Im ersten Wochenrückblick des Jahres 2019 kollidieren Wirklichkeit und Wunschdenken gleich an mehreren Stellen. Udo Endruscheit beschreibt ein Gerichtsurteil, bei dem die formelle Gesetzeslage über die Naturgesetze siegt. Natalie Grams erklärt, warum Pseudomedizin nicht wirksam wird, nur weil sie bei vielen Menschen besonders beliebt ist und bei Florian Aigner geht es um den Wunsch vieler Journalisten, die Wahrheit irgendwo in der Mitte zu suchen, auch, wenn die Faktenlage eindeutig ist. Wissenschaft und mit ihr die Suche nach der tatsächlichen Beschaffenheit der Welt wird zumehmend zu einem Argumentationsproblem. Populismus schreibt einfach die schöneren Geschichten und bedient die Sehnsucht nach einer Realität, die sich den persönlichen Wünschen unterwirft. Hat die Realität einmal die besseren Argumente, lässt sie sich immer noch mit einem Hamlet-Zitat niederringen. Warum das keine brauchbare Strategie ist, erklärt Onkel Michael in seinem Blog. Unsere selbstgewählte Aufgabe bleibt es auch in diesem Jahr, für den Realismus zu werben und das kritische Denken zu fördern. Dabei soll die neue Blog-Serie „Leitfaden für Skeptiker“ helfen und wöchentlich Denkanstöße liefern. Für eure Neujahrswünsche und Linktipps haben wir immer ein offenes Forum und freuen uns über Kommentare auf allen Kanälen.
Gesellschaft, Politik und Religion
futurezone: Die Fairness-Falle
Kompromisse sind eine tolle Sache. Wenn zwei Seiten in einer politischen Diskussion grundlegend unterschiedliche Ansichten haben, dann lohnt sich oft der Gedanke, ob nicht beide ein bisschen recht haben. Aber das ist kein Naturgesetz, die Wahrheit muss nicht immer in der Mitte liegen. Manchmal ist eine Meinung richtig, und die Gegenmeinung einfach nur purer Unfug. Wer behauptet, dass die Erde flach ist, dass man mit feinstofflicher Energie Krebs heilen kann, oder dass er Einhörner in der Küche beherbergt, der hat auch nicht ein bisschen recht, sondern er hat überhaupt nicht recht. (Florian Aigner)
hpd: Aufruhr in Indien: Zwei Frauen haben einen Tempel betreten – Der Mob hütet den Götterpenis
Kürzlich haben zwei Frauen im indischen Bundesstaat Kerala ein altes Gebäude betreten und sich dort ein bisschen umgesehen. Die Frauen haben nichts beschädigt, niemanden verletzt oder beleidigt. Dann sind sie wieder gegangen. Die Folge: Landesweite Proteste, Aufruhr, Verletzte, hunderte Festnahmen, Versammlungsverbote, mindestens ein Brandanschlag auf das Zuhause eines Politikers – und eine überwältigende Gegendemonstration: eine Menschenschlange von angeblich 600 Kilometern Länge, die damit wohl eine der längsten in der Menschheitsgeschichte wäre.
watson: «Die Hip-Hop-Szene ist ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien»
Jeder kennt jemanden, der an Verschwörungstheorien glaubt. Die sozialen Medien sind ein fruchtbarer Boden für Weltanschauungen, die einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten. Auch in Hip-Hop-Kreisen sind sie beliebt: Manchmal werden sie als Stilmittel oder Metapher benutzt, manchmal aber scheinen die Künstler wirklich daran zu glauben.
dubito: Die irrwitzigsten Verschwörungstheorien und warum sie so gefährlich sind
Hillary Clinton betreibt einen Kinderporno-Ring im Keller einer Pizzeria, AIDS ist eine Biowaffe der USA und die Erde ist in Wirklichkeit flach. Die irrwitzigsten Verschwörungstheorien und warum sie nicht nur unsinnig, sondern auch gefährlich sind.
