Unser Zitat der Woche stammt vom amerikanischen Politiker und Soziologen Daniel Patrick Moynihan (1927 – 2003): „“Everyone is entitled to his own opinion, but not to his own facts.“ („Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten.“). Dieser sinnige Satz findet sich diese Woche in einem Artikel im aktuellen Skeptiker-Magazin (01/2018, S. 36, „Die aufgeschlossenen zwei Prozent erreichen“), in einem Interview mit Dr. Rainer Wolf (Der Tagesspiegel) und taucht außerdem in einem Gespräch zwischen Dr. Krista Federspiel und der Humanenergetikerin Ingrid Karner bei der „Kleinen Zeitung“ auf. Eigene Fakten führen zu solch wahnsinnigen und lebensgefährlichen Angeboten wie der Behandlung mit Chlordioxid (MMS), welche bereits 2012 hier im Blog ausgiebig diskutiert wurde und 2014 in der ARD-Sendung Kontraste Erwähnung fand. Das Verbraucherschutzportal MedWatch hat nun mit einer neuen Recherche für einige Medienpräsenz zu diesem Thema gesorgt. Was fehlt, sind nach wie vor deutliche und wirksame Maßnahmen der Gesundheitsbehörden, um Verbraucher vor Quacksalbereien dieser Art zu schützen. Aber wie sollen diese aussehen? Helfen Verbote? Oder mehr Aufklärung? Eure Vorschläge sind gefragt. Außerdem sind wie immer Vorschläge für den nächsten Wochenrückblick gerne gesehen.
Gesellschaft, Politik und Religion
profil.at: Interview: Wie ein Missionar zum Atheisten wurde
Ich habe bei den Pirahã Missionarsarbeit und Linguistik verbunden, indem ich ihre Sprache lernte. Das brauchte ich, um die Bibel in ihre Sprache zu übersetzen. Ich las ihnen das Evangelium nach Markus vor, aber der Text ergab überhaupt keinen Sinn für sie. Sie verstanden ihn zwar sprachlich, doch die Idee, dass etwas, was vor langer Zeit geschehen ist, für sie irgendeine Relevanz haben sollte, fanden sie absurd. Für mich war die Sache damit beendet. Ich beschloss, bei der Sprachwissenschaft zu bleiben und nicht länger an dieses religiöse Zeug zu glauben.
futurezone.at: Macht dumme Menschen nicht berühmt!
Die genialsten Ideen der größten Genies unserer Zeit sind rund um die Uhr überall frei verfügbar – genau wie atemberaubende Musik, geistvolle Literatur und fein recherchierter Journalismus. Aber warum zum Teufel ist das Internet dann voll von banalen Beauty-Tipps, politischen Hetzparolen und dummen Verschwörungstheorien? Warum bekommt dann ein Zusammenschnitt von Skateboard-Unfällen mehr Klicks als subtile Sozialsatire? Warum werden auf den Titelblättern von Hochglanzmagazinen königliche Babys abgedruckt und nicht wegweisende Wissenschaftler?
Natur des Glaubens (SciLogs): Antisemitismus, Kopftücher und Kriminalität – Wie Vorurteile unsere Wahrnehmungen verzerren und entgleisen
Die Evolution hat unsere menschlichen Wahrnehmungen auf das Lebensumfeld und die Bestätigung kleiner Gruppen hin entwickelt – entsprechend anfällig sind wir Menschen für kulturell erlernte und sozial bestätigte Wahrnehmungsverzerrungen. Ob religiös oder nicht, ob Akademiker oder Analphabeten – was wir bereits glauben, prägt, was wir “sehen”. Schlimmstenfalls können sich so Vorurteile und Ängste bis zu Hass und Gewaltbereitschaft aufschaukeln.
Salonkolumnisten: Warum ich die Grüne Gentechnik verlasse
Devang Mehta, ein aus Indien stammender Pflanzenforscher, hat gerade in der Schweiz seine Promotion über ein Thema aus der grünen Gentechnik erfolgreich abgeschlossen. Darin ging es darum, Maniok-Pflanzen resistent gegen eine Viruserkrankung zu machen. Doch jetzt verlässt er sein Forschungsgebiet. Er findet die ständige Konfrontation mit Menschen, die denken, dass seine Arbeit ihnen schadet, auf Dauer zermürbend und beängstigend.
