Facebook-Benutzer lesen Artikel nicht, bevor sie sie teilen und Youtube-Gucker glauben jeden Blödsinn. Diese Behauptung ist natürlich maßlos übertrieben, aber irgend jemand wird sie schon auf irgendwelchen Plattformen zitieren und verbreiten. Beim Umgang mit Medien gibt es allerdings wirklich einigen Lernbedarf auf Seiten der Nutzer, wie mehrere Artikel in diesem Wochenrückblick zeigen. Was können wir also tun, um dafür zu sorgen, dass Informationen kritischer rezipiert, bewertet und weitergegeben werden? Zunächst einmal sollten wir mit gutem Beispiel voran gehen und jeden Artikel aufmerksam lesen und die darin enthaltenen Informationen sorgfältig prüfen. Das mag zwar etwas Aufwand verursachen, aber es lohnt sich und bereitet letztendlich auch Freude, wenn man Sinn und Unsinn voneinander trennen kann. Macht Euch doch einfach mal den Spaß und fragt Eure Facebook-Freunde oder Twitter-Timeline, was in einem gerade geteilten Artikel wirklich drin steht. Vielleicht fangen dann manche Leute an, über ihre Klickgewohnheiten nachzudenken. Eure Linkvorschläge, geprüft oder ungeprüft, nehmen wir gerne hier entgegen.
Gesundheit und Medizin
T-Online: Facebook plant, gegen Inhalte von Impfgegnern vorzugehen
Facebook überlegt, wie man irreführende Inhalte von Impfgegnern auf seiner Plattform entfernen, reduzieren und zurückstufen kann, um die Verbreitung falscher Informationen zu bekämpfen.
Onkel Michaels kleine Welt: Jens Behnke und das Märchen von Big Pharma
Den Vogel schoss aber Jens Behnke, der Pressereferent der Carstens-Stiftung ab. In einem Tweet im Kurznachrichtendienst Twitter unterstellte er der GWUP und dem Weilheimer Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Christian Lübbers, dass sie „nur [versuchen] die Interessen ihrer Auftraggeber zu wahren“ und bezeichnete Frau Dr. Natalie Grams und Frau Apothekerin Iris Hundertmark als „Testimonials“, also mehr oder weniger als Werbegesichter. Garniert war die Mitteilung mit dem Logo des Online-Spieles „Big Pharma“. Und das Ganze unter dem Logo der Carstens-Stiftung.
Science-Based Medicine: Are medical errors really the third most common cause of death in the U.S.? (2019 edition)
The claim that medical errors are the third leading cause of death in the US has always rested on very shaky evidence; yet it’s become common wisdom that is cited as though everyone accepts it. But if estimates of 250,000 to 400,000 deaths due to medical error are way too high, what is the real number? A study published last month suggests that it’s almost certainly a lot lower and has been modestly decreasing since 1990
Legal Tribune Online: 80 Jahre Heilpraktikergesetz – ein heikles Relikt
Es ist eine eigenartige Kombination aus nationalsozialistischer Gesetzgebung einerseits, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis nach Maßgabe des Grundgesetzes (GG) andererseits, die es bis heute ohne allzu scharfe Prüfung jedem Menschen erlaubt, in Deutschland paramedizinische Dienstleistungen feilzubieten.
aerzteblatt.de: Mehr als 900 Tote bei Masernepidemie in Madagaskar
In Madagaskar sind mindestens 922 Menschen infolge einer Masernerkrankung gestorben, die meisten davon Kinder. Seit Beginn einer Epidemie im September hätten sich mehr als 66.000 Menschen mit dem hoch ansteckenden Virus infiziert, erklärte ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag. Masern ist eine durch Impfung leicht vermeidbare Kinderkrankheit. Die WHO und örtliche Behörden haben eine Impfkampagne begonnen, die gut sechs Millionen Kinder erreichen soll. Zudem sollen Behörden verstärkt die Bevölkerung aufklären und impfkritische Botschaften zurückweisen.
MedWatch: HPV vaccination: How Japan was taken by an anti-vax tsunami
Riko Muranaka is a medical doctor and journalist. In a guest article for MedWatch she describes how unscientific claims about alleged side effects of vaccinations against human papilloma virus (HPV) triggered a panic reaction in Japan: In 2013, the government recommended the vaccinations, but opponents raised their voice against the vaccines that prevent cervical cancer. The vaccination rate dropped from over 70 to below 1 percent.
