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Artikel Tagged ‘Wolfgang Nellen’

Greenpeace und die Angst vor Gentechik

24. Februar 2013 66 Kommentare
Typisches Propagandabild von Greenpeace

Typisches Propagandabild

Wenn man sich die Seiten von Greenpeace ansieht, kommt man nicht umhin zu bemerken, dass Greenpeace eine faire und objektive Debatte zur Gentechnik gar nicht erst führen möchte. Bilder wie dieses erinnern an das Monster, das kleine Kinder unter dem Bett vermuten und nach ihrer Mami rufen.

Höchst subjektiv und einschüchternd, am besten gleich mal an unterbewusste Ängste appellieren, bevor der Leser durch Fakten vielleicht noch verwirrt wird. Vor etwas, das man nicht kennt, hat man naturgemäß Angst. Zu viel über Gene zu wissen, ist daher natürlich schlecht; kennt man etwas, verliert man die Angst. Dieses Problem hat Greenpeace in Deutschland aber nicht so; in einer Umfrage 1999 wussten nur 44 36 Prozent der Deutschen, dass auch normale Tomaten Gene enthalten. Wäre interessant, die Frage heute noch einmal zu stellen, ob sich das gebessert hat.

Jedenfalls, aus Sicht der Gentechnikgegner soll sich das bloß nicht ändern. Bei der Konservierung dieses Ist-Zustandes der Unwissenheit sind natürlich Forschungsfelder und Universitäten besonders hinderlich. Mehr…

Horizontaler Gentransfer: Erklären wir die Friedhöfe zum Sperrgebiet!

27. Oktober 2011 17 Kommentare

Zum ersten Teil dieses Interviews: Der Zug für Grüne Gentechnik ist in Deutschland abgefahren

Professor Nellen, ein paar Fragen zum horizontalen Gentransfer:

[…]In der Genforschung wird allgemein davon ausgegangen, dass unkontrollierter horizontaler Gentransfer transgener DNA ausgeschlossen werden kann, weil sich diese ebenso wie natürliche DNA außerhalb der Zelle schnell zersetzt. Einzelne Wissenschaftler kamen jedoch zu Ergebnissen, nach denen horizontaler Gentransfer transgener DNA zu Bakterien und auch zu Pflanzen und Tieren stattfindet.[1] Sie sehen darin ein Gesundheitsrisiko, da horizontaler Gentransfer eine Ursache für die Entstehung neuer Krankheitserreger und Antibiotika-Resistenzen sein kann. Direkt nachgewiesen wurde die Übertragung prokaryotischer DNA auf Eukaryoten bisher bei Agrobacterium tumefaciens (Pflanzenzellen) und Bartonella henselae (menschliche Zellen).[2][3][…]

(http://de.wikipedia.org/wiki/Horizontaler_Gentransfer)

Wie ist das gemeint? Wie findet sowas statt? Über Viren?
Wenn dem so wäre, kann dies nicht genausogut mit non-GMO-DNA passieren?
Dann kann man nach derselben Logik sagen es sei nicht ausgeschlossen, dass hier auch neue „Risiken/Gefahren“ etc. etc. auf „natürliche“ Art entstehen, oder?

Ganz zweifellos findet horizontaler Gentransfer statt. Bei Agrobakterium tumefaziens gehört das zum „Tagesgeschäft“: das Bakterium baut einen Teil seines Genoms in das Wirtsgenom ein, um einen Wurzelhalstumor zu erzeugen. Das ist natürlich. Im Labor bringen wir täglich Gene aus verschiedenen Organismen in Bakterien ein. Dazu greifen wir zu verschiedenen Hilfsmitteln, um die Aufnahme der Gene zu verbessern. In der Natur passiert das auch, aber sehr selten. Es reicht aber nicht, dass DNA von einer Zelle aufgenommen wird. Das DNA Stück muss das vollständige Gen enthalten, es muss so eingebaut werden, dass es auch abgelesen wird und schließlich ein funktionsfähiges Genprodukt vorliegt. Selbst im Labor, wo wir das mit allerlei Tricks optimieren, ist das nicht immer ganz einfach. Aber die Masse macht’s: bei sehr vielen Bakterien und sehr viel DNA wird es hin und wieder passieren. Genau diese Situation ist z.B. im Herbst gegeben: es fallen Tonnen (!) von DNA von den Bäumen und treffen auf Tonnen von Bakterien im Boden. Was da verrottet und DNA freisetzt sind nicht nur Fallobst und bunte Laubblätter, dazu gehören auch giftige Pflanzen (mit den zugehörigen Genen). Trotzdem finden wir danach keine Bodenbakterien mit Toxingenen aus der Tollkirsche oder der Kartoffel. Das Gift aus Ligusterhecken und Eiben im Vorgarten verseucht nicht alle Mikroorganismen der Wohnsiedlung. Evolutionär, im Laufe von Jahrmillionen spielt horizontaler Gentransfer eine Rolle, in unserer Zeitrechnung eher nicht.
GV Pflanzen enthalten übrigens keine Antibiotikaresistenzgene mehr.
Erlauben Sie mir zum Abschluss dieser Frage ein etwas makaberes Beispiel:
Wenn wir tatsächlich Sorge um horizontalen Gentransfer hätten, so müssten wir zuerst die Friedhöfe zum Sperrgebiet erklären. Ein sehr großer Teil der Menschen, die dort bestattet werden, ist an veränderten Gene gestorben, die einen Tumor ausgelöst haben – ihre DNA wird ungehindert in die Umwelt freigesetzt.

