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Artikel Tagged ‘Crowdsourcing’

Eyewire – Die Verdrahtung des Auges

10. Februar 2012 5 Kommentare

Das Auge, ein Wunderwerk der Evolution, von der Zeit in Ewigkeiten zu einem Instrument von gewaltiger Leistungsfähigkeit geformt, liegt nun selbst im Auge des Betrachters. Sebastian Seung, Professor für Neurowissenschaften am MIT (Massachusetts Institute of Technology) hat sich einiges vorgenommen: Er möchte das Gehirn analysieren und verstehen.

Das Gehirn„, sagt er, „ist ein wilder Dschungel von Neuronen. Wie Bäume, die untereinander verwachsen sind.

Es ist eine gewaltige Aufgabe, das Gehirn zu erkunden – es sind immerhin 100 Millarden Neuronen, die untereinander verschaltet sind. In einer Schätzung schreibt er, dass ein einzelner Mensch 100.000 Jahre brauchen würde, um auch nur 1 Kubikmillimeter Gehirn zu analysieren. Eine gewaltige Aufgabe; daher hat er beschlossen, klein zu beginnen. Die Idee: Verstehen wir erst einmal das Auge.

Und da das immer noch verdammt viel ist, fangen wir mit einem Mäuseauge an. Mit 300x350x80 Mikrometer (10 hoch −6 m) nicht so das Megading, stellt es doch 1 Terabyte Daten dar. Mit einer Diamantklinge wurde ein stecknadelgroßes Areal des Auges in feine Scheiben geschnitten und Bilder gemacht. Diese wurden von einer Software zu einem dreidimensionalen Objekt zusammengesetzt. 1 Terabyte Daten.

Um diese gewaltige Menge an Daten zu analysieren, hat das MIT das Spiel Eyewire gestartet. Dabei geht es im ersten Schritt darum, die neuronalen Verbindungen zu entwirren. Man kann sich das so vorstellen, als sortiere man Zweige in einem Gebüsch oder Wollfäden in einem Wollknäuel. Der Computer versucht hier so gut es geht zu helfen, aber das menschliche Auge, die menschliche Mustererkennung ist in diesem Bereich wesentlich mächtiger als maschinelle Intelligenz. Der Mensch kann das einfach besser als jede Software.

Ziel ist es, die Analyse zu verallgemeinern und automatisch jedes Auge analysieren zu können. Aber dazu benötigt man ein Regelwerk, Grundstrukturen und Verständnis. Das soll dieses Projekt liefern. Die Idee, dass Crowdsourcing Informationen bringen kann, ist nicht abwegig. Spiele wie Foldit haben schon maßgebliche Erfolge erzielt.

Wenn man interessiert ist, das Gehirn oder auch „nur“ das Auge zu erforschen, sollte man sich bei Eyewire registrieren und beginnen.

In einem TED Video spricht Sebastian Seung über das, was er „connectome“ nennt und die Forschung am menschlichen Gehirn:

(Untertitel in 25 Sprachen sind auf der TED Seite verfügbar)

EteRNA – Spielen für die Menschheit

11. Dezember 2011 Keine Kommentare

Wir haben hier ja schon einmal über Foldit berichtet, bei dem Computerspieler Proteine falten und das schon eine wissenschaftliche Arbeit über ein Protein, das in der AIDS Forschung von großem Nutzen sein dürfte, veröffentlicht hat.

Ein quasi Nachfolge- oder Schwesternprojekt ist EteRNA, bei dem es darum geht, RNA und die Faltung von RNA zu verstehen. Einige der Mitarbeiter an EteRNA haben auch an Foldit mitgewirkt.

RNA ist ein wichtiger Baustein, der in vielen Anwendungen genutzt werden kann. RNA ist für die Umsetzung von genetischer Information in Proteine und als Informationsüberträger ein zentraler Bestandteil des Lebens. Und damit für Forschung und Medizin immens wichtig. (HIV ist z.B. ein RNA-Virus.) RNA ist (in der Regel) im Gegensatz zur DNA einsträngig und bildet dabei eine Kette von Nukleotiden (Adenin, Guanin, Cytosin, Uracil), die dann eine 3-dimensionale Form bilden. (Ähnlich einem Wollfaden, der zu einem Knäuel zerknüllt wird.)

Das Problem ist bei EteRNA ein grundsätzliches; man möchte die Regeln herausfinden, nach denen RNA eben die zugehörige dreidimensionale Struktur bildet. Der Übergang (Folding, Faltung) vom „Bauplan“ zum „fertigen Objekt“ ist mit dem derzeitigen Wissensstand nicht vorhersagbar. Es gibt zwar Software, aber die benötigt immense Rechenkraft, um zu Ergebnissen zu kommen.

