Homöopathie. BEI SEPSIS???

Die stetig wachsende deutsche Skeptiker-Gemeinde, auch bekannt als „Skeptiker-Lobby“ oder „Skeptiker-Sekte“, guckt in diesen Tagen nach Bayern und reibt sich verblüfft die Augen. Auf Initiative der CSU und der Freien Wähler, mit Unterstützung der Grünen, wurde vorgestern im dortigen Landtag der Beschluss gefasst, eine wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben.

Zur Homöopathie. Als Mittel zur Reduktion der Antibiotika-Abgabe. Weil die Politik der Wissenschaft gefolgt ist und sich die Gefahr der Antibiotikaresistenz als politisch relevantes Thema zu eigen gemacht hat. Und jetzt wissen möchte, was man dagegen tun kann. Mit Alternativmedizin. Und speziell mit Homöopathie.

So als hätte es die Diskussion der letzten Jahre, die die nachgewiesene und immanente Wirkungslosigkeit der Homöopathie ins öffentliche Bewusstsein gebracht hat, nicht gegeben.

Das Ergebnis ist eine ungläubige und fassungslose Schockstarre unter den Skeptikern, die sich in den letzten Jahren am Diskurs beteiligt haben, freiwillig und unentgeltlich. Gerade weil wir immer wieder betonen, dass Big Pharma und Big Woo sich im Hinblick auf die Geschäftspraktiken nichts schenken und dass die Förderung der Gesundheitskompetenz der Patienten beide Probleme gleichermaßen angeht: Verringerung des Schadens durch nachgewiesen unwirksame Therapien, wie z.B. Homöopathie, und Sensibilisierung für die ebenfalls schädliche Überversorgung mit Antibiotika. Antibiotikaresistenz als Folge von unverantwortlichem Verordnungsverhalten, welches durch die Marketingstrategien der pharmazeutischen Hersteller befeuert wird, ist unbestritten ein Problem. Bereits seit Jahren warnen Wissenschaftler davor, dass wir etablierte Behandlungsoptionen wie Penicillin und Amoxicillin, die in der Vergangenheit Menschenleben gerettet haben und immer noch retten, mittelfristig verlieren könnten.

Was kann jetzt noch getan werden, wie sollten Skeptiker mit der Situation umgehen? Sollten sie auf die Ergebnisse der Studie warten, um dann im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses methodische Kritik zu üben? Hier ein Wort der Warnung: Auftragsforschung wird in der Regel nur als so genannte „graue Literatur“ veröffentlicht. Das heißt, der Auftraggeber erhält einen Bericht, den er dann z.B. ins Internet stellen kann. Vielleicht gibt es eine offizielle Ergebnispräsentation, z.B. im Gesundheitsausschuss des Landtages. Was es aber sicher nicht geben wird, ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Vorgehen, denn wenn die Studienautoren keine wissenschaftliche Veröffentlichung anstreben, wird es auch kein peer review geben, genauso wenig wie eine Ergebnispräsentation im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz, bei der methodisch versierte Kollegen den notwendigen Input zu den Limitationen geben können.

Sollten skeptische Wissenschafler (mit anderen Worten: Wissenschaftler) die Studie deshalb boykottieren?

Ganz im Gegenteil!

Dieser Defätismus prägt im Moment noch die Rückmeldungen, denn die Fragestellung ist eindeutig politisch motiviert und die offene Ablehnung von Wissenschaft, die der bayerische Landtag mit diesem Beschluss signalisiert, macht betroffen. Aber auch eine offene politische Motivation kann die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit nicht außer Kraft setzen. Da diese insbesondere die Methodik, die Bewertung der Ergebnisse und die Verbreitung der Ergebnisse betrifft, kann die Politik darauf keinen Einfluss nehmen. Damit kann man im Beschluss des Landtages auch eine Gelegenheit sehen: Wissenschaftler, an den Hochschulen, in den Forschungs- und Auftragsforschungsinstituten bekommen mit dieser Studie die Gelegenheit und die Finanzierung, um diesem offensichtlich politisch motivierten Beschluss noch Erkenntnisgewinn abzuringen und so einen Beitrag zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz zu leisten. Ein Auftragsforschungsprojekt in dieser Größenordnung muss öffentlich und europaweit ausgeschrieben werden und jeder Interessent muss zum Verfahren zugelassen werden. Diejenigen, die jetzt noch ungläubig und fassungslos staunen und drohen vom Glauben an die Menschheit abzufallen, können den bayerischen Landtag mit guten, durchdachten Angeboten fluten. Und durch bewusste Transparenz zu Finanzierung, methodischen Vorgehen und Ergebnispräsentation für Wissenschaftstransfer und Wissenschaftskommunikation ein positives Beispiel abgeben.

