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Ärztekammer Hessen im Tiefschlaf – Fortbildungspunkte für Neue Germanische Medizin

24. September 2008 16 Kommentare

Der Hamer-Anhänger Ernst-August Stemmann ist bei Esowatch kein Unbekannter. Neu ist allerdings, dass es für eine „Fortbildung“ im „Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“ Punkte gibt. Eine Ärztekammer, die den jahrelangen Protest, die Hinweise auf äußerst dubiose Scharlatanmethoden auch seitens der Fachkollegen nicht zur Kenntnis nimmt, muss sich wohl im Tiefschlaf befinden und/oder keinerlei Interesse an seriöser Medizin haben.

Hier erst mal die Pressemitteilung, die heute an verschiedene Medien ging – kann man bei Promed und jetzt auch hier nachlesen:

Germanische Neue Medizin,, Metamedizin und der Fall Stemmmann
PRESSEMITTEILUNG vom 24.09.2008

GERMANISCHE NEUE MEDIZIN ALS ÄRZTEFORTBILDUNG?

Betr: Veranstaltung „Tag der Allergie“ in der Hugenotten-Halle Neu-Isenburg
Verfasser: Dr. Wolfgang Klosterhalfen, Apl. Prof. für Medizinische Psychologie der HHU Düsseldorf, In der Donk 30, 40599 Düsseldorf

Für den 11.10.2008 hat der Verein „Allergie- und umweltkrankes Kind e.V.“ (Ortsvereine Hessen-Süd und Frankfurt Nord) eine „Ganzheitliche Betrachtung von

Neurodermitis – Asthma bronchiale – Schnupfen“ angekündigt.
http://aukov-hessen-sued.de/080626_Programm_Vers_III.pdf

„Dieses Seminar wurde als Fortbildungsmaßnahme von der Landesärztekammer Hessen … mit 7 Punkten zertifiziert.“ (Notiz im o.a. Programmtext)

Wissenschaftlicher Berater dieses Allergie-Vereins ist Herr Prof. Dr. med. Ernst August Stemmann, der sich seit 1992 zur Germanischen Neuen Medizin des mehrfach vorbestraften Krebsscharlatans Ryke Geerd Hamer (Fall Olivia Pilhar) bekennt und bis heute die idiotische Ansicht vertritt, „daß die Ursachen einer Krankheit stets in einer Gefühlsverletzung liegen“.

Mit der genannten Veranstaltung wird versucht, Mütter dazu zu bewegen, mit ihren – vor allem an Neurodermitis – erkrankten Kindern drei Wochen lang an dem stationären „Gelsenkirchener Behandlungsverfahren (GBV)“, das die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen kontinuierlich anbietet, teilzunehmen.

Aus den folgenden Gründen rate ich von diesem Verfahren ab:
1. Das GBV postuliert, die Neurodermitis würde durch einen traumatisierenden Trennungskonflikt, das Asthma durch einen Revierkonflikt verursacht.
2. Kleinkinder werden mehrmals täglich bis zu drei Stunden von ihren Müttern getrennt. Mütter sollen das Kratzen und Weinen ihrer Kinder nicht beachten.
3. Das GBV lehnt eine juckreizlindernde Behandlung auch bei schwerkranken Kindern aus ideologischen Gründen weitgehend ab.
4. Das GBV mutet allen Kindern und deren Müttern eine einjährige radikale Ernährungsumstellung zu, die in dieser Form nicht notwendig und möglicherweise schädlich ist.
5. Prof. Stemmann hat oft behauptet, aber nie belegt, durch das GBV würden allergiekranke Kinder innerhalb eines Jahres geheilt. Es nicht belegt, dass sich das GBV überhaupt günstig auf den Verlauf einer Neurodermitis auswirkt.
6. Das GBV ist geeignet, der gemeingefährlichen Hamer-Sekte neue Mitglieder zuzuführen.

Ausführlichere Kritik am GBV finden Sie u.a. hier:
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/96/43/dokument.html?titel=Galilei+aus+Gelsenkirchen&id=39613469&top=SPIEGEL&suchbegriff=&quellen=&vl=0
http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/KINDERAERZTE-UEBER-STEMMANN.HTML
http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/STEMMANN-BRUTALES-TRENNUNGSTRAINING.HTML
http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/STEMMANNS-VORGETAEUSCHTE-NEURODERMITISHEILUNGEN.HTML
http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/PROF-STEMMANNS-SCHARLATANERIE.HTML
http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/GBV-NACH-STEMMANN.HTML

Nun ist das alles für den unbedarften Leser womöglich etwas unübersichtlich mit vielen Links. Man könnte auch auf den ersten Blick meinen, da streiten sich zwei Professores persönlich. Darum eine kurze Zusammenfassung: Stemmanns Idee nach Hamer ist, Neurodermitis entstünde durch einen Trennungs- und Asthma durch einen sogenannten Revierkonflikt. Allgemein üblich in der modernen Medizin ist, dass solch kühne Thesen wenigstens im Ansatz belegt sein sollten durch entsprechende Studien. Die gibt es aber hier nicht.

Ein Skandal, wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese „Behandlung“ ein hohes Potential hat, nicht nur die Kinder sondern auch noch die Mütter durch ein unsinniges „Trennungstraining“, Vorenthaltung schmerzlindernder Behandlung, autogenes Training der Mütter (um das Schreien der Kinder besser zu ertragen) und eine sehr einseitige Diät, langfristig zu traumatisieren.

Ein ebenso großer Skandal, dass Krankenkassen sowas ohne jeglichen Wirksamkeitsnachweis bezahlen. Alleine der pekuniäre Schaden dürfte im hohen 2-stelligen Millionenbereich liegen.

