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What’s the harm?

15. September 2011 21 Kommentare

Wenn, ja wenn man einen, der die so genannten alternativen Heilmethoden verteidigt, einmal dahin gebracht hat, einzugestehen, dass nichts dran und nichts drin ist, und er sich nicht weiter zu helfen weiß, dann zieht er oft diese Reißleine: „Aber zumindest schadet es nichts, oder?“ – – – ganz abgesehen von der Ironie, die darin liegt, dass der ganze Popanz, der eben noch in kosmischen Großartigkeiten und weltenstürzenden Paradigmenwechseln aufstolziert ist, jetzt zu einer Banalität zusammenfällt – schadet es wirklich nichts?
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GEO – Das Letzte.

29. August 2011 82 Kommentare

Nachdem schon Ulrich Berger in seinem „Kritisch Gedacht“-Blog auf die Apologie von Frau Thorbrietz eine vernünftige Antwort gegeben hat, hier auch von uns ein paar deutliche Worte hinterher:

           Liebe Frau Thorbrietz, werter Herr Schröder,

man erkennt Sie ja beide in Ihren Antworten auf die Entrüstung, die Ihr „einseitiger und tendenziöser Artikel“ heraufbeschworen hat, kaum wieder.

Plötzlich „propagiert GEO keine Esoterik oder ähnliches“, aber listet im Kasten Misteltherapie, Akupunktur, Cranberrysaft, Johanniskraut, Qigong, Hypnose, Yoga, Homöopathie unter solch nebelhaften Kategorien wie „GUT BELEGT, WIRKSAM, SANFT“, „BELIEBT, ABER UMSTRITTEN“ und „VIEL HOFFNUNG, WENIG EVIDENZ“ auf – was denken Sie eigentlich, was Ihr normaler Leser dabei denkt! Was liest der da? : „Nach Metaanalysen vieler kontrollierter Studien ist der Homöopathie-Effekt mehr als doppelt so hoch wie die allein durch ein Placebo erklärbare Genesung.“ Und wie wäre es mit der aktuellen Studie? Fehlanzeige. Naturwissenschaftliche Plausibilität? Fehlanzeige. Oh ja, Sie beeilen sich zu sagen: „Eine detaillierte Analyse und Bewertung kann so ein Übersichtskasten wie der in GEO nicht leisten.“ Aber doch vielleicht Sie? Als Wissenschaftsjournalisten?

„Wir sehen es aber als diskussionsfördernd, notwendig und journalistisch richtig an, die Grabenkämpfe innerhalb der medizinischen Weltanschauungen zu thematisieren.“ Ganz abgesehen von den tendenziösen Worten „Grabenkampf“ und „Weltanschauung“ – wo bitte wird eine Debatte thematisiert? Wer bekommt denn die Ehre, bei Ihnen an dieser Debatte (oder soll ich sagen controversy?) teilzunehmen? Zählt man die Personen einmal durch, sieht Ihre Debatte so aus: 12:1 für die Esoterik! Und Michael Baum lassen Sie ja wohl eher ein Eigentor schießen. Und alle lassen irgendetwas nettes über „alternative“ Medizin hören (auch ein Wort, von dem Sie sich geflissentlich distanzieren, nachdem Sie es hingeschrieben haben).

Kritische Stimmen der Wissenschaftler? Ja – gegen die wissenschaftliche Medizin, gegen double-blind-studies, gegen das Gesundheitssystem, gegen die „Tabletten“. Wie wäre es gewesen, mal einen eso-kritischen Wissenschaftler mit ins Boot zu nehmen? Aber der würde wohl in eine andere Richtung rudern, als in das Wunderland „jenseits von Grabenkampf und Ideologie“. Und das hätte zur Methode des Artikels schlecht gepasst.
„Aber das sind doch berechtigte Vorwürfe!“ würden Sie gern einwerfen. Und wo sind die berechtigten Vorwürfe gegen die Scharlatanerie? Ist „BELIEBT, ABER UMSTRITTEN“ eine klare Aussage? Ach ja, da haben wir doch: „“Am schlimmsten sind unbewiesene Krebstherapien“, von denen Sie übrigens die Misteltherapie auch mit „BELIEBT, ABER UMSTRITTEN“ durchwinken. Ist das wissenschaftliche Redlichkeit? Mit Ihnen als Schiedsrichter ist das Endergebnis 12:1.

