Fazıl Say vor Gericht

Der türkischstämmige Starpianist Fazıl Say musste sich heute in Istanbul vor Gericht verantworten. Ihm wurde das Verbreiten von Meldungen wie dieser: „Ich weiß nicht, ob ihr es gemerkt habt? Überall, wo es Schwätzer, Gemeine, Sensationsgierige, Diebe, Scharlatane gibt, sie alle sind übertrieben gläubig. Ist das ein Paradoxon?“ per Twitter zur Last gelegt.

Der Prozess wurde nach einer Stunde bis zum 18. Februar 2013 vertagt. Warum die Äußerung den Islam beleidigt, in dem es doch keine Schwätzer, Gemeine, Sensationsgierige, Diebe und Scharlatane gibt, wurde nicht geklärt.

Der Atheist Say hat in der Türkei schon mehrfach für Aufruhr gesorgt und man wird den Prozess wohl mit Spannung verfolgen müssen. Bei Verurteilung drohen dem Mann 18 Monate Haft für einen Satz, den unsereiner nicht einmal tragisch findet. Bevor man allerdings mit dem Finger auf die Türkei zeigt, sollte man sich die entsprechenden Gesetze in unserem Raum vielleicht einmal ansehen:

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Harald Walach: Die Speerspitze der Aufklärung

Nicht schon wieder Viadrina, Walach und Co, mag der geneigte Leser denken. Dachten wir eigentlich auch. Doch dann kam dieser schöne Gastbeitrag, um den es einfach zu schade wäre.

Harald Walach, leitender Professor im Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften (IntraG) an der Universität Viadrina (Frankfurt/Oder), von der eine Masterarbeit über Hellsehen (Kozyrev-Spiegel) in der Süddeutschen Zeitung mit dem Urteil „Völlige Entgleisung akademischer Qualitätsstandards“ quittiert wurde, bezeichnet sein Institut in einem Interview in der TAZ als „Speerspitze der Aufklärung“. Tatsächlich jedoch gab es einen Sturm der Entrüstung gegen Walach und sein Institut, was sich in den Suchergebnissen zu dem Thema in Medien und Blogosphäre niederschlägt.
Walach spricht in dem Interview über „bestimmte Segmente“ der kritischen Bloggerszene, die „aggressiv gegen uns gehetzt“ haben sowie von „postmoderne Inquisitoren“, die nur „eine … Definition von Wissenschaftlichkeit (mit) bestimmte(n) Inhalte(n) akzeptiert“. So würden „Komplementäre Medizin und Homöopathie, Spiritualität und Achtsamkeit … als nicht wissenschaftlich betrachtet“.

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Alan Turing zum 100. Geburtstag

Was, mag sich der geneigte Leser des EsoBlogs fragen, soll hier ein Beitrag zu Alan Turing? Was hat Mathematik mit Esoterik und Co. zu tun? Es gibt zwei Gründe. Der erste ist relativ banal: ohne Alan Turing könnte es sein, dass wir (noch) keine Computer hätten, die so funktionieren, wie wir es heute kennen, also auch keinen Eso-Blog ;). Abgesehen davon, dass niemand weiß, was geschehen wäre, wenn Turing nicht den Enigma-Code der Deutschen im Zweiten Weltkrieg geknackt hätte … Genaueres zu ihm findet sich auf Wikipedia.

Seine allgemein bekannteste mathematische Formulierung ist die so genannte Turing-Maschine. Für Nicht-Mathe-Fans etwas harter Stoff, aber dieses Zitat aus Wikipedia bringt es auf den Punkt, um das Wesentliche zu verstehen:

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AOK Sachsen-Thüringen hat zu viel Geld

Nach Angaben der Ärztezeitung hat die AOK Sachsen-Thüringen zu viel Geld. Nämlich 350 Mio. Euro.

Ein Großteil dieser Mehreinnahmen soll auf die hohe Kante. Das ist ja nichts Schlechtes, will man doch für die Zukunft gewappnet sein. Allerdings will man auch einen Teil der überschüssigen Mitgliedsbeiträge für eine „Leistungsoffensive“ ausgeben: „Mehr Geld gibt es auch für Homöopathie. Die Kasse rechnet dadurch mit Mehrkosten von 20 Millionen Euro.“

Da weiß man also anscheinend gar nicht mehr, wohin mit dem Geld. Zurückzahlen will man den Überschuss wegen des Verwaltungsaufwandes nicht. Dann bläst man es lieber so raus.

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Viadrina: Hogwarts an der Oder – eine Übersicht

Es wurde schon mehrfach gewünscht, dass wir über Aktuelles in unserem EsoWatch-Wiki berichten. Bei der Causa Viadrina mit ihrem IntraG-Institut ist das gerade sehr sinnvoll: immer mehr Zusammenhänge ergeben sich, der Artikel ist bis zur Unübersichtlichkeit gewachsen. Die fleißigen Autoren haben nun sortiert, gesplittet und geordnet. Höchste Zeit für Abhilfe: Los geht es mit der … Weiterlesen

PaläoPower: Giordano Bruno Stiftung goes marketing

Die Giordano-Bruno-Stiftung  kennen viele; sie selbst nennt sich Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung und ist, wie der Name schon sagt, eine Stiftung, die Herbert Steffen 2004 ins Leben gerufen hat. Der bekannteste Vertreter der GBS dürfte der Philosoph Michael Schmidt-Salomon sein. Die GBS hat viele honorige Mitglieder, die sich dem Gedanken des Humanismus und der Aufklärung verpflichtet sehen – im Übrigen auch ein Leitmotiv von EsoWatch.

