Bienensterben, Neonicotinoide und die Fakten

Vor kurzem wurde durch die EU eine Gruppe von Pestiziden namens Neonicotinoide verboten, da man sie im Verdacht hat, ein massives Bienensterben zu verursachen, das man als Colony Collapse Disorder CCD bezeichnet. Der grundsätzliche Effekt ist, dass die erwachsenen Arbeitsbienen aus dem Stock „verschwinden“, z.B. von der Pollensuche nicht zurückkehren.

Das Verbot wurde speziell in Österreich heftig diskutiert, der zuständige Minister Berlakovich geriet wegen seiner Gegenstimme unter heftigen Beschuss. Wir wollten uns das trübe Gewässer, in dem die Diskussion dazu stattfindet, auch mal etwas ansehen. Es ist, wie man schnell feststellt, nicht trivial.

Der Begriff Colony Collapse Disorder für diese mysteriöse Form von Bienensterben ist recht neu und wurde 2006 in einer Studie eingeführt. Aber das Phänomen an sich ist bereits seit 1869 bekannt. Damals wurde als Ursache Schimmelpilz ausgemacht (ob korrekt, weiß man nicht).

Zwischen 1905 and 1919 verlor man 90% der Bienen auf der Isle of Wight mit unklarer Ursache, bzw. die untersuchenden Forscher konnten sich nicht einigen, was denn schuld sei. Im Distrikt Stawell in Australien verlor man 1910 59% der Stöcke und viele wurden durch Verluste schwer angeschlagen.

Im Laufe der Jahrzehnte trat das Phänomen immer wieder auf, die oben genannte Arbeit listet 18 Fälle, und führte zu einer Vielzahl an Theorien. Es wurde an alles mögliche gedacht, von Viren über Milben bis hin zu Pestiziden und mehr. Mobilfunk und Gentechnik wurden untersucht, manche Dinge verworfen, andere kamen in die engere Wahl. Komplett abstruse Ideen wurden natürlich auch geäußert, wie z.B. dass es Gottes Strafe sei, da US-Bundesstaaten mit Pro-Homosexuellen-Gesetzgebung stärker unter CCD litten.

Das Problem ist: man ist bisher daran gescheitert, es auf eine Ursache zurückzuführen. Man findet in diesem Zusammenhang Erwähnungen von vielen Effekten, die zumindest zum Problem beitragen:

Die Varroamilbe
Nosemose (ein Parasit)
Israel Acute Paralysis Virus
Habitatverlust
Überzüchtung
Neonicotinoide
Pestizide im Allgemeinen
Mangelernährung
usw.

Aber kein Effekt kann überall alles erklären.

Man hat also wohl zwei Möglichkeiten:
– Es gibt ein bisher unbekanntes Grundproblem.
– Man hat unter dem Begriff CCD mehrere im Grunde nicht zusammenhängende Probleme unter einem Dach zusammengefasst.

Ersteres scheint aufgrund der Menge an Studien und heutigen diagnostischen Möglichkeiten unwahrscheinlich. Zweiteres klingt plausibler. Das würde aber bedeuten, dass man mehrere Probleme hat, die sich nur zufällig mit den selben Auswirkungen äußern. Und dass man „die eine Ursache“ gar nicht finden kann. Das würde auch die historischen Vorfälle, bei denen unterschiedliche Ursachen vermutet wurden, erklären.

Sehr lesenswert sind unserer Meinung nach die Artikel des Biologen und Bienenexperten Randy Oliver, der ein regelmäßiger Autor im American Bee Journal ist. Auf seiner Homepage „Scientific Beekeeper“ findet man zwei hochinteressante Artikel, auf die wir an dieser Stelle verweisen möchten:
Neonicotinoids: Trying To Make Sense of the Science
Neonicotinoids: Trying To Make Sense of the Science – Part 2

Er listet viele Studien zum CCD und zu Neonicotinoiden und schreibt, dass etliche mit einer gehörigen Portion Voreingenommenheit in die eine oder andere Richtung behaftet sind. Manche spielen die Wirkung der Neonicotinoide hinunter, andere versuchen zu beweisen, dass diese Giftstoffe die zentrale Schuld am Bienensterben tragen.

In einem spannenden Artikel von April 2013, bei dem er sich vor allem damit auseinandersetzt, was „dieses Frühjahr mit den Bienen geschah“, vergleicht er die Bienenverluste mit der Verwendung von Neonicotinoiden. Er findet dabei eine Korrelation von 2006 bis 2009, aber 2010 dreht sich der Trend: mehr Neonicotinoide als im Vorjahr werden eingesetzt und wesentlich weniger Bienen verenden.

Randy Oliver meint insgesamt, dass die Antwort Neonicotinoide zu trivial und falsch ist. Man muss anmerken, dass er Pestizide und Neonicotinoide grundsätzlich mit dieser Einschätzung nicht freispricht. Er betrachtet nämlich auch „consistently lucky beekeepers“, die selten Bienen verlieren. Diese geben ihren Bienen, nachdem sie mit Pestiziden in Berührung gekommen sind, „eine Erholungszeit“.