Das ist symptomatisch für diesen schlüpfrigen und doppelbödigen Artikel: Dass Sie, wo Sie nur können, die Pseudomedizin aufbürsten, hübsch machen, paradieren lassen, dass Sie, wo Sie nur können, die wissenschaftliche Medizin im Schmuddellicht stehen lassen, wie hier:

„Jeder Zweite beklagte, dass die Schulmedizin oft nur die Symptome behandele und nicht die Ursachen von Krankheiten. Jeder Dritte kritisiert, dass „zu rasch starke Medikamente“ verschrieben würden und „zuwenig auf Nebenwirkungen geachtet“ werde.“

Na, da sind Sie ja wieder fein raus: Verantwortung abgeschoben – es ist ja nur eine Umfrage, Medizin angeschwärzt. Und der Leser sitzt, nickt gemütlich dazu und denkt sich: Alle sagen es, GEO sagt es, also ist mein Arzt ein Idiot.

Dass Sie völlig unreflektiert Eso-Phrasen kolportieren, bedarf eigentlich keines Kommentars mehr: „ganzheitliche Ansätze, die nicht nur auf Symptome abzielen, sondern auf das gesamte Befinden“ – ganz klar, wer hier Symptome behandelt, und wer den ganzen Menschen. „Das Beste beider Systeme vereinen“ Reicht 50:50? „Für eine medizinische Forschung und Praxis jenseits von Grabenkampf und Ideologie“ – Ideologie wie etwa die der „Schulmedizin“? „Der Brückenbau zwischen den Heilsystemen“ der Brückenbau ins Nichts? „Methoden, die sich über Jahrhunderte bewährt haben.“ – und deshalb keiner Prüfung bedürfen? „Paradigmenwechsel“ – kein Kommentar.

Liebe Frau Thorbrietz, werter Herr Schröder, der Artikel ist schon schlimm genug, wie er so dick und gemütlich auf der falschen Seite liegt. Aber dass Sie beide sich auch noch als unparteiische Vermittler, als gewissenhafte Interpreten der wissenschaftlichen Debatte darstellen wollen und dazu kein Mittel Ihrer professionellen Rhetorik scheuen, das ist, mit Verlaub: DAS LETZTE.

Der böse Doktor

23. August 2011 28 Kommentare

Wir hatten im Blog schon über den GEO-Artikel zur „Neuen Heilkunst“ berichtet und einige werden sich vielleicht noch an den bösen Prof. Baum erinnern, der der engagierten jungen Apologetin der Esoterik übers Maul fährt? Hier ist noch einmal die Stelle, womit die Autorin Thorbrietz gleich am Anfang in die Fanfare stößt:

„Es sind nicht die Patienten, die zu entscheiden haben!“ Mit zornesrotem Kopf steht Michael Baum, Krebsforscher, am Rednerpult und verteidigt die traditionelle Sicht seiner Zunft. Gerade hat sich im Publikum eine junge Anwältin gemeldet und ein flammendes Plädoyer gehalten – gegen die Ignoranz der Onkologen! Während ihrer Brustkrebsbehandlung sei man nie auf ihre Beschwerden eingegangen. Erst als sie sich einen naturheilkundlichen Therapeuten suchte, sei es ihr viel besser gegangen.” Alles Anekdoten, unwissenschaftliche Einzelbeobachtungen” faucht der Experte …

Ja, das ist doch der Schulmediziner wie er im Buche steht: Bevormundend, doktrinär, engstirnig; kalt und lieblos gegen die Patienten und – natürlich – eifersüchtig auf seine Zunft und Pfründen bedacht. Naja.

Der Eingeweihte erkennt sofort die Karikatur daran; aber bevor man nicht das Interview unten gesehen hat, kann man nicht erkennen, eine was für böswillige Karikatur es ist, ja wie infam und niedrig es ist. Denn in dem Interview mit Richard Dawkins zeigt sich Baum wirklich als das Idealbild eines Arztes, man findet auch nicht die geringste Spur von „Fauchen“ und „Zornesröte“, nein man findet etwas ganz anderes, das wirklich zu Herzen geht: Einen Mediziner, der aufrichtig und ehrlich einfach für die Wahrheit und für die Gesundheit seiner Patienten einsteht und der an dem Irrationalismus, der das Leben von Menschen gefährdet, verzweifelt, der einfach nicht verstehen kann, wie sich Menschen verbünden, