen von C notwendigerweise ablehnen

      Dazu sagen die anonymen Volksverpetzer keinen Mucks. Das Statement, über das wir hier reden, verfolgt genau diese Strategie: Gleichsetzung jeglicher Kritik mit „rechts“ – und damit glauben sie, übern Berg zu sein.

      Antworten
      • Wer meint, allein mit dem naturwissenschaftlichem Denken auskommen zu können, der hat zwei Möglichkeiten. Erstens: Er verzichtet auf die Befassung mit allem was außerhalb der Naturwissenschaften liegt. Dem Skeptiker bleiben dann nur die Homöopathie, die Astrologie, die Wahrsagerei und ähnliche Trivialitäten. Zweitens: Er ordnet alles seinem naturwissenschaftlichen Denken unter. Das nennt man Szientismus.

        https://www2.hs-fulda.de/~grams/hoppla/wordpress/?p=2718

        Antworten
      • Warum sollte man sich zu der Plattitüde äußern, das es das neutrale Erkenntnissubjekt nicht gibt? Und wurde den Critical Sciences in diesen Debatten nicht immer wieder vorgeworfen, genau dies „Neutralität“ des „westlichen Universalismus“ in Frage zu stellen?

        Antworten
  14. Noch ein, zwei Bemerkungen zum Wissenschaftlerkollektiv, das sich „viel Erfahrung im breit gefächerten wissenschaftlichen Diskurs“ bescheinigt:

    Das heißt allerdings nicht, dass die Disziplin wertlos ist. Es bedeutet nur, dass sie sich (noch) im Umbruch befindet. Nach Thomas Kuhn könnte man sagen: Sie hat die Phase der Normalwissenschaft noch nicht erreicht

    Der Terminus „Normalwissenschaft“ stammt aus der Kuhnschen Wissenschaftssoziologie, die massiver Kritik ausgesetzt ist, aber ich will ihn hier aus didaktischen Gründen akzeptieren.

    Ein Beispiel für eine solche Genese der Wissenschaft aus dem Unfug wäre das Herauswachsen der Astronomie aus der Astrologie. Beide waren bis ins 16. Jahrhundert synonym, und ohne Astrologie hätte es keine Astronomie gegeben. Welcher König hätte sich die nutzlosen Sternengucker geleistet, wenn er nicht darauf aus gewesen wäre zu erfahren, was die Sterne für ihn bereithalten.

    Es ist wohl diese Astrologie ein närrisches Töchterlein; aber lieber Gott, wo wollt ihre Mutter, die hoch vernünftige Astronomie bleiben, wenn sie diese ihre närrische Tochter nicht hätte! […] Auch sind sonsten der mathematicorum salaria so seltsam und gering, dass die Mutter gewisslich Hunger leiden müsste, wenn die Tochter nichts erwürbe …
    – Johannes Kepler, Tertium interveniens

    Aber diese Analogie kann hier nicht greifen, denn die Astronomie konnte sich auf Jahrtausende korrekter Beobachtung stützen, als sie sich emanzipierte. Ich will hier nicht über die „Critical Studies“ allgemein reden, für die ich nur einen Anfangsverdacht habe: wenn du als Weißer gegen Rassismus bist, dann bist du ein umso schlimmerer Rassist, weil du es nicht einsiehst, dass du Rassist bist – unwiderlegbar. Ich bleibe mal bei den Gender Studies, mit denen ich mich näher auseinandergesetzt habe. Diese sind unter bewusster Negierung der Faktenlage (aus ideologischen Gründen) in die Welt gekommen, und sie haben in den 40+ Jahren ihrer Existenz keine Faktenbasis aufgebaut, die sie rechtfertigen. Wenn man die Gender Studies von all dem pseudowissenschaftlichen Gedöns befreit, dann bleibt nichts übrig, wie bei der Maske des Roten Todes.

    Antworten
  15. @ Hans:

    Unterscheidung Wissenschaft/Pseudowissenschaft: Rupnow/Lipphardt/Thiel/Wessely (Hrsg.) Pseudowissenschaft. 466 Seiten. Schon aus dem Jahr 2008. Ganz einfach ist es nicht.

    Der letzte Satz darin, von Mitchell Ash, lautet: „Allemal lohnt es sich darüber nachzudenken, ob nicht unser aller selbstsicherer und mitunter selbstgenügsamer Umgang mit allgemeingültig daherstolzierenden Abstrakta ein Stück weit von einer Reflexion des Umstands profitieren könnte, wie historisch wir alle doch eines Tages mitsamt unserer Wissenschaft sein werden.“

    Recht hat er. Vermutlich werden so manche Selbstgewissheiten demnächst Asche sein. Trotzdem muss man sich auf der Aussagenebene zwischen wahr und falsch und auf der Metaebene zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft positionieren. Die Frage ist, was die GWUP als aktionistischer Verein mit einer – so weit ich das von außen wahrnehme – wilden Mischung aus Wissenschaftlern, Nachdenklichen, Rechthabern und veritablen Dummköpfen dazu wirklich beitragen kann und ob Ash ihr in ihrem Streit nicht ein guter Ratgeber wäre.

    Antworten
      • Die Frage ist nicht unfein, aber gegenstandslos. Ich bin kein Mitglied der GWUP und über die Frage, wen in einem Verein ich wählen würde, in dem ich nicht bin und auch nicht sein will, will ich nicht nachdenken. Ich denke nicht einmal darüber nach, was ich am nächsten Sonntag in Castrop-Rauxel essen würde, wenn ich denn dort wäre, ich will nicht hin.

        Trotzdem verfolge ich den GWUP-Streit mit Erstaunen darüber, wie man in einem Verein miteinander umgeht, der angeblich das sachliche Argument hoch hält. Zu hoch?

        Antworten
  16. @ Timm Grams

    Was liegt außerhalb (des Einflusses) der Naturwissenschaften?
    Mir fällt nichts, aber auch gar nichts ein.

    Viele Menschen versuchen so etwas zu konstruieren. Aus vielen Motiven.
    Viele scheinen auch unter höllischer Angst vor der Macht und Reichweite der Naturwissenschaften (Naturgesetze?) zu stehen und deshalb dazu überzugehen, sie wegzukonstruieren.
    Vor ein paar Jahren waren das noch mehrheitlich die „bösen Gene“. Deren Einfluss und Reichweite musste so weit wie möglich dekunstruiert werden. Wenn ich da nur an Intelligenz denke, und wie lächerlich das eigentlich ist. Warum sollte jedes Persönlichkeitsmerkmal (vollkommen logisch, wenn man sich Vererbung anschaut) zu einem guten Teil vererbar sein, ausgerechnet Intelligenzmerkmale aber nicht?
    Lachhaft von Anfang an, sich auf so eine Diskussion überhaupt einzulassen.

    Wir haben dafür gerade in den woken Strömungen zahlreiche Beispiele.
    Die Fat Studies würden sich hervorragend zur Demonstration eignen.

    Ich hatte schon vor einer Weile mal in deinem Blog bisschen gelesen. Du hast interessante Gedanken, driftest dann aber ab in Gefilde, die mir zu irrational vorkommen.

    Antworten
  17. @ zimtspinne

    Das ist ein Strohmann: „Was liegt außerhalb (des Einflusses) der Naturwissenschaften?“ Gesagt habe ich: „Wer meint, allein mit dem naturwissenschaftlichem Denken auskommen zu können…“ Außer einem Grammatikfehler kann ich daran nichts Verwerfliches erkennen.

    Antworten
  18. @ Timm

    Ich komme allein damit aus und wollte auch das damit ausdrücken -unabhängig von Grammatik, was ich mit dem Klammereinschub abdecken wollte-.

    Mit den Methoden der NW kann man jederzeit alle noch so schrulligen Verhaltens- und Denkweisen der menschlichen Spezies erklären.