Deutschlandfunk Nova: Christliches Abendland – Jerusalem, nicht Jesewitz
Vorausgesetzt, die Pegidabewegung hätte recht: Dann existiert hier in Deutschland ein christliches Abendland, das gegen die Migranten aus dem Morgenland verteidigt werden muss. Doch stimmt ihre Behauptung? Michael Wolffsohn, emeritierter Historiker an der Bundeswehr-Hochschule in München, sagt klipp und klar: Nein! Ein christliches Abendland habe es so – wie die Pegida-Demonstranten weismachen wollen – nie gegeben und werde es auch nie geben.
Basellandschaftliche Zeitung: Verschwörungsstar verliert Lehrauftrag: Auch Uni St. Gallen lässt Daniele Ganser fallen
Mit ihrer Argumentation nähren die Universitäten Gansers persönliche Verschwörungstheorie: jene von der Wissenschaft, die sich gegen ihn verschworen habe. Dabei wäre es kein Tabubruch, wenn die Universitäten den Grund für die Einstellung der Lehraufträge offen nennen würden. Nämlich: Ganser arbeitet nicht wissenschaftlich. Er publiziert nicht in Zeitschriften mit wissenschaftlicher Qualitätskontrolle. Er stellt seine Methoden nicht zur Diskussion. Und er mischt seriöse und unseriöse Quellen.
Kleine Zeitung: Energetik und Wissenschaft: Wo Welten aufeinanderprallen
Seit dem Aufdecken des Energiering-Skandals rund um das Wiener Krankenhaus Nord wird über das Thema Energetik diskutiert. Die zentrale Frage dabei: Handelt es sich um einen seriösen Wirtschaftszweig oder wird hier mit fragwürdigen Methoden Geschäft gemacht? Gegner und Befürworter der Energiearbeit stehen sich hier unerbittlich gegenüber. (Video, 51 Min.)
tagesschau.de: Razzia gegen mutmaßliche Reichsbürger
Wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung hat die Bundesanwaltschaft die Wohnungen von acht Beschuldigten in Berlin, Brandenburg und Thüringen durchsuchen lassen. Die Verdächtigen sollen der sogenannten Reichsbürgerszene angehören und sich spätestens im Sommer 2017 zusammengeschlossen haben, wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte. Dabei sollen sie „auch in Betracht gezogen haben, nötigenfalls zielgerichtet Menschen zu töten“, und sich „zu diesem Zweck bereits Waffen beschafft haben“.
Wissen und Forschung
Die Sankore Schriften (SciLogs): Die Spanische Fliege ist ein Käfer
1772 verklagten zwei Prostituierte in Marseille den Marquis de Sade: Er habe sie mit Anispastillen vergiftet, die mit dem Öl der Spanischen Fliege bestrichen waren. Mit diesen Pastillen habe er sie sich, für Gruppensex und Analverkehr, gefügig gemacht, so ihr Vorwurf. Die Richter verurteilten daraufhin den Marquise in Abwesenheit – er war bereits nach Italien geflohen – zum Tode.
Wetter macher (TagesAnzeiger Blogs): Biowetter? Blödsinn!
Und so kam das sogenannte Biowetter in unser Leben. Man findet es fast nur in deutschsprachigen Gegenden, und angefangen hat es auch im grossen Kanton nördlich der Schweiz. Die Externalisierung von Verantwortung ist ein legendäres deutsches Hobby. Wenn was passiert, soll sich jemand kümmern, und wenn das nicht gelingt, muss irgendwer schuld sein.
n-tv.de: Aussehen ist nicht alles – Wie Gesichter uns täuschen können
Allerdings birgt diese Fähigkeit auch Gefahren. Denn der Mensch generalisiere Gesichter gerne und sei außerdem ein „kognitiver Geizkragen“, so Funk. Das heißt: Ohne viel Aufwand zu einem schnellen Urteil zu gelangen, ist bequem und macht uns faul. Und so blicken wir jemandem ins Gesicht, fällen ein Urteil und treffen sofort eine Entscheidung – zum Beispiel über die Vertrauenswürdigkeit der Person. Dabei können Fehler passieren, die weitreichende Folgen haben. Denn selbst wenn manche Pseudo-Wissenschaften uns vorgaukeln, dass ein Zusammenhang zwischen Gesicht und Persönlichkeit besteht: Diese Annahme ist ein Mythos, warnen Forscher.
