Von der Kunst nichts zu erklären

Im neuesten Teil ihrer kleinen PR-Serie auf www.derStandard.at zeigt Frau Wolkenstein wie man aus einer Pollenallergie maximalen Gewinn schlägt und einem kleinen Jungen entgegen aller Beteuerungen nicht ursächlich behandelt, sondern die durchaus erfolgversprechende Hyposensibilisierung durch einen Blumenstrauß an verschiedenen lukrativen und hübsch alternativen Therapien ersetzt.

Frau Wolkenstein schildert einen typischen Fall einer Pollenallergie bei einem achtjährigen Jungen. Nach ein paar einführenden Worten, in denen sie die Symptome beschreibt und kurz auf die Hygiene-Hypothese eingeht,  kommt sie auf den Punkt:

Die Möglichkeit einer Hyposensibilisierung (Impfung gegen Allergie) gegen die Birkenpollenallergie wurde nach vorausgehender Testung vom zuständigen Facharzt vorgeschlagen. In Absprach (sic!) mit seiner Mutter hatte sich der Junge dazu entschieden, es mit Akupunktur zu versuchen.

Als Ärztin sollte Frau Wolkenstein wissen, dass die vom Facharzt vorgeschlagene Therapie sinnvoll gewesen wäre (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19000581). Für die erfolgreiche Anwendung von Akupunktur bei diesem Krankheitsbild (wie auch praktisch jedem anderen), gibt die Studienlage nicht sehr viel her.

Bei Kindern wird der „Softlaser“ angewendet, weil der schonender ist:

Der Vorteil für Kinder: Die Therapie ist vollkommen schmerzfrei.

Bei Erwachsenen will Frau Wolkenstein wohl nicht auf die Schmerzen verzichten. Ist auch besser für den Placeboeffekt und der Patient erwartet das wohl auch.

Die Wirkung des Lasers ist bemerkenswert:

Dieses Licht arbeitet in einem bestimmten Wellenlängenbereich und regt damit den Zellstoffwechsel an.

Was die alten Chinesen da wohl gesagt hätten. Was ist eine „Zelle“? Und warum sticht man nicht, sondern beleuchtet und erwärmt den Akupunkturpunkt? Und wo sind bloß die Meridiane geblieben? Ist das noch „unsere“ TCM?

Abgesehen davon, dass nicht klar wird inwiefern der Zellstoffwechsel angeregt wird und wie dadurch das Immunsystem verändert werden soll, hat das Ganze nicht mal mehr etwas mit TCM zu tun.

Nun wird es natürlich noch ganzheitlich:

Aus ganzheitlicher Sicht gilt es zu beachten, dass 70 Prozent aller immunologischen Reaktionen im Darm stattfinden.
Und 30% spielen sich demnach nicht im Darm ab, sondern dort wo auch der Junge Beschwerden hatte: Atemwege und Bindehaut.

Somit gehört parallel zur Allergiebehandlung abgeklärt, ob Verdauungsprobleme bestehen. Gerade die Birkenpollen besitzen bekannte Kreuzallergien mit verschiedenen Nahrungsmitteln wie Apfel, Sellerie oder Kernobst. Das deckt sich auch mit den Bedürfnissen meines Patienten. Der Junge isst außer Bananen, so gut wie kein Obst und schützt sich so selbst instinktiv vor der Belastung mit Nahrungsmitteln, die sein Organismus nicht verträgt.
Ziemlich mutige Deutung am Schluss! Es scheint nicht klar, ob Frau Wolkenstein den Begriff „Kreuzallergie“ richtig verstanden hat, jedenfalls klingt „Birkenpollen besitzen Kreuzallergien“ etwas verwegen.
Aber gut, sie geht ja besser ohnehin nicht weiter darauf ein.

Stattdessen brennt sie ein ganzes Feuerwerk an Methoden ab, ohne der Ursache auf den Leib zu rücken.