Umso verwunderlicher, wenn die Giordano Bruno Stiftung jetzt plötzlich aktiv Werbung für etwas betreibt, das wie ein neuer Joghurt-Drink klingt: PaläoPower  Die GBS wirbt aktiv dafür. Der Autorin werden Räumlichkeiten der Stiftung für Vorträge zur Verfügung gestellt, das Ganze wird per Newsletter beworben – was man halt so tut, wenn man ein neues Produkt promoten will. So weit, so banal.

Aber schauen wir etwas im Detail.

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ADHS: von 3sat philosophisch betrachtet

Stellen wir uns ein großes Schwimmbecken mit vielen Kindern drin vor. Der Boden des Beckens ist höhenverstellbar, und aus irgendeinem Grund senkt er sich langsam. Kinder, die schwimmen können, finden das lustig. Die, die es nicht können, werden langsam panisch. Der Bademeister schmeißt den Nichtschwimmern Schwimmhilfen zu, die sie dankbar annehmen. Am Rande des Beckens sitzt ein Philosoph und fragt den Bademeister, warum er das tut. “Damit sie nicht ertrinken”, antwortet dieser. Der Philosoph erwidert: “Das ist doch nicht nötig. Mit dem Zappeln und Schreien wollen sie doch nur Aufmerksamkeit für sich erregen. Gehen Sie doch einfach einen Kaffee trinken, und wenn Sie in 10 Min. wiederkommen, wird alles ruhig sein.”

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Mit Moralin gegen Ritalin

Ein Artikel des Schweizer Journalisten Stefan Schaer, den wir mit freundlicher Genehmigung des Autoren übernehmen durften. Er wurde bereits hier auf seinem Blog veröffentlicht.  Er beschreibt sehr gut, wie unkritisch oft auch seriöse Medien (leider wieder mal) mit medizinischen Themen umgehen. Bei EsoWatch gibt es auch Hintergrundinformation zum Thema Ritalinkritik.

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Thesen-Journalismus macht seit Jahren Schule. Auch bei sogenannten Leitmedien neigen viele (nicht alle!) Schreibenden dazu, anstelle einer breit abgestützten Recherche die eigene Meinung (oder die Meinung der Zeitung) ins Blatt zu stellen. Was ins Bild passt, wird unkritisch ausgebreitet, was nicht passt, wird kurzerhand todgeschwiegen.
Einen exemplarischen Text hat am vergangenen Montag die «Frankfurter Allgemeine», die NZZ Deutschlands, publiziert. Christiane Hoffmann und Antje Schmelcher liefern mit «Wo die wilden Kerle wohnten» einen einseitigen, moralisierenden und in vielen Teilen schlicht falschen Rundumschlag gegen das Medikament Ritalin, das bei Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom) eingesetzt wird.

Mit der Aussage «90 Prozent der ADHS-Diagnosen sind falsch» legt der Artikel gleich zu Beginn den Ton fest. Sicherlich, Ritalin wird manchmal zu schnell verschrieben. Aber  von 90 Prozent auszugehen, ist eine Behauptung, für welche die Autorinnen keine brauchbare Quelle – zum Beispiel wissenschaftliche Studien – präsentieren. Sie stützen sich einzig auf die Aussage der Direktorin einer Kinderklinik – das muss für FAZ-Journalistinnen offenbar reichen.

Der «Richtigkeitsgehalt» des restlichen Textes bewegt sich auf ähnlichem Niveau: Plattitüden, Behauptungen und Lügen folgen einander Abschnitt für Abschnitt. Die Autorinnen gehen davon aus, dass ADHS anerzogen ist. Medizinische, angeborene Ursachen schliessen sie von vornherein aus. Was umso erstaunlicher ist, als die Wissenschaft derzeit in die gegenteilige Richtung tendiert. Bei Wikipedia lesen wir:

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Gesund leben und sterben

Körper, Geist und Seele – der Gruner und Jahr Verlag ist anscheinend ganz besessen davon, mit seinen Publikationen auf diesen uralten Zug aufzuspringen. Speziell die Titelbilder der entsprechenden Publikationen lassen kein Klischee aus: was an abgedroschenen Phrasen schon 1000 mal gesagt und visualisiert wurde, wird hier zum 1001. mal wiedergekäut. Wir haben ja schon öfter … Weiterlesen

Hörtipp: Hoëcker, Sie sind … im Interview

Ein Hör-Tipp für unsere Leser: hoaxilla.com ist ein skeptisch ausgerichteter Podcast aus Münster, der wöchentlich zu typischen Themen, wie sie auch EsoWatch beschäftigen, Stellung bezieht. Die neueste Veröffentlichung ist besonders hörenswert: Ein langes Interview (1,5 Std) mit dem Comedian Bernhard Hoëcker, der übrigens ein GWUP Mitglied ist. Hoëckers Begabung, gute Formulierungen zu finden, ist sehr … Weiterlesen

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