    Auch, warum manche Individuen so gerne auf alternative Pfade ausweichen und zu Konstruktionsverhalten neigen.
    Und sich selbst oder ihre Denkmuster außerhalb der Naturwissenschaften liegend wähnen^^

    Antworten
    • Wie lautet denn die naturwissenschaftliche Erklärung für Putins aktuelle Drohungen gegen Großbritannien oder für die Zurückhaltung von Bauträgern in der derzeitigen Situation? Und welche Naturgesetze haben Ihren Kommentar hervorgebracht?

      Bitte jeweils die konkreten Naturgesetze angeben.

      Antworten
      • Das Ding mit den emergenten Phänomenen haben Sie aber schon verstanden, oder?

        Dass die Chemie nichts weiter ist als angewandte Physik, die Biologie nichts Anderes als angewandte Chemie, die Psychologie „nur“ angewandte Biologie und die Soziologie lediglich aus angewandter Psychologie besteht (und die Geschichtsschreibung aus angewandter Soziologie), ist hoffentlich unstrittig, zumindest unter „normalen“ Wissenschaftlern.

        Somit: dass der Mann so tickt, wie er tickt, lässt sich problemlos mit der russischen Geschichte und der Soziologie der Herrschaftsstrukturen des Landes erklären. Deren Ableitung aus den zugrundeliegenden Naturgesetzen ist angesichts der Tatsache, dass wir höchstwahrscheinlich nicht in einer Simulation leben und diese somit nicht nach der Kausalität fragen können, dummerweise unmöglich.

        Ebenfalls dummerweise begreifen zu viele Leute nicht, dass daraus eben NICHT folgt, dass es außer den besagten Naturgesetzen noch andere Gründe für Putins (aus UNSERER Sicht irrationales) Handeln geben muss.

        Antworten
    • Ich denke, da muss man ein wenig differenzieren, worauf man eigentlich hinaus will.

      Ist die Frage: „Kann man alle beobachtbaren Phänomene im Prinzip mit dem Methodenkasten der empirischen Wissenschaften untersuchen?“ – dann würde ich prinzipiell zustimmen. Auch gesellschaftliche Phänomene wie Diskriminierung, Machtstrukturen, Kolonialisierung kann man quantitativ erfassen (oder es zumindest versuchen). Man kann bis zu einem gewissen Grad auch Hypothesen testen, was bei bestimmten Veränderungen passiert. Und sogar Interventionsstudien mit Kontrollgruppe sind manchmal auch in Kultur- und Gesellschaftskontexten möglich.

      Eine ganz andere Frage ist aber, ob dieser empirische Zugang der einzige „wissenschaftlich akzeptable“ Weg ist, um Kultur und Gesellschaft zu erforschen; und auch, ob es immer der sinnvollste Weg ist, um Sinnzusammenhänge zu erschließen.

      Und natürlich dürfen Philosophen z.B. auch ausloten wo es denn hinführt, wenn man den Realitätsbegriff der empirischen Wissenschaften aufgibt. Solange Geisteswissenschaftler da nicht die Ebenen verwechseln und ihre Denkmodelle ihrerseits als „die empirische Wahrheit“ verkünden, ist das nicht gleich Pseudowissenschaft.

      Wenn z.B. eine Genderforscherin sagen würde, „Es gibt keine Geschlechter“, und das tatsächlich im empirisch-biologischen Sinne meinen würde (also die Existenz von Eizellen und Spermien bestreiten würde) – dann wäre das natürlich pseudowissenschaftlicher Quatsch.

      Wenn sie aber sagt „Geschlecht ist konstruiert“, dann würde ich ihr schon so viel guten Willen entgegen bringen, dass sie damit wohl nicht die stoffliche Existenz von Eizellen und Spermien meint, sondern die Zuschreibungen und Kategorisierungen, die gesellschaftlich mit „Geschlecht“ einhergehen.

      Antworten
      • Ich stimme dir vollkommen zu, außer …

        > Und natürlich dürfen Philosophen z.B. auch ausloten wo es denn hinführt, wenn man den Realitätsbegriff der empirischen Wissenschaften aufgibt.

        Wo das hinführt, dazu brauche ich keinen Philosophen. Dazu brauche ich nur Kafka lesen. Dann reicht’s mir schon.

        Aber die besagten Philosophen loten das eben nicht nur aus. Sie schreiben solange an ihrem argumentativen Knoten herum, bis herauskommt, dass es keine objektive Realität gibt, Punkt. Wo diese Denke hinführt, dass ist den Herren Philosophen offenbar egal, Hauptsache sie werden oft zitiert und sind in aller Munde.

        Und dann kommen Andere und nehmen das für bare Münze und folgern daraus, dass die Erde flach ist, UFOs von den Plejaden kommen und Merkel ein Echsenmensch ist.

        … oder halt, dass der Klimawandel nix mit unserem CO2-Ausstoß zu tun hat, dass wirklich *alles* am Geschlechtsbegriff ein gesellschaftliches Konstrukt ist (inkl. der Tatsache dass Frauen im Schnitt kleiner sind als Männer), und so weiter.

        Ist ja eh alles konstruiert ist: es kann daher keinen Grund geben, dass sie damit daneben liegen könnten.

        Antworten
  19. @ Hans:

    So könnte man argumentieren. Die GWUP findet derzeit solche Annäherungswege anscheinend nicht.

    Ich würde noch anmerken, dass nicht jede Form der empirischen Sozialforschung einer Methodik nach dem Vorbild des naturwissenschaftlichen Experiments folgen muss, weil man sonst bei der Analyse menschlicher Handlungsgründe über einen falschen Determinismus nicht hinauskommt. Kurz dazu z.B. nebenan: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2018/06/24/was-ist-bewusstsein/?all=1. Auch die Geschichtswissenschaft hat empirische Grundlagen, kann sich aber ebenfalls nicht immer auf naturwissenschaftliche Methoden beschränken.

    Und zu den Gender Studies: Die müssen natürlich auch da, wo sie „nur“ über soziale Zuschreibungen sprechen, in der Lage sein, ihre Aussagen methodisch nachvollziehbar zu begründen und in der Wirklichkeit zu verankern. Sonst betreiben sie Essayismus.

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  20. Ich gestehe der Genderforscherin höchstens zu, dass sie schon anfangs weiß, worauf sie hinaus will: Das Herrschaftssystem des Patriarchats ist das Wurzelübel und an allem schuld.
    Spätestens, wenn ich diese Genderforscherin darauf hinweise, dass gerade dieser Tage eine Menge Männer durch die Trans-Hintertür dieses patriarchale Herrschaftssystem ausweiten wollen, wird sie davon nix mehr wissen wollen.

    Und blindwütig dafür eintreten, dass transidentifizierende Männer schon ganz richtig sind auf Frauen-Quotenplätzen, auf Frauen-Startplätzen im Sport und in Frauen-Schutz und Rückzugsräumen sowieso.

    So kann man jene Genderforscherinnen zu keinem Zeitpunkt ernstnehmen. Besonders dann nicht, wenn sie Begriffe wie „Geschlechter“ umdefinieren oder verwischen wollen.

    Antworten
  21. @zimtspinne
    “ Besonders dann nicht, wenn sie Begriffe wie „Geschlechter“ umdefinieren oder verwischen wollen.“

    – Ich glaube, jetzt kommen wir an einen sensiblen Punkt in der Debatte. Manche Naturwissenschaftler hegen offenbar sofort einen Pseudowissenschaftsverdacht, wenn Akademiker aus anderen Disziplinen Begriffe nicht so verwenden, wie es in der eigenen Naturwissenschaft gebräuchlich ist.

    Aber evtl. hat die Geisteswissenschaftlerin ja einen guten Grund dafür – jedenfalls ist es nicht verboten, die gleichen Begriffe in unterschiedlichen Disziplinen unterschiedlich zu verwenden, solange man irgendwo nachlesen kann, wie sie denn jeweils definiert sind. Solche Doppeldeutigkeiten machen Diskussionen manchmal verzwickt, aber so ist das halt mit transdisziplinärer Wissenschaft.