Man muss dazu wissen, dass Neurodermitis zwar eine sehr schwere Erkrankung sein kann, aber weder zu Todesfällen führt und sich im Laufe der Entwicklung bis zum 18. Lebensjahr fast zu 100% spontan „auswächst“ und dies auch ohne jegliche Therapie. Zudem verläuft sie in Schüben. Gerade hier wäre eine äußerste Sorgfalt in der Dokumentation von Nöten, um überhaupt erkennen zu können, dass die Behandlung wirkt. Bis auf völlig unverwertbare Nachbefragungen der Eltern (besser, schlechter) hat Stemmann nichts geliefert, obwohl seit Jahren angekündigt.

Angesichts des massiven psychischen und physischen Leidens, welches durch diese „Behandlung“ bedingt ist, ohne dass ein Wirksamkeitsnachweis gebracht wurde, ist das ebenso verwerflich wie die Vorschläge von impfgegnerischen Anthroposophen, einfach mal ein paar tausend Kinder ungeimpft zu lassen um zu sehen, was dann passiert. Eigentlich ein Fall für die Ethik-Kommission. Im Unterschied zu den Anthroposophen praktiziert Stemmann aber dieses Verfahren seit Jahren.

Dass Prof. Klosterhalfen nicht falsch liegt, zeigen auch seine öffentlich dokumentierten Bemühungen, die Sache zur Anzeige zu bringen. Es gab bisher keine ernsthaften Unterlassungsklagen, Stemmann als Hameranhänger oder Scharlatan zu bezeichnen. Aber, eine Klage gegen Stemmann wurde vor Gericht abgewiesen, ein weiterer trauriger Fall, wie man hier im Laborjournal nachlesen kann: Manche Richter haben offenbar das wissenschaftliche Prinzip nicht verinnerlicht und fordern eine Beweislastumkehr: Eine Behauptung ist nur dann falsch, wenn man das Gegenteil beweisen kann. Soweit aus Absurdistan.

Wer sich weiter vertiefen möchte – hier die klickbaren Links aus der Pressemitteilung:

Spiegel

Klosterhalfen1

Klosterhalfen2

Klosterhalfen3

Klosterhalfen4

Klosterhalfen5

Berlin und Gelsenkirchen

27. Juni 2008 Keine Kommentare

haben wenigstens eines gemein: Esoterik in Krankenhäusern. Die Geschichte mit der Charité hat mich wieder erinnert an eine verrückte Geschichte in Gelsenkirchen. Zeit für einen Rückblick:

Prof. Dr. August Stemmann, Leiter der Abteilung Allergologie der Bergmannsheil und Kinderklinik Buer in Gelsenkirchen meint, Neurodermitis bei Kindern heilen zu können, vor allem schwere Fälle. Seine Theorie richtet sich nach Ryke Geerd Hamer, dem Erfinder der „Neuen Germanischen Medizin“. So ist er der Ansicht, Neurodermitis entstehe durch einen Trennungskonflikt. Das Problem dabei: Die Behandlung wäre maximal dann anzuerkennen, wenn sie nachweisbar Erfolg hätte. So ist sie nur sadistisch. Kinder, die sowieso schon massive Probleme mit ihrer Hautkrankheit haben, werden bewusst von ihren Müttern getrennt. Die Mütter bekommen autogenes Training, damit sie wegen dem verzweifelten Schreien ihrer Kinder hinter der Glasscheibe (= Trennungstrainig) nicht verrückt werden.

Stemmann hat bis heute keinen Beleg für die Wirksamkeit seiner Hypothese gebracht. Die Belege sind lächerlich – wer im Akutstadium eines ND-Schubes eingeliefert wird, hat i.d.Regel einige Zeit danach ein besseres Hautbild, egal, ob man Märchen vorliest oder sonst was, denn ND ist nicht tödlich und verläuft immer in Schüben.

Was Stemmann dort angestellt hat, würde als Tierversuch nie durch eine Ethikkommission kommen. Stemmanns Talent scheint weniger die Forschung und Logik, sondern ein marketingtechnisches zu sein. Die Klinik wurde bekannt, vor allem durch den Verein AUK (dessen „wissenschaftlicher Berater“ Stemmann ist) und gewann deutschlandweit Kunden. Der Aufenthalt ist nicht billig: Mutter und Kind werden für mindestens 2 Wochen „behandelt“ und untergebracht. Die Kassen zahlten und zahlen. Und das alles unter der bisher nicht belegten Annahme, Neurodermitis sei durch einen „Trennungskonflikt“ begründet.

Prof. W. Klosterhalfen, der dort hinein geriet und eigentlich seine Forschungen zur Psychosomatik weiterführen wollte, hat das alles ans Tageslicht gebracht. Es gab einen Artikel im Spiegel („Galilei aus Gelsenkirchen), im Laborjournal, in diversen Foren wurde entsprechendes veröffentlicht – eigentlich ein riesen Skandal: Nicht nur, dass Kinder und Mütter mit einer unsinnigen und unethischen Behandlung mit möglicherweise traumatischen Folgen ausgesetzt wurden – nein, auch die Kassen wurden mit vermutlich zweistelligen Millionenbeträgen geschädigt. Alleine: Die Verantwortlichen interessiert das alles nicht.

Richtig spannend an der Sache ist , dass Klosterhalfen, der alles minutiös dokumentiert hat, sich mit seiner Person der Öffentlichkeit ausgesetzt, Stemmann als Scharlatan benannt hat, immer noch keine Anzeige wegen Verleumdung oder ähnlichem bekommen hat. Man scheint aussitzen zu wollen und scheut Öffentlichkeit.

Ein irres Spiel. Genaueres findet man hier, dort den Links folgen.

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