WHO: TCM ins ICD – Traditionelle Chinesische Heilkunde, die lichte Zukunft der Medizin?

Die Weltgesundheitsorganisation hat einen neuen Entwurf der elften Version ihres Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen (ICD) vorgestellt, die im nächsten Jahr verabschiedet werden soll. Vorgesehen ist eine neue Abteilung für „traditionelle medizinische Störungen“ (damit ist chinesische, japanische und koreanische „Naturheilkunde“ gemeint). Systematische Bestrebungen, Quacksalberei auf diese Weise hoffähig zu machen, gibt es schon seit längerem. Wir hatten die Geschichte dieser Bemühungen bereits angerissen und mit wenig Erfolg versucht, den Begriffswirrwar zu durchdringen (hier), dessen Zweck darin besteht, grundsätzliche Unterschiede zwischen „traditioneller“ und „westlicher“ Medizin zu verschleiern.

Die „Integration“ der Glaubensmedizin in die wissenschaftlich begründete Medizin erfordert eine gewisse gedankliche Flexibilität, ein Denken, das eingetretene Pfade verlässt. Ben Kavoussi von Science Based Medicine hatte das schon vor einiger Zeit mittels eines Foucault entlehnten Borges-Zitats illustriert [1]:

Dieser Text zitiert „eine gewisse chinesische Enzyklopädie“, in der es heißt, daß „die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, 1) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen“.

Was bringt die WHO dazu, einen derartigen Bruch mit der Wissenschaft zu vollziehen? Die Generaldirektorin der WHO, Frau Dr. Margaret Chan, äußerte sich zu diesem Thema in einer Grundsatzrede anlässlich der „International Conference on the Modernization of Traditional Chinese Medicine“ am 23. Oktober 2016.

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Afghanistan: Die glorreichen 65.000

Bei „Den glorreichen Sieben“ (hier sei auch das „Original“ Die sieben Samurai von Akira Kurosawa empfohlen) handelt es sich um eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die ein armes Dorf gegen üble Banditen verteidigen und die dabei auch einen hohen Blutzoll zu entrichten hat.

In gewisser Hinsicht ist die Situation in Afghanistan ähnlich. Das Land wird von einem grausamen Feind bedroht, der Kinderlähmung. Aber zur Verteidigung der Menschen haben sich nicht sieben Revolverhelden, sondern zehntausende Impfhelfer und Freiwillige, gefunden. Dazu gehören nicht nur die Angestellten der WHO, Ärzte und Menschen die von Haus zu Haus gehen, sondern auch traditionelle Heiler, Mullahs, Bewahrer heiliger Stätten, und auch einfach Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen. Zusammen treten sie an, die Kinderlähmung zurückzuschlagen und ein für alle mal zu besiegen.

Wie auch die glorreichen Sieben hatten sie bereits Opfer zu beklagen. Nicht nur in Afghanistan, auch in den anderen Ländern, wo diese Seuche noch heimisch ist. Bei Anschlägen auf Impfhelfer kamen schon öfter Menschen ums Leben, aber der Erfolg kann sich ebenfalls sehen lassen (PDF, Seite 10).

Noch vor 30 Jahren traf die Kinderlähmung jährlich 350.000 Menschen auf der ganzen Welt. 1988 setzte sich die WHO das Ziel, die Krankheit auszurotten. Und das mit großem Erfolg. Letztes Jahr gab es nur mehr 13 Fälle in Afghanistan, 4 in Nigeria und 20 in Pakistan. Diese drei Länder sind die letzten Landstriche, in denen das Virus noch heimisch ist.

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Kinderlähmung: Weltweiter Impfstoffwechsel

Behandlung von Kinderlähmung mit Eiserne Lungen
Behandlung von Kinderlähmungsfolgen mit Eisernen Lungen
Wir haben hier im Blog schon regelmäßig von diesem – ja, man muss es so nennen – titanischen Vorhaben berichtet, das die Ausrottung der Kinderlähmung darstellt. Vor wenigen Jahrzehnten noch hatte Deutschland mit Tausenden Fällen pro Jahr zu kämpfen, heute ist diese Krankheit sogar weltweit praktisch nicht mehr existent. Die Impfung hat sich in diesem Kampf als hervorragendes Mittel gezeigt und der Erfolg ist klar sichtbar: Wer kennt heute noch die Eiserne Lunge?

Im April wurde in einer weltweit koordinierten Aktion der Impfstoff in 155 Ländern ausgetauscht und man rechnet damit, dass 90% der negativen Auswirkungen der Impfung durch den Wechsel beseitigt wurden.

Die letzten Bollwerke, in denen die Krankheit noch heimisch ist, stellen Afghanistan und Pakistan dar; dort wurden dieses Jahr erst 15 Fälle gemeldet (Stand 18. Mai 2016), es geht dem Ende zu. Es gab in den letzten Jahren zwar Rückschläge, so führte z.B. der Krieg in Syrien zu sinkenden Impfraten und es kam (wohl durch afghanische oder pakistanische Kämpfer eingeschleppt) vor wenigen Jahren zu einem Ausbruch, der nur mit großer Mühe unter Kontrolle gebracht werden konnte, dennoch ist die Kampagne fast am gesteckten Ziel angelangt.

