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Artikel Tagged ‘Institut Wolkenstein’

Wozu ein Wärmflasche wenn man auch eine Therapeutin bezahlen kann?

9. März 2010 11 Kommentare

Im dritten Teil der Werbeserie für das Institut Wolkenstein beim Standard geht es um Menstruationsbeschwerden. Natürlich ein typisches Frauenthema und wieder schafft es Frau Wolkenstein der Patientin einen Großteil ihres Repertoires anzudrehen.

Die 35-jährige Patientin klagt über die typischen Symptome von Menstruationsbeschwerden, Spannungsgefühl in den Brüsten, krampfartige Schmerzen im Unterbauch etc. Die Ursache für diese Beschwerden sind bekannt: zum einen sinkt vor der Menstruation der Hormonspiegel, zum anderen zieht sich die Gebärmuttermuskulatur zusammen. Entsprechend kann mit Hormonen therapiert werden. Viele Frauen berichten zum Beispiel von einer Linderung der Beschwerden durch die Einnahme der Pille.

Frau Wolkenstein wäre aber nicht Frau Wolkenstein wenn Sie das nicht als minderwertig abtun und ein Sammelsurium anderer Therapien anbieten würde:

Schulmediziner raten zur Einnahme von Hormonen – Die Alternativmedizin behandelt das Yin-Phänomen Kälte

Die Begründung ist etwas abenteuerlich:

In der Chinesischen Medizin lautet das Ziel jeder Therapie: „behandle die Wurzel des Problems“.

Die „Wurzel des Problems“ ist eindeutig der Hormonspiegel und das Zusammenziehen der Gebärmuttermuskulatur. In der TCM kann das aber nicht die Wurzel sein, denn Hormone kannten die alten Chinesen nicht und über die Gebärmutter wussten sie auch nicht sehr viel.
Alternativ muss natürlich ein anderes Behandlungskonzept her und da bemüht Frau Wolkenstein mal wieder die „Kälte“:

Aus traditionell chinesischer Sicht ist die „Kälte“ als ursächliches Problem hier klar definiert.

Das ist wunderbar universell und man kann ganze viele Therapien unterordnen, die sofort einleuchten und schließlich hatte die Patientin ja auch direkt richtig gehandelt und die Beschwerden mittels Wärmflasche gelindert.

Exkurs: Wenn ich mir die Mühe mache und eine Wärmflasche herrichte, geht es mir bei Anwendung derselben in jedem Fall besser.

Warum wird die Gebärmutter denn nun „kalt“? Auch hier weiß Frau Wolkenstein zu überzeugen:

Sitzen auf kalten Gegenständen, nasse und häufig kalte Füße, Baden in kalten Gewässern und generell Erkältungen kommen als Ursachen in Frage.

Uns ist nicht bekannt ob es sich bei der Patientin um ein Reptil gehandelt hat, aber wenn sie Menstruationsbeschwerden hat, ist sie mutmaßlich doch eher ein Mensch. Menschen sind gleichwarm. Das bedeutet, dass die Temperatur konstant bei ca. 37°C gehalten wird, zumindest im Innern des Körpers. Es gibt kaum ein Organ das mehr im Innern liegt als die Gebärmutter, um diese abzukühlen muss schon einiges mehr passieren als auf kalten Gegenständen zu sitzen. Wie schrecklich wäre es, wenn kalte Füße zum Absinken der Kerntemperatur führen würden? Außerdem sollten dann die Beschwerden im warmen Sommer deutlich weniger schlimm ausfallen als im Winter. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.

So richtig abenteuerlich wird es bei den Erkältungen. Die zugrundeliegende Virusinfektion macht sicher einiges mit dem Körper, aber abkühlen sicher nicht. Auch wenn man vielleicht fröstelt, bleibt die Körpertemperatur bei 37°C, oder man bekommt sogar Fieber. Da her kann die „Kälte“ kaum kommen. Das ist wieder ein Beispiel dafür wie naiv ein körperliches Empfinden (frösteln) auf den Gesamtkörper übertragen wird obwohl keine reale Grundlage besteht und wie kindlich ein Wort als Diagnose herangezogen wird: „Erkältung“ = „kalt“.