    Das gibt es sogar innerhalb der Biologie, ja, sogar innerhalb einzelner Sub-Disziplinen der Genetik.
    „Epigenetik“ z.B. bedeutet jeweils etwas anderes, wenn sie entweder einen Molekulargenetiker oder einen klassischen Mutationsforscher fragen.

    Antworten
    • Man muss dafür gelegentlich die Sprache wechseln. Im Englischen gibt es sex vs. gender (… sollte es geben … wenn nicht beide Seiten munter zur Begriffsverwirrung beitragen), hierzulande heißt von vornherein beides „Geschlecht“.

      Für einen noch nachhaltigeren Perspektivwechsel schaue man mal ins Spanische. Nicht nur sind dort die Brücken männlich (und entsprechend konnotiert, wenn man sich die Beschreibungen besonders markanter Exemplare so durchliest), nein, die haben auch zwei Wörter für „sein“ („ich bin 1.83 groß“ vs. „ich bin in Nürnberg“).

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      • Im Englischen ist auch der Begriff „Wissenschaft“ besser differenziert als im Deutschen, finde ich.

        „Science“ ist ausschließlich empirische Wissenschaft. Mathematik, Theologie, Philosophie, Literatur usw sind nicht Science, sondern werden meist z.B unter „Arts“ zusammengefasst, und die Leute heißen nicht Scientists, sondern meist „Scholars“. Finde ich sinnvoll, denn durch diese stärkere Differenzierung entkommt man eher der Versuchung, alle „Wissenschaften“ methodisch über einen Kamm zu scheren.

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        • Man könnte darüber noch endlos diskutieren, z. B. ob psychology eine natural oder eine social science ist, oder ob die Mathematik (IMHO eine Wissenschaft) mit der Theologie (keine Wissenschaft, sagt Wilhelm von Occam) wirklich in eine Reihe gehört, aber letzlich finde ich, Worte werden in ihrer Wichtigkeit von den Critical Studies krass überschätzt – sie schaffen nicht wirklich Wirklichkeit. Ich schließe mich Martin Mahner an, der der Anlass für die plagiierenden (#1660) Anonymi war:

          Wissenschaftliche Erkenntnis hat damit nicht nur einen emanzipatorischen, sondern auch einen global verbindenden Charakter.

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  22. https://blog.projekt-philosophie.de/argumente-check/das-woke-phaenomen-huemmlers-letztes-aufgebot-angriff-der-anonymen-halbalphabeten-teil-3/.

    Zitat „Herr Dr. Hümmler hat das anonyme Schmutzpamphlet MMWW als Vorsitzender der GWUP veröffentlicht. Ich gehe davon aus, dass er Inhalte und „Argumentationsstil“ teilt und für gut befindet. Das wiederum heißt, dass er damit auch für die GWUP, deren Arbeit und die ihrer Mitglieder Standards setzt. „ Andreas Edmüller

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  23. @pelacani

    „Wissenschaftliche Erkenntnis hat damit nicht nur einen emanzipatorischen, sondern auch einen global verbindenden Charakter.“

    Ein schönes humanistisches Ideal. Leider zerschellt es oft an der Realität.
    Ich habe hier z.B. ein Biologieschulbuch von 1937 (Otto Schmeil: „Der Mensch“), in dem ausführlich „wissenschaftliche Erkenntnisse“ über die Notwendigkeit der „Rassenhygiene“ dargestellt werden.
    Zitat: „Diese Zahlen zeigen mit erschreckender Deutlichkeit, dass die geistig und sozial Minderwertigen die kulturelle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Volkes im höchsten Maße bedrohen“. Und weiter: „Die Judenfrage ist eine Schicksalsfrage des deutschen Volkes, die bevölkerungspolitische Maßnahmen zur Ausschaltung aller rassefremden politischen, geistigen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einflüsse in der Nation verlangt“.

    Nun fällt es leicht, im Nachhinein die wissenschaftlichen Irrtümer solcher Pamphlete aufzuzeigen – das war eben Pseudowissenschaft. Dumm nur, dass die wissenschaftliche Elite, die „Experten“ (u.a. Konrad Lorenz) das damals nicht bemerkt hatten und die Rassenkunde vorantrieben. Der Herausgeber des Schulbuchs, der auch heute noch vielerorts hoch angesehene Otto Schmeil, freut sich im Vorwort, „dass die Biologie im neuen Staat [gemeint ist das Nazi-Regime] die Bedeutung erhalten hat, für die ich Jahrzehnte hindurch eingetreten bin“.

    Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass heutige Wissenschaft vor solchen Irrwegen sicher wäre – die Ausläufer der eugenischen Rassenlehre z.B. reichen bis in die Diskurse der Gegenwart. „Skeptiker“ sollten die Kraft zur Selbstkorrektur in der Wissenschaft nicht überschätzen. Gerade deshalb braucht die Naturwissenschaft den kritischen Blick von außen, z.B. von einer Geisteswissenschaft, die nicht die „biologischen Fakten“, sondern Machtstrukturen und Diskriminierung in den Blick nimmt.

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    • > die nicht die „biologischen Fakten“, sondern Machtstrukturen und Diskriminierung in den Blick nimmt.

      Schon. Nur wissen wir aus der aktuellen „Diskussion“, dass die Geisteswissenschaft (bzw. ein ziemlich prominenter und vielzitierter Teil derselben) aktuell damit beschäftigt ist, festzustellen, dass die Wissenschaft *nur* aus Machtstrukturen und daraus abgeleiteten „Fakten“ besteht, und die dahinter liegende objektive Realität schlicht negiert.

      Das geht besser.

      Gibt es eigentlich Geisteswissenschaftler, die diesem Unsinn nachdrücklich entgegentreten? von außen bekomme ich leider immer nur die Anderen mit, bzw. deren Auswirkungen. Der Verdacht analog zur Krähe, die ihren Artgenossen kein Auge aushackt, liegt nahe.

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      • Wenn ich die GWUP-Mitglieder nicht berücksichtige, dann fallen mir in Deutschland spontan Alexander Zinn (Soziologe und Historiker) und Vojin Saša Vukadinović (Historike und Genderforscher(!)) ein.

        In den USA traten/treten der (kürzlich verstorbene) Dan Dennett oder z.B. der Linguist John McWorther den CS entgegen.

        In England ist es Helen Pluckrose, Co-Autorin von „Zynische Theorien“.

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    • Auch wenn ich jetzt nicht gleich mit Namen und Zitaten aufwarten kann: ich bin sicher, dass es auch in den 30er Jahren eine Wissenschaft gegeben hat, die nicht dem Rassenwahn verfallen gewesen ist; m. a. W. ich bezweifle, dass Nazi-Schulbücher den Konsens/Mainstream der Biologie repräsentiert haben. Natürlich ist es immer möglich, die eine oder andere zweifelhafte oder missdeutbare Äußerung von Wissenschaftlern liebevoll zusammenzutragen (insbesondere bei der Aufklärung, z.B. den Rassismus von Kant aufzuspießen) … schließlich wird man sich fragen, wie es überhaupt zu einem Fortschritt kommen konnte.
      Das Etikett „Wissenschaft“ hat heute, hatte eigentlich immer, eine intrinsische Attraktivität. Jeder reklamiert es für sich, bis hin zu Murray mit seiner Glockenkurve. Ich sehe Mahners Anspruch davon nicht berührt, selbst wenn er natürlich retrospektive Aspekte hat. Ein bisschen ist das wie mit der Plausibilität in der wissenschaftlichen Medizin, solange die empirischen Wirksamkeitsnachweise fehlen. Die Plausibilität misst sich nicht daran, ob sich Lieschen Müller oder Otto Normalverbraucher sich dies oder jenes vorstellen können, sondern daran, wie es sich mit der Wissenschaft als hypothetisch-deduktivem System verträgt.

