Wieder einmal schlägt ein Rechtsfall Wellen: das Oberlandesgericht Wien hat den Biologen Dr. Erich Eder zur Unterlassung und zum Widerruf von Behauptungen verurteilt, in dem es, grob gesagt, um die vertraglichen Beziehungen einer Werbeagentur zum Firmengeflecht der Familie des inzwischen eher unbelebten Wasserbelebers Johan Grander ging. Im GWUP-Blog wurde darüber bereits berichtet, und die Verärgerung darüber, dass dem Unterlegenen jetzt eine aus mehreren Instanzen aufsummierte Kostenlast von 25.000 Euro obliegt, ist nachvollziehbar und verständlich. Abzuwenden ist diese missliche Situation nicht mehr, allenfalls im Rahmen des verbreiteten Spendenaufrufs für den betroffenen Dr. Eder zu lindern.
Offen gesagt: auch uns ärgert es gewaltig, dass aus dem Umfeld des Granderunwesens ein juristischer Erfolg gegen ein profiliertes GWUP-Mitglied errungen wurde. Über dem Ärger darf allerdings die genaue Betrachtung, was da eigentlich geschehen ist – und was nicht – nicht übergangen werden; ebenso wenig wie die Frage, was man aus diesem Ergebnis in Zukunft praktisch zu lernen hat.
Das Urteil, das man auf der Unterstützungsseite im Volltext nachlesen kann (es geht um das Urteil vom 18.01.2016), ist ein ziemlich sprödes Dokument, in dem man nach Parteinahmen für den Wasserbelebungs-Unsinn lange erfolglos suchen kann – es steht genau nichts darüber drin. Beteiligt war auf Klägerseite ausschließlich die Werbeagentur, mit der wohl ein Dienstleistungsvertrag, aber keine gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit Grander-Unternehmen bestand. Dafür enthält es lange Ausführungen und Beweiswürdigungen zu der Frage, wer wann wie lange und in welchem Umfang für welche Firmen des Grander-Clans Reklame schob.
Offensichtlich war in der Vorinstanz eine umfangreiche Vernehmung aller möglichen Zeugen durchgeführt worden, die, so das Oberlandesgericht, ein recht eindeutiges Ergebnis brachte: Granderwasser hatte um das Jahr 2006 herum eine schlechte Reputation. Gerichte hatten bestätigt, dass man es ungestraft mehr oder weniger als ein Scharlatanerieprodukt bezeichnen dürfe (woran sich, nota bene, auch durch das hier besprochene Urteil vom 18. Jänner nichts geändert hat!); deshalb habe man bei Granders beschlossen, einen eigenen Pressesprecher zu installieren. Nicht aber habe man die Zusammenarbeit mit dem Kläger eingestellt, und schon gar nicht wegen der juristischen Schlappen um das seltsame Wasser. Für bestimmte Geschäftszweige blieb der Kläger für das Grander-Konglomerat durchaus noch nach der Bestellung eines eigenen Pressesprechers weiter tätig.
Dr. Eders Verlautbarung wird durch das Gericht inkriminiert, nicht weil Granderwasser wirksam belebt oder dessen Vertreiber dem Gericht sympathisch sei, sondern augrund zweier Gesichtspunkte, die damit gar nichts zu tun haben:
Erstens: Der Grander-Clan hatte sich gar nicht vom Kläger getrennt, sondern die Zusammenarbeit nur etwas anders ausgestaltet. Die kommentierende Anmerkung Dr. Eders sei in diesem Punkt objektiv unrichtig gewesen.
Und zweitens: durch die kryptische Formulierung
„Gerüchte, dass diese Ablöse wegen der schweren Rückschläge vor Gericht und in den Medien erfolgten, wurden nicht offiziell bestätigt“
werde suggeriert, dass die Firma Grander sehr wohl wegen solcher Rückschläge den Kläger vor die Tür gesetzt habe (Seite 16 oben, für den, der es nachlesen möchte). Das klingt spitzfindig, ist aber durchaus keine ungewöhnliche Wertung, und es hat einen prominenten Präzedenzfall:
„Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“
Wiedererkannt? Diese anno 2002 beiläufig in einem Bloomberg-Interview eingestreute Bemerkung ihres damaligen Vorstandssprechers Rolf-Ernst Breuer kostete die Deutsche Bank 3,2 Millionen Euro Schadensersatz, zu zahlen an die Rechtsnachfolger von Leo Kirch. Man kann es hier durchaus plastisch so formulieren, dass Dr. Eder mit der Erwähnung eines Gerüchts in die Breuer-Falle getappt ist.
Das ist des Urteils Kern, nichts anderes. Es geht um das Risiko, das man eingeht, wenn man in der Medienöffentlichkeit Gerüchte kolportiert, die sich für einen der angesprochenen Betroffenen unter Umständen geschäftlich nachteilig auswirken könnten. Es gilt hier, in Österreich wie in Deutschland, der Grundsatz: was nicht erweislich wahr ist, darf nicht verbreitet werden. Und ist es nachweislich unrichtig, muss man es sogar widerrufen.
Und damit kommen wir zum letzten Kapitel dieser Betrachtung, zur frommen Nutzanwendung.
Auch wenn es mit den löblichsten und nützlichsten Motiven geschieht: nicht nur das, was man als handfeste Information in die Öffentlichkeit trägt, gehört aufs sorgfältigste überprüft, sondern auch das, was man als Vermutung oder Gerücht kommuniziert. Ein Wissenschaftler muss offenbar noch größerer Vorsicht an den Tag legen, wenn er Öffentlichkeitsarbeit macht, als wenn er in seinem Fach eine These formuliert. Dort muss er zwar auch mit Kritik und Widerspruch bei unpräzisen Formulierungen rechnen, aber er bewegt sich doch dort in seinem Metier und kennt das Vokabular und die passenden Formulierungen. Auf dem rechtlichen Parcours gelten ganz andere Regeln, mit Fallen wie der vorliegenden, die der Normalsterbliche kaum vorhersehen kann.
Ceterum censeo: das alles sollte uns nicht davon abhalten, dem gebeutelten Dr. Erich Eder mit einem angemessenen Obolus unter die Arme zu greifen. Das Spendenkonto findet man ebenfalls dort:
Mag alles sein. Warum entscheidet die letzte? Instanz aber 100% anders als die Vorgänger?
Das gibt es bei Gerichten, deshalb haben wir mir als eine Instanz.
Ja das ist mir bekannt. Daher sagt man ja auch „vor Gericht und auf hoher See …“
Aber was präzise bewertete diese Instanz so anders? Kann jemand was dazu sagen?
@ J Folder:
Die Weichenstellung findet sich auf S. 9 ff. Bis dahin hatte das Oberlandesgericht ausgeführt, welchen Angriffen des Klägers gegen das vorinstanzliche Urteil es nicht folgen wolle. Dann folgt die entscheidende Passage, in der das OLG eine andere Wertung vornimmt.
Zuerst setzt es sich mit den Zeugenaussagen in der Vorinstanz auseinander. Diese wurden, wie es im österreichischen Zivilprozess zu erfolgen hat, vor dem OLG nochmals verlesen. Dann begründet das OLG, warum aus seiner Sicht das Ergebnis, der Kläger sei von seinen Aufgaben überhaupt entbunden worden, aus den Aussagen nicht folge, sondern das Gegenteil.
Der zweite Teil der Abweichung ist die Annahme einer bestimmten Tatsachensuggestion durch eine Kolportage. Das steht dann auf Seite 18 oben.
Der weiterfuehrende Link scheint nicht zu funktionieren. (29/05/2016 ca 17:00)