Richard Dawkins Foundation: Das Design-Argument – Eine Kritik Teil 1
Auf der Website des evangelikalen Vereins WORT UND WISSEN findet sich ein Grundsatzartikel über das Design-Argument in der Biologie. Letzteres nennt sich auch Intelligent Design, kurz: ID. Der Beitrag stammt von Markus WIDENMEYER und Reinhard JUNKER und dient Menschen als Handreichung, die „methodisch sauber“ für Schöpfung argumentieren wollen (WIDENMEYER & JUNKER 2016). Vollmundig heißt es, Kritiker würden am Kern des Design-Arguments „scheitern“. Entsprechend wird der Text beworben – als ein „must read“ für alle, die argumentativ „up to date“ sein möchten.
Onkel Michaels kleine Welt: Geh mir weg mit Shakespeare!
Ich muss ja ehrlich gestehen, dass ich Diskussionen mit Homöopathie-Fundamentalisten so weit wie möglich aus dem Weg gehe. Macht mir nur die Nerven kaputt, wenn ich mir ewig einen logischen Fehlschluss nach dem anderen anhören muss. Und wenn diese Menschen dann merken, dass sie keine wirklichen Argumente haben, dann kommt er. Dieser eine Satz! Ich hasse ihn! Er macht mich aggressiv! Welcher Satz fragt ihr? Na das dümmste Totschlagargument, das ich kenne:
There are more things in heaven and earth, Horatio,
Than are dreamt of in our philosophy.
(Hamlet, I/5)
Scientific American: The Case for Scientific Humanism (Michael Shermer)
In the April 2001 issue of Scientific American, I began this column with an entry entitled “Colorful Pebbles and Darwin’s Dictum,” inspired by the British naturalist’s remark that “all observation must be for or against some view, if it is to be of any service.” Charles Darwin penned this comment in a letter addressing those critics who accused him of being too theoretical in his 1859 book On the Origin of Species. They insisted that he should just let the facts speak for themselves. Darwin knew that science is an exquisite blend of data and theory. To these I add a third leg to the science stool—communication. If we cannot clearly convey our ideas to others, data and theory lie dormant.
Wissen und Forschung
Salonkolumnisten: Biolandbau: Glaube statt Wissenschaft
Der Biolandbau beruft sich gern darauf, wissenschaftliche Methoden zu verwenden. Das mag in Teilbereichen zutreffen, aber seine Grundprinzipien beruhen auf mystischen Vorstellungen.
heise online: Mysteriöse Radioblitze: Teleskop findet im Probelauf 13 neue Fast Radio Bursts
Kanadische Forscher haben mit einem neuen Radioteleskop schon in dessen Erprobungsphase mehr als ein Dutzend mysteriöse Fast Radio Bursts (FRB) entdeckt und blicken nun erwartungsvoll auf den Einsatz mit voller Kapazität. Sogar ein zweiter periodischer FRB ist darunter. Das teilten die Wissenschaftler auf einem Kongress der American Astronomical Society in Seattle und im Wissenschaftsmagazin Nature mit. Demnach gelangen die Funde mit dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME), das eigentlich die Ausbreitung des Universums messen soll, aber für die Suche nach den Radioblitzen ideal ist.
Spektrum.de: Warum ‚Oumuamua wie eine Zigarre aussieht
Eines der vielen Rätseln rund um den interstellaren Kometen ‚Oumuamua betrifft seine Form: Warum hat der Besucher von einem anderen Stern, der 2017 durchs innere Sonnensystem raste, die Form einer Zigarre? Zwei russische Astrophysiker präsentieren nun eine mögliche Erklärung für diese populäre Interpretation der Messdaten: ‚Oumuamua könnte einst von der Form her einer Kartoffel geähnelt haben, reiste dann jedoch zwischen 20 Millionen und zwei Milliarden Jahren durch den interstellaren Raum, mit einer Geschwindigkeit von rasanten 50 Kilometern in der Sekunde. Dadurch seien immer wieder Staubkörner mit dem Kometen kollidiert, was mit der Zeit die Oberfläche stark abgeschliffen habe.
futurezone: Forscher erzeugen mit Lasern Blitze in Gewitterwolken
Ein deutschfranzösisches Forschungsprojekt hat erfolgreich Blitze in Gewitterwolken mit Lasern ausgelöst, wie phys.org berichtete. Die Versuche wurden während zweier Gewitter in New Mexico in den USA durchgeführt. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, elektrische Entladungen auszulösen, indem sie einen starken Laser in Gewitterwoklen feuerten. Die kurzen Laserpulse erzeugen dabei Plasmakanäle, entlang derer sich dann eine Entladung ereignet.