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    • Und noch:

      Gerade deshalb braucht die Naturwissenschaft den kritischen Blick von außen, z.B. von einer Geisteswissenschaft, die nicht die „biologischen Fakten“, sondern Machtstrukturen und Diskriminierung in den Blick nimmt.

      Das ist ein fundamentales Missverständnis. Die Aufdeckung von Machtstrukturen kann prinzipiell nichts zur Klärung inhaltlicher Fragen der Wissenschaft beitragen. Der „Klassiker“ dazu ist Ludwik Fleck, vgl. hier, am Ende; Latour ist da nur ein Epigone. Eine solche Interpretation wäre nur ein Beispiel für den genetic fallacy, vgl. z. B. #62.

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      • „m. a. W. ich bezweifle, dass Nazi-Schulbücher den Konsens/Mainstream der Biologie repräsentiert haben. “

        – Doch, erschreckenderweise war Rassenhygiene und Eugenik weithin anerkannte Mainstream-Biologie in den 1930er-Jahren. An deutschen Universitäten war allerdings bis 1945 auch gar keine andere Humanbiologie mehr möglich als die vom Nazi-Regime propagierte. Aber auch danach gingen diese Ideen nicht plötzlich weg. Mainstream-Biologe, NSDAP-Mitglied und Nobelpreisträger Konrad Lorenz etwa blieb seiner eugenischen Ideologie auch nach 45 treu.

        Gerade die Eugenik war auch nicht nur ein deutsches Phänomen – z.B. einer der Väter der statistischen Genetik und der modernen Statistik, R.A. Fisher, vertrat dezidiert eugenisch und rassistisch motivierte Ideen noch in den 1950ern und war der Gründer der „University of Cambridge Eugenics Society“.

        „Das ist ein fundamentales Missverständnis. Die Aufdeckung von Machtstrukturen kann prinzipiell nichts zur Klärung inhaltlicher Fragen der Wissenschaft beitragen.“

        – Nicht direkt. Aber wenn man sich anschaut, welche Fragen überhaupt bearbeitet und gefördert werden (und welche nicht), und wie die Ergebnisse (evtl. selektiv) interpretiert und vermittelt werden, dann kommt man nicht drum herum, wissenschafts-soziologischen Phänomene in den Blick zu nehmen. Die Fakten bleiben gleich, aber welche Fakten überhaupt gefunden werden, und in welchen theoretischen Kontext sie gestellt werden, das ist dem Einfluss der gesellschaftlichen Verhältnisse ausgesetzt.

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        • Konrad Lorenz ist ein schönes Beispiel. Kann man wegen seiner Nazi-Gläubigkeit seine Ethologie in die Tonne treten? Was du zu „Machtstrukturen“ sagst, ist von harmloser Allgemeinheit. Wer sollte da widersprechen.

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          • „Wer sollte da widersprechen.“ – Dann sind wir uns ja einig (;.

            Trivial finde ich das allerdings nicht – inwiefern die aktuellen „Verhältnisse“ auf die Wissenschaft, ihre Prioritäten und Interpretationen Einfluss nehmen, kann man vielleicht erst in der historischen Rückschau deutlich erkennen, wie die Beispiele Rassenkunde und Eugenik zeigen.

        • Gibt es eigentlich auch „Machtverhältnisse“ bei den Gender oder Critical Studies etc.? Ich finde, das hat keinen Einfluss auf ihre Wissenschaftlichkeit, sondern nur einen auf die mögliche Unterdrückung von Widerspruch.

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          • Aber pelacani, wie kommst Du denn auf d i e s e abstruse Idee? Latürnich ist das Feld CS komplett herrschaftsfrei, Du Dummerle!

            Wer den Sarkasmus findet, der darf ihn behalten.

    • Gerade deshalb braucht die Naturwissenschaft den kritischen Blick von außen, z.B. von einer Geisteswissenschaft, die nicht die „biologischen Fakten“, sondern Machtstrukturen und Diskriminierung in den Blick nimmt.

      Eugenik gründet zwar auf biologischen Erkenntnissen, aber es geht sicher nicht (zwingend) daraus hervor. Naturalistischer Fehlschluss ist auch das, was man Kutschera vorwerfen kann (haben wir hier auch schon mal gemacht). Das widerlegt aber keine biologischen Tatsachen (>Moralistischer Fehlschluss). Ich nehme auch an, dass diese Ideologie nicht ausschließlich von Naturwissenschaftlern vertreten – und ausschließlich von Sozialwissenschaftlern bekämpft wurde. In dem VV-Artikel wird so getan, als wäre die Sozial- oder auch die Geisteswissenschaft das notwendige Korrektiv für die naturwissenschaftlichen Fehlschlüsse. Insbesondere die CS (die es ja eigentlich gar nicht gäbe) erst hätten bestimmte Strukturen aufgedeckt, deren Überwindung eine Emanzipation erst ermöglicht hätten.

      Nette Geschichte, aber ich denke, so einfach ist das nicht. Ich mache das mal konkreter, weil wir das auch als einen der heiklen Punkte im Zusammenhang mit dem Wokismus (ich nehme das mal als Synonym für den aktivistischen Teil der CS) im Forum diskutieren, und weil es immer gut ist, so eine Diskussion auch mal zu erden.

      Hier wurden schon solche Fehlentwicklungen, wie Eugenik, genannt. Da gibt es weitere Beispiele, etwa die Lobotomie. Das hängt auch mit medizinisch-naturwissenschaftlichen Einsichten zusammen, aber ergibt sich nicht einfach daraus. Vor allem ist die Etablierung und Aufrechterhaltung so einer Irrlehre nicht einfach damit zu erklären, dass niemand aus diesem Bereich (also den NW) keine Kritik angebracht hätte.

      Es geht um den affirmativen Ansatz bei der Behandlung geschlechtsdysphorischer Jugendlicher (v.a. vor der Pubertät). Dazu wurde kürzlich ein umfangreiches Review (Cas-Review) veröffentlicht, das einen Vergleich mit der Lobotomie erlaubt. Es ist ein Ansatz, dessen Nutzen kaum bis gar nicht belegt ist und dessen Risiken bisher kaum abzuschätzen sind. Trotzdem wird er von Fachgesellschaften z.T. in Leitlinien empfohlen. Verantwortlich sind nicht nur Ärzte und Psychologen, auch Sozialwissenschaftler und Juristen. Das hat gar nicht mehr mir Naturwissenschaft/Medizin im eigentlichen Sinn zu tun. Man kann auch als Naturwissenschaftler postmodernen Vorstellungen anhängen, was gerade in dem Bereich oft der Fall ist.

      Das sind angewandte Aspekte der CS, da bestimmte, empirisch nicht belegbare Vorstellungen aus den Genderwissenschaften (biologisches Geschlecht als soziales Konstrukt, „unendlich“ viele Geschlechter etc.) den Aktivismus unterbauen und sich Aktivisten auf diese angeblich wissenschaftlichen „Fakten“ berufen. Es mag sogar sein, dass das eine etwas vulgäre Auslegung bestimmter Theorien ist, aber das ist es in der Konsequenz fast immer. Da werden dann Theorien zu Parolen (es gibt keine Realität, nur Interpretationen; Geschlecht ist ein performativer Akt etc.), die unhinterfragt geglaubt werden (weil sie als wissenschaftlich daher kommen).

      Ich würde dann erwarten, dass auch aus den Sozial- und Geisteswissenschaften Kritik kommt (sie kommt ja auch, wird aber gerne als antiprogressiv / rechts diffamiert, siehe den verlinkten Beitrag von H. Marcks). Das immer nur als Kulturkampf zu deuten bzw. als einen unendlichen „Science War“, hilft hier nicht weiter und ist mir auch zu allgemein.