Keine Ahnung von Garnix: „Akupunktur ist mehr als Placebo“ – Quark bei Quarks
Gestern – am 21.02.19 – veröffentlichte das WDR-Wissenschaftsmagazin „Quarks“ einen Videobeitrag und den zugehörigen Text unter dem Titel „Akupunktur ist mehr als Placebo“. Wohlgemerkt, das mit einem wissenschaftlichen Anspruch antretende TV-Magazin „Quarks“ tat das, nicht das Zentrum der Gesundheit oder der Zentralverein der deutschen Pseudomediziner.
Gesellschaft,Politik und Religion
t3n: Headlines only: 59 Prozent der Nutzer teilen Artikel ungelesen
„Menschen neigen dazu, Artikel direkt zu teilen anstatt sie vorher zu lesen. Dies ist zu einer typischen Form des modernen Informationskonsums geworden“, schreibt Arnold Legou, einer der Co-Autoren der Studie. „Menschen bilden sich eine Meinung anhand von Zusammenfassungen, ohne sich die Mühe zu machen, tiefer in das Thema einzusteigen.“ Tiefer bedeutet in dem Fall bereits, sich lediglich die Inhalte der jeweiligen Artikel durchzulesen.
Zeit Online: Zahl der Gewalttaten durch Reichsbürger gestiegen
2018 haben sogenannte Reichsbürger 157 politisch motivierte Gewalttaten begangen – 42 mehr als noch im Vorjahr. Der Szene werden rund 19.000 Menschen zugeschrieben.
winfuture: Woher nehmen Flat-Earth-Gläubige ihre Ideen? Studie zeigt auf Youtube
Woher nehmen Menschen heutzutage den Glauben, die Erde sei eine Scheibe, auch wenn von Philosophen in der Antike bis hin zur Neuzeit unzählige Beweise für die Kugelform der Planeten erbracht wurden? Eine Studie gibt auf diese Frage jetzt eine Antwort: Bei der Verbreitung der Flat-Earth-Bewegung spielt Youtube eine entscheidende Rolle.
Der Tagesspiegel: Im Visier von Reichsbürgern „Sie müssen sich für Ihre Taten verantworten“
In seinen Videos beschwert sich Rüdiger Hoffmann, mein Artikel über die Reichsbürger in gelben Westen sei ein „nationalsozialistischer Hetzbeitrag“, ich wende außerdem eine „psychische Kriegsführungsmethode“ an. Wobei mich allerdings, wenn ich es richtig verstehe, nicht die volle Schuld treffe, denn ich sei „rekrutiert worden“ und werde also missbraucht. Dahinter stecke Größeres: „Der Tagesspiegel macht eine Kampagne, um regimekritische Inhalte niederzudrücken.“
Tagesschau: Kampagne in Ungarn Soros-Verschwörung als Staatsräson
Drei Monate vor der Europawahl hat Ungarn eine Kampagne gegen angebliche EU-Geheimpläne vorgestellt. Die Orban-Regierung setzt dabei auf Verschwörungstheorien, zentrales Feindbild ist der Milliardär Soros.
SZ.de: Kirchenarbeitsrecht – Bundesarbeitsgericht beschränkt Sonderrechte der Kirchen
Ein katholisches Krankenhaus darf seinen Chefarzt nicht entlassen, weil er nach seiner Scheidung erneut geheiratet hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden. Die Kirche sieht in der Wiederheirat des Katholiken zwar einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß. Doch das reicht in diesem Fall nicht für eine Kündigung, sagen die Arbeitsrichter: Eine gültige Ehe nach Kirchenverständnis sei keine gerechtfertigte berufliche Anforderung für den leitenden Arzt.
Wissen und Forschung
futurezone: Die Teekanne des Todes
Niemand kann beweisen, dass es keine Monster gibt. Aber man soll nicht an etwas glauben, nur weil man es nicht widerlegen kann. Für irrationale Technik-Ängste gilt das genauso. (Florian Aigner)
Science Alert: Neuroscientists Say They’ve Found an Entirely New Form of Neural Communication
Scientists think they’ve identified a previously unknown form of neural communication that self-propagates across brain tissue, and can leap wirelessly from neurons in one section of brain tissue to another – even if they’ve been surgically severed.