Natürlich wird auch das Steckenpferd von Frau Wolkenstein, die Ernährung, verwurstet:

Die Ernährung spielt ebenfalls eine große Rolle. Obst, Salate und rohes Gemüse verbrauchen beim Verdauungsvorgang viel Energie und geben ihrerseits dem Körper kaum Energie zurück. Das Ergebnis ist ein Wärmedefizit im Organismus, der sich durch ständiges Frieren und Abneigung gegen Kälte, sowie Verlangen nach Wärme bemerkbar macht.

Die Dame ist ausgebildete Medizinerin und sollte daher ein Mindestmaß an Kenntnis über Stoffwechselphysiologie besitzen. Die Körpertemperatur wird gleichbehalten, egal was man isst. Es kann bei unzureichender Ernährung maximal zum Kaloriendefizit kommen, das ggf. durch Aktivierung der Kohlenhydrat- oder Fettreserven ausgeglichen wird. Wenn die Patienten keine Reserven mehr hätte, könnte es tatsächlich zum Absinken der Körpertemperatur kommen, aber dann hätte sie vermutlich auch keine Menstruation mehr. Der indirekte Rat auf Obst, Salat und Gemüse zu verzichten ist mindestens grenzwertig.

Kommen wir nun zur Therapie. Es geht mal wieder darum Wärme in den Körper zu leiten:

In der Kombination mit Moxibustion eignet sich die Akupunktur in der Therapie von „Kälteerkrankungen“ besonders gut. Ein speziell fermentiertes Beifuss-Kraut wird dabei angezündet und die Wärme über die Akupunkturnadel in die Tiefe der Muskulatur geleitet.

Wir erinnern uns: die Gebärmutter friert. Wird denn jetzt wenigstens diese „angestochen“? Zum Glück nicht:

In die sicher (sic!) Auswahl kommen Punkte am Nieren- und Blasenmeridian, sowie ein Punkt an der Lendenwirbelsäule, der dem zweiten Chakra nach der indischen Philosophie entspricht.

Abgesehen von der seltsamen Vermischung mit indischen Chakren, bleibt die Frage wie diese Therapie nutzen kann. Die Menstruationsbeschwerden ziehen sich über mehrere Tage hin und sollen nun über eine 30minütige Wärmebehandlung kuriert werden?

Frau Wolkenstein entlarvt glücklicherweise selbst was dahintersteckt:

Die Wärme wird als sehr angenehm empfunden und besitzt im Prinzip denselben Effekt, wie die Wärmflasche der jungen Patientin.

Die Patientin hat das noch dreimal mitgemacht, im Abstand von drei Wochen (warum nicht vier?) und danach vermutlich selbst gemerkt, dass sie das Geld statt in Frau Wolkenstein besser in eine zweite Wärmflasche und einen schönen Urlaub investieren sollte.

Fazit: Die Beschwerden der Patientin wurden nicht ursächlich angegangen. Auf die Schwankungen im Hormonspiegel geben die Therapien keine Antwort. Die Patientin bekommt für viel Geld das, was sie auch schon vorher gemacht hat: eine Wärmflaschen-Therapie. Drumherum viel Geschwurbel, das im krassen Gegensatz zu physiologischen Erkenntnissen steht, weil es auf primitiven Vorstellungen beruht.

K.O. in der zwölften Runde (spätestens)

12. Januar 2010 13 Kommentare

Im Standard startet heute eine zwölfteilige Serie, in der es um Behandlungsmethoden aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) geht. Exklusiv berichten wird Evemarie Wolkenstein, die im Ankündigungstext, den Sie natürlich auch gleich selbst verfasst hat, als „Ärztin für Allgemeinmedizin und Präsidentin des Vereins für komplementäre Präventionsmedizin“ vorgestellt wird. Sie wird anhand von „Patientengeschichten aus Ihrer Praxis“ zeigen, wie TCM funktioniert.
Frau Wolkenstein betreibt das „Institut Wolkenstein“ , zu dem auch direkt auf der Ankündigungsseite der Serie verlinkt wird. Es handelt sich um eine privatwirtschaftliche Praxis, die sich auf die Schwerpunkte Medizin, Ernährung, Bewegung und Entspannung nach Methoden der TCM spezialisiert hat.

