Elsevier ist einer der bekanntesten Wissenschaftsverlage, der unter anderem The Lancet und Bücher wie „Gray’s Anatomy“ (Der Serienname ist eine Anspielung auf dieses Standardwerk) vertreibt. Elsevier ist schon seit einiger Zeit in der Kritik, wegen des hohen Preises für Wissen, der Geschäftspraktiken und neuerdings der Unterstützung von SOPA/PIPA.
Der schon länger gärende Konflikt – Scilogs schrieb z.B. im letzten August über „Wissenschaftsverlage – die Blutsauger des Wissenschaftsbetriebs“ – geht nun in die nächste Runde.
Tim Gowers, ein bekannter Mathematiker und Träger der Fields-Medaille meinte jetzt, dass es genug sei und startete einen Boykottaufruf gegen den Verlag. Auf einer von ihm ins Leben gerufenen Webseite The Cost of Knowledge kann man sich dem Boykott anschließen und erklären, dass man nicht mehr mit Elsevier zusammenarbeiten will.
Gründe dafür gibt es einige:
* Elseviers Preispolitik
* den „Bündelzwang“, d.h. Universitäten müssen Journale abonnieren, die sie gar nicht wollen
* Bibliotheken/Universitäten, die sich aufregen, werden einfach nicht mehr beliefert
* Die Unterstützung des Research Works Act
* Unterstützung von SOPA/PIPA
* Drangsalierung mit Klagen und Klagsdrohungen
* Elsevier publiziert auch „falsche Journale“, die mit Werbung gefüllt sind.
Im Augenblick haben 1.382 Wissenschaftler aus aller Welt die Boykotterklärung unterschrieben und es werden täglich mehr. Es geht dabei aber nicht unbedingt um den Kampf gegen einen Verlag: Es ist der Kampf um Offene Wissenschaft. Es geht um alle Wissenschaftsverlage und den Umgang mit Wissen, da sich mit den neuen Technologien die Welt gewandelt hat.
Historisch gesehen waren Journale wie The Lancet von unschätzbarem Wert. Sie haben Wissen in der ganzen Welt verbreitet. Noch vor 20 Jahren hatte man kaum eine Möglichkeit, neue Informationen zu erhalten. Die Wissenschaftsverlage haben dieses Wissen transportiert und den Wissenschaftlern zugänglich gemacht. Ein Service von außerordentlichem Wert.
Doch seitdem hat sich die Welt gewandelt. Mit dem Internet werden Informationen in Lichtgeschwindigkeit um die Welt transportiert. Arbeiten, die z.B. auf arXiv publiziert werden, sind frei zugänglich.
Und damit wurde alles anders. Waren die Verlage früher Verbreiter von Wissen, die den Zugang geschaffen haben, halten sie es jetzt zurück. Der Service, der zuvor gutes Geld wert war, wird heute immer belastender.
Die Wissenschaftsverlage, die früher Wissen verbreiteten und jedem zugänglich machten, halten es nun als Geisel und benutzen die existierenden Publikationen, um Druck auf Universitäten und Bibliotheken auszuüben.
Weitere Informationen findet man in den Blogs von Tim Govers und John Baez, lesenswert auch die Kommentare und Reaktionen darauf. Wissenschaftler, die sich dem Protest anschließen möchten, können das auf der Webseite The Cost of Knowledge tun.
Man sollte auch nicht vergessen, dass Elsevier am laufenden Band Fachbücher zu Pseudomedizin zu publizieren. Das geht von Akupunktur über Chiropraktik bis hin zur Störfeldtherapie in der Zahnmedizin, welche zwangsläufig auf Körperverletzung herausläuft. Dies Büche stehen dann mitten zwischen ihren respektablen Werken und nichts daran lässt auf Esoterik schließen. Sogar die medizinische Abteilung unserer Unibuchhandlung (Regensburg) führt solchen Mist.
Hinzu kommt, dass man versucht den Gebrauchtbücherhandel einzudämmen, indem man beispielsweise die Lösungen für enthaltene Übungsaufgaben nur noch über einen personalisierten Internet-Key zugänglich macht. Dieses „PLUS im web“ führt auch dazu, dass es oft weniger Sinn macht sich die Bücher aus der Bibliothek auszuleihen.
Ich finde es schön, dass einmal etwas gegen einen Verlag getan wird, der mir schon oft die Galle hoch getrieben hat. Die Qualität der Bücher nimmt auch scheinbar ab, die Seitenzahl schwindet mit der höhe der Auflage, wie ich neulich bei Vergleich zweier Anatomieatlanten festgestellt habe – es fehlten einfach einige Abbildungen.
Noch zu erwähnen ist, dass vor einigen Jahren bereits ein komplettes Journal (Topology) sich von Elsevier abgewendet hat. Die Editoren dieser Journale sind ja die gleichen Wissenschaftler, die sich über die Politik der Verlage ärgern.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die anderen Elsevier-Journale jetzt verhalten.