Es macht Sinn eine Akupunktur-Behandlung mindestens ein, besser sogar zwei Monate vor der Pollenbelastungszeit zu beginnen. So gibt man dem Organismus Zeit, langsam mit der Regulation zu beginnen, die schlussendlich dazu führen soll, Allergene nicht mehr als „feindlich“ zu betrachten.
Vor allem gibt man dem Akupunkteur genügend Gelegenheiten Rechnungen zu schreiben.

Frau Wolkenstein gibt weder an, wie die Akupunktur die „Regulation“ bewirken soll, von der sie spricht, noch sagt sie, wie diese „Regulation“ überhaupt aussehen soll. Woher soll das Immunsystem durch Akupunktur wissen, dass es bei einem spezifischen Allergen eben nicht mehr überschießend reagieren soll, bei allen anderen Allergenen aber ganz normal?
Das ist nichts weiter als völlig unsinniger Hokuspokus ohne irgendeinen sachlichen oder logischen Hintergrund.

Weiter geht’s:

Eine homöopathische Begleitung bewährt sich bei Kindern besonders. Die kleinen Zuckerkügelchen werden freudig angenommen und vermitteln den Kindern nicht das bedrohliche Gefühl einer Therapie. Pollen werden ebenso wie Tierhaare, Milben und sonstige Allergie Erreger homöopathisch verarbeitet und bereits zwei Monate vor Saison täglich eingenommen.
Wieder: zwei Monate vorher soll man auch noch Zuckerkügelchen schlucken. Kein weiterer Kommentar notwendig. Das ist einfach völliger Schwachsinn.
TCM ist auch das nicht.
Zudem wird den Kindern nicht nur beigebracht immer etwas zu schlucken, sondern das auch noch Monate vorher. Bei der Pollenallergie hört das sicher auch nicht auf. Zu erwarten ist, dass das Kind auch gegen Schnupfen, Sonnenbrand und für bessere Schulleistungen Kügelchen bekommt.

Irritierend, dass trotz dieser intensiven, zweimonatigen Vorbereitung immer noch eine Akutbehandlung notwendig ist:

Sobald die Allergiesaison beginnt, bewährt sich für akute Probleme, wie Schnupfen oder Augenbrennen, die Chinesische Ohrakupunktur. Bei Kindern wird wiederum auf Nadeln verzichtet. In China werden kleine Samenkügelchen verwendet, ich arbeite mit Magnetkügelchen, die ich meinem kleinen Patienten ins Ohr klebe. Diese kann er jederzeit selbst drücken, sich also selber eine Akupressur verabreichen.
Das ist dann die dritte Methode, wiederum ohne irgendeinen Beleg oder einen wenigstens ansatzweise nachvollziehbaren Wirkmechanismus.
Der Erfolg einer Therapie scheint sich für Frau Wolkenstein nicht in einer Heilung oder Minderung der Beschwerden zu äußern, sondern darin ob die Kinder die Behandlung doof finden oder nicht:
Die Erfahrung zeigt, dass gerade Kinder sehr gut auf die Behandlung reagieren, was aber nicht bedeutet, dass sie nach einer Behandlungssaison für immer beschwerdefrei sind.
Wie sie richtig sagt:
Allergien können immer wieder und in ganz unterschiedlicher Ausprägung an den verschiedensten Lokalisationen auftreten. Die Gefahr, dass sich aus einer kindlichen Allergie ein allergisches Asthma entwickelt, ist immer gegeben.
Umso wichtiger, dass man das vernünftig behandelt und nicht mit Hokuspokus, der offenbar nicht mal aus eigener Sicht funktioniert. Die Zeit für die monatelange Behandlung bei Frau Wolkenstein, hätte man besser anders nutzen können.

