Es mag merkwürdig klingen, aber London hat mittlerweile tatsächlich eine atheistische Kirche. The Sunday Assembly (Die Sonntags-Versammlung) wurde von den Schauspielern und Komödianten Sanderson Jones und Pippa Evans gegründet und hat sich am Sonntag, den 6. Jänner 2013, zum ersten Mal getroffen.
Die Idee dahinter war laut den Initiatoren, die guten Dinge der Religionsausübung zu genießen, wie zum Beispiel das Gefühl der Gemeinschaft. Der Mensch ist ein soziales Wesen und hat das Bedürfnis, sich mit anderen Menschen zu treffen und gemeinsam etwas zu unternehmen.
Im Prinzip ist dazu zwar (unserer Meinung nach) nicht mehr als ein Kegelklub nötig, aber nicht jeder kegelt gerne und warum sollte das gemeinsame Band nicht die atheistische Grundeinstellung sein?
Als Atheist kann man sich zwar heftige Gefechte mit Agnostikern liefern und mag sich auch darüber streiten ob die große Nudel oder das unsichtbare rosafarbene Einhorn größerer Verehrung würdig ist, aber den Schädel schlägt man sich gegenseitig wegen solch kleiner theologischer Gegensätzlichkeiten nicht ein. Man ermordet höchstens während der Diskussion ein paar Brezeln.
Man muss übrigens erwähnen, dass das keine „ganz neue“ Idee ist. So gibt es z.B. die North Texas Church of Freethought bereits seit 1994 und wenn man sucht, wird man vermutlich noch ältere Beispiele finden.
Jedenfalls kündigten die beiden einen atheistischen Gottesdienst in der Lokalzeitung für den 6. Jänner an und hofften, dass vielleicht 50 Leute kommen würden. Tatsächlich erschienen 200, was offenbar das Gebäude zum Bersten füllte.
Der erste Gottesdienst wird von einem Reporter interessant beschrieben. Der Komödiant Jones riss Witze und versicherte, dass er trotz seines vollen Bartes nicht mehrere Frauen habe. Auch versicherte er, dass bei der Veranstaltung niemand seine „Aura massiert“ bekomme.
Vom zweiten Gottesdienst, der inzwischen am 3. Februar abgehalten wurde, gab es schon mehr und detailliertere Berichte, unter anderem von der BBC, die das Gefühl hatte, bei einer „stand-up comedy show“ zu sein.
Gesungen wurden Lieder von Stevie Wonder und Queen und der Teilchenphysiker Dr. Harry Cliff sprach über die Ursprünge der Teilchenphysik. Das Thema des Tage war aber „wonder“, also das Gefühl für das Wunderbare, ein Gefühl, das laut Kritikern Atheisten angeblich nicht bekannt ist. Als Gegenbeweis fällt ein fantastisches Video ein, das zeigt, was für ein gewaltiges und großartiges Universum ein Atheist wahrnimmt.
I see the invisible bursts of gamma radiation from giant stars converting into pure energy by their own mass. The flashes that flashed from the far side of the universe long before Earth had even formed. I can see the invisible microwave glow of the background radiation leftover from the Big Bang. I see stars drifting aimlessly at hundreds of kilometers per second, and the space-time curving around them. I can even see millions of years into the future.
That blue twinkle will blow up one day, sterilizing any nearby solar systems in an apocalypse that makes the wrath of human gods seem pitiful by comparison—yet it was from such destruction that I was formed. Stars must die so that I can live.
I stepped out of a supernova… And so did you.
Das Universum ist inspirierend, großartig und Ehrfurcht gebietend, es regt zu Höhenflügen an, die durch erbärmlich kleingeistige Gedanken wie „Gott will es“ zu einem jähen Ende gebracht werden.
Die Existenz oder Nichtexistenz von Gott ist dabei eigentlich belanglos, aber die Kirchen dieser Welt haben sich traditionell als wissenschaftsfeindlich erwiesen. Wissenschaft versucht, die dunklen Ecken der Welt auszuleuchten und die Wunder, die im Dunkeln liegen, zu finden; Religionen versuchen dagegen, die dunklen Ecken dunkler zu machen, um über die Wunder, die dort liegen könnten, zu sprechen.
Es bleibt zu hoffen, dass eine atheistische Kirche es schafft, diesen Weg nicht zu beschreiten. Kritiker befürchten nämlich, dass der Atheismus damit auf dem Weg zur organisierten Religion ist, mit allen bekannten Problemen. Das Risiko besteht natürlich, aber es scheint wahrscheinlicher, dass sich das ganze eher zu einem Club oder Verein entwickelt als zu einer Ideologie.
