Mal zwischendurch etwas für die Ohren

So mancher erinnert sich vermutlich an das Ohr auf dem Rücken einer Maus, wie es vor mehr als einem Jahrzehnt durch die Medien ging. Die Geschichte wurde damals ziemlich aufgebauscht und im Endeffekt blieb nicht viel übrig außer dem Gedanken, dass eine entsprechende Technologie für die plastische Chirurgie genial wäre.

Wie Medical Daily berichtet, ist es offenbar nun soweit. Eine 42jährige Frau, die an Basalzellenkrebs (Weißer Hautkrebs) am Ohr litt, verlor durch die Behandlung das Ohr, einen Teil ihres Schädels sowie den linken Ohrkanal. Die Frau konnte allerdings mit Hilfe eines Hörgerätes links noch immer hören, das Innenohr blieb wohl einigermaßen intakt.

Ärzte der John Hopkins University schlugen eine neuartige Behandlung vor, die offenbar erfolgreich war. Sie entnahmen Knorpel aus den Rippen der Dame und nähten daraus ein Ohr. Dieses setzten sie dann in den linken Unterarm ein, wo es für mehrere Monate wuchs. Dann nahmen sie es und pflanzten es als neues Ohr am Kopf ein, die Blutgefäße wurden chirurgisch verbunden.

In einer weiteren Operation wurde das Ohr „in Form gebracht“ und Details korrigiert. Zwei weitere kleinere Eingriffe sind noch notwendig, aber nach Angaben der Ärzte sieht es gut aus. Wenn die Schwellung zurückgeht, wird die Amerikanerin wieder über ein voll funktionsfähiges Ohr verfügen, dass aus ihrem eigenen Gewebe besteht und vermutlich bis an ihr Lebensende normal funktionieren wird.

Dieses Beispiel betraf zwar vor allem den plastischen Teil der Chirurgie, aber auch „Innen“ tut sich etwas. Laut einem Artikel in Nature ist es ist mit Stammzellen gelungen, Mäusen mit beschädigten Hörnerven tatsächlich wieder Hörvermögen zurückzugeben. Transplantierte Zellen entwickelten sich in Nerven, die Signale vom Ohr ans Gehirn übermitteln konnten.

Taubheit wird beim Menschen zumeist durch Schäden an den winzigen Härchen im Innenohr verursacht. Wenn diese beschädigt werden, beginnen aber auch die mit ihnen verbundenen Hörnerven meist zu degenerieren, was sich nicht mehr korrigieren lässt. Durch Cochlea-Implantate kann man einiges an Hörfähigkeit zurückholen, doch diese degenerativen Schäden bleiben für immer eine Beeinträchtigung. Ohne funktionierende Nerven geht es eben nicht. Mit Hilfe der Stammzellentherapie gelang es nun im Tierversuch, die Funktion der Hörnerven wieder herzustellen, was Millionen Menschen helfen könnte. Klar, das ist noch „Zukunftstechnologie“, aber es beweist, was möglich ist.

Wenn man so etwas liest, ärgert man sich maßlos, wenn gleichzeitig gegen solch spannende Technologie mobil gemacht wird. Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, technologisch und politisch vorne dabei zu sein statt immer nur hinterher.

Betrachtet man die Möglichkeiten von Stammzellen, so ist auch für das Auge etwas dabei. Auch hier ist man zwar weit von der praktischen Anwendung weg, aber die Erfolge sind sehr vielversprechend.

Btw.: Wir haben ja schon einmal unter dem Titel „Die Technologie von Shadowrun“ über die Lahmen und die Blinden berichtet, wie man sieht, tut sich auch für die Tauben etwas. Und was die Lahmen angeht, man kann ja T.J. Atchinson fragen, was er von einer Stammzellentherapie hält. Er war der erste gelähmte Patienten in dessen Rückenmark 2010 Stammzellen implantiert wurden. Weitere Finanzierung dieser Technologie stand eine Weile auf tönernen Füßen, ist aber seit Mai genehmigt. Der junge Mann hofft, in absehbarer Zeit wieder gehen zu können.

Was soll man sagen: Technologie ist einfach cool!

2 Gedanken zu „Mal zwischendurch etwas für die Ohren“

  1. Hi,
    Ich hatte einen Patienten, der beidseitig Cochlea Implantat (CI) versorgt ist. Er arbeitet in einem Call-Center!!! Dank der Technik wird das Telefongespräch direkt an sein Implantat geschickt.

    Technik ist wirklich genial. Wichtig fürs CI aber auch für alle anderen Hörgeräte ist, dass man FRÜHZEITIG zum Arzt geht damit einem optimal geholfen werden kann. Die Nerven degenerieren zum Glück nicht innerhalb von Tagen aber man sollte nicht Jahre warten.

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  2. Ich denke, wie bei jeder Technologie ist es weniger die Frage, ob man sie anwendet, sondern wer sie anwendet. Ich vergleiche das mal mit Computern. Früher waren alle Computer in den Händen von wenigen Firmen, wo sie für eher undemokratische Dinge wie die Rasterfahndung verwendet wurden.
    Erst in den 1980ger Jahren, als Computer der Allgemeinheit offen standen hat sich das geändert, und die positiven Seiten traten in den Vordergrund. Gleichzeitig fand eine sachliche Diskussion über die ethischen Grenzen der Computernutzung statt. Ein Ergebnis war der Datenschutz.

    Kurz um, keine Technologie ist gut oder böse, es ist das was wir damit machen.

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