Was ist nun das Fazit aus all diesen Studien? Man kann nachweisen, dass Neonicotinoide giftig für Bienen sind, aber es reicht bei weitem nicht, um das Ausmaß der weltweiten Verluste zu erklären. Oliver spricht auch das Problem des Ersatzes für die Neonicotinoide an. Bei einem Verbot werden einfach andere Pestizide eingesetzt werden. Wer sagt, dass diese nicht weit schädlicher sind? Teilweise weiß man das sogar. Stimmt diese Einschätzung, könnte sich daher dieses Verbot zum Pyrrhussieg entwickeln.

Das aktuelle, auf 2 Jahre befristete Verbot kann man als Test sehen. Die Daten sprechen zwar nicht dafür, aber vielleicht verbessert sich das Problem tatsächlich massiv dadurch. Es wäre wünschenswert, eine so einfache Erklärung zu finden, aber wetten würden wir nicht darauf.

8 Gedanken zu „Bienensterben, Neonicotinoide und die Fakten“

  1. Das deutsche Bienenmonitoring von 2004 bis 2008 kommt zu dem Schluss, dass der Varroa- und Virus-Befall signifikant mit den Winterverlusten korreliert. Um subletale Schäden durch andere Faktoren überhaupt erfassen zu können, sei eine effektive Varroabekämpfung zwingend notwendig. Die Ergebnisse des Projekts wurden dann auch besonders von Umweltverbänden u.a. mit den üblichen Hinweisen auf fehlende Unabhängigkeit wegen Industriebeteiligung kritisiert, weil offenbar nicht das rausgekommen ist, was man sich auf Seiten der Umweltverbänden erwünscht hat.
    In Australien werden Neonicotinoide flächendeckend eingesetzt und die Bienengesundheit gilt hier als ausgezeichnet, was nicht verwundert, da es hier die Varroamilbe nicht gibt.
    Das Verbot der Neonicotinoide in der EU ist somit nicht evidenzbasiert, sondern der Versuch von grünen Interessengruppen, über den Umweg Bienengesundheit der Vorstellung von einer „nachhaltigen“ Landwirtschaft ohne synthetische Pflanzenschutzmittel etwas näher zu kommen.

  2. @torben – Interessante Information über die Verbreitung der Varroa und die Verwendung von Nicotinoiden in Australien. Hast Du eine verlinkbare Quelle dazu?

  3. In meinen 350 m2 Reben verwendete ich vor Jahren im Frühsommer statt käuflicher Insektizide gegen diverse Schadfalter versuchsweise ein Eluat aus Zigarettenstummeln, die ich in diversen Kneipen sammelte.
    Das Nikotin wirkte verheerend auch auf rumkrabbelnde Ameisen. Bienen hab ich nicht weiter beobachtet, kann mir aber vorstellen, dass es ihnen ameisengleich ergangen wäre. Zur Erntezeit im Herbst war das Nikotin wohl zersetzt oder zu verdünnt, als dass es noch hätte wirken können.

  4. Die FAZ meldet am 21.5.2014 auf Seite N1, dass „die umstrittenen Nikotinoide, die im Dezember 2013 für zwei Jahre europaweit als Pflanzenschutzmittel verboten wurden, […] wissenschaftlich zumindest teilweise entlastet worden“ sind.
    Durch führende Agrarexperten Großbritanniens ist unter doi: 10.1098/rspb.2014.0558 eine Neubewertung aller bisher gesammelten Befunde vorgenommen worden. Entscheidend ist die aufgenommene Dosis, die um den Faktor 10 höher liegen müsste, um das Bienensterben zu erklären. Außerdem hat das Bienensterben Jahrzehnte vor der breiten Anwendung von Nikotinoiden begonnen.
    Als Hauptursache für starke Winterverluste wird in D („Deutsches Bienen-Monitoring“) der Befall mit Varroa-Milben verantwortlich gemacht. Im diesjährigen Monitoring wird eine aktuelle Sterblichkeit von unter 10% (vorher oft 30%) festgestellt, was auf den milden Winter zurückgeführt wird.

    Mal sehen, wie lange es einfache Fakten brauchen, um von greenpeace wahrgenommen und publiziert zu werden. Wenn man bei google nach „Bienensterben“ sucht, kommt zu allererst ein sponsored link von Greenpeace mit dem angegebenen Link „www.greenpeace.de/Bienen“, der allerdings gar nichts mit Bienen zu tun hat, sondern auf eine Mitgliederwerbung https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/bienen/spenden?BannerID=041311801503495&match=p verlinkt. Dort schreibt greenpeace

    Greenpeace will mit umfangreichen Tests in freier Wildbahn nachweisen, dass Bienen mit den Industriegiften in Berührung kommen. Dieser Einsatz gegen Pestizide und für eine ökologische Landwirtschaft kostet viel Geld. Helfen Sie – werden Sie jetzt Fördermitglied!

    Warum greenpeace ständig krampfhaft nachweisen will, was nicht stimmt, bleibt offen.

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