Die „Bezahlung erfolgt bar, mittels Bankomat- oder Kreditkarte“, keine Kassen.

Was ist von dieser Serie auf standard.at zu erwarten, außer einer zwölfteiligen Werbung für dieses Institut, wenn nicht direkt, so doch zumindest über ausführliche Beschreibung der Methoden, die dort angewendet werden?

Kein PR-Manager würde es schaffen, sowas in einer selbst so genannten Qualitätszeitung, und sei es auch nur in der Onlinesparte, zu platzieren. Dahinter muss System stecken.

Nun ist es im Standard-online des Öfteren so, dass alternativmedizinische Methoden auffällig kritiklos dargestellt werden. Das führt immer wieder zu Richtigstellungen durch Leserkommentare und –diskussionen. Eigentlich eine Arbeit, die man schon von einer Redaktion erwarten dürfte, die an einer realitätsnahen Darstellung interessiert ist.

Offenbar ist das aber nicht der Fall, wie auch an diesem Beispiel zu erkennen ist. In einem kritischem Kommentar wurde hinterfragt, warum einem privatwirtschaftlichen Institut eine zwölfteilige, mutmaßliche Werbeserie eingeräumt wird. Dieses Posting wurde umgehend gelöscht und die Möglichkeit den Artikel zu kommentieren, wurde gesperrt. So etwas ist bei Standard-online eigentlich völlig unüblich.

Auf eine Nachfrage per E-Mail, warum man denn so gereizt reagiere, antwortet die Ressortleiterin Dr. Regina Philipp wie folgt:

Als seriöses Medium setzen wir uns im Gesundheitsressort selbstverständlich
neben schulmedizinischem Wissen auch mit komplementärmedizinischen Methoden
auseinander und wir behalten uns vor angriffslustige und beleidigende
Postings aus dem Forum zu löschen.

Eine weitere Nachfrage, wie denn wohl eine „Auseinandersetzung mit komplementärmedizinischen Methoden“ in einem „seriösen Medium“ aussehen soll, wenn sogar schon die Ankündigung der Serie von der Expertin selbst verfasst wird, blieb unbeantwortet. Es ist nicht zu erkennen, dass es eine „Contra-Position“ geben wird und kritische Worte sind von Frau Wolkenstein selbst wohl kaum zu erwarten. Dabei werden im Institut Wolkenstein durch die Bank Methoden angewendet, die mindestens hoch umstritten sind, in den meisten Fällen sogar wissenschaftlich widerlegt, wie die Homöopathie (wie auch immer die ins traditionelle China gekommen ist) oder die Zungendiagnostik.

Aber glücklicherweise gibt es ja EsoWatch! Und wenn der Standard eine zwölfteilige Serie starten kann, können wir das auch. Wir werden also jeden Teil der Serie mit einem eigenen Beitrag begleiten, in dem wir uns gebührend mit dem auseinandersetzen, was Frau Wolkenstein da so schreibt und dem Standard die lästige Arbeit abnehmen, nachzuprüfen, was sie veröffentlichen. Das ist von Journalisten schließlich auch wirklich nicht zu erwarten. Wo kämen wir denn da hin?

Los geht es mit einem ganz typischen Thema, dem Reizdarm. Da weiß man nicht genau, warum man den hat. Die Beschwerden kommen und gehen, was besonders schön ist, um verschiedene Methoden auszuprobieren. Und die Psyche spielt auch keine unwesentliche Rolle. Allzu gefährlich ist der Reizdarm auch nicht, solange er nicht als Symptom einer schwereren Grunderkrankung auftritt – aber das wird sich mittels Zungendiagnostik sicher leicht ermitteln lassen…

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