Der Traum meines Großvaters

Als mein Großvater Ding Shuiyang aus der Stadt zurückkam, lag die Abenddämmerung schon über der Ebene. Die Straße nach Dingzhuang war vor zehn Jahren betoniert worden – damals, als die Dorfbewohner Blut verkauft hatten. Das Dunkel der Gedanken, die er unterwegs nicht hatte entwirren können, begann sich zu lichten.

Ihm war klar: wo Wolken sind, da gibt es Regen.
Ihm war klar: wenn der Herbst zu Ende geht, wird es kalt.
Ihm war klar: die Dorfbewohner, die vor zehn Jahren Blut verkauft hatten, würden das Fieber kriegen. Und wer das Fieber hatte, würde sterben, so wie der Herbstwind die welken Blätter von den Bäumen fegt.

Das Fieber war im Blut verborgen; mein Großvater war in seinen Träumen verborgen. Die Krankheit liebte das Blut, Großvater liebte das Träumen.

Seit er in der Kreisstadt war, wusste er:

Das Fieber hatte in Wirklichkeit einen anderen, einen wissenschaftlichen Namen – nämlich AIDS. Wer seinerzeit Blut verkauft hatte, war heute ausnahmslos an AIDS erkrankt. Die Kraft verließ sie, ihr Körper war von Pusteln und Flecken übersät, die Zunge war eiterig und allmählich trockneten die Kranken aus. Sie quälten sich drei Monate oder ein halbes Jahr, hielten vielleicht sogar acht Monate durch, aber nur selten ein ganzes Jahr. Dann – ja, dann starben sie.

Starben wie vom Wind losgerissene Blätter.
Erloschen wie eine Lampe; waren nicht mehr von dieser Welt.

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China und die Masern

Bei Plasbergs „Hart aber Fair“ wurde am Montag von den Impfgegnern im Prinzip die Behauptung aufgestellt, dass die Masernimpfung nicht wirksam sei. Als Beispiel gaben Frau Bajic und Frau Wedel an, China habe sogar eine 99%ige Durchimpfungsrate und trotzdem gebe es ständig Masernepidemien. Weiters gebe es ca. 15% Impfversager.

Bevor wir uns den Fakten zu diesen Zahlen und China zuwenden: Solche Behauptungen leben davon, dass in einer Talkshow solche aus dem Hut gezauberten Zahlen für die Diskutanten schwer zu prüfen oder gar zu widerlegen sind; auch der Zuseher kann den Wahrheitsgehalt kaum abschätzen.

China ist weit weg; selbst wenn man China schon einmal besucht hat: Wer weiß schon, wie viele Menschen dort geimpft sind und wie viele Masernfälle es dort gibt? Genau, keiner. So adhoc sind solche Behauptungen dann auch nicht widerlegbar und bleiben damit im Raum stehen, scheinbar wahr.

Man kann Dr. Hirschhausen nicht verdenken, dass er das Ganze als „Bullshit hoch 10“ bezeichnet. Er wird zwar kaum Zahlen aus China gekannt haben, aber dass die Behauptungen so nicht stimmen können, liegt fast auf der Hand. Der Nachweis ist wie so oft mühsam zu führen; wer sich die Details sparen möchte, kann gleich nach unten zum hübschen Diagramm scrollen.

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