Unabhängige Experten
In einer privaten Diskussion bin ich unlängst mit dem Argument konfrontiert worden, ein bestimmter „Experte“ sei unabhängig, da nicht an einer Universität beschäftigt.
Die Logik ist, kurz gesagt, daß ein Wissenschaftler an einer Universität nichts publizieren könnte, was seinem Arbeitgeber nicht passt. Ein freiberuflich, als Autor und Vortragsreisender tätiger Experte wäre demgegenüber niemandem Rechenschaft schuldig und dadurch besonders unabhängig.
Im konkreten Beispiel ging es um den „Mann ohne Antworten“, Herrn Ganser, aber die Argumentation ist natürlich nicht nur auf ihn gemünzt. Also kurz ein paar Kommentare dazu, gedacht für Menschen, denen das Innenleben einer Universität fremd ist:
1. Spätestens vom Professor an hat ein Wissenschaftler an einer Universität Narrenfreiheit. Wer das nicht glaubt- unser Wiki ist voll von Naturwissenschaftlern an Universitäten, die absurdeste, beweisbar falsche Dinge behaupten (Meyl, Scheinriese TurTur)- und das seit Jahren. Warum sollte das in Fächern anders sein, die weniger scharf entscheidbar sind? Das heisst aber nicht, das alles geht- Prof. Meyl darf seinen Unsinn zwar verbreiten- aber nicht in der Vorlesung. Die Universität hat ihm auferlegt, auf die Darstellung seiner Skalarwellen in Vorlesungen zu verzichte, bis er einen experimentellen Nachweis ihrer Existenz führen kann. Entlassen hat sie ihn nicht, dazu ist die Schwelle viel höher:
Es gibt gewisse Standards in der Wissenschaft- wer seine Experimente schlampig macht, wer Zitierregeln nicht einhält- der bekommt früher oder später Ärger: Die Leitung einer Universität hat das Recht, das einzufordern und kann Verstöße saktionieren. Das ist wie ein Elektriker, der bei seinen Steckdosen einfach den Schutzleiter weglässt- geht, eine Zeitlang. Ist aber trotzdem falsch und hat Konsequenzen.
Das Strafrecht gilt übrigens selbstverständlich auch (zB für Herrn Protsch) es bedarf aber erheblicher krimineller Energie seitens eines akademischen Übeltäters.
2. Was Geisteswissenschaften betrifft, ist eine Entscheidung richtig/falsch natürlich etwas schwammiger als bei einer Gleichung. Trotzdem- handwerkliche Prinzipien wie Zitierregeln greifen natürlich voll. Dazu kommt, daß es viele Universitäten gibt, mit einem Pluralismus an Meinungen und Forschungsansätzen. Wer also an einer Stelle nicht zurechtkommt, könnte prinzipiell einfach eine andere suchen- wenn die Qualität seiner Arbeit stimmt.
3. Das meiner Meinung nach Schlimmste ist aber, daß die Abhängigkeit von einer Institution durch
die Abhängigkeit vom Publikum ersetzt wird- das engt viel stärker ein. Das geht so:
Ich bin Wissenschaftler und untersuche X. Ok, ich muss erst mal jemand finden, der das finanziert, wenn
ich mehr Geld brauche als mein Gehalt hergibt. Es hindert mich aber niemand, Geld dafür einzuwerden (Drittmittel). Wenn ich diese Hürde genommen habe, kann ich losforschen. Bin ich fertig, schreibe ich darüber eine Publikation. Wahrscheinlich habe ich bisschen was Neues herausgefunden, aber nichts weltbewegendes. Ich schreibe daher, daß ich a, b und c probiert hatte, hat nix gebracht, aber d, das ist vielleicht was. Wenn ich das präzise aufschreibe, ist das eine wissenschaftliche Leistung. Nichts spektakuläres, aber das werden andere lesen, a, b und c gar nicht erst versuche, d probieren und davon inspiriert e entdecken. Prima! Vielleicht habe ich aber auch was Tolles entdeckt- umso besser.
