Hogwarts an der Oder: mag. plast. scham. – oder: Wer will noch mal, wer hat noch nicht?

intrag2Da die Viadrina der Empfehlung der Hochschulstrukturkommission nicht folgen mochte und das IntraG nach wie vor besteht, bleibt uns ein thematischer Dauerbrenner erhalten: das [hüstel] Lehrangebot des Instituts.

Im Jahr 2014 werden im Modul „4a – Medizinethnologie“ Veranstaltungen angeboten, die offenbar auf einen Magister im Plastikschamanismus abzielen. So gibt es eine Veranstaltung von insgesamt sechs Stunden zu „Weltbild und Heilkunde nordamerikanischer Indianerstämme am Beispiel des Liban-Apache-Stammes“ [sic], als DozentIn ist nur „Gonzales Flores“ angegeben. Offenbar handelt es sich bei Herrn oder Frau Gonzales Flores um einen ganz geheimen wirklichen Geheimrat, da das gesamte Internet keine weiteren Ergebnisse finden kann, die auf eine Tätigkeit in der Ethnologie hindeuten. Das ist schade, weil wir unseren Lesern daher einen Überblick über die Tätigkeit dieses sicherlich hochqualifizierten und höchst produktiven Dozenten mit erheblichem Papierausstoß leider versagen müssen. Hinsichtlich der Qualifikation wundert es uns aber schon, dass einE EthnologIn im Titel der Veranstaltung gleich zweimal den Begriff „Stamm“ erwähnt und nicht etwa von „Ethnie“ spricht. Noch verwunderlicher ist es, dass eine solche Fachperson es nicht schafft, den Namen der Ethnie fehlerfrei zu schreiben. Da eine Fachperson ebenso wissen sollte, dass die indigenen Kulturen Nordamerikas sehr diversifiziert sind, hoffen wir doch, dass Herrn oder Frau Gonzales Flores in der sechsstündigen Veranstaltung keine unangebrachten Verallgemeinerungen unterlaufen sind.

Eine weitere Veranstaltung von insgesamt vier Stunden bot Florian Rubner an, der über „Regenwaldmedizin und Ayahuasca“ doziert (jedenfalls wollen wir doch sehr hoffen, dass es nur eine Vorlesung ohne Praktische Übung war, da Ayahuasca in diesem Land unter das BTM-Gesetz fällt). Herr Rubner war übrigens beim Institut InfoMed (früher Ethnomed) und bei dessen sorgsam getrennten Fortbildungzweig „Ethnomed Fortbildungen e.V.“ für Konzeption und Organisation zuständig. In der Zeitschrift „Oya Online“ wird er als „Ethnologe MA und Interkultureller Coach“ angesprochen; er soll „Völkerkunde, Interkulturelle Kommunikation und Religionswissenschaften“ studiert haben und „… heute bei unterschiedlichen Projekten sowie als freier Trainer im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich“ arbeiten. Rubner doziert auch über Fliegenpilze. Falls unseren werten Lesern das InfoMed bekannt vorkommt: die räuchern die LMU. Hier wächst wohl etwas zusammen, was durchaus verwandt ist.

Psiram hat die Veranstaltung leider verpasst (wir mussten dringend den großen Kaffeeschein in der Caféteria erwerben), daher können wir nur hoffen, dass Herr Rubner seriös über die Verwendung von Ayahuasca bei indigenen Ethnien gelesen hat und nicht etwa nur über die sehr abweichende im dekulturierten, meist urbanen Umfeld in Südamerika oder gar die als indigen propagierten Praktiken, mit denen zahlungskräftige europäische und amerikanische Kundschaft in dubiose südamerikanische „Retreats“ oder zu Plastikschamanen in Europa gelockt wird, die unter Tarnbezeichnungen wie „Ayaruna“ o.ä. der gut zahlenden Kundschaft das hierzulande nicht so ganz legale Gebräu einflößen.

