Wider die Seuche der SUV – Teil 2

Bodenfreiheit und Komfort

In Teil 1 wird aufgezeigt, warum der hohe Schwerpunkt die aktive Sicherheit von SUV erheblich beeinträchtigt. Doch nicht nur die Sicherheit, auch der Fahrkomfort leidet unter der höheren Bodenfreiheit.

Denn um die zwangsläufigen Folgen des höheren Schwerpunkts (labilere Straßenlage sowie stärkeres Wanken und Nicken) so wirksam wie möglich zu bekämpfen, sind SUV generell straffer gedämpft. Hinweise darauf lassen sich Testberichten zuweilen mit erstaunlicher Deutlichkeit entnehmen (Hervorhebungen vom Autor):

  • Über den VW T-Roc schreibt der ADAC, dass „die etwas ausgeprägteren Karosseriebewegungen konzeptbedingt sind.
  • Über den Audi Q7 berichtet AutoBILD wohlwollend: „Es entsteht nie das typische SUV-Gefühl, auf einem hüpfenden Sitzball zu hocken.“ (In anderen Worten: Die meisten SUV haben AutoBILD genau dieses Fahrgefühl vermittelt…)
    Insgesamt wird der Audi zwar sehr gelobt. Sein SUV-Konzept setzt dem Komfort jedoch Grenzen. Ein konventionelles Auto, ein Modell der Mercedes-S-Klasse, kann es besser:
    „Das letzte Quäntchen, das fehlt, demonstriert die S-Klasse: samtenes Abrollen, unerschütterliche Souveränität und vor allem überragende Ruhe … Da zirpt kein Sitz wie im Q7, das Auto wirkt noch solider als der Audi. Na gut, in dessen höherer Karosserie wirken größere Scherkräfte. Zudem erzeugt das tiefere Sitzen weniger Rollbewegung, der Kopf bleibt auf Polterstraßen ruhiger.“

Gleiches Niveau der Fahrwerkstechnik vorausgesetzt, führt ein Vergleich mit Pkw stets zum selben Ergebnis:


Fakt 3:
SUV haben eine unruhigere Straßenlage und federn unkomfortabler

.
Das waren noch nicht alle Nachteile höhergelegter Karosserien.

Zitat aus einem automobiltechnischen Fachbuch: „Die Bodenfreiheit wirkt sich direkt auf den Luftwiderstand aus.“ *1 Grund hierfür sind die stärkeren Luftverwirbelungen unter dem Wagenboden. Damit verschlechtern sich die Fahrleistungen, und der Verbrauch steigt.

Der Verbrauch wird zusätzlich noch von weiteren, typischen SUV-Merkmalen in die Höhe getrieben, darunter der größeren Stirnfläche und dem
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Gewicht

Einige Beispielwerte belegen, dass SUV generell deutlich schwerer sind (Angaben in kg; Quelle: ADAC-Autotests):

2018 BMW 3er SERIE 1570
2018 BMW X3 1810
2016 BMW 5er SERIE 1850
2016 BMW X5 2210
2017 AUDI A4 1595
2017 AUDI Q5 1955
2017 AUDI A6 1800
2017 AUDI Q7 2150
2017 VOLKSWAGEN GOLF 1340
2017 VOLKSWAGEN TIGUAN 1535
2016 MERCEDES-BENZ E-CLASS 1890
2016 MERCEDES-BENZ GLE-CLASS 2230

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Größeres Gewicht und höherer Luftwiderstand lassen SUV unweigerlich mehr Kraftstoff verbrauchen als herkömmliche Autos, wie diese von Fahrern an www.spritmonitor.de gemeldeten Praxiswerte beispielhaft bestätigen (Angaben in Liter/100 km; wo nicht anders angegeben, haben die Autos Ottomotoren):

Fiesta Fiesta (125 PS) 6,3
Ford EcoSport (125 PS) – SUV 7,3 + 16 %
Ford Focus Turnier (150 PS) 7,6
Ford Kuga (150 PS) – SUV 8,5 + 12 %
VW, alle Modelle mit 150 PS Benziner,
Baujahr ab 2016
Golf 6,9
Golf Variant 7,1
Golf Sportsvan 7,1
VW T-Roc – SUV 7,5 + 9 %
VW Tiguan – SUV 8,0 + 16 %
Audi A4 Avant (252 PS) 8,7
Audi Q5 (252 PS) – SUV 9,6 + 10 %
Mercedes-Benz C-Tourer (170 PS) 6,4
Mercedes-Benz GLK (170 PS) – SUV 7,4 + 16 %
Mercedes-Benz E-Klasse 350d 8,0
Mercedes-Benz GLE 350D – SUV 9,6 + 20 %
Mehr zu: Die Bewertung des Mehrverbrauchs …

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Fakt 4:
SUV verbrauchen mehr Kraftstoff und sind bei gleicher Motorleistung langsamer

.

Zur Fahrzeughöhe

Die höhere Bauweise von SUV soll einen bequemen Einstieg ermöglichen.

Größer als andere Autos wird ein SUV dadurch aber nicht, denn tatsächlich muss mit dem höheren Dach Innenraum zurückgewonnen werden, der durch die größere Bodenfreiheit verlorenging.

Karosserien von SUV bauen darüber hinaus häufig noch etwas höher. Das hat weitere, ungünstige Folgen:
● Das höhere Dach erhöht den Schwerpunkt und damit die Überschlaggefahr noch mehr
● Die größere Hebelwirkung der Windangriffsfläche macht das Fahrzeug empfindlicher
...gegen Seitenwind
● Die größere Stirnfläche erhöht Luftwiderstand und Verbrauch

Ein optimales Fahrverhalten erfordert es, den Schwerpunkt des Fahrzeugs so niedrig wie möglich zu halten. Im Hinblick auf die fahrdynamischen Eigenschaften ist daher auch die optimale Dachhöhe stets die niedrigstmögliche. SUV schneiden in dieser Hinsicht besonders schlecht ab.


