SkyWay und die verschwundenen Patente

„Scammer“ sind Firmen oder Personen, die etwas anbieten, das nicht oder nicht wie angegeben existiert bzw. funktioniert – also Betrüger. Eine typische Masche von Scammern ist die Ankündigung eines angeblich sensationellen Produktes, das z.B. Energie aus dem Nichts produziert, gegen allerlei Krankheiten hilft („Snake Oil„) oder Reichtum ohne Arbeit ermöglicht. Beliebt sind auch Zusatzfunktionen, welche die Welt besser, die Umwelt sauberer und die Gesellschaft gerechter machen; Weltverbesserung verkauft sich gut. Wer aber Geld für ein Produkt nimmt, das gar nicht existiert, muss damit rechnen, verklagt und wegen Betrugs verurteilt zu werden. Daher haben sich die meisten Scammer auf fachfremde (und daher leichter zu täuschende) Investoren oder Spekulanten als Zielgruppe spezialisiert. Diese werden mit Versprechungen geködert und anschließend – oft auf Jahre hinaus – mit noch größeren Versprechungen vertröstet. Die ehrgeizigen Pläne werden natürlich niemals umgesetzt.

Als Köder für Technologie-Scams dient die Präsentation zahlreicher Patente. Diese sollen neben Zertifikaten (z.B. vom TÜV) und Referenzen (die gewöhnlich frei erfunden sind) die Seriosität des Unternehmens sowie die Machbarkeit des Projekts belegen.

Ein derzeit recht aktives Scam-Projekt ist die Firmengruppe SkyWay aus Weißrussland. Firmengründer Anatoli Yunitsky möchte angeblich das weltweite Transportwesen revolutionieren und vielerorts Gondeln („String Transport“ genannt) aufhängen, die bislang allerdings nur als Computer-Animationen, Handzeichnungen oder Funktionsmodellen auf Märchenpark-Niveau existieren. Yunitsky behauptet, solche Hängebahnen seit über 40 Jahren zu entwickeln, kann aber keinen einzigen Auftrag vorweisen. Die Beschreibung des Systems steckt voller Widersprüche und technischer Unmöglichkeiten, das Firmengeflecht ist undurchsichtig, und die Finanzierung von Yunitskys Jugendtraum basiert auf einem MLM-System mit überzogenen Gewinnversprechen. Das Geschäftsmodell von SkyWay besteht darin, wertlose Gutscheine als „Firmenanteile“ zu verkaufen. Finanzaufsichtsbehörden vieler Länder haben bereits Warnungen vor SkyWay veröffentlicht.

Immerhin kann er aber doch einen ganzen Stapel Patente vorweisen, oder?

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Kurzer Exkurs über Patente:

Für die Erteilung eines Patentes muss ein Verfahren oder eine technische Vorrichtung folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Erfindung muss eine Neuheit sein, d.h. sie muss sich von bereits existierenden Erfindungen unterscheiden
  • Die zu patentierende Erfindung muss gewerblich anwendbar sein
  • Sie muss auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und darf nicht trivial oder einfach nur eine Abwandlung eines anderen Patents sein

Anmelden kann man prinzipiell alles, auch ein Rad, einen Rückenkratzer oder eine Büroklammer. Ob die Bedingungen für eine Patenterteilung erfüllt sind, wird erst im Rahmen einer Patentprüfung festgestellt.

Dazu muss ein Prüfungsantrag gestellt werden, wofür das russische Patentrecht dem Anmelder drei Jahre Zeit lässt (das deutsche Patentrecht räumt übrigens sogar eine Frist von sieben Jahrein ein). Dazu kommt dann noch die Prüfungsdauer. Eine Patentanmeldung kann also über mehrere Jahre hinweg aufrechterhalten werden, ohne dass eine tatsächliche Prüfung erfolgt ist. Während dieser Frist kann sie grundsätzlich auch für Werbezwecke genutzt werden.

 


Werfen wir nun einen Blick auf die angeblichen Patente von Anatoli Yunitsky.

Der folgende Link führt zu einer weltweiten Recherche bei Espacenet:

In der Spalte „Publication info“ findet sich die Patentnummer und dahinter ein Kürzel in runden Klammern. Bei vielen Einträgen steht dort „A“, „A1“ oder „C1“, teilweise „C2“. Die Legende des russischen Kennzeichnungssystems beim EPO bringt Klarheit: Nur mit B oder C beginnende Kürzel bezeichnen erteilte Patente. Einträge mit einem A-Kürzel sind reine Anmeldungen.