Ja, laut Wortlaut der Beschlussfassung sollen „insbesondere“ alternativmedizinische Maßnahmen und die Homöopathie betrachtet werden. Es besteht die Gefahr, dass auch der Zuschlag für die Durchführung der Studie politisch motiviert und damit nicht ergebnisoffen erteilt wird – an Autoren, bei denen die Befürwortung der Homöopathie bekannt ist. Aber um zu belegen, dass Homöopathie zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz keinen Nutzen hat und keinen Nutzen haben kann, muss man sich zuerst mit den Ursachen der Antibiotikaresistenz befassen. Somit hat schon das Erstellen der Angebote einen wissenschaftlichen Nutzen, in dem methodische Empfehlungen zur Bearbeitung des Resistenzproblems formuliert und gesammelt werden. Und wenn man sich damit eingehend beschäftigt hat und wider Erwarten den Zuschlag erhält, können die beauftragten Wissenschaftler Homöopathie prüfen. Ergebnisoffen, als eine Option unter mehreren.

Als die Option, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Beitrag zur Lösung eines zunehmend dringlichen Problems leisten wird.

Danke, Homöopathie-Lobby!

13 Gedanken zu „Homöopathie. BEI SEPSIS???“

  1. Ja, der Donner-Bericht passt hier wie die Faust aufs Auge:

    Als anschließend H. Rabe mit mir das Krankenhaus verließ, überraschte er mich mit der Bemerkung, er müsse jetzt dringend sehen, wie er diese Überprüfungen sabotieren könne. Einen stichhaltigen Grund habe er zwar noch nicht gefunden, da alles so überaus korrekt und kollegial ihm gegenüber durchgeführt worden wäre. Hoffentlich falle ihm noch etwas ein, denn sonst müsse er zum Reichsgesundheitsführer Dr. Conti gehen und ihn dringend auffordern, die Überprüfungen der Homöopathie sofort abbrechen zu lassen, denn ‘wir können doch das gar nicht, was wir behaupten’ (wörtlich gesagt!!). Aber nach all dem, was er mit Conti, Rudolf Hess und Prof. Reiter in Sachen Homöopathie vorgebracht habe, könne er doch letzteres kaum tun. Er fuhr dann fort, daß es doch ‘heller Wahnsinn’ von den Beauftragten des RGA wäre, ‘das ernst zu nehmen, was wir, die wir doch nur kleine Praktiker sind, so sagen oder in unseren Zeitschriften veröffentlichen’ und sie einer wissenschaftlichen Überprüfung zu unterziehen wie etwa die Homöotherapie der perniziösen Anämie, des Diabetes, der Gonorrhoe usw.

    PS. Jede ernsthafte, prospektive kontrollierte klinische Untersuchung dazu wäre schlicht unethisch und keine Ethikkommission könnte ihr je zustimmen.

  2. Die Gefahr einer solchen Studie ist meiner Meinung nach folgende: Es ist wohl ziemlich unstrittig, dass es in einigen Bereichen eine übertriebene, oder nicht notwendige Anwendung von Antibiotika gibt und dies auch zur Bildung von Multiresistenzen beiträgt.
    Wenn man dann noch annimmt, dass sich die Studie auf Krankheitsbilder beschränkt, bei denen einen Antibiotikagabe nicht eindeutig angezeigt ist (sonst wird wohl auch die Ethikkommission intervenieren), ist ein wahrscheinliches Ergebnis der Studie, dass es in einigen Bereichen auch weniger Antibiotika tun.
    Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber die Homöopathieanhänger werden dieses Ergebnis als „Beweis“ für sich reklamieren, wenn es in der Studie keine zusätzliche Kontrollgruppe mit Placebo gibt.
    Sollte es diese Studie also tatsächlich geben, ist ein sehr sauberes Design enorm wichtig und muss auch vorher für die Öffentlichkeit publiziert werden. Ich frage mich nur, ob eine saubere, aussagekräftige Studie um € 400.000,- überhaupt möglich ist.

  3. Klarerweise ist der bayrische Landtag kein hot spot der Wissenschaftlichkeit.
    Aber dass sie ausgerechnet die „Sepsis“ Studie von Prof Frass hernehmen als Basis für eine weitere Studie ist wirklich unglaublich. Die Homöopathievorlesung von Prof Frass wurde vor einem Jahr nach Beschwerden von Studenten wegen Unwissenschaftlichkeit abgebrochen.
    Statt dessen wurde im Sommersemester ein Wahlfach eingeführt Komplementärmedizin Esoterik und Evidenz. Die Homöopathie fiel wieder durch.

    Und die Frass „Studie“ publiziert 2005 wurde nie anderweitig wiederholt, eine einzelne Studie aus 2005 als Begründung für eine zukünftige Studie 2020 (?) herzunehmen ist recht abartig.