Das allerdings unter großen Schmerzen und Schwierigkeiten. Impfhelfer sind in Pakistan (und nicht nur dort) einer großen Gefahr ausgesetzt, praktisch jedes Jahr gibt es Anschläge auf die Mitarbeiter der Impfkampagne. Zuletzt starben im Januar 15 Menschen bei einem Bombenanschlag, 24 weitere wurden verletzt. Gruppen der Taliban sind der Überzeugung, dass mit den Impfungen ein Ausrottungsprogramm durchgeführt wird, d.h. die Impfungen zu Unfruchtbarkeit führen.

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Lieber Prinzipien reiten als Menschenleben retten oder: Der Streit um die E-Zigarette, die WHO und das Deutsche Krebsforschungszentrum

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Lasst uns ein Gedankenexperiment machen. Man stelle sich vor, jeder Raucher in den USA würde auf E-Zigaretten umsteigen. Was wären die Folgen? Eine E-Zigarette ermöglicht es im Wesentlichen, nikotinsüchtig zu sein (Nikotin ist nicht krebserregend), das haptische Erlebnis des Rauchens zu haben, ohne sich 60 und mehr krebserregenden Stoffen oder anderen hunderten giftigen Chemikalien auszusetzen, die beim Verbrennen von Tabak entstehen. Wenn alle US-amerikanischen Raucher “dampften” anstatt zu rauchen, könnten ca. 480.000 Todesfälle jährlich verhindert werden. Wir werden natürlich nicht zu einer solchen vollständigen Veränderung kommen, aber es ist eine Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen Rauchen und Sterben an Krebs und anderen Krankheiten sehr klar vorhanden ist.

(Frei übersetzt aus einem Artikel von Daniel Sarewitz, Nature 512, 349 (28 August 2014) doi:10.1038/512349a) [1], [2]

Jeder wird sie inzwischen vermutlich kennen: Die E-Zigarette. Die weltweite Forschergemeinschaft ist sich zwar in ihrer Mehrheit einig, dass sich durch die E-Zigarette das hohe Risiko des Tabakrauchens drastisch verringern lässt. Trotzdem tobt bei der WHO gerade ein Kampf darum, wie man mit der E-Zigarette umgehen soll. Es gingen jeweils kontroverse Aufrufe an die WHO Generaldirektorin Margaret Chan.[3][4] Etwas flapsig, aber wohl zutreffend ausgedrückt, streiten sich die Pragmatiker mit den Prinzipienreitern. Das Deutsche Krebsforschungszentrum mit seiner für diesen Bereich Verantwortlichen Martina Pötschke-Langer gehört definitiv zu Letzteren, und wir sind der Meinung, dass man statt Prinzipien und Bedenkenträgerei zu reiten, lieber die Chancen, viele Menschenleben pragmatisch zu retten, wahrnehmen sollte. Ja, sogar dann, wenn die Tabakindustrie auch auf den Zug mit aufspringt. “Es droht eine Epidemie wie bei Tabakzigaretten”[5] prophezeit Martina Pötschke-Langer in einem Spiegel-Interview. Wie das bei einem Suchtstoff vonstatten gehen soll, bei dem lediglich die Zufuhr auf eine deutlich weniger schädliche Art erfolgt, kann sie nicht glaubhaft belegen. Mit welcher Argumentation das DKFZ versucht, die E-Zigarette zu verhindern, sei im Folgenden beispielhaft für die weltweite Diskussion angerissen, ebenso einige Fakten zum grundsätzlichen Verständnis dargestellt.

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Die WHO und die Paramed… äh, Traditionelle Medizin

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Seit langem bemüht sich die Weltgesundheitsorganisation um die „Integration“ der mit Ehrfurcht und Respekt behandelten anderen Medizin. Bereits in der Deklaration von Alma-Ata von 1978 habe die WHO „dazu aufgerufen, die traditionelle Medizin in die Grundversorgung einzubeziehen“ [vgl. hier], wenn auch zunächst nur in einem Halbsatz: auch traditionelle Heiler sollten wenn nötig im „health team“ mitarbeiten. Später aber verhinderte erst die hartnäckige Obstruktion durch engstirnige, konventionelle Mediziner, dass eine Würdigung der Homöopathie durch die WHO beschlossen werden konnte. Seine königliche Hoheit der Prince of Wales etc. etc. war 2006 eingeladen, seine Vorstellungen zur „integrativen Medizin“ der Weltgesundheitsversammlung zu unterbreiten, was von der arroganten Medizinerzeitschrift Lancet als Beispiel für eine irrationale Entscheidungsfindung der WHO bedauert worden war [1]. Die Deklaration von Beijing von 2008 stellte einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer „integrativen Medizin“ dar.

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Nur ganz kurz: WHO warnt vor Behandlung mit homöopathischen Medikamenten – FAZ warnt vor Tolzin

BBC: WHO warns against homeopathy use Dank an „Diax´s rake“: Erfolg für junge Forscher: WHO warnt vor Homöopathie gegen HIV, Malaria etc. Und diesen Artikel haben wir auch sehr gern gelesen: Tolzin ist derzeit ein gefragter Mann. Sogar im „Morgenmagazin“ der ARD durfte der Impfgegner gegen die Schweinegrippe-Impfung zu Feld ziehen. Als „Experte“ griff er … Weiterlesen

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