Wenn man in Bezug auf die Zukunft und die Philosophie einer „atheistischen Kirche“ skeptisch sein muss, dann eher weil man sich nach zwei Veranstaltungen fragen muss, ob die Idee auch langfristig Erfolg haben wird.
Mit Sicherheit sind viele Besucher nur gekommen, um sich nach den Zeitungsberichten das Ganze anzusehen. Der Reiz des Neuen. Wie viele davon bleiben werden bzw. wie sich das entwickeln wird, ist noch nicht abzusehen.
In jedem Fall ist es etwas, das man sich ansehen sollte, wenn man zufällig in London ist. Es scheint, als lieferten die Gründer eine gute Show mit interessanten Inhalten, und man hat dort mit Sicherheit die Möglichkeit, viele interessante Leute zu treffen:
Witzig, ich würde da hingehen, wenn ich in der Gegend wohnen würde. Ich denke das Ganze steht und fällt halt mit den Leuten, die das aktiv machen. Das ist aber in jedem Verein so.
Und damit macht man Atheismus zum Glaube.
Nein, Atheismus wird nicht zum Glaube, bloß weil man sich mal am Sonntag trifft und das ganze „atheistischer Gottesdienst“ anstatt „atheistisches Vereinstreffen“ nennt. Ich finde das auch nicht schlecht: eine Gelegenheit, Gleichgesinnte zu treffen und zusammen Spaß zu haben. Ich würde auch hingehen, wenn ich könnte.
Das Problem bei Religionen, Gemeinschaften, politischen Einstellungen, etc. sind ja oft gar nicht die vermittelten Regeln und Dogmen, sondern das starke Ingroup- Outgroup- Denken. Dies wird meiner Meinung nach durch solche Aktionen verstärkt, was ich nicht so schön finde.
das erinnert mich an frühere WG Zeiten. Menschen die von zuhaue weg zogen um endlich mal etwas eigenes zu machen.. weg von den Konventionen der (strengen) Familien… alles schön alternativ und selbstbestimmt. und das taten sie wirklich…. die wollten Plötzlich Plenums, gemeinsames Mittagessen und allerlei diverser zwanghafter gemeinsamer Aktivitäten… das war so in manch einer linken WG in der ich mal wohnte. ich bin natürlich prompt ausgezogen 😉
und diese Aktion erinnert mich da dran…
Hallöchen,
ich möchte zu diesem Satz kurz mal etwas sagen: die Kirchen dieser Welt haben sich traditionell als wissenschaftsfeindlich erwiesen.
Wenn ich mal wieder in die Verlegenheit komme einen Artikel über „Die Kirche und die Wissenschaft“ zu lesen, wird, in manchen derartigen, Artikel auch gerne mal versucht heraus zu stellen, wie sehr sich die Kirche doch um die Wissenschaft bemüht hat, gerne auch mal mit Verweis auf Gallileo.
Hat sich mal jemand mit der, ich nenne es mal, „Wissenschaftsgeschichte der Kirche“ befasst? Sprich, zusammen getragen was „Die Kirche“ für(pro) und gegen(contra) die Wissenschaft getan hat und das mal sauber mit Quellen unterlegt?
Was mir bis jetzt an pro zu getragen wurde:
-Klöster als Hort des Wissens und Lernens
-Bewahrung von Wissen im (dunklen?) Mittelalter
-Kalenderberechnung
Was mir bis jetzt an contra zu getragen wurde:
-keine Schulbildung für die breite Bevölkerung
-kein Streben nach neuem Wissen
-Blockade neuer Ideen (z.B.: Gallileo)
Ich habe derzeit leider keine Zeit selbst zu recherchieren, ich schreibe derzeit meine Diplomarbeit.
MfG Scipio
@ Scipio
Du hast ein Talent dafür, Fragen zu stellen, die sich mit einem Satz beantworten lassen. 😉
@ Scipio
Den Punkt „Klöster als Hort des Wissens und Lernens“ würde ich nicht oder zumindest nicht uneingeschränkt als „Pro-Argument“ sehen, denn die Kirche hat das Wissen nicht verbreitet, sondern sich dadurch ein Wissensmonopol verschafft. Das ermöglichte es ihr z.B. Wissen das Ihren Dogmen widersprach geheim zu halten.
Darüber hinaus denke ich, dass eine rein geschichtliche Betrachtung bei diesem Thema zu kurz greift. Man denke nur an das Thema Kreationismus.
@ Scipio
Den Einstieg übernehme ich mal für Dich. Dieser Artikel hatte seinerzeit für einige Empörung gesorgt:
http://www.zeit.de/2000/20/200020.christentum_.xml/komplettansicht