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  24. @ Carsten Ramsel 7. Mai 2024 um 21:35 Uhr

    Im Mahnerschen Denkgebäude macht es, soweit ich sehe, nur Sinn von einer denkunabhängigen Realität zu sprechen, wenn wir gleichzeitig Naturgesetze mit ihr verbinden, die immer und überall gültig, also universell sind. Der Kritische Rationalismus soll, wenigstens ausschnittsweise, Beschreibungen dafür finden. Ihren Beispielen fehlt der Hinweis auf universelle Gesetzmäßigkeiten, sie gehen also am Kern der Sache vorbei.

    Was „Die Arbeitslosen von Marienthal“ angeht, habe ich mich nur über die Wikipedia kundig gemacht (danke für den Hinweis). Es handelt sich wohl um ein zentrales Dokument der empirischen Sozialforschung. Charakteristikum der Studie scheint die „teilnehmende Beobachtung“ zu sein. So etwas gibt es auch in der Quantenphysik, also in der Naturwissenschaften: „Die Quantenphysik wirft die Frage auf, […] ob Quantenobjekte bzw. deren Eigenschaften wirklich real sind oder ob sie vom Beobachter abhängen“ (Martin Mahner, Naturalismus, 2018, S. 17).

    Sie haben also ein Beispiel für die Kritische Theorie gebracht, und nicht eins für den Kritischen Rationalismus.

    Antworten
    • die „teilnehmende Beobachtung“ zu sein. So etwas gibt es auch in der Quantenphysik, also in der Naturwissenschaften: „Die Quantenphysik wirft die Frage auf, […] ob Quantenobjekte bzw. deren Eigenschaften wirklich real sind oder ob sie vom Beobachter abhängen“ (Martin Mahner, Naturalismus, 2018, S. 17).

      Die Frage wird gestellt, aber wie wird sie beantwortet? Die Eigenschaften können nicht „beobachterunabhängig“ gemessen werden, aber ihre reale denkunabhängige Existenz zu bezweifeln wäre absurd.

      Dieses Beispiel illustriert nur ein generelles Prinzip: Man kann in einem quantenmechanischen System keine Messungen vornehmen, ohne das System dabei zu verändern. Obgleich dieses Prinzip eher durch die technischen Voraussetzungen der Messung als durch den menschlichen Beobachter hervorgerufen wird, bezeichnet man es als Beobachtereffekt

      Hümmler, Relativer Quantenquark 2017, S. 62

      – Dort ausführlicher.

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      • „Obgleich dieses Prinzip eher durch die technischen Voraussetzungen der Messung als durch den menschlichen Beobachter…“ ist nicht so glücklich formuliert, aber da der Bekanntheitsgrad des Autors gerade steigt, gibts ja vielleicht bald eine korrigierte Neuauflage des Buches.

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    • Erst einmal danke ich Ihnen für die Erklärung. Wenn diese Bedingungen (Naturgesetze, universelle Gültigkeit) für eine denkunabhängige Realität gefordert werden, kann es in den Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften selbstverständlich keine denkunabhängige Realität geben. Dass diese Bedingungen vielleicht selbst von der Quantenphysik nicht erfüllt werden, mag eine Besonderheit der Physik sein. Ich bin Soziologe und kein Physiker.

      Vorbemerkung: Die Kritische Theorie ist im 20. Jahrhundert eine von vielen verschiedenen soziologischen „Schulen“ und sie trat im Positivismusstreit, den ich hier nicht weiterführen möchte, prominent hervor; sie steht aber bestimmt nicht für alle Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften und kann auch nicht als Sammelbegriff genutzt werden.

      Und so wollte ich meinen Kommentar auch verstanden wissen. Wenn wir den Positivismusstreit nicht bis in alle Unendlichkeit fruchtlos (für die Sozialwissenschaften) fortführen möchten, gibt es gute Gründe in den Sozialwissenschaften von faits sociaux (Durkheim), social facts (Mead) zu sprechen und damit Überprüfbarkeit, Falsifizierbarkeit und eine Korrespondenztheorie der Wahrheit zu ermöglichen? Ich meine ja! Da in den Gesellschaftswissenschaften eine Grenze eher zwischen Quali- und Quantiforschung verläuft (und politischer Aktivismus entweder als hui oder pfui gilt), habe ich das Beispiel „Marienthal“ gebracht.

      Geld und andere (soziale) Ressourcen sind sozial konstruiert und somit nicht denkunabhängig. (Auch wenn Ihnen BWLer etwas anderes erzählen.) Dass ich allerdings fünf Euro in meiner Tasche habe, davon meine Familie bis zum Ende des Monats ernähren muss und dass dies sowohl soziale als auch psychische und politische Konsequenzen für mich und meine Familie hat, ist überprüfbar, falsifizierbar und im Sinne einer Korrespondenztheorie wahr. Und es ist genauso wahr, dass bestimmte soziale Eigenschaften mit sozialen oder politischen Konsequenzen korrelieren, ohne dass es sich dabei um Kausalitäten handelt, wie die CS postulieren.

      Und nun zurück zum eigentlichen Thema. Das „Geschwurbel“ der CS liegt doch nicht daran, dass es in den Geistes-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften keine denkunabhängigen Realitäten geben kann, sondern dass soziale Tatsachen geleugnet werden. Wenn alles in Geschichte und Gesellschaft Machtdiskurse (Foucault) sind, dann gilt das Recht der Stärkeren. Und nur so ist es zu verstehen, dass ehemals wissenschaftliche Diskurse inzwischen auch auf der Straße geführt werden und politisch sind. Cancel Culture und Hörsaalbesetzungen sind dann wissenschaftliche Diskurse mit anderen Mitteln.

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  25. @ Timm Grams:

    Bei den Quantentheorie geht es, wenn ich es richtig verstanden habe, um den unvermeidlichen Einfluss des Messvorgangs auf das, was man beobachtet. Darum geht es in den „Arbeitslosen von Marienthal“ nicht. Diese Studie zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Alltag der Arbeitslosen minutiös beobachtet hat, bis hin zur Veränderung der Gehgeschwindigkeit der Menschen. Das erinnert eher an den Ansatz der „dichten Beschreibung“ von Glifford Geertz als an Schrödingers Katze.

    @ All:

    Zur Frage, ob alles naturwissenschaftlich erklärbar ist: Ich hatte weiter oben mal gefragt, wie man naturwissenschaftlich aktuelle politische Ereignisse erklärt. Man könnte auch etwas näher an der philosophischen Debatte zu primären und sekundären Qualitäten fragen, ob die Sätze „Gras ist grün“ und „Mengele war grausam“ wahr sind und falls ja, ob ihre Wahrheit naturwissenschaftlich begründbar ist bzw. beobachterunabhängig ist. In der „Analytischen Philosophie des Geistes“ gibt es Berge von Literatur zur Reduktionismusdebatte und zur Naturalismusfrage, im deutschsprachigen Raum hat Ansgar Beckermann einiges dazu geschrieben.

    Und zur Frage, ob es Geistes- oder Sozialwissenschaftler gibt, die sich mit relativistischen Positionen auseinandersetzen: Das Thema ist dort in den verschiedenen Disziplinen und unter unterschiedlichsten Perspekiven seit eh und je auf der Agenda. Etwas name dropping dazu, falls sich jemand wirklich eingoogeln wollte: Interessante, bis heute relevante Impulse gab Bernard Williams mit seinen Überlegungen zu einer „absoluten Konzeption der Realität“; berühmt wurde der hier auch schon erwähnte Positivismusstreit in der deutschen Soziologie in den 1960er Jahren; viel Material dazu hat Ulrich Beck in seiner Dissertation „Objektivität und Normativität“ aufgearbeitet; es gibt in der Soziologie das „Thomas-Theorem“ zur Wirklichkeit sozialer Sachverhalte; neuer und wieder zurück zur Philosophie, lesenswert ist auch das Buch „Angst vor der Wahrheit“ von Paul Boghossian. Auf der anderen Seite hatte z.B. Hartwig Berger in „Untersuchungsmethode und soziale Wirklichkeit“ vor Jahrzehnten kluge Kritik an gängigen Methoden der empirischen Sozialforschung geübt, ebenso die Holzkamp-Schule in der Psychologie – beide ohne im Relativismus zu enden.