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Der Zug für Grüne Gentechnik ist in Deutschland abgefahren

26. Oktober 2011 12 Kommentare

Wolfgang NellenProfessor Wolfgang Nellen vom „Department of Genetics“ der Universität Kassel war vor kurzem bereit uns ein paar Fragen zum breiten Thema Gentechnik und der diesbezüglichen Situation in Deutschland zu beantworten. Prof. Nellen hat den Lehrstuhl für Genetik bereits seit 1995 inne, betreibt Grundlagenforschung und hat eine lange Liste von Publikationen veröffentlicht. Da die Antworten sehr umfangreich ausgefallen sind, werden wir den Text in 2 Teilen veröffentlichen.

 

 

Herr Professor Nellen, können Sie uns kurz erklären, womit Sie sich beruflich beschäftigen, woran Sie hauptsächlich arbeiten?

Ich bin Molekulargenetiker und meine Abteilung arbeitet an Mechanismen der Epigenetik. Wir benutzen den Modellorganismus Dictyostelium (eine einzellige Amöbe) um zu verstehen, wie die genetische Information z.B. durch die Verpackung der DNA in der Zelle beeinflusst wird. Dabei ergeben sich interessante, vermutlich generell gültige Erkenntnisse, wie z.B. die Umwelt Einfluss auf die Nutzung der genetischen Information nimmt und wie sich Zellen gegen molekulare Parasiten (z.B. Viren) wehren. Das ist reine Grundlagenforschung, die zum grundsätzlichen Verständnis, wie Leben funktioniert, beiträgt.

Inwieweit unterscheiden sich Züchtungen von Genmanipulierten Pflanzen? Oder anders gefragt: Ist Genmanipulation nur gezielte Züchtung?

Zunächst eine Korrektur: der Ausdruck „Genmanipulation“ wurde von Interessengruppen geprägt. Lassen Sie Ihr Auto manipulieren, wenn Sie in der Werkstatt die Zündung einstellen lassen? Gehen Sie zum Zahnmanipulator, wenn Sie sich ein Implantat machen lassen? Der negative Beigeschmack scheint beabsichtigt zu sein.
Gentechnische Veränderungen sind keine gezielte Züchtung. Durch die universelle Gültigkeit des genetischen Codes ist es möglich, Gene aus anderen Organismen in ein Genom einzusetzen. Das geht nicht durch Züchtung. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Bt Mais, der ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis enthält.
Man kann aber auch z.B. Gene in einem Organismus ausschalten, um unerwünschte Eigenschaften loszuwerden. Ein wenig bekanntes, aber eindrucksvolles Beispiel ist eine Sonnenblume mit deutlich erhöhtem Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Dabei wurde gezielt ein Gen ausgeschaltet, das normalerweise zur Sättigung der Fettsäuren führt. Dieser Effekt wurde auch durch Züchtung mit vorgeschalteter Mutagenese erzielt – also ohne Gentechnik. Mutagenese bedeutet, dass durch erbgutschädigende Substanzen (radioaktive Bestrahlung, krebserzeugende Gifte) ungerichtet Veränderungen erzeugt werden. Die Behandlung erfolgt so, dass mindestens 90% der Organismen (hier Sonnenblume) durch massive Erbgutänderungen sterben. Unter den Überlebenden wird nach solchen Veränderungen gesucht, die man sich wünscht – und die man oft auch findet. Ein Problem dabei ist, dass es durchschnittlich ca. 20 weitere Mutationen in einem solchen Organismus gibt. Von denen hat man keine Ahnung wo sie sind und was sie bewirken. Durch umfangreiche Rückkreuzungen mit dem Ausgangsstamm versucht man diese Mutationen auszukreuzen – ganz sicher kann man dabei aber nie sein.
In diesem Fall entspricht die gentechnische Veränderung im Ergebnis einer Züchtung – Gentechnik hat dabei jedoch den Vorteil, dass andere, unbekannte Mutationen wesentlich unwahrscheinlicher sind.

Ist es gesundheitsschädlich „Genetisch Modifizierte Organismen(GMO)“ zu essen? Gibt es irgendwelche Hinweise dafür/dagegen?