    Zudem ist die Frass „Studie“ ja auch anderweitig heftig kritisiert bzw zerlegt worden

    hier zB – lesenswert:

    https://sciencebasedmedicine.org/homeopathy-and-sepsis/

  4. @Gasthier

    Lieber Gasthier: Es mag mir auch nicht gefallen, daß die Krebsberatung Münster dieses Angebot hat. Nichtsdestoweniger ergibt sich aus der Website, daß „ansonsten“ die Beratungsstelle seriös arbeitet, mit diversen anerkannten Organisationen zusammenarbeitet usw.
    Ich möchte weiter zu bedenken geben, daß die Angebote der Beratungsstelle, auf die Du hinweist, als „komplementär“, d.h. ergänzend, bezeichnet werden – sicherlich nicht als alleinige Behandlungsangebote bei Krebs.
    Außerdem ist festzuhalten, daß derzeit kein Behandlungsverbot bei Krebserkrankungen für Heilpraktiker gibt und schon gar kein Verbot einer schlichten Beratung oder für das halten von Vorträgen.

    MfG

  5. Ich habe ja eine Arbeitshypothese.

    Es gibt da viele Schnittstellen bei Personen mit einem Realitätsproblem- zB Homöopathen.
    Das ist aber nicht zufriedenstellen. Weit besser ist es zwei Realitätsprobleme zu haben- zB Homöopath und Impfgegner. Und wer mindestens drei Realitätsprobleme hat, kann dann wirklich zum Guru der Verwirrten werden.
    Also zB drei Realitätsprobleme Homöopath- Impfgegner-Virenleugner.

    Wie zB der Homöopath Dr. F.Graf in seinem Buch Nicht impfen- was dann.

    Dr. Friedrich P Graf Nicht impfen-was dann sprangsrade verlag 2008

    S 190 Tollwut
    „Wird als eine tödliche Virusinfektion …angesehen. Allerdings hat noch nie jemand dieses hypothetische Virus gesehen oder darstellen können.“

    Wow es gibt gar kein Tollwut Virus !!
    …..
    8 Zeilen später

    „Durch vorsorgliche Impfaktionen …bei den Füchsen, ist diese Krankheit in Europa erfolgreich zurückgedrängt worden….“

    Und das schlägt er dann als (finale) Therapie vor:

    „Homöopathisch sind Gaben von Ledum C30 und später C200 notwendig.“

    Also ein Hoch auf unsere Impfstoffindustrie. Aus einem hypothetischen Virus, welches noch nie jemand dargestellt hat, einen wirksamen Impfstoff entwickeln – das ist eine Leistung.

    Und bei Impfstoffen kenn ich mich ganz gut aus; nur in Psychiatrie bin ich nicht ausgebildet.

  6. @Joseph Kuhn
    Och, wirre Bücher zu lesen kann ganz nett sein. Schlimm wird es, wenn man bei oder nach der Lektüre denkt: Mensch, gar nicht so dumm! und dann tatsächlich macht, was da drinsteht, also etwa Ledum C30 in Zuckerkügelchenform nach Tollwutviren schmeißen.

  7. Ach ich möchte seit vielen Jahren verstehen, welche Argumente Impfgegner haben. Gut das Buch von Lanka „Impfen-Völkermord im 3.Jahrtausend“ hab ich mir nicht gekauft- das ist mir doch zu heftig.

    Aber ansonsten hab ich schon einen ganzen Laufmeter von Büchern der Verwirrten angefangen von Hirte, über Buchwald, Loibner, Petek-Dimmer, Zöebl, Bielau, Wohlgemuth, Ehgartner. Etliche davon können offenbar damit ihr Leben finanzieren. Ich frag mich nur immer noch wie Personen, die Abitur haben und ein Medizinstudium abgeschlossen haben, im Krankenhaus gearbeitet haben, doch danach immer noch auf so eine schiefe Ebene geraten können. Bei anderen (also Nichtärzten) könnte ja der gesunde Menschenverstand helfen, na gut Petek-Dimmer ist verstorben, Ehgartner dreht sich nach dem Wind und zitiert WHO Impfempfehlungen – hard core Impfgegnerei bringt offenbar nicht genug Kohle. Seine Taktik wurde ja bei Psiram schon ausführlich beschrieben.

    Und weiters verstehe ich immer noch nicht, warum die Ärztekammern, so eine Patientengefährdung durch Jahrzehnte dulden können.

  8. OFF Topic

    heute saß ich im Café. In der Sonnenallee in Berlin Neukölln. Ich trinke da manchmal nachmittags einen Kaffee, oder auch Zwei. Plötzlich huscht da so eine Gestalt mit dünnen Pferdeschwanz am Fenster Vorbei. Peter Fitzek. Ich dachte ich habe mich verguckt. Dann lief er 15 Min später wieder am Fenster vorbei in die andere Richtung. Er hatte auch ein Gefolge im Schlepptau. Keine Ahnung was diese widerlichen Clowns in Berlin-Neukölln suchen. Gefällt mir gar und gar nicht.

    Ist für den Thread und das Thema hier nicht relevant. Ich wollte nur mal kurz berichten, weil ich mega genervt bin.

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