Hubble Space Telescope: Hubble uses cosmic lens to discover most distant star ever observed
Astronomers using the NASA/ESA Hubble Space Telescope have found the most distant star ever discovered. The hot blue star existed only 4.4 billion years after the Big Bang. This discovery provides new insight into the formation and evolution of stars in the early Universe, the constituents of galaxy clusters and also on the nature of dark matter.
Deutschlandfunk: Mikrobiologie – Mensch ist gar nicht nur Mensch
Der Mensch ist keine klar abzugrenzende biologische Einheit, sondern ein komplexes System aus Zellen und Mikroorganismen. Letztere können sogar das menschliche Handeln beeinflussen. Wissenschaftler stellen nun die scharfe Trennung von Natur und Mensch infrage – und fordern zur Suche nach einem neuen Menschenbild auf.
Cosmos: Unforgotten sisters: The woman who bested Kepler
She was able to hold a conversation in seven languages: German, Italian, French, Polish, Latin, Greek and Hebrew. She was also a skilled musician and painter and enjoyed astronomical problems – a talent which drove the French astronomer Jean-Baptiste Delambre to compare her to Hypatia, the famous Alexandrine philosopher of antiquity.
The name of this extraordinary woman was Maria Cunitz. Unfortunately, we have no portrait of her, but she left us a book, Urania Propitia, the first astronomical book signed by a woman in the modern era, written when women were denied access to university in any form.
Franks gesammeltes Halbwissen: Wie Glyphosat Bienen und Insekten tötet
Wer sich mit dem Thema auskennt, fragt sich bei solchen Äußerungen automatisch, wie denn Insekten durch ein Herbizid bedroht sein könnten, also durch ein Mittel, welches nur gegen Pflanzen wirkt? Glyphosat hat gegenüber älteren Herbiziden den Vorteil, keine bekannten Nebenwirkungen auf andere Organismen zu haben. Aber Glyphosat muss selbstverständlich am Insektensterben schuld sein, genauso wie am Aussterben der Bienen. Die Mehrheit der Bevölkerung scheint das zu denken, nachdem es von NGOs und Journalisten lange genug behauptet wurde. Und wir leben nun einmal in einer Demokratie, wo das gemacht wird, was die Mehrheit will. Also muss das insektenschädliche Glyphosat weg. Auf keinen Fall kann es nach der Minderheit von Experten und Landwirten gehen, die darüber besser Bescheid wissen – wo kämen wir denn da hin?
Der Tagesspiegel: Naturwissenschaftler Rainer Wolf im Interview: „Niemand hat ein Recht auf eigene Fakten“
„Bei exotischen Behauptungen ist es wichtig, dass man keine Vorurteile hat. In der Geschichte der Wissenschaften kam es ja schon oft vor, dass neue Ideen nicht ernst genommen wurden. Als Alfred Wegener 1912 seine Theorie von der Kontinentalplattenverschiebung vorstellte, wurde er ausgelacht. Erst nach Wegeners Tod kam man drauf, dass sich die Erdplatten nachweislich zwischen zwei und sechs Zentimetern pro Jahr bewegen. Man sollte also auch „Spinner“ im Prinzip erstmal ernst nehmen.“
Gesundheit und Medizin
Das Erste – Kontraste: Gefährliche Quacksalber – Wie der Staat beim Patientenschutz versagt
Es soll fast alles heilen können: „MMS“ (Miracle Mineral Supplement). Das jedenfalls behaupten die Erfinder. Doch „MMS“ ist kein Wundermittel, sondern das Desinfektionsmittel Chlordioxid. Die gemeinsame Recherche von Kontraste und Stern deckt auf, mit welch perfiden Methoden die gefährliche Therapie propagiert wird. Eltern von autistischen Kindern werden zur Behandlung sogar Einläufe mit der Chemikalie empfohlen. Obwohl die Gesundheitsbehörden seit langem vor der Einnahme warnen, wurde das Treiben der MMS-Szene bis heute nicht gestoppt, weder von der Justiz noch von den Aufsichtsämtern. Ignoranz und fehlendes Fachwissen verhindern eine konsequente Verfolgung.