Weitere vier Stunden referierte Herr Christoph Bundschu über „Hawaiianischen Schamanismus“. Das ist erstaunlich, weil das an und für sich sehr viel kürzer abzuhandeln ist: es gibt keinen. Herr Bundschu unterhält dennoch ein „Institut Hawaii“, das er 1993 nach der Begegnung mit dem angeblichen Huna-Lehrer Serge „Kahili“ King gründete. Dieser wiederum ist im real life ein schlichter Serge King, der den Namen der hawaiianischen Familie Kahili usurpiert hat und sich auf diese Weise einen authentischen Anstrich geben möchte, worüber die Familie zu Recht empört ist. King will von einem inzwischen verstorbenen Ältesten der Familie adoptiert worden sein – die Familie hält dagegen, dies beruhe nicht auf Fakten. Bundschu stellt auf seiner Seite noch einen weiteren Lehrer vor, der indigener Hawaiianer gewesen sein soll.

Das Institut lehrt eine angeblich hawaiianische Methode namens „Romi Kahuna Bodywork“. Diese Bezeichnung kann jedoch nicht hawaiianisch sein, da diese Sprache den Laut „r“ nicht kennt; in anderen austronesischen Sprachen kommt der Laut jedoch vor. Bundschu bezeichnet diese Methode als „… seit Jahrhunderten praktiziertes Ritual zur körperlichen und geistigen Klärung“; es sei „… eine Massagekunst aus den Tempeln Hawai’is…“, die Blockaden löse und Verspannungen lockere.

Weiter führt Bundschu aus, dass die Hawaiianer ihre Lebensphilosophie, das Huna, von den Sternen erhalten haben sollen, und dieses von „Kahunas (Weisen)“ gehütet worden sei. Also eine weitere Variante des alten Arguments: es brauchte schon Außerirdische, um den […] etwas beizubringen, von allein geht bei denen ja nix. Zwar ist Bundschu offensichtlich bekannt, dass „Kahuna“ so viel wie Experte bedeutet, er erläutert trotzdem: „So gab es unter den Kahunas Navigatoren, Fischer, Pflanzenkundige, Bootsbauer, Geomanten, Tänzer, Architekten…“. Genau anders herum wird ein Schuh daraus: Unter Navigatoren, Fischern, Pflanzenkundigen, Bootsbauern gab es Kahunas, also Experten.

Ferner kann man am Institut von Herrn Bundschu noch „Hawaiianische Geomantie“ lernen, was als „hawaiianisches Feng Shui“ erklärt wird. Weiß man ja auch – Feng Shui ist was Asiatisches, das muss es also auch überall in Asien geben. Solche Umetikettierungen erweitern nicht nur die Angebotspalette, sondern auch die Verdienstmöglichkeiten.

Naja, so ein IntraG muss halt sehen, wo es die Fachkräfte herbekommt. Aber schauen wir weiter – es ist noch ein Herr Dr. und ein Herr Professor im Angebot, die werden doch seriöse Wissenschaftler sein.

Ein Dr. Kubny gönnt den Hogwarts-Magistern a.L. (auf Lauer) noch ein paar Worte zur „Geschichte traditioneller Chinesischer Chronobiologie/psychologie“. Ein veritabler Doktor, der hat sogar studiert. Ein Lebenslauf klärt uns über Studienfächer auf: im Hauptfach Sinologie mit den Nebenfächern Japanologie und Musiktheorie und -geschichte, an den Universitäten Würzburg und München. 1989/89 war er in München wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. P.U. Unschuld, der inzwischen im Beirat des IntraG ist. Von 1997-99 war Kubny Koordinator an der Wormser Akademie für Medizin und reformierte Heilweisen von Fritz-Albert Popp. Dass er die „Tätigkeit“ an der Popp-„Akademie“ allen Ernstes in einem Lebenslauf erwähnen mag, der auf der Seite einer Universität veröffentlicht wird, ist allerdings ein starkes Stück. Im Jahr 2002 war Kubny Dozent an der Universität Witten-Herdecke. Von 1998-2002 will Kubny außerdem „shareholder“ der Fangshu GbR gewesen sein, die er als Anbieter kommerzieller Seminare zu traditionellen chinesischen Biowissenschaften in Deutschland beschreibt. Ein Sinologe ist womöglich in Betriebswirtschaft nicht so superfit und weiß nicht, dass man bei einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) nicht Aktionär sein kann, aber nun gut, das Unternehmen machte wohl nicht ohne Grund bereits 2002 die Pforten wieder dicht. Darüber hinaus führt Kubny noch mehrere Tätigkeiten als Taiji-Quan-Lehrer an. Darunter eine von 1983-89 an der „Municipal People’s University Augsburg“ – das ist mit wunderschöner Politur formuliert und hört sich viel eindrucksvoller an als die schlichte Städtische Volkshochschule, die er in seinem Profil bei Xing wiederum korrekt benennt. Ferner betreibt Kubny seit 2002 die Firma IATCA (International Academy for Traditional Chinese Astrology).