    Aktuell gibt es auch in meinem Arbeitsfeld dazu Diskussionen, z.B. ob epidemiologische Studien nicht stärker partizipativ angelegt werden müssen, oder, politisch virulent derzeit in Kanada, ob die Beforschung indigener communities mit klassischen epidemiologischen Methoden eher Vorurteile reproduziert als die Handlungsmöglichkeiten der indigenen communities zu erweitern, siehe z.B. Ryan Petteway.

    Ein weites Feld also. Aber ob solche Debatten viel zum Verständnis des Zerwürfnisses in der GWUP beitragen?

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    • > unvermeidlicher Einfluss des Messvorgangs auf das, was man beobachtet

      Schlimmer. Der Beobachter entscheidet, was er/sie/es messen will, und macht dadurch den Wert eines bestimmten anderen Parameters des beobachteten Teilchens kaputt. Klassisch ist das Ort vs. Geschwindigkeit (bzw. Impuls) eines Teilchens; die Liste ist lang.

      Das kann man natürlich auf soziologische Zusammenhänge übertragen (und statt der Eigenschaften des Teilchens irgendwelche gesellschaftlichen Attribute einsetzen, und so weiter), wenn man das unbedingt will, aber im Grunde ist das argumentativer Quatsch. („Der Eiffelturm ist ziemlich hoch. Die Pyramide von Gizeh auch. Der Eiffelturm ist aus Eisen. Folglich ist die Pyramide auch aus Eisen.“)

      Darüber, dass persönliche Befindlichkeiten die Wissenschaft stören, brauchen wir uns nicht zu unterhalten; dass dem so ist, wissen wir seit Galileo. Oder Semmelweis, oder oder oder. Die Frage ist, was das betreffende Fachgebiet daraus lernt.

      Ja, man muss einerseits die eigenen Vorurteile hinterfragen, wenn man vernünftige Forschung betreiben will. Auf der anderen Seite stehen grundlegende Erkenntnisse wie zB die Evolution in der Biologie oder das Periodensystem in der Chemie, über die man mit einiger Berechtigung sagen kann, dass ohne sie das jeweilige Fachgebiet komplett sinnfrei und beliebig wäre.

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  26. Um mal wieder auf das Thema zu kommen 😉
    Holger Marcks (auch GWUP-Mitglied) hat sich als Sozialwissenschaftler dazu geäußert. Es ist nicht so, wie es teilweise hier diskutiert wird: nämlich, dass eine Kritik aus Fächern, die eine andere „Wirklichkeitsvorstellung“ hätten, das aktuelle Problem (nicht nur innerhalb der Gwup) wäre. Mahner ist nicht nur Naturwissenschaftler, Mukerji überhaupt nicht. Ich zitiere nur einen kleinen Teil (wegen des ersten Satzes :)), der Artikel ist aber in Gänze hilfreich. Er wirft auch kein gutes Licht auf den VV-Artikel (um den es hier geht).

    Zum anderen finden diese Entwicklungen auch und gerade in den (Sozial-)Wissenschaften statt. Als Wissenschaftsorganisation muss sich die GWUP dazu verhalten: Es geht hier letztlich um die epistemischen Grundlagen der Wissenschaft. Martin Mahner hat dieses Problem mit Blick auf die sog. Critical Studies (CS) und ganz im Popper‘schen Geiste treffend als »erkenntnistheoretischen Relativismus« beschrieben. Hingegen zeigt die umfassende Reaktion einer anonymen Autorengruppe, dass sie gar nicht begriffen hat, was der epistemologische Kern des Problems ist, wenn sie beklagt, dass die gesamten CS, die sie als »Disziplin« halluzinieren, unter Verdacht gestellt würden. Denn ja, natürlich tut man das. Aber eben – semantische Differenz lässt grüßen – in einem ganz anderen, elaborierteren Sinne, als es die CS-Apologeten meinen. Denn es ist hier eben keine (Sub-)Disziplin wie etwa Ethnologie oder Geschlechterforschung gemeint – und auch nicht einfach eine wertegeleitete Forschung in diesen Bereichen. Es meint vielmehr jene akademischen Ansätze, die auf politisch-theoretisch eingespeisten Grundannahmen basieren (queer theory, critical race bzw. whiteness, post-colonialism usw.) und auf dem epistemischen Modus linker Identitätspolitik aufbauen. Insbesondere intersektionale Ansätze gründen explizit auf standpunkttheoretischen Dispositionen, die Betroffenengruppen etwa als »epistemisch privilegiert« ausweisen und deren imaginierte Perspektive zu einer neuen Wissensautorität essenzialisieren.

    https://mit-cks.net/memo-das-skeptische-spektakel/

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    • Nehmen wir mal an, Teilgebiete der Geisteswissenschaften – oder einzelne Forschende in einem Bereich – vertreten einen erkenntnistheoretischen Relativismus und „weisen Betroffenengruppen als »epistemisch privilegiert« aus“ . Ist das alleine schon ein valides Kriterium für das Label „Pseudogeisteswissenschaft“? Ich denke nein. Die Kriterien, die für Naturwissenschaft gelten, muss sich eine geisteswissenschaftliche Denkrichtung nicht zu eigen machen. Sie muss dann halt auch zu ihren Prämissen stehen, d.h. ihre Aussagen und Forschungsergebnisse in den Rang von empirischen Tatsachen zu erheben ist dann natürlich nicht möglich. Und über die Prämissen selbst sind erst recht keine Aussagen möglich, da sie ja von Anfang an als gesetzt „eingespeist“ werden. (An der Stelle mag tatsächlich ein valider Ansatzpunkt für Kritik stecken, zugegeben.)

      Einen Pudding an die Wand zu nageln dürfte jedenfalls leichter sein als den „CS“ als Ganzes „Pseudowissenschaftlichkeit“ halbwegs überzeugend nachzuweisen; es sei denn, man meint „Pseudoscience“ und testet, ob das Zielobjekt den Kriterien der empirischen Wissenschaften genügt – dann begeht man aber einen Kategorienfehler, denn das behaupten die CS ja gar nicht über sich selbst. Wie gesagt, Pudding.

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      • Oder, andersherum gesagt: Es dürfte leicht sein, bestimmten akademischen Tätigkeiten aus den Geisteswissenschaften das Etikett „Pseudowissenschaft“ anzuheften, wenn man einen relativ engstirnigen Szientismus vertritt.

        Die bisher hauptsächlich von der GWUP bearbeiteten Themen benötigten diese ideologische Voraussetzung nicht. Um z.B. Astrologie oder Homöopathie zu kritisieren, reicht ein Realitäts- und Wissenschaftsverständnis, das jedem auch ohne wissenschaftsphilosophischen Exkurs einleuchten sollte. Ein Verständnis der Sorte: „Wenn ich mit verbundenen Augen über die viel befahrene Autobahn gehe, werde ich wohl überfahren“. Kaum jemand wäre bereit, unter der Flagge des erkenntnistheoretischen Relativismus den Gegenbeweis anzutreten.

        Dass Astrologie und Homöopathie Humbug sind, ist prinzipiell jedem zu vermitteln, der ein ernsthaftes Interesse am Thema hat und dieses ganz basale Realitätsverständnis mitbringt. Das mag wohl auch mit ein Grund sein, wieso die GWUP (gemessen an der eigentlich kleinen Mitgliederzahl) so viel Reichweite hat.

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        • Es dürfte leicht sein, bestimmten akademischen Tätigkeiten aus den Geisteswissenschaften das Etikett „Pseudowissenschaft“ anzuheften, wenn man einen relativ engstirnigen Szientismus vertritt.

