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Artikel Tagged ‘Wes Brot ich ess’

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing,

13. Oktober 2010 14 Kommentare

ist ein alter Spruch, der soviel bedeutet wie: Wer mich bezahlt, dessen Meinung vertrete ich auch. Er ist symptomatisch für die Diskussion mit Befürwortern von z.B. “Alternativmedizin”. Nun ist es ja nicht so, dass an diesem Spruch nichts dran wäre. Nicht umsonst müssen bei wissenschaftlichen Publikationen so genannte Interessenskonflikte angegeben werden: Hat die Publikation in ihrem Ergebnis irgend etwas mit möglichen persönlichen finanziellen Vor- oder Nachteilen zu tun? Es ist stets sinnvoll, diese Frage zu stellen. Allzu Menschliches kommt überall und nicht wenig vor.

In der Diskussion wird der banale Spruch allerdings zu einer perfiden Sprachwaffe: Er unterstellt dem Diskussionspartner nicht nur eine womöglich einseitige Meinung. Nein, er unterstellt eine völlige Unglaubwürdigkeit, einen ethisch/moralischen Abgrund, für Geld schlichtweg alles zu tun, völlig skrupellos zu sein.

Ein kleines Beispiel. Weil in dem Spruch Lied vorkommt, nehmen wir mal die Lena Meyer-Landrut. Ihr Gewinnersong war einer, den das Publikum ausgesucht hat, und nicht der, den sie gerne gehabt hätte. Also klassischer Fall von Brot -> Lied. Eine perfide Unterstellung wäre nun – so wie es in solchen Diskussionen oft der Fall ist – damit zu behaupten, für Geld alles zu tun. Was ziemlich sicher nicht stimmt; irgendeinen Nazi-Song zu trällern, hätte sie vermutlich abgelehnt.

Das zweite Phänomen ist, und da ist er dem cleveren, aber falschen Spruch “Wer heilt, hat recht” nicht unähnlich, er klärt sofort die Fronten in Gut und Böse. Wer ihn als erster sagt, hat gewonnen. Er macht den Vorwerfer zum Guten, den Adressaten zum Bösen. Unausgesprochen, aber der menschlichen Psyche sehr eingängig: Wer dem anderen finanzielle Interessen in seinen Aussagen unterstellt, der kann ja da dann per se nicht ebenso davon betroffen sein, oder?

Es ist erstaunlich, wie bestimmte Gruppen auf dieser Klaviatur spielen können. Ein Paradebeispiel dafür sind die Homöopathen und Anthroposophen. Weil sie es geschafft haben, Begriffe wie “natürlich”, sanft” und “ganzheitlich” für sich zu besetzen, gelten sie in der Öffentlichkeit als die Guten. Und gute Menschen wollen natürlich nichts als das Gute, finanzielle Interessen spielen da natürlich niemals eine Rolle. Die gibt es nur in der Pharmaindustrie.

Dass Homöopathen und Anthroposophen auch nur bestimmte, und zwar sehr einseitige Lieder singen, geht dabei völlig unter. Hier hat es eine millionenschwere Industrie geschafft, in das Kostüm des Davids zu schlüpfen. Diese Leistung muss man bewundern. Sie ist zwar nicht ganz so umsatzkräftig wie die Pharmaindustrie, hat aber einen Riesenvorteil: Es muss weder Forschung betrieben, noch Wirksamkeit dargelegt werden. Entsprechend hoch sind die Gewinnspannen. Das teuerste an einem homöopathischen Mittel ist in der Herstellung die Verpackung.
Dieser “Gut-Böse-Effekt” ist nicht auf Medizinisches beschränkt, er zieht sich durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Ein Kraftwerksingenieur, der in einem Atomkraftwerk arbeitet, muss ja per se korrupt sein, ein Hersteller von Solarzellen hat ausschließlich das Wohl der Menschheit im Auge.

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