Seit 2007 ist Kubny am IntraG, nach seinen Angaben wiederum als Koordinator und zwar für Ethnomedizin. Das bei der Uni Erlangen veröffentlichte Curriculum Vitae ist übrigens nicht auf dem neuesten Stand (Kubny war dort von April bis September 2011 „Visiting Fellow“), denn laut XING ist er seit Oktober 2011 zudem beim Steinbeis-Transfer-Institut Therapeutische Kommunikation und integrierte Therapie.

Jetzt aber – der Herr Professor ist doch hochqualifiziert! Leider ist Florian Mildenberger nur außerplanmäßiger Professor. Bei der Wikipedia gibt es bereits einen Eintrag, demzufolge Mildenberger (Jahrgang 73) an der LMU in München [die hatten wir doch gerade schon…] Neuere Geschichte, Geschichte Osteuropas und Politikwissenschaften studierte und Medizinhistoriker ist. Interessant ist auch folgende Formulierung bei der WP: „Parallel hospitierte er im Institut für Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, um sich medizinische Zusammenhänge anzueignen“. In der Rechtsmedizin? Ah so. Wir erfahren außerdem, dass Mildenberger in der oberbayrischen „Technosubkultur“ engagiert war. Ja, man sammelt im Laufe eines langen akademischen Lebens so seine Meriten. Die Dissertation befasste sich jedoch mit der Polarkreiseisenbahn; das Thema der Habilitation wird dagegen (warum auch immer) gar nicht erwähnt. Auch Mildenberger war an der LMU Mitarbeiter von Paul U. Unschuld (wir erinnern uns: erweiterter IntraG-Beirat). Seit 2009, erläutert Wikipedia, hat er an der Viadrina einen Lehrauftrag für Geschichte der Medizin und wurde 2011 außerplanmäßiger Professor.

Der WP-Eintrag zu Mildenberger wurde dem Anschein nach von einem ausgesprochenen Fan erstellt, was in der Regel für wenig Neutralität und mitunter für viel unfreiwillige Komik sorgt. Auch dieser Fan verbrauchte beim Formulieren nicht nur jede Menge Weihrauch:

Mildenberger hat insbesondere zum Thema der Medizingeschichte, Sexologie und osteuropäischen Geschichte neue Akzente gesetzt. Themen wie „Gender Studies“, „Konversionstherapie“ oder die kritische Aufarbeitung der deutschen Pädophilenbewegung unter Miteinbezug momentan noch lebender Protagonisten wären ohne Mildenberger wohl unter den Teppich gekehrt worden.

Es kann sich nur um Realsatire handeln. Oder? Mal eben im Alleingang die Wissenschaft gerettet, die Totalblamage noch einmal abgewendet, alle anderen wollten ja unter den Teppich kehren? Joa mei, da legst di doch nieda! Vor Lachen.

Jedenfalls wird der Held der Gender Studies etc.pp. im nächsten Jahr als Referent beim Homöopathiekongress auftreten und ist dort für den Themenbereich „Homöopathie-Geschichte (Arztpraxis, Medikation, Milieustudie)“ vorgesehen. Was hat aber nun die Homöopathie-Geschichte mit dem Gebiet der Medizingeschichte, zu dem Mildenberger ja arbeiten will, zu tun? Wir sind dennoch hocherfreut über sein Engagement, denn sicherlich wird der Herr apl. Professor auch hier akzentsetzend dafür sorgen, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird; abends kann er ja dann eine Techno-Party veranstalten.

Ins richtige Licht gerückt wird Mildenberger übrigens recht anschaulich in einem Artikel des Laborjournals.