          Nein, Hans, das ist nur hochgestochener Unfug. Die Gesetze der Logik gelten für alle.

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        • „Enggeführter Szientismus“ ist bloße Polemik. Es gibt überhaupt keinen Grund, die Bungesche Definition von Szientismus (hier unten, nochmal) als „zu weit und damit sinnlos“ abzutun. Welche Wissenschaft passt nicht in ihren Rahmen, und welcher Schwachsinn würde durch ihre Maschen hineinschlüpfen?

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      • erkenntnistheoretischen Relativismus und „weisen Betroffenengruppen als »epistemisch privilegiert« aus“ . Ist das alleine schon ein valides Kriterium für das Label „Pseudogeisteswissenschaft“? Ich denke nein.

        Ich übersetze das mal in ein schlichtes, altmodisches Deutsch: Das Bewusstsein ist durch das jeweilige Sein determiniert, das heißt insbesondere durch den eigenen Klassenstandpunkt. Eine objektive Erkenntnis ist nur vom Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse aus möglich. Ich denke, das ist keine Pseudowissenschaft.

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        • Oder so?

          „Die Fähigkeit, Sachverhalte kompetent zu beurteilen, korreliert in manchen Bereichen mit der Erfahrungsbasis. Ein erfahrener Arzt kann einen Hautausschlag meist besser einordnen als ein Berufsanfänger und ist ihm gegenüber insofern epistemisch privilegiert. Ich denke, das ist keine Pseudowissenschaft.“

          Oder so?

          „Hinsichtlich der Frage, wie es sich anfühlt, eine Fledermaus zu sein, ist eine Fledermaus gegenüber einem Menschen epistemisch privilegiert. Ich denke, das ist keine Pseudowissenschaft.“

          Vielleicht dann auch so?

          „Wie es sich anfühlt, als Mensch schwarzer Hautfarbe diskriminiert zu werden, kann jemand mit schwarzer Hautfarbe besser beschreiben als ein weißer Europäer, er ist ihm gegenüber bei dieser Frage epistemisch privilegiert. Ich denke, das ist keine Pseudowissenschaft.“

          Mir scheint, man müsste erst einmal schauen, was mit der Formulierung „epistemisch pivilegiert“ konkret gemeint ist, weil man sich sonst leicht von der Sprache verhexen lässt (frei nach Wittgenstein).

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          • Zu Variante (1): es wäre bloßer Obskurantismus, Wortmagie, in solch schlichten Fällen von „epistemologischen Privileg“ zu sprechen. Ein Privileg ist doch etwas, was einem gegeben ist und nicht, was man sich erarbeitet hat.
            Zu Varianten (2) und (3): „Kognition, so ein Quatsch. Fühlen müsst ihr, fühlen!“

            Sophisterei (eine objektive Frage von dem, was die Sache ist, in eine subjektive, was das Wort, durch welches wir sie anzeigen, bedeute, umzuändern)

            – Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, 1793

      • Wenn eine „Wissenschaft“ Aussagen über die Realität macht, die sich empirisch nicht belegen lassen (tritt es zu oder nicht), dann hat man einen Pseudowissenschaftsverdacht, der gut begründet ist. Wenn man bspw. den dritten Gameten finden würde, dann wäre der Verdacht unbegründet. Es geht hier nicht um eine pauschale Verurteilung (das unterstellt nur der VV, bitte normal genauer hinsehen), es geht um Positionen, die in Widerspruch zu den gut belegten Beobachtungen und Theorien der (aber nicht nur) Naturwissenschaften stehen. Einhörner werden auch dadurch nicht real, weil man sie (angeblich) nicht fangen kann. Verschwörungsideologien haben auch Pudding-Eigenschaften. Kein Grund, sie als Skeptiker (macht de Gwup auch) zu ignorieren.

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        • Sind dann Stringtheorien, Theorien über dunkle Materie oder Theorien über Paralleluniversen Pseudowissenschaft? Sie lassen sich bisher empirisch nicht belegen. Oder wird etwas erst eine Pseudowissenschaft, wenn es (ohne gute eigene Empirie) in Widerspruch zu gut belegten Beobachtungen und Theorien steht? Das sind offensichtlich zwei paar Stiefel.

          Antworten
          • Also bei den Paralleluniversen wäre ich da schon beinah sicher. Bei den anderen Gelegenheiten: man weiß es nicht, für mich wäre das eine pragmatische Frage: wenn sich jemand findet, der auf die Stringtheorie eine Schutzvorrichtung gegen Handystrahlen aufbaut, das würde sie schon ein bisschen in ihrer Ehre kränken – es ist ein wenig unklar, wie sie sich wehren könnte. Glücklicherweise hat sie noch keinen so magischen Klang.

            It is no argument to me that a thing is true, because it is possible; no, nor because probable; nay, it is certain, many lyes and falsehoods are founded on this very thing, probability.

            – Meric Casaubon, Of credulity and incredulity, in things natural, civil, and divine, 1668

          • Zur dunklen Materie: nicht Pseudo, weil wir Beobachtungen haben die sich mit Relativitätstheorie und detektierbarer Materie alleine nicht erklären lassen. Dem steht nicht entgegen, dass es auch andere Erklärungsansätze gibt: wir wissen nicht ob es dM ist, aber wir wissen dass es *irgendwas* ist.

            Stringtheorie ist so an der Grenze. Die ist u.A. deswegen angetreten, weil es diverse Leute gestört hat, dass wir so viele „krumme“ Konstanten in der Teilchenphysik haben. Nur (a) gibt es inzwischen nicht nur eine dieser Theorien (b) haben wir keine Ahnung wie wir rausfinden können welche stimmt, wenn überhaupt und (c) hat bisher niemand ein nicht-philosophisches Argument dafür vorbringen können, dass der Grund für die Existenz dieser krummen Konstanten überhaupt darin liegt, dass das Standardmodell unvollständig oder gar falsch ist. Vielleicht ist das einfach so.

            cf. dazu Sabine Hossenfelder.

          • Gut, wurde schon mehr oder weniger beantwortet. So Zeugs wie Paralleluniversen (Zeitreisen ggf. auch noch), sind Spekulationen, ggf. Science Fiction. Sie beruhen aber auf dem, was man gesichert weiß und widersprechen bisherigen Beobachtungen nicht (Paralleluniversen sind sehr exotische Vorstellungen, aber Quanteneffekte lassen solche Spekulationen zu).

            Vll. findet man eines Tages einen Weg, um das zu falsifizieren, die Wissenschaft ist ja kein festes Gebäude. Es sind Dinge, die möglich sind, aber erstmal nur fiktiv. Problematisch wird es erst, wenn man die Möglichkeit mit einer notwendigen Existenz verwechselt und daraus Konsequenzen zieht. Das Beispiel Diptam ist sehr schön, das ist mir auch sofort eingefallen. Ich behaupte sogar, dass mindestens die Hälfte der Beiträge unseres Wikis genau auf diese Entgrenzung zurückgeht. Wissenschaft ist für mich auch ein Weg, zwischen Fakt und Fiktion unterscheiden zu können. Aber wenn es keinen feststellbaren Unterschied gibt, ob etwas richtig oder falsch ist, dann ist das eben kein gesichertes Wissen und darf gerne angezweifelt werden.

          • Wurmlöcher nicht zu vergessen. Gab es da nicht weiße und schwarze? Also gute und böse Wurmlöcher?

            Fand ich mal spannend und habe eine Reihe Bücher dazu gelesen.
            An keiner Stelle fühlte ich mich verkackeimert oder zugeschwafelt wie es mir regelmäßig bei „Theorien“ und „Studies“ aus dem Fundus der Postmoderne geht.

