Ein cooler Typ
Simon Singh ist Physiker und Wissenschaftsjournalist. Vor Jahren las ich sein Buch „Fermats letzter Satz“, welches mir die Welt der Mathematiker näherbrachte, mit Genuss. In diesem Jahr las ich „Trick or Treatment“ in der deutschen Übersetzung mit dem unglücklichen Titel „Gesund ohne Pillen – Was kann die Alternativmedizin?“. Dieses Buch, das er gemeinsam mit Edzard Ernst schrieb, hat sich in kürzester Zeit zu einem Standardwerk über den Bereich der Alternativmedizin entwickelt. Den berufsmäßigen Quacksalbern sind solche Werke und alternativkritische Zeitungsartikel natürlich ein Dorn im Auge. Sie kratzen am dünnen Lack der pseudowissenschaftlichen Fassade, beschädigen das Ego und vermiesen das Geschäft. Die üblichen Reaktionen kennt man aus Diskussionen mit Fundamentalisten, es wird persönlich. Gern wird auch aus einer Sachaussage eine Beleidigung oder Verleumdung konstruiert, die dann justiziabel ist. Selbiges geschah 2008 mit Simon Singh in Großbritannien:
2008 hat die British Chiropractic Association (Britische Chiropraktische Vereinigung, BCA) Simon Singh aufgrund einiger Kommentare, die im Rahmen einer Kolumne der britischen Zeitung Guardian verfasste, auf Verleumdung verklagt. …
„Man könnte denken, dass moderne Chiropraktiker sich darauf beschränken, Rückenprobleme zu behandeln, aber Tatsache ist, dass sie immer noch einige ziemlich verrückte Ideen haben. Die Fundamentalisten behaupten, sie könnten alles heilen. Und selbst die moderateren Chiropraktiker haben fantastische Ideen. Die Britische Chiropraktische Vereinigung behauptet, ihre Mitglieder könnten helfen, Kindern mit Koliken, Schlaf- und Ernährungsstörungen, häufigen Ohrinfektionen, Asthma und übermäßigem Weinen zu behandeln, auch wenn es dafür nicht einen Iota an Beweisen gibt. Diese Organisation stellt das ehrbare Antlitz der chiropraktischen Profession und dennoch befördert es vergnügt betrügerische Behandlungen (bogus treatments).“(1)
hpd: Simon Singh vs. British Chiropractic Association
An der Formulierung „bogus treatments“ störten sich die Alternativheiler, das heißt, sie werden sich an dem ganzen Buch und den Zeitungsartikeln gestört haben. Die Formulierung diente aber als juristischer Hebel. Wie in der verlinkten HPD-Mitteilung steht, läuft es derzeit vor Gericht nicht allzu gut für Singh. Ich hoffe, eine Solidaritätswelle wird zuerst durchs Netz und dann durch die Medien gehen. Es geht auch um Pressefreiheit und Maulkörbe.
Wie cool der Herr Singh ist, kann man sich hier auf youtube anschauen („Stairway to heaven“ rückwärts mit Untertiteln. Ein herrliches Beispiel, wie unsere Wahrnehmung von Erwartungen beeinflusst wird):
Die Facebook-Unterstützungsseite gibt´s hier:
For Simon Singh and Free Speech – Against the BCA Libel Claim .
Andere Blogs zum Thema:
Diax´s rake
Respectful Insolence
und natürlich SBM
19.05.09
Gimpys Blog
Links ohne Ende:
Simon Singh Case Response Roundup
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