Salonkolumnisten: Pflanzenforschung 2019 – Apfelessen verboten
Genveränderte Pflanzen sind erlaubt, wenn man das Genom mit der Schrotflinte zerschießt. Präzise Veränderungen hingegen gelten als unvorhersehbares Risiko. Ein Genforscher muss daher erst den Kontinent verlassen, bevor er in einen Apfel beißen darf.
Gesundheit und Medizin
boingboing.net: Gofundme jumpstarts a golden era of snake oil as desperate people raise millions for quack homeopathy cancer „remedies“
In Patients‘ crowdfunding campaigns for alternative cancer treatments, published by researchers from Simon Fraser University in The Lancet Oncology (Sci-Hub mirror) we learn that thanks to Gofundme, 13,000 people have raised $1.4 million to help 200 desperate cancer patients pay for ineffective homeopathic „treatments.“ A third of these fundraisers were launched by people who explicitly rejected evidence-based medicine and were seeking money to commit an especially grisly form of suicide, while enriching scammers who sell water as medicine.
dubito: Warum Homöopathie Quatsch ist
Die Homöopathie erfreut sich noch immer großer Beliebtheit, obwohl es keine wissenschaftlichen Belege für ihre Wirksamkeit gibt. Warum wir die Theorie der alchemistischen Zuckerkugeln nicht ernstnehmen müssen, ihr Gefahrenpotenzial aber schon.
Respectful Insolence: Traditional Chinese medicine is science, ma-an! National Geographic promotes quackery
Traditional Chinese is science, ma-an! No, really, TCM is science! Really and truly it is! It’s real medicine! That’s a frequent refrain from proponents of TCM. Indeed, it’s a propaganda line that I see so frequently that, seeing the latest example of it that I’m going to discuss here, I decided to name it the “traditional Chinese medicine is science, ma-an” gambit, or maybe just the “TCM is science” gambit. Never mind that it’s not at all true. If there’s one thing TCM is not, it’s science.
Schwesterfraudoktor: Integrative vs. Funktionelle vs. Orthomolekulare Medizin
Integrative, Funktionelle, Orthomolekulare Medizin. Der Bedarf nach Heilmethoden, die sich als ganzheitliche Therapie verkaufen und den Menschen nicht in einzelne Bausteine und Diagnosen zerlegen, scheint zu wachsen. Ein kritischer und genauer Blick lohnt sich, insbesondere für den Patienten. Dafür muss man aber verstehen, denn Wissen ist Macht.
Stiftung Gurutest auf derstandard.at: Deutsche Apothekerin verbannt Globuli aus den Regalen
Die Apotheke ist ex lege kein herkömmlicher Laden. Der Kunde darf darauf vertrauen, dass der Apotheker eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat und man eine Beratung erhält, die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Das schließt Analogiezauber, Totemismus, Aderlass, Globuli und Rosenkränze als Heilmittel aus.
Science-Based Medicine: Vitamin D supplements do not reduce the risk of cancer or cardiovascular disease
Vitamin supplements are a triumph of marketing over evidence, where sales continue to grow despite the evidence that they are neither necessary nor beneficial for the majority of people that take them. There are absolutely cases where vitamins are beneficial, however. While medically significant deficiencies of vitamins are generally rare in developed countries (you don’t see scurvy much anymore), dietary restrictions, pregnancy, and even socio-economic status may increase the possibility of a deficiency, and supplementation may be evidence based.