            Auch heute noch übersteigen die mittlerweile fast schon mit Erklärungen und „Beweisen“ zugepflasterten Schwarzen Löcher komplett meine Vorstellungskraft, erst recht schwarze Materie und die exotischeren Dinge wie Zeitreisen, Wurmlöcher oder Paralleluniversen.
            Trotzdem konnte ich der Besprechung dieser Forschungsgegenstände gut folgen und mit den Ergebnissen sehr gut leben.

            Wir wissen doch inzwischen auch alle, woran es bei den bullshit-CS krankt: keine Ergebnisoffenheit.
            An anderen Kriterien kann man vielleicht rumkritteln (Nichtprüfbarkeit, Falsifizierbarkeit hier), aber niemals an der Ergebnisoffenheit.

            Wie das bei ideologisierten Wokies läuft, haben ja eben die Grüntextpamphleter herrlich demonstriert.

            Dass die Maori (globaler Süden, Privilegientheorie) auch selbst womöglich ausgebeutet, diskriminiert, kolonalisiert, gemetztelt, gemeuchelt oder gar worst case versklavt & genozidiert haben, kommt als Möglichkeit nicht vor.
            Wer das auch nur anzusprechen wagt, ist auch schon rassistisch und auf dem Weg ins rechtsradikale Lager.

            Tja, daran erkennt man Pseudowissenschaft bzw fake science.

          • Wurmlöcher sind natürlich auch tolle Dinger. Sie sind möglich, aber nur im Denken 🙂 Dass so kleine Wesen wie Menschen oder Außerirdische so etwas erzeugen können, um damit durchs All zu reisen, ist eher fantastisch. Hält aber die UFO-Gläubigen nicht davon ab, dass als eine „Erklärung“ für die Untertassen-Besucher herzunehmen. Erinnert ein wenig an den Anemonenfisch. Er kann sein Geschlecht wechseln (aber nicht selbstbestimmt), also muss das Geschlecht etwas Fluides in der Natur sein. Damit wird ja teilweise begründet, warum das biologische Geschlecht nur ein Konstrukt sei (das Beispiel soll das empirisch widerlegen). Das sind nicht nur vulgäre Vorstellungen von Aktivisten, es ist auch eine Denke in den Genderstudies (etwas vereinfacht). Ich nehme das Beispiel, um die Diskussion hier nicht zu abstrakt werden zu lassen und auf die Probleme, um die es eigentlich geht, nicht aus den Augen zu verlieren. Mahner weist auf die Probleme hin, die sich aus angewandten Irrungen ergeben können. Darum geht es primär, auch im Sinne des Verbraucherschutz (etwas weiter gefasst).

            Das mit den Maori ist ein gutes Beispiel für Denkschablonen, die man trotz gegenteiliger Beobachtungen nicht aufgeben will. Stattdessen werden die Beobachtungen wieder so umgedeutet, dass sie zur „Theorie“ passen. Edmülller hat das zuletzt gut gezeigt.

  27. @ pelacani:

    „Zu Variante …“

    Ja, solche Diskussionen müsste man führen. Zu deinem ersten Einwand könnte man natürlich z.B. rückfragen, ob „epistemisch privilegiert“ Übergänge im Laufe der Zeit von „nicht privilegiert“ zu „privilegiert“ ausschließt, man von Privilegierung also nur sprechen sollte, wenn sie prinzipiell uneinholbar ist (in die Richtung geht Thomas Nagels Fledermausbeispiel), zu den beiden anderen Einwänden könnte man z.B. rückfragen, ob Gefühle/Emotionen nicht auch kognitive Aspekte einschließen (siehe z.B. https://www.suhrkamp.de/buch/philosophie-der-gefuehle-t-9783518295076) und evolutionär genau deswegen ausgelesen wurden.

    „It is no argument to me that a thing is true, because it is possible …“

    Hier könnte man rückfragen, ob daraus folgt, dass ungenügende empirische Fundierung allein etwas zur Pseudowissenschaft macht. Das ist ja sicher nicht der Fall.

    Ich will das in der Sache gar nicht vertiefen, nur noch einmal darauf hinweisen, dass das Woke-Thema höchst interessante Fragen beinhaltet, die man mit Gewinn diskutieren könnte, statt sich, wie die GWUP-Kontrahenten es tun, vor allem in ad hominems zu ergehen. „Woke“ hätte geradezu ein Highlight einer Skepkon sein können, weil das Thema einen Bogen von der Erkenntnistheorie bis zur Hochschulpolitik spannt.

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    • @Joseph

      „Thomas Nagels Fledermausbeispiel“ – vgl. #1

      „Hier könnte man rückfragen, ob daraus folgt, dass ungenügende empirische Fundierung allein etwas zur Pseudowissenschaft macht“ – Wir haben uns dazu anhand eines Beispiels ausführlichst verständigt. Dabei hat sich herausgestellt: Diptam sondert nicht nur brennbare, sondern auch giftige Dämpfe ab.
      https://forum.psiram.com/index.php?topic=18040.0, etwa ab #26
      Zusammenfassung hier:
      https://blog.psiram.com/2022/08/kachelmanns-waldbraende/

      „dass das Woke-Thema höchst interessante Fragen beinhaltet, die man mit Gewinn diskutieren könnte, statt sich, wie die GWUP-Kontrahenten es tun, vor allem in ad hominems zu ergehen.“ – das ist ein verwinkelter Bothsideism, denn der aktuelle Streit besteht in seiner Substanz durchaus nicht im reinen Austausch von Beleidigungen. Nur unter Sebastiani wäre eine solche Diskussion in der GWUP möglich.

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      • … bin in dem Fall ein Anhänger des unverwinkelten Nosideism, Begründung war irgendwo oben. Ich halte mich aus ähnlichen Gründen sogar aus dem Streit um die richtige Auffassung zum Abendmahl zwischen katholischen und evangelischen Theologen heraus, obwohl auch da angeblich mal die eine oder andere Seite sachlicher argumentieren soll 😎

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          • Er selber will wohl ernst genommen werden. Aber er will das Thema lächerlich machen oder zumindest auf ‚humorige‘ Art und Weise klar machen, dass er meilenweit hoch über so einem Pipifax steht. Er ist schließlich nicht so ein Wald- und Wiesenskeptiker.

          • S.K. Paden, Dein nick name ist geradezu seltsam treffend als Kommentar zu Joseph. Du hättest auch ein Leerzeichen posten können, das wäre völlig ausreichend gewesen. LOL

          • Naja, meine Anmerkungen sind zumindest ernstgemeint. In Sachen Universalismus bzw. Realismus versus Relativismus sollte das an meinen Kommentaren auch unschwer zu erkennen sein. Aber am GWUP-Streit will ich mich nicht beteiligen, nicht mein Verein, wie gesagt.

  28. Du meine Güte! Meine Meinung, dass Joseph Kuhn kein Wald- und Wiesenskeptiker ist, hätte ich auch mit einem Leerzeichen ausdrücken können? Das ist Quatsch und das weißt Du.

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  29. Der Diptam-Streit könnte sogar leuchtendes Vorbild sein für die GWUP – da alle Beteiligten noch immer miteinander reden und sogar lachen. Nur ein Kontrahent zog gekränkt von dannen, vermutlich.
    Vielleicht war das ein Erfolg in „agree to disagree“, weil die woke vibes fehlten?
    „Giftige Dämpfe“ trifft die Wesensbeschreibung der Wokeness besser als die arme Pflanze. Die ist einfach nur hübsch und duftet gut.
    {wenn ich eine Zitatesammlung wie palacani immer parat hätte, würde hier eins zu Ehren des Diptams stehen. Was altertümliches, schrulliges}

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    • Ja, man muss ertragen können, dass man sich nicht immer einig sein kann. Eine Diskussion ist nicht vorbei, wenn man eine Position einfach verbietet / ausgrenzt.
      PS: Es gab Abgänge, aber auch neue Zugänge. Ich finde, der „Streit“ hat uns nicht geschadet 😉
      So hätte es optimalerweise auch in der Gwup laufen können.

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