Kleine Korrektur: „genetisch modifiziert“ sind wir alle denn wir unterscheiden uns in unseren Genen. Diese genetische Varianz ist durch natürlich auftretende Mutationen entstanden. Sie meinen „gentechnisch modifizierte Organismen“, d.h. eine gezielte, technische Modifikation der DNA.
Schädigungen der Gesundheit sind bei zum Verzehr zugelassenen GMOs nicht bekannt. Es gibt immer wieder Berichte über Rinder, die an „Genmais“ gestorben oder erkrankt sind. Ein ursächlicher Zusammenhang ist aber nicht gegeben. Das wäre auch erstaunlich denn in USA werden Rinder fast ausschließlich mit GV Mais gefüttert. Es hätte auffallen müssen, wenn die alle sterben.

Gibt es Gefahren/Risiken bei der Verwendung von Tiergenen in Pflanzen und wenn ja welche?

Wenn Gene zwischen sehr verschiedenen Arten ausgetauscht werden, muss sorgfältig darauf geachtet werden, wie sie in das „genetische Umfeld“, z.B. den Stoffwechsel des Empfängers eingreifen und welche Effekte sie dort haben. Ein Allergen aus einer Nuss in eine Sojabohne zu setzen ist keine gute Idee. Ein für den Menschen tödliches Toxingen aus einer Schlange in die Kartoffel zu setzen, ist mit größter Wahrscheinlichkeit gesundheitsschädlich. Ein Gen für Frostresistenz aus einem Fisch in eine Erdbeere zu setzen kann einen Vorteil haben. Es müssen umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden, wie das Genprodukt sich in der Erdbeere verhält und ob es sich auf andere Eigenschaften der Erdbeere auswirkt – und ob diese Auswirkungen schädlich für den Verbraucher sind. Ein Handicap seriöser Wissenschaftler ist, dass sie niemals niemals sagen sollten. Negative Effekte können nie zu 100% ausgeschlossen werden. Nach einer ordentlichen Analyse halte ich die Risiken jedoch für geringer als bei der oben genannten „natürlichen“ Sonnenblume, die noch eine unbekannte Zahl an Mutationen unbekannter Wirkung enthält und die weitgehend ungeprüft als „Naturprodukt“, möglicherweise mit Biosiegel, vermarktet werden kann.

Führt an der Gentechnik überhaupt ein Weg vorbei?

Langfristig wohl kaum. Züchtung hat lange zu gewaltigen Ertragssteigerungen geführt. „Natürlich“ sind unsere Lebensmittelpflanzen seit fast 10.000 Jahren nicht mehr. Jetzt scheinen aber die Grenzen der konventionellen Züchtung erreicht zu sein. Gentechnisch ist es möglich, Pflanzen an die Eigenarten der Standorte anzupassen (Trockenresistenz, Salzresistenz usw.) um z.B. auch den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Der Wettlauf mit Schädlingen wird schwieriger und Ernteverluste müssen eingedämmt werden. Teilweise könnte man diese Ziele vielleicht auch durch Kreuzung erreichen, aber gewiss nicht alle und es würde viel länger dauern.

Sie sind ja auch am Science Bridge(http://www.sciencebridge.net/) Projekt beteiligt, worum geht es dabei?

Science Bridge ist eine unabhängige „non-profit“ Organisation (gemeinnütziger Verein). Unabhängig bedeutet, dass wir von keinen Sponsoren aus der Wirtschaft abhängig sind und uns ausschließlich aus (moderaten) Kursgebühren und Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Wir liefern in erster Linie Schulen Experimente zu Molekularbiologie und Gentechnik – zunächst also reine Wissensvermittlung und Experimentiererfahrung. Dabei versuchen wir möglichst wertfrei Information zur Gentechnik zu geben.
Weiterhin informieren wir in öffentlichen Veranstaltungen zur Gentechnik. Information ist jedoch eine Sache, sie alleine kann die Resistenz gegen Argumente (bedingt durch sehr erfolgreiche PR Aktionen verschiedener NGOs) nicht beheben. Wir versuchen deshalb, eigene Erfahrungen durch Laborkurse für interessierte Bürger zu vermitteln und danach zu diskutieren. Die Ergebnisse sind interessant: obwohl wir nicht versucht haben, Pfarrer, Journalisten oder auch Greenpeace-Gruppen zu „hirnmanipulieren“ gingen sie meistens sehr nachdenklich aus den Kursen nach Hause und alle meinten, dass sie die Sache jetzt etwas differenzierter sehen (ohne gleich zu flammenden Gentechnikbefürwortern zu werden!).

Welche Internetseiten können Sie empfehlen um sich zum Thema „Grüne Gentechnik“ zu informieren?
Wenn es bei der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik bleibt, empfehle ich die XING Gruppe „Grüne Gentechnologie“ und die Infoseite von Transgen. Etwas Informationsmaterial haben wir auch auf der Science Bridge Seite unter Informationsmaterial Grüne Gentechnik. Ich hatte übrigens NABU und Greenpeace angeboten, dort auch ihre Sicht der Dinge einzustellen – wollten sie aber nicht.

Zur Fortsetzung:
Horizontaler Gentransfer: Erklären wir die Friedhöfe zum Sperrgebiet!

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