Spektrum.de: Grams‘ Sprechstunde: Beliebt ist auch Freibier
Neulich bin ich in der »Ärzte-Zeitung« über den Titel »Homöopathiewende in Deutschland« gestolpert. Darin meldete sich vor allem die Interessenvereinigung homöopathischer Ärzte: Immer mehr Menschen in Deutschland, so der Tenor, würden sich nicht nur eine Agrar- und Energiewende wünschen, sondern auch eine »Medizinwende«, nach der Homöopathie dann eine größere Rolle spielen sollte. Im Rest des Artikels darf die erste Vorsitzende des Vereins die Homöopathie noch als wünschenswerte »Hilfe« in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenz und »Polymedikation« preisen – und das alles in einem ärztlichen Fachblatt. Wir hatten es ja zuletzt schon von gefühltem Wissen – hier kommt noch Chupze dazu, es öffentlich zur Schau zu tragen.
SZ.de: „Heilerin“ steht vor Gericht
Aber auch die Strahlentherapie brach sie nach kurzer Zeit ab, obwohl sie, wie der Mann sagt, schon erste Erfolge gezeigt hatte. Stattdessen begab sich die Patientin in die Hände verschiedener alternativer Therapeuten, insbesondere in die einer Frau, die sich selbst als „Heilerin, Heilpraktikerin, Medium, Dozentin, spirituelle Lehrerin“ bezeichnet. Diese behandelte die Frau unter anderem mit Schlangengift. Die Patientin starb, 27 Jahre alt, im Oktober 2015.
Wissen bloggt: Wenn die Realität mit der Wirklichkeit kollidiert… Gedanken von Udo Endruscheit
Die Richter argumentierten, dass „der Rechtsbegriff über die naturwissenschaftliche Begriffsbestimmung der ‚pharmakologischen Wirkung‘ hinaus unter den rechtlichen Wertungen des Gesetzgebers auszulegen sei. „Homöopathika sind also Arzneimittel kraft gesetzlicher Erstreckung“, erklärten sie. „Erstreckt der Gesetzgeber den Arzneimittelbegriff auf diese Präparate, so ist auch der Begriff der pharmakologischen Wirkung in rechtlicher Hinsicht auf diese zu erstrecken.“
Psiram
Aus dem Blog-Archiv (01/20112): Stehen Skeptiker auf verlorenem Posten?
Ohhja, das trifft meine aktuelle Lage sehr gut. Ich bin gerade dabei, ein wenig zu verzweifeln – überall schlägt mir, ich nenne es mal “wunschbasiertes Denken” entgegen. In meiner Familie gibt es eine ziemlich astrologiegläubige Dame, eine andere Person versucht mich permanent von der Kraft des Geistes über den Körper (und der Wunscherfüllung durch das Universum) zu überzeugen und, was dem Faß den Boden ausschlägt und gerade gewaltig an meiner Basis rüttelt, nun hat sich herausgestellt, dass mein eigener Partner mit Verschwörungstheorien sympathisiert. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich das auslaugt und ich mich ebenfalls auf verlorenem Posten fühle.
Neu im Psiram-Wiki:
Video der Woche
Dinge Erklärt – Kurzgesagt: CRISPR – Gentechnik wird alles für immer verändern
Designerbabys, Heilung von Krankheiten, genetisch modifizierte Menschen, die niemals altern. Ein unvorstellbarer Fortschritt, den wir bisher nur aus Science Fiction Filmen kennen, könnte plötzlich zur Realität werden. Das einzige, das wir dabei sicher wissen ist, dass nichts mehr so sein wird wie es war.
Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=ZAz1GutJGbg
Bei dem Ballistol-PsiramWiki-Eintrag fehlt allerdings ein entscheidender Punkt: Der Besitz von Ballistol scheint ein zwingendes Indiz auf den Besitz (illegaler) Waffen. Siehe auch hier: https://www.lawblog.de/index.php/archives/2018/12/06/ballistol/
Insofern ist davon abzuraten, Ballistol im Haushalt, insbesondere aber im Schlafzimmer in der Nachttischschublade augzubewahren. Man kann es aber natürlich im Waffenschrank einschließen, zusammen mit allen legalen und illegalen Waffen im eigenen Besitz.