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Schwere Zeiten für Snake-Oil – Unzulässige Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen

3. Februar 2012 13 Kommentare

Die Schlachten gegen die Quacksalberei werden mitunter an ungewöhnlichen Orten geschlagen, aber immerhin: manchmal mit Erfolg. Ein Urteil des für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 10.11.2011, das – hält es der Revision beim BGH stand – der Branche der Vertreiber obskurer Pülverchen und Tröpfchen ordentlich auf die Füße fallen könnte, befasst sich mit gesundheitsbezogenen Aussagen in der Produktwerbung.

Ein Internetversender warb für diverse Pilzextrakte in Pulverform mit folgenden Aussagen:

  • „Zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und     Leistungsfähigkeit bei Stress.“
  •  „Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung.“
  •  „zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit“,
  •  „Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“
  •  „- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!“,
  •  „Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems“
  •  „Zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung“,
  •  „für gesunde Blutgefäße“,
  •  „ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten“,
  •  „zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion
  •  „Zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall“,
  •  „Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen“,
  •  „Unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar…“,

 Das Oberlandesgericht Frankfurt sah darin einen Verstoß gegen die europäische Health-Claims-Verordnung, denn es handele sich hier bereits – und das ist ein erster wesentlicher Punkt – um „gesundheitsbezogene Aussagen“ im Sinne der Verordnung: sie stellten nämlich einen Zusammenhang her zwischen der Gesundheit des Anwenders und dem Konsum der beworbenen Produkte.

 Der zweite wesentliche Aspekt der Entscheidung liegt in Folgendem: gesundheitsbezogene Aussagen sind nur zulässig, wenn sie sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen lassen. Und hier kennt der Senat kein Pardon:

 „Die Anforderungen, die an einen solchen Nachweis zu stellen sind, sind nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht weniger streng als die Anforderungen, die auch an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät gelten“.

 Und das heißt konkret:

 „Der Nachweis der Richtigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV ist daher – soweit sich die wissenschaftliche Anerkennung nicht anders belegen lässt – durch Vorlage von Studien zu erbringen, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sind. Dem werden grundsätzlich nur randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess in die Fachwelt einbezogen sind, gerecht“

 Da haben wir ihn, den „Goldstandard“, endlich. Dass der von den im Ausgangsfall beworbenen Pülverchen nicht einzuhalten war, lag auf der Hand:

 „Es fehlt bereits an der – für eine Prüfung der einzelnen Merkmale der Vorschrift unabdingbare – Darlegung, welcher konkrete Inhaltsstoff in den jeweiligen Pilzextrakten überhaupt geeignet sein soll, die mit den einzelnen Werbeaussagen beanspruchten Wirkungen zu erzielen. Demgemäß kann die Beklagte auch nicht den Nachweis führen, dass dem Inhaltsstoff als solchem diese Wirkung tatsächlich zukommt (Art. 5 Abs. 1 a HCV), dass der Inhaltsstoff in dem Endprodukt in relevanter Menge enthalten ist (Art. 5 Abs. 1 b HCV), dass der Inhaltsstoff in dem Endprodukt in einer für den Körper verfügbaren Form enthalten ist (Art. 5 Abs. 1 c HCV) und dass die in dem Endprodukt enthaltene Menge des Inhaltsstoffes geeignet ist, die behauptete Wirkung zu erzielen (Art. 5 Abs. 1 d HCV).“

 

Leider ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig, weil die Fragen der Auslegung des Begriffs der „gesundheitsbezogenen Angabe“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV – insoweit ist ein Ersuchen des Bundesgerichtshofs um Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig – und der Anforderungen, die an den Nachweis der Richtigkeit einer solchen gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne der Art. 5 und 6 HCV zu stellen sind, „grundsätzliche Bedeutung“ haben, so dass der Senat die Revision zugelassen hat. Bleibt es bei den Grundsätzen des Urteils vom 10.11.2011, werden zwar nicht die fraglichen Präparate vom Markt, aber so manche vollmundige Formulierung, mit der die Wohltaten seltsamer Gebräue angepriesen werden, verschwinden. Die Abmahnwelle, die dann anrollt, hätte endlich auch einmal etwas Gutes gebracht.

Ein Wermutstropfen: an die Heilungsversprechen der Homöopathie kommt man so nicht heran, denn Homöopathika genießen einen Sonderstatus über die Registrierung nach dem Arzneimittelgesetz. Eng werden könnte es hingegen für die vollmundigen Versprechungen in der Werbung für „Bachblüten“ und ähnliches, in denen die Grenze zu den „gesundheitsbezogenen Aussagen“ locker überschritten werden und nicht die Spur eines wissenschaftlich haltbaren Wirkungsnachweises besteht. Man darf gespannt sein.

 OLG Frankfurt, 6. Zivilsenat, Urteil vom 10.11.2011, 6 U 174/10

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