Wenn ich aber kein Wissenschaftler bin, sondern Autor und Vorträge halte, die nicht an ein Fachpublikum
gerichtet sind, sondern Hallen füllen müssen- dann brauche ich Sensation, sonst kommt kein Publikum, kein Buchverkauf- und ich muss hungern. Habe ich nun aber keine echte Sensation- kann ich hungern oder schwindeln. Das ist, was diese „Experten“ abhängig macht. Sie ersetzen wissenschaftliche Arbeit, die Erkenntnisse liefern kann, durch den Verkauf eines auf das Zielpublikum zugeschnittenen Produkts. Die immer gleichen, von anderen längst beantworteten Fragen zu stellen, mag als Kleinkunst gelten. Unabhängige Wissenschaft ist es nicht.
Kachelmann und der brennende Dornbusch – selbstentzündliche Pflanzen als biblischer Mythos
Es brennt in Europa und dem Rest der Welt und man sucht die Schuldigen. Kachelmann empört sich über Medienberichte, die Hitze würde die Brände verursachen. Dass hohe Temperaturen ein begünstigender Faktor für eine Brandentstehung sind, ist weitgehend unstrittig. Ob aber allein durch hohe Temperaturen und eine hohe Einstrahlung von Sonnenlicht tatsächlich ein Brand ausgelöst werden kann, ist sehr umstritten. Man nennt gelegentlich Glasscherben, die als Sammellinsen (Lupeneffekt) für Sonnenlicht dienen, als eine mögliche Ursache. Das gilt aber unter Experten eher als unwahrscheinlich und wird in den Bereich der Mythen eingeordnet.
Es gibt auch immer wieder Berichte, alleine die hohen Temperaturen über 30 °C wären in der Lage, brennbares Material – insbesondere Pflanzen – zu entzünden, die sogenannte Selbstentzündung. Das Phänomen gibt es (allerdings nicht beim Menschen); ob es allerdings für die Brandentstehung unter realen Umweltbedingungen (insbesondere bei so niedrigen Temperaturen) verantwortlich ist, ist nicht belegt und sehr unwahrscheinlich. Es gibt jedoch zahlreiche Berichte und Meldungen, die die Selbstentzündlichkeit als Tatsache darstellen. Oder handelt es sich um einen Mythos, der auf der biblischen Überlieferung eines brennenden Busches, aus dem Gott zum Propheten spricht, beruht? Letzteres ist am wahrscheinlichsten. Mehr…
Polywasser reloaded – Wie hexagonales Wasser der Homöopathie erneut feuchte Augen macht
Die Esoterik sucht ständig nach wissenschaftlichen Belegen für ihre abwegigen Konstrukte. Insbesondere die Homöopathie will – obwohl man sich gerne als etwas nicht Erfassbares, Wundersames verkauft – auch eine wissenschaftliche Begründbarkeit vortäuschen. Auch andere alternativweltliche Produktzweige, wie etwa der Wasserschwurbel (dessen prominentester Vertreter das Grander-Wasser sein dürfte) wollen das. Es geht darum, auch nicht ganz so Leicht- bzw. Esoterikgläubige von einer objektiv feststellbaren Wirksamkeit zu überzeugen. Man freut sich gerade in diesen Kreisen besonders, wenn es Neuigkeiten aus der Wissenschaft zu geben scheint, man hätte vollkommen unbekannte Eigenschaften entdeckt, die die Wirksamkeit ihrer Produkte endlich belegen könnte. Wasser spielt dabei eine ganz besondere Rolle, da sowohl Homöopathen als auch Wasserschwurbler ein Wassergedächtnis als ein zentrales Element ihrer Lehre annehmen. So etwas könne es nur geben, wenn das Wasser (im flüssigen Zustand) eine feste Struktur annimmt, die dann – wie auch immer – (heilsame) Informationen speichert.
