Walachsche Methodenlehre für Anfänger (Teil 2)

Wie im ersten Teil erwähnt, ist es unter der Würde des führenden Methodologen, sich mit den Argumenten seiner Widersacher auseinanderzusetzen. Umso ausführlicher beschäftigt er sich damit, an deren wissenschaftlicher Reputation herumzukratzen. Er benutzt hierzu ein Werkzeug der sog. Szientometrie [8], „Harzing’s Publish or Perish“ [9]. Damit wird ein „Hirsch-Faktor“ ermittelt, der die Zitierhäufigkeit anzeigt. Für prominente Kritiker – Jürgen Windeler, Ulrich Berger, Martin Lambeck, Florian Freistetter – gibt er Werte zwischen 4 und 13 an, während für seine eigene Fraktion – z. B. George Lewith, Benno Brinkhaus, Wayne B. Jonas, Claudia Witt – durchweg Werte zwischen 19 und 31 zu Buche stünden (er selbst bietet mit 29 für sich den zweithöchsten Wert an). Folglich:

„Die soziale Dimension der Wissenschaft zeigt klar, dass die ‚Skeptiker‘, die sich gern als Epithet der Wissenschaft in der Öffentlichkeit positionieren eigentlich, wissenschaftlich-sozial gesehen, randständige Figuren sind. … Da stehen prominente Vertreter der Komplementärmedizin um Längen besser da.“

Nun ist es ja durchaus nachvollziehbar, dass die untereinander vernetzten Homöopathen und Akupunkteure sich eifrig in Low-Impact-Journals gegenseitig zitieren und auf diese Weise ihre Bedeutsamkeit „pushen“. Außerdem sollten die Adepten der Paramedizin über Kritik erfreut sein; sie steigert den H-Faktor, und auch eine schlechte Presse ist eine gute Presse. Wie auch immer:

„Dies belegt, was schon öfter gesagt wurde: die Komplementärmedizin ist im Mainstream angekommen.“

In gewisser Hinsicht mag dies sogar zutreffen. Aber das spricht nicht für die Paramedizin, sondern gegen den Mainstream. Und es gibt noch ein Problem: es bleibt unklar, welche Such-Strategie Walach für die Ermittlung des H-Faktors einsetzt. Ein Beispiel: Für K. M. Einhäupl, Direktor der Charité, ermittelt er die lächerliche Anzahl von 23 Publikationen und einen H-Faktor von 15. Die tatsächliche Zahl von dessen Publikationen ist mehr als zehnmal größer. „U Berger“ hat mehr als 1000 Papers, H-Faktor 83, und „Ulrich Berger“ liegt bei H-Faktor 26 (ohne Herausrechnung von Dubletten oder Namensgleichheiten). Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss, und der findet einen H-Faktor 9 bei 334 Zitationen (statt 6 bei 170 wie von Walach angegeben). Wie hat Walach gefiltert?

So bleibt festzuhalten: selbst wenn man die zurechtgezerrten Voraussetzungen Walachs gutwillig hinnähme, dann bliebe seine „Forschungsmethodik“ ein reines Propaganda-Instrument. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass es gar keiner eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit bedarf, um sich über die Plausibilität der meisten „komplementärmedizinischen“ Verfahren ein Urteil zu bilden. Dazu genügen naturwissenschaftliche Kenntnisse auf dem Niveau eines mittleren Schulabschlusses. Sind die „Forscher der komplementärmedizinischen Szene“ damit stehend k.o.? Aber nicht doch: Walach & Co. haben damit keine Schwierigkeit. Mit der Erfindung des Wortes „Plausibilitäts-Bias“ haben sie flugs die Tugend in ein Laster umgedichtet. Genial.

Und eins noch, fast hätten wir es übersehen:

„John Ioannidis wurde von mir gewählt, weil er eine Art Leuchtrakete am Methodenhimmel darstellt. Er hat enorm weit berücksichtigte Arbeiten verfaßt, die viel zitiert und aufgegriffen werden. Ein H-Faktor von 67 signalisiert dies.“

Wenn es die Methodenlehre für Anfänger nun offiziell erlaubt, dann machen auch wir gern in Autoritätsbeweis. Edzard Ernst ist der Gottseibeiuns der Paramedizin. „Texte über Ernst gelten in Homöopathenkreisen als Therapie gegen niedrigen Blutdruck“ [10], und Texte von ihm haben die Wirkung von Reizgas. Er hat einen H-Faktor von über 90.


  1. Die Szientometrie hat, wie jede andere Art der Evaluation, vielerlei Nachteile. Wenn man schon nach ihr greift, dann hätte man doch eher mit den Standard-Methoden, z. B. ISI Web of Knowledge gerechnet. Aber es ging unserem Methodologen nicht um die Validität seiner Ergebnisse.
  2. http://www.harzing.com/pop_win.htm
  3. http://www.freitag.de/autoren/merdeister/weleda-und-die-weisheit-der-menschen

7 Gedanken zu „Walachsche Methodenlehre für Anfänger (Teil 2)“

  1. Es hat, aus rein zwischenmenschlicher Sicht, schon etwas Bedrückendes an sich, zu beobachten, wie sich der Doppeldoktor Walach zunehmend in einen verbohrten und verbiesterten alten Mann verwandelt, der sein Scheitern in der akademischen Welt oder, vielleicht so besser ausgedrückt, die begrenzte Wahrnehmung seiner Person bzw. seiner Ideen
    – und diese auch noch in überwiegend negativem Kontext – ausschließlich ein paar Skeptikern in die Schuhe schiebt und nicht seinen abstrusen Ideen oder seiner immer wieder demonstrierten Unwilligkeit, die notwendigen Konsequenzen aus den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Alternativmedizin zu ziehen.

    Vor allem peinlich dagegen ist sein für vermeintlich verkannte Genies so typischer Hang zur narzisstischen Autapotheose – für die jedes Mittel recht ist, und sei es eine solche Akkumulation von Unsinn, wie die zusammengestrickte akademische Hitparade eine ist.

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  2. ich sehe es schon kommen… nach Szientometrie steigt Walach auf E-Meter um, um sich etwas zu beweisen 😀 da würden sich doch die Scientologen bestimmt über neuen mitschwurbler freuen…

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  3. „Plausibilitäts-Bias“ finde ich aber schon stark!
    Damit hätte Münchhausen allen Kritikern doch den Wind aus den Segeln nehmen können.
    „Natürlich habe ich mich mit dem eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen! Wenn ihr mir das nicht glaubt, unterliegt ihr nur dem Plausibilitäts-Bias!“

    Allerdings irgendwie kindisch. Die Erwachsenen glauben dem Bub nicht. Immer verweisen sie auf diese blöde Realität!

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  4. „John Ioannidis wurde von mir gewählt, weil er eine Art Leuchtrakete am Methodenhimmel darstellt. […]“

    Eine bemerkenswerte Metapher, haben doch Leuchtraketen die Eigenart nur für kurze Zeit Licht ins Dunkel bringen zu können und das auch nur sehr punktuell.

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