Wie war das – die Hochschulstrukturkommission hat die Empfehlung ausgesprochen, auf den Studiengang doch lieber zu verzichten? So ist es:

Die Hochschulstrukturkommission empfiehlt der EUV dementsprechend nachdrücklich den künftigen Verzicht auf das Angebot des MA-Studienganges „Kulturwissenschaften – Komplementäre Medizin“. Eine Fortführung des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften ist weder wie bisher als In-Institut noch als An-Institut zu befürworten.

http://www.mwfk.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Bericht_HochschulstrukturkommissionLandBRB.pdf

plasticShaman2Vermutlich hätte die Kommission sich sehr viel weniger höflich mitteilen sollen. Wie lange sollen denn wissenschaftliche Ausbildungen, Abschlüsse und Titel von Hogwarts an der Oder noch beschädigt werden? Dass man an der Oder mit breitem Gesäß jede noch so angebrachte Kritik aussitzen und der Wissenschaft den erigierten Mittelfinger zeigen will, hat man dort ja hinreichend deutlich gemacht und möchte das bis weit nach ad nauseam weiterführen. Die Zeit der nachdrücklichen Empfehlungen jedenfalls ist abgelaufen, es muss Butter bei die Fische.

16 Gedanken zu „Hogwarts an der Oder: mag. plast. scham. – oder: Wer will noch mal, wer hat noch nicht?“

  1. @Cliff Yablonski: Das Logo gibt es mit Schamanen nur in der kleinen Auflösung. Die allgemeinen „No bullshit“ und „100% bullshit“ Logos können wir gerne in passender Druckauflösung zur Verfügung stellen, wenn das gewünscht wird. Druckereien für Aufkleber gibt es ja im Netz genug, so dass man das dann selbst einfach machen lassen kann.

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  2. Der Artikel über Mildenberger rollt einem ja die Zehennägel auf: Das Geschwafel über die Konversationstherapie, nach der Homosexualität eine Krankheit sei, und die Behauptung, Ehrlichs Salvarsan hätte „nie funktioniert“ und „nur der Befestigung von Machtstrukturen im deutschen Gesundheitssystem gedient“, wer kommt denn auf solche Ideen?

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  3. Vorsicht! Das Logo könnte von Leuten, die nicht wissen, dass es hier speziell um Plastikschamanen geht, als Herabsetzung der Kultur indigener Völker missverstanden werden. Auch könnte solch ein Missverständnis von Esoterik-Anbietern gezielt lanciert werden. Vielleicht sollte man den Roten weiß darstellen, mit Winnetou-Klamotten und Yin-Yang Kette um den Hals.

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  4. @TH:

    Man sollte sich andererseits nicht vorschnell ins Hemd …
    Die Karikatur setzt bewusst die stereotype Darstellung von „Redskins“ ein, indem die gesamte Figur samt Feder knallrot durchgefärbt ist sowie die stereotypen Gesichtszüge (Hasenzähne, Adlernase) zur Schau trägt. Ebenfalls gar nicht indigenen Kulturen entspricht das Stirnband – die Winnetou-Klamotte ist also bereits vorhanden. Indigene Personen haben auch selten Dollarzeichen in den Augen (okay, einige schon, da das Auftreten von Gesäßviolinen der üblichen globalen Normalverteilung folgt). Außerdem sitzt die dargestellte Figur im gar nicht indigenen Lotussitz, da sparen wir doch glatt die Yin-Yang-Kette.

    Karikiert werden Plastikschamanen, gleich welcher Herkunft diese dann im einzelnen Fall sind. Wer den Artikel gelesen hat weiß, dass es um Plastikschamanen geht. Wer nicht liest und trotzdem den Mund weit aufreißt, tut dies immer auf eigene Gefahr. Wenn Esoterik-Anbieter meinen, wegen der Karikatur einen Exkrementhurrikan auslösen zu können, werden sie schon feststellen, dass es beim ganz leisen Püpsken bleibt und sie nur im eigenen Mief sitzen.

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  5. @TH: Keine Sorge ich würde das nicht öffentlich wo hinkleben, sondern maximal bei mir zuhause auf den Kühlschrank. Und die Wahrscheinlichkeit, dass hier mal wer aus einem indigenen Volk auftaucht ist eher gering 😉

    @Groucho: Ja, bitte zur Verfügung stellen (Link im Forum oder so?)

    Und sorry für offtopic…

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  6. ich genieße meinen Tee aus verschiedenen Tassen mit dem herkömmlichen Psiram-Logo, ich wurde auch schon daraufhin angesprochen, und es entspann sich eine höchst nette Unterhaltung.

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