Beständige Strukturen des Wasser, in denen die Wassermoleküle dauerhaft eine bestimmte Anordnung einnehmen, sind für flüssiges Wasser unbekannt und unwahrscheinlich. Man weiß, dass sich solche Verbindungen (Wassercluster) sehr schnell bilden und genauso schnell wieder zerfallen, im Pikosekundenbereich (10 hoch -12 Sekunden). Es gab und gibt allerdings gelegentlich Berichte aus der Welt der Forschung, dass es auch anders zu sein scheint. Wasser, das sich unter bestimmten Bedingungen in stabiler wabenförmiger (hexagonaler) Anordnung bilden soll, wurde scheinbar zuletzt 1961 entdeckt und ca. 10 Jahre später auf die Müllhalde menschlicher Fehlleistung verfrachtet. Die Idee wurde allerdings in den 2000er Jahren wieder belebt, als man es erneut entdeckt haben wollte. Zwischen den beiden „Entdeckungen“ gibt es erstaunliche Parallelen. Mehr…
Hogwarts ist überall, auch am Rhein
Hört man dieser Tage den Namen Mainz, so denkt man bei der Stadt wahrscheinlich (auch) an die Firma Biontech und deren Impfstoff gegen die Corona-Infektion. Zählt man sich nicht zu den Impfgegnern und ist wissenschaftlich interessiert, wird man evtl. auch die wissenschaftliche, technische und organisatorische Leistung bewundern, die einen so neuartigen und sensationell wirksamen Impfstoff auf der Basis von mRNA ermöglicht hat. Ja, es ist eine Meisterleistung der Wissenschaft, an dem sehr viele Menschen über lange Zeit gearbeitet haben – zum Wohle der Menschheit. Echte Wissenschaft bringt einen Nutzen, auch wenn dies nicht das primäre Ziel wissenschaftlicher Forschung sein muss. Das funktioniert aber nur, wenn man sich wirklich an die wissenschaftlichen Standards hält und nicht nur so tut. Wie an vielen anderen Orten auch, ist das in Mainz aber – selbst an der dortigen Universität – nicht unbedingt gängige Praxis. Wir zeigen ein paar Beispiele.
Wer die Szene der Corona-Leugner ein wenig beobachtet hat, der wird mit dem Namen Mainz evtl. auch eine anderen Namen verbinden: einen der Kronzeugen der Szene, der aufgrund scheinbarer wissenschaftlichen Expertise einen hohen Stellenwert in der Querdenker-Bewegung hat: Sucharit Bhakdi, ein ehemaliger Professor an der dortigen Universität. Gut, er ist dort länger schon nicht mehr aktiv und lebt auch nicht mehr dort, verweist aber immer noch auf seine damalige Position. Apropos Uni Mainz: ein anderes Schwergewicht in der kritischen Auseinandersetzung – jetzt im positiven Sinne – ist eine dort noch forschende Person: Pia Lamberty, die viel über die Verschwörungsmechanismen der Querdenker aufgeklärt hat.
Um kurz weg von dem in Skeptikerkreisen momentan vorherrschenden Thema „Corona“ und den damit verbundenen Verschwörungserzählungen zu kommen (um dann wieder darauf zu kommen), noch ein anderer Begriff, der mit der Uni Mainz verbunden ist: der Urzeit-Code (kurz: es sollte – ganz ohne Gentechnik – möglich sein, landwirtschaftliche Erträge ohne anderen Mehraufwand [chemische Mittel etc.] zu verbessern). Das ist ein pseudowissenschaftlicher Unsinn, der vor Jahrzehnten schon in den Medien für Aufsehen sorgte, sollte er doch einen Beitrag zum Wohle der Menschheit leisten. Tat er nicht, da er eben keine (echte) wissenschaftliche Leitung war. Mehr…
Neueste Kommentare