Psiram
Aus dem Blog-Archiv (11/2016): Die Verfolgung des Peter Tiernan
Peter Tiernan wird verfolgt und belästigt. Seine Frau erhielt Nachrichten auf Facebook, dass man ihr etwas über ihren Mann erzählen müsse, Anrufe an seiner Arbeitsstelle an seinen freien Tagen, die versuchten, seine Kollegen und Chefs „aufzuklären“ und er erhielt auch Nachrichten, dass man wisse, wo er lebt und wo seine Kinder zur Schule gehen. Sie sind tatsächlich hinter ihm her.
Nur, was hat Peter Tiernan getan? Er arbeitet als Physiotherapeut im Ballina Hospital in Byron Bay, in Australien. Byron Bay ist ein malerischer Badeort mit etwa 5000 Einwohnern und wunderschönem Sandstrand. Also, was hat dieser Physiotherapeut angestellt und wer bedroht ihn da eigentlich?
Video der Woche
Verschwörung & Fakten: FLACHE ERDE – Ich weiß Dinge, die sie nicht WISSEN! Einzigartige FLACHERDLER [Verschwörungstheorien]
Flache Erde: Die Verschwörungstheorie der Flacherdler ist höchst unpopulär. Nur ein Bruchteil der Menschen glauben an sie. Aber genau das macht diese Verschwörungstheorie für manche Verschwörungstheoretiker viel attrativer als 9/11, NSU, Stammheim oder JFK. Denn diese weiter verbreiteten Theorien bzw. Legenden erfüllen nicht das Bedürfnis, etwas besonderes zu sein. Das Video zeigt neuste Erkenntnisse aus der Psychologie und stellt den Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis nach Einzigartigkeit und dem Hang zu Verschwörungstheorien dar. Die eine zitierte Studie ist passenderweise wie folgt überschrieben: „Ich weiß Dinge, die sie nicht wissen!“
Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=KOBO1xRK7CA
„Aber man soll nicht an etwas glauben, nur weil man es nicht widerlegen kann. Für irrationale Technik-Ängste gilt das genauso. “
Dass man nicht an etwas glauben soll, nur weil man etwas nicht widerlegen kann, ist ohne (den bei Aigner gegebenen!) Kontext als Maxime so sinnvoll oder sinnlos wie das Gegenteil. Wäre man besser beraten, immer nur an das glauben, was man definitiv beweisen kann? Was würden überzeugte String-Theoretiker dazu wohl sagen, oder Aktienhändler?
Und irrationale Technik-Ängste sind schon durch das Adjektiv „irrational“ so etikettiert, dass man ihnen besser nicht nachgeben sollte. Aber ob man bei irrationalen Ängsten solchen rationalen Empfehlungen immer folgen kann?
Wenn es schon entweder oder sein soll, dann würde ich einfach mal behaupten: ja. 🙂
Natürlich spielen immer Aspekte wie Plausibilität eine besondere Rolle, wenn es um Behauptungen geht, die sich nicht beweisen lassen. Am Ende ist es eine Frage der Wahrscheinlichkeit – und die ist halt nicht automatisch 50/50, nur weil etwas nicht beweisbar ist.
50:50 ist da nichts, völlig klar. Aber wenn wir nur glauben würden, was definitiv bewiesen ist, wären wir handlungsunfähig. Dann könnten wir keinen Flieger mehr besteigen, weil nicht bewiesen ist, dass er wieder heil landet, und kein neues Essen ausprobieren, weil wir nicht wissen, ob wir es vertragen. Wir entscheiden ständig unter Unsicherheit. Das bewusste Prüfen, was stimmt, das Suchen nach Sicherheit, hat seinen Platz vor allem da, wo wir aus guten Gründen zweifeln (was in der Wissenschaft eher eine Tugend ist als im Alltag).
Man sollte gedanklich sorgfältig zwischen Wahrscheinlichkeit (eine exakte Beschreibungsmöglichkeit von Ereignissen/Prozessen in der realen Welt) und Plausibilität (eine subjektive Einschätzung, abhängig von den eigenen Vorkenntnissen) unterscheiden. Nur erstere lässt sich sinnvoll zahlenmäßig fassen, letztere höchstens metaphorisch. Was für den einen glasklar irrational ist (z. B. der Glaube, die Homöopathie könnte wirksam sein), mag dem anderen „rational“ vorkommen.