Fazit:
Grade bei Kindern ist es mit einer ganz guten Wahrscheinlichkeit möglich, über die in diesem Fall vom Facharzt auch vorgeschlagene Hyposensibilisierung, eine dauerhafte Reduktion der Beschwerden zu erreichen. Die ist zeitlich ähnlich aufwändig, wie das, was Frau Wolkenstein in ihrem Artikel vorschlägt, wird aber sogar von der Krankenkasse bezahlt und ist sehr viel erfolgversprechender.
Durch Softlaser, Zuckerkügelchen und Magnetsteinchen wird sich das Immunsystem ganz sicher nicht davon abhalten lassen, auf spezifische Allergene spezifisch zu reagieren.

Immer noch nicht beantwortet ist die Frage, warum die Redaktion des Standard online so etwas durchgehen lässt. In der Serie soll es darum gehen anhand von Fallbeispielen die Wirkungsweise der traditionellen chinesischen Medizin zu erläutern. Frau Wolkenstein erklärt gar nichts und wendet dann auch noch die Methoden nicht im Sinne der „alten Chinesen“ an, bzw. macht sogar etwas völlig anderes, wie etwa Homöopathie. Selbst diese wendet sie nicht im klassischen Sinne an – man fühlt sich fast genötigt, Hahnemann zu verteidigen.

8 Gedanken zu „Von der Kunst nichts zu erklären“

  1. jetzt frage ich mich hier dauernd welche art von laser hier die ganze zeit gemeint ist ??? ich hoffe ein richtiger laser und kein eso laser in form einer taschenlampe die vorher in feinstofflicher urmaterie des skalarfeldes enigelegt wurde um den taschenlampen laser zu energetisieren *ggg
    ich dachte ich frage mal lieber nach… weiss man bei den esos nie, was die als nächstes für ideenreichtum befällt.

  2. Pingback: Tweets that mention EsoWatch: Von der Kunst nichts zu erklären -- Topsy.com
  3. Könntet Ihr bitte noch einen Direktlink dorthin anbieten?

    Dort findet man dann z.B. solch hochinteressanten Informationen, ich zitiere hier Godesberg:

    Zitat Anfang
    Übrigens…

    …der „Verein“, dem Frau Wolkenstein als „Präsidentin“ vorsteht, ist nicht etwa eine gemeinnützige Vereinigung z.B. von Vertretern unterschiedlicher komplementärmedizinischer Methoden, sondern schlichtweg der Name ihrer Firma.

    Vollständig heißt die Firma:
    „(Institut Wolkenstein -) Verein für komplementäre Präventionsmedizin & Co KEG“

    Durch die „Präsidentschaft“ in einem Verein soll Seriösität vermittelt werden, deshalb lässt die Gesundheitsredaktion des Standard online das „& Co KEG“ wohl lieber weg.

    Zitat Ende

  4. Schade! Ich fand es nach dem Lesen des Blogs unglaublich sinnig, daß dort geschrieben stand: 0 Kommentare…..

  5. Eventuell sollte man einmal eine unterschriftenaktion machen und diese der standardredaktion zukommen lassen. Ev. rührt sich da mal was …

  6. Habe gerade erfahren, dass die AOK Akupunkturbehandlungen bezahlt. Sehr schön aber rumstreiten wenn ein Wachkomapatient nach ein paar Jahren eine neue Spezialmatratze braucht oder ähnliches…
    Gibt es eigentlich eine Krankenkasse die konsequent jeden Alternativschwachsinn ablehnt? Da wär ich ja sofort dabei.

  7. Zitat: „….hatte sich der Junge dazu entschieden, es mit Akupunktur zu versuchen.“

    (Das glaube ich nicht, denn kein achtjähriges Kind lässt sich freiwillig mit Nadeln behandeln.)

    Später heißt es: Bei Kindern wird wiederum auf Nadeln verzichtet

    Wieso widerum?

    Einmal ist pieksen genau die richtige Therapie und das andere mal nicht?

    Und was soll das mit den Magnetsteinchen? Kommt es nur auf die Form oder das Gewicht an? Oder warum nimmt sie einfach etwas völlig anderes?
    Ich hätte noch ne olle Perlenkette…geht das damit auch?

    Kokolores!

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