Wenn jedoch die Regeln verfeinert werden können oder sogar exakt bekannt wären, könnte man sie in Software abbilden und wenn man ein „Bauteil“ braucht, statt wie jetzt lange nach einer passenden Formel zu suchen, spuckt es die Software sofort aus.

Dazu versucht man, sich der Macht der Masse zu bedienen. Tausende Spieler bauen RNA-Modelle und stellen die zum Testen ein. Die besten Entwürfe werden jede Woche gewählt und im Labor gefaltet. Je besser das Endergebnis, desto mehr Punkte bekommt man. EteRNA hat das Motto: „Played by Humans, Scored by Nature„.

Die wichtigste Frage dabei ist, wie werden die besten Entwürfe ausgewählt? Spieler können abstimmen, die letzte Auswahl treffen aber dann Wissenschaftler. Man erhielt zu Beginn des Projekts eine überaus präzise Erklärung, nach welchen Kriterien man bewerten solle: „Honestly, we don’t know“.

Inzwischen hat sich eine gewisse Wissensbasis gebildet, man weiß z.B., dass sich öfter wiederholende Sequenzen instabil sind. Nach Angaben der Erfinder haben Spieler schon unglaubliches Wissen gesammelt und klare Strategien dokumentiert, die alles bisherige übertreffen.

Langfristiges Ziel ist auch, dass Wissenschaftler ein RNA-Bauteil „einreichen“ können und tausende Menschen versuchen, dafür die perfekte Formel zu finden. Um dann vielleicht Speicher für biologische Computer zu entwerfen, Nanomotoren zum Laufen zu bringen und Krebszellen zum leuchten.

Und hier geht’s zum Spiel: Registrierung EteRNA

Foldit – Oder wie Computerspieler wissenschaftliche Paper schreiben…

19. September 2011 1 Kommentar

Ok, der Titel ist etwas übertrieben, aber nur ein klein wenig. Tatsächlich gelang es mit Hilfe von Computerspielern ein Problem der Proteinfaltung innerhalb von 3 Wochen zu lösen, an dem Wissenschaftler seit 15(!) Jahren verzweifeln. Das Ergebnis war das zweite Paper, das auf der Basis von Foldit Erkenntnissen im Nature Magazin veröffentlicht wurde. Die Spieler (bzw. die Spielergruppen) werden als Co-Autoren gelistet.

Screenshot of Foldit software aus Wikipedia

Screenshot(Quelle: Wikipedia)

Bei Foldit handelt es sich um ein experimentelles Computerspiel, bei dem es darum geht, Proteinfaltung durchzuführen. Wie bei vielen Computerspielen löst man Probleme, allerdings haben die Probleme in diesem Fall eine „reale“ Qualität. Es geht darum, Proteine möglichst gut zu falten, ähnlich wie es auch Projekte wie Folding@Home und Rosetta@homeautomatisiert tun. Aber wo rohe Rechenkraft ins Leere läuft, macht menschliche Intuition den Unterschied.

Im konkreten Fall konnte die Struktur des Enzyms M-PMV retroviral protease durch den Mix aus Zusammenarbeit und Konkurrenz der Spieler von Foldit sehr schnell entschlüsselt werden. Es handelt sich dabei, wie auch Geograffitico nebenan bei den Scienceblogs berichtet um ein Protein, dass in der AIDS Forschung von großem Nutzen sein könnte, es löst das Äquivalent von AIDS in Rhesus-Affen aus.

Es wird zur Zeit intensiv daran geforscht, Proteine wie dieses mit Medikamenten zu blockieren, jedoch kämpfte man bisher damit, dass man nicht wusste, welche geometrische Struktur das Protein hat.

Es gelang den Spielern Modelle zu erarbeiten, die es innerhalb weniger Tage erlaubten, die Struktur des Enzyms zu bestimmen. Und nicht nur das, es gelang außerdem lohnende Ziele an der Oberfläche auszumachen, die als Ziele für Medikamenten dienen könnten. Laut der Foldit Homepage hat man noch weitere Erkenntnisse auf Lager, die man in Kürze veröffentlichen wird. Man darf also gespannt sein. Um Seth Cooper, einen der Schöpfer von Foldit zu zitieren:

Games provide a framework for bringing together the strengths of computers and humans. The results in this week’s paper show that gaming, science and computation can be combined to make advances that were not possible before.

Jedenfalls finden wir die Meldung cool und das Spiel durchaus interessant. Da soll noch einer sagen, Computerspielen ist zu nichts nutze. 😉 Man kann nur hoffen, dass die Publicity weitere Spieler anlocken wird. Und es scheint, von außen betrachtet, zu funktionieren, die Foldit Seite ist zur Zeit sehr zäh.

Bleibt wohl nur die Frage, wann integriert das ganze jemand in World of Warcraft?

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