Ein Klick auf einen Eintrag mit anschließender Abfrage des INPADOC legal status fördert dann Sätze wie „THE PATENT IS INVALID DUE TO NON-PAYMENT OF FEES“, „LAPSE OF A EURASIAN PATENT DUE TO NON-PAYMENT OF RENEWAL FEES WITHIN THE TIME LIMIT IN THE FOLLOWING DESIGNATED STATE(S)“ oder „APPLICATION DEEMED TO BE WITHDRAWN zutage. Das letzte erteilte Patent mit der Nummer RU2324612 (C1) stammt aus dem Jahr 2006 und lief 2011 aus.
Diese Patentanträge und Patente sind wegen nicht gezahlter Gebühren ungültig geworden oder wurden zurückgezogen. Eine oberflächliche Suche führt also bereits zu 38 Einträgen auf den Namen Yunitsky, für die entweder kein Patent erteilt oder die Patentgebühr nicht bezahlt wurde.

Schlussfolgerung: Die Erfindungen von Anatoli Yunitsky, für die nur Anmeldungen existieren, sind entweder nicht neu, es fehlt ihnen die erfinderische Höhe oder sie sind nicht kommerziell nutzbar. Möglicherweise hat Yunitsky das Geld gefehlt, um die Patentgebühren zu bezahlen. An den erteilten Patenten scheint er jedenfalls kein hinreichendes Interesse gehabt zu haben, um diese durch jährliche Entrichtung der Gebühren aktiv zu halten. Das bedeutet: Yunitsky wirbt mit einer Patentsammlung, die so schlicht nicht existiert. Es handelt sich um Potemkinsche Dörfer.

Gebrauchs- und Geschmacksmuster bieten die Möglichkeit, geistiges Eigentum schützen zu lassen, ohne Patenthürden überwinden zu müssen. Auch davon hat Yunitsky in einigen Fällen Gebrauch gemacht.

Das Gebrauchsmuster ist indes ein ungeprüftes Schutzrecht und läuft nach spätestens 10 Jahren ab: „Im Eintragungsverfahren werden Neuheit, erfinderischer Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit nicht geprüft. Dadurch ist der Gebrauchsmusterschutz einfacher, schneller und kostengünstiger zu erlangen als ein Patentschutz.“ (DPMA)

Das Geschmacksmuster wiederum schützt nur das Design (z.B. Form, Muster und Farben der Gondeln), nicht jedoch die technische Umsetzung. Da offenbar niemand plant, die (ohnehin nicht besonders originellen) SkyWay-Gefährte nachzubauen, ist auch dieser Schutz eher wertlos, wird aber von Yunitsky und seinen Anhängern immer wieder auf eine Weise gefeiert, als ob damit ein großer Durchbruch erzielt worden wäre.

Was bleibt?

SkyWay hält keine gültigen Patente und hat kein einziges, den Werbeaussagen entsprechendes Bahnsystem realisiert. Aufträge oder Forschungsprojekte gibt es nicht. So bleibt nur der schöne Schein: Modellbauten und Animationen, die einzig und allein dem Zweck dienen, Menschen mit mehr Geld als Hirn zu blenden.
Eines ist gewiss: Wer in SkyWay investiert, ist sein Geld los.

Ein großes Dankeschön für Recherche und Vorarbeit zu diesem Artikel geht an den Allmystery-User und Bahnkenner „Thorsteen“. Keep on rolling!

 

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5 Gedanken zu „SkyWay und die verschwundenen Patente“

  1. Solcherart »Gondeln« fahren doch schon seit über hundert Jahren durch meine Stadt und wir habe sogar schicke neue bekommen. Leider fährt die Schwebebahn in den nächsten Wochen leider nicht.

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  2. Ein beliebtes Medium für Betrügereien scheinen auch Crowdfunding-Plattformen zu sein. Da werden z.B. gerne Gelder gesammelt für Geräte, die nicht funktionieren können oder vielleicht schon funktionieren können, aber nicht unter den beworbenen Umständen oder für den beworbenen Einsatz. Alles was man braucht ist ein PR-Filmchen das die sensationelle Idee verkündet und ein paar die dafür zahlen (die finden sich dann schon). Nicht immer will ich betrügerische Absicht unterstellen, manchmal mag es auch Blauäugigkeit der Anbieter sein. Möchte nicht wissen, wie viele dabei schon richtig Kapital verbrannt haben. Zum Beispiel: https://www.indiegogo.com/projects/fontus-the-self-filling-water-bottles#

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