Die Bundesregierung und die wilde 13

Psiram ist grundsätzlich kein politisches Forum, auch wenn das eine oder andere Mal politische Fragen anstehen – zum Beispiel bei Höflichkeitsadressen städtischer Gesundheitsdezernenten an Schamanenkongresse oder parlamentarischen Anfragen zur Gefährdungslage durch Chemtrails. Im Grunde sind das kleine Ärgernisse des skeptischen Alltags. Mit ungläubigem Staunen haben wir neulich aber einen Ausschlag des Quackographen wegen eines Ereignisses registriert, dessen Epizentrum im Berliner Spreebogen lag: Die Bundesregierung fürchtet sich vor der Zahl 13, und das ist kein Witz, sondern eine Ausgeburt der Bürokratie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Es geht um den Entwurf eines Gesetzes zur Opferentschädigung, das unter dem Eindruck der Gefährdung durch Terrorakte geschaffen wurde und als Leistungsgesetz in den Rahmen des Sozialgesetzbuchs eingegliedert werden soll. Das „Sozialgesetzbuch“ (SGB) ist eigentlich kein in sich geschlossenes Gesetz, sondern eine Ansammlung von Gesetzen, welche die Verteilung von Sozialleistungen und ihre Begleitregelungen betreffen. Es geht in der Sache um die Arbeitslosenunterstützung (SGB II), die Arbeitsförderung (SGB III), die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), die Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), die Rehabilitation Behinderter (SGB IX), die Pflegeversicherung (SBG XI) und die Sozialhilfe (SGB XII), ergänzt durch Gesetze über allgemeine Grundsätze und das Verwaltungsverfahren. Der aufsteigenden Nummernfolge entsprechend wäre die Opferentschädigung jetzt als Nummer XIII dran – wäre da nicht das böse Omen.
Bundesminister Hubertus Heil – ein Sozialdemokrat (!) – nimmt Rücksicht auf Empfindlichkeiten gegenüber der Unglückszahl und springt sogleich zur XIV. Hat man da noch Worte?

Es gab Zeiten, da war der Gesetzgeber nicht so zimperlich. Paragrafen mit der Hausnummer 13 finden sich wie Sand am Meer. Im Strafgesetzbuch regeln sie die Strafbarkeit bei Unterlassen, im BGB definieren sie den Begriff des Verbrauchers. Im HGB findet man unter der Nummer 13 Bestimmungen über Zweigniederlassungen mit Sitz im Ausland, verteilt auf die 13 nebst 13 d bis h. Die Unterzeichnung von Aktien ist gemäß § 13 des Aktiengesetzes zu gestalten, nach § 13 der Verwaltungsgerichtsordnung sind Geschäftsstellen bei jedem Gericht einzurichten. Die 13. Immissionsschutzverordnung, die den Schadstoffausstoß von Großfeuerungs-, Gasturbinen- und Verbrennungsmotoranlagen betrifft, hat selbstverständlich auch selbst eine Norm mit der Hausnummer 13.  Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig, und selbst das Grundgesetz kennt keine Skrupel: Artikel 13 behandelt das durchaus sensible Thema der Unverletzlichkeit der Wohnung samt der verfassungsrechtlich gerechtfertigten Einschränkungen. Sollte das alles unter einem Unstern der bösen 13 gestanden haben? Ob das neue Gesetz selbst einen § 13 haben wird, darüber wird vermutlich noch in drei Lesungen beraten.

Und noch etwas hat er gesagt, der Herr Bundesminister, aus Rücksichtnahme auf den Hang abergläubischer Gemüter zur Empfindsamkeit: In Hochhäusern verzichte man auf ein 13. Stockwerk, und die Deutsche Bahn biete keine Sitzplätze mit der Nummer 13 an. Das Erste ist jedenfalls in dieser Pauschalität rundweg falsch, und Letzteres wirft die Frage auf, ob der Verzicht auf ein stetiges Durchnummerieren der Teile des SGB tatsächlich die richtige Konsequenz ist und man vielmehr der Deutschen Bahn einen Vogel zeigen sollte.

Wer jemals auf ein Roundup für die Quackmedizin von Homöopathie über Osteopathie bis zum Heilpraktikerstand gehofft hat, mag den Glauben nun fahren lassen. Eher erhält das Kanzleramt eine zentrale Granderwasserversorgung.

Mit etwas Phantasie lassen sich neue Tätigkeitsfelder für unausgelastete Ministerialbürokraten ausmachen. Lassen wir doch alle Paragrafen 13 zu Paragrafen 12 a bis Dingsbums umrubeln! Plenarsitzungen des Bundestags finden künftig nach Mondphasen statt, man weiß ja nie. Überhaupt wird der Plenarsaal zu Beginn jeder Legislaturperiode spirituell gereinigt, energetisiert und frisch geräuchert; schaden kann das schließlich nicht. Weitere Vorschläge nehmen das Bundeskanzleramt und die Bundestagsverwaltung gerne entgegen.

2 Gedanken zu „Die Bundesregierung und die wilde 13“

  1. Wer sich danach noch wundert, dass Homöopathie Staatlich protegiert wird, hat vermutlich den Kopf im Sand. Und manchmal denke ich, das wäre ganz wohltuend. Herrn Heils Sand im Kopf ist jedenfalls nicht die Lösung.

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