Stern.de: Mangelhafter Schutz vor Scharlatanen – Forderung nach bundeseinheitlicher Überwachung
Das Versagen der Aufsichtsbehörden zeigte sich Anfang März bei einem MMS-Kongress in Berlin-Mitte. Referenten verbreiteten Heilversprechen offen auf der Bühne. Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch Chlordioxid-Proben verteilt. Die zuständige Arzneimittel-Aufsichtsbehörde des Landes Berlin schickte zwar Kontrolleure dorthin, griff aber nicht durch. Auch in anderen Bundesländern ist die Verfolgung der MMS-Szene bisher kaum erfolgreich. Zahlreiche Staatsanwaltschaften stellten ihre Ermittlungsverfahren gegen Geldauflagen ein.
MedWatch: „Verbraucher müssen zuverlässig geschützt werden“
Deutsche Gesundheitsbehörden versagen beim Schutz von Patienten vor gefährlicher Pseudo-Medizin: Eine gemeinsame Recherche des ARD-Politikmagazins Kontraste und MedWatch für den STERN hat aufgedeckt, wie die Überwachung und Strafverfolgung bei einem gefährlichen „Wundermittel“ wie MMS (Miracle Mineral Supplement) über Jahre vernachlässigt wird. Wir haben Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kurz IQWiG, um eine Einschätzung gebeten.
Spektrum.de: So lassen sich Impflücken schließen
Die erfolgreichsten Strategien, mit denen sich Personen zum Impfen bewegen lassen, zielen deshalb nicht darauf ab, die Einstellungen der Menschen zu verändern, sondern vielmehr ihr Verhalten, sagen die Forscher. Als effektiv erwiesen sich ihrer Arbeit nach Erinnerungen und gezielte Impfaufforderungen, die beispielsweise per Post an alle Patienten einer Praxis verschickt werden. Zudem könnte es helfen, wenn Ärzte für ihre Patienten bereits feste Termine für die nächste Immunisierung ansetzen würden. Auch finanzielle Anreize zeigen mitunter Wirkung – ebenso wie Geldentzug, wenn wichtige Impfungen fehlen, wie das Beispiel Australien zeigt.
Psiram
Aus dem Blog-Archiv (05/2012): Wie man autistische Kinder mit MMS-Einläufen foltert
Wir sind lange im Geschäft, wir haben viel gesehen. Aber da schaut man nichtsahnend am Wochenende bei Orac von den amerikanischen Scienceblogs vorbei und bei dem Artikel dort vergeht einem dann der Appetit.
Bei seinen Recherchen zum Impfgegner-Treffen Autismus One (er nennt es „Quackfest“) ist er auf eine neue Grauslichkeit gestoßen: Autistische Kinder mit MMS-Einläufen „heilen“. Wer bei Kindesmisshandlung Mordgelüste bekommt, sollte sich den Artikel vielleicht schenken.
Neu im Psiram-Wiki:
Video der Woche
MMS, das Gegenteil von sanft (Kontraste vom 05.06.2014)
Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=Z1BZBmU3Vqc
Zum Artikel von Devang Mehta: Es macht mich zugleich traurig und wütend, wie weit es ein paar laut schreiende, wohlstandsverwahrloste Ignoranten gebracht haben.
Greenpeace et al. haben nicht nur wegen des Goldenen Reis‘ Blut an den Händen, sondern auch wegen jeder zukünftigen durch ihr hysterisches Geplärre verhinderten Innovation zum Thema Ernährungssicherheit.
Devang Mehta ist ein weiteres Opfer. Es ist eine Schande!
Huhu, Psiram!
Kennt ihr schon den „führenden“ Herzchirurgen Großbritanniens?
https://twitter.com/DrAseemMalhotra/status/983219433576464385
Diese „Missionar wird Atheist“-Geschichte ist eine wirklich nette Papalagi-Fälschung. Natürlich ist es richtig, solch offenkundig obskuren Quatsch hier zu veröffentlichen – aber der profil.at-Autor scheint das für bare Münze genommen zu haben. Interessant.
Nicht mal die Wikipedia-Autoren sind vor sowas gefeit: https://en.wikipedia.org/wiki/Daniel_Everett
Mir ist ja nicht so klar, warum man erst in den Urwald gehen muss, um Atheist zu werden; insofern halte ich letzte Zweifel für berechtigt. Aber die Wege des Herrn sind unerforschlich. 😉
Treffer, versenkt! 😀
@pelacani
Die wenigsten werden Atheisten auf einem notwendigen Weg. Ist dafür überhaupt irgendwas notwendig? Darum ist die Frage, ob man in Urwald gehen muss, komisch.
eben.