Fakt 5:
Die hohe Bauweise beeinträchtigt die Fahrsicherheit und vergeudet Kraftstoff

.

Zur Größe der Räder

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SUV-Fahrer setzen sich auch gern mit besonders großen Felgen sowie Reifen im Niederquerschnittformat vom Rest der Automobilwelt ab.

Technische Vorteile bieten die großen Räder nicht, im Gegenteil:
● Größere, ungefederte Massen und steifere Reifenflanken lassen SUV härter abrollen
● Die größeren Räder heben den Massenschwerpunkt weiter an
● Breitere Reifen haben einen höheren Rollwiderstand

Außerdem erhöhen sich die Kosten für einen Reifenwechsel beträchtlich. Für den folgenden Vergleich von Reifenpreisen im Juli 2018 wurden nur die Premium-Marken Continental und Michelin berücksichtigt; dabei wurden für die SUV (wie allgemein üblich) große, aber nicht die größten, zulässigen Felgen ausgewählt:

Audi A4: 245/40R18 130 €
Audi Q5: 255/45 R 20 210 €
BMW 3er: 225/50R17 120 €
BMW X3 vorne: 245/45R20 204 €
BMW X3 hinten: 275/40R20 175 €
VW Golf: 205/55R16 70 €
VW Tiguan: 235/55R18 150 €

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Fakt 6:
Die größeren Räder der SUV bedeuten weniger Komfort, eine schlechtere Straßenlage und mehr Verbrauch – zu einem höheren Preis

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Fazit

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SUV

● haben schlechtere Fahreigenschaften
● neigen bei Unfällen zum besonders gefährlichen Überschlag
● federn unkomfortabler
● sind bei gleicher Motorleistung langsamer
● verbrauchen mehr, sind also besonders umweltschädlich
● bedeuten für andere Verkehrsteilnehmer bei Unfällen eine besonders große Gefahr
● bieten Fahrern und Insassen beim Aufprall auf andere Autos nur dann mehr Sicherheit,
...wenn sie deren Fahrgastzellen (samt Insassen) komprimieren können

Betrachtet man objektive (d.h. messbare) Eigenschaften, so fällt das Ergebnis vernichtend aus: Von allem, was im Straßenverkehr objektiv wichtig ist, können SUV gar nichts besser, manches ebenso gut, vieles jedoch schlechter – und das zu einem höheren Kaufpreis und höheren Betriebskosten.

Tatsächlich können SUV nicht einmal so sicher wie normale Pkw geradeausfahren. Daher rüstet z.B. ein südwestdeutscher Hersteller Modelle höherer Preisklassen (aber nur diese!) serienmäßig mit Seitenwind-Assistenten aus, welche die Auswirkungen von Seitenwindböen auf den Geradeauslauf abschwächen sollen.

Mehr zu: Die Rückkehr der Oldtimer …

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In Teil 3 geht es um Kaufmotive.


Quellen:
*1 Fahrzeugaerodynamik: Basiswissen für das Studium, von Thomas Schütz; Springer-Verlag, ISBN-10: 3658128178, Kap. 6.1.2: Geländewagen und SUV; Seite 120
*2 FAZ, 31.7.2018: „Darum lieben so viele das SUV“

Anti-SUV-Seite
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6 Gedanken zu „Wider die Seuche der SUV – Teil 2“

  1. Das (unabhängige und daher auch mal kritische) Automagazin radical-mag.com testete den Range Rover Velar. Der Abschnitt über die Fahreigenschaften ist lesenswert:

    Fröhlich ist das alles nur geradeaus. Nicht alles, was sportlich aussieht, hat dann auch ein sportliches Fahrverhalten. Er neigt sich dann halt schon, der Velar, und weil man doch relativ weit oben sitzt, schafft das nicht jenes Vertrauen, das man braucht, wenn man die Kurvenfolge etwas flotter durcheilen will. Wir verstehen die Fahrwerksabstimmung insgesamt nicht ganz: das Teil ist in der Strassenabstimmung ziemlich hart, also, komfortabel ist anders, aber sportiv geht dann doch nicht?

    Trotz Luftfederung! Andere Hersteller können den Zielkonflikt zwischen Agilität und Komfort besser vor dem Fahrer verbergen, aber auch diese SUV fahren normalen Pkw in Kurven hinterher.

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  2. Jeremy Clarkson von Top Gear brachte den Unfug der SUV am Beispiel des BMW X6 auf den Punkt:

    „It’s too focused on being a road car to be any good offroad, and it’s too focused on being tall and heavy to be any good on the road either.”

    Er ging lieber zu Fuß weiter.

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  3. Schöner Rant auf Heise online gegen den Unfug der überschweren Elektroautos:

    Kommentar: Der Mercedes EQC ist eine rollende Provokation
    Wer sich ein SUV anschafft, sagt damit tonnenschwer: Meine Umwelt ist mir vollkommen schnuppe. Ein Elektroantrieb macht es kaum besser.

    Einmal laden braucht mehr Strom als mein Haushalt den ganzen Monat. Welch ein Irrsinn. … Jede Kilowattstunde kann nur einmal verbraucht werden, und die Frage ist, ob sie nicht anderswo im System besser untergebracht wäre – etwa, um Kohlestrom zu ersetzen.

    Viele der über 2.700 Kommentare sind geeignet, Zweifel am Sinn des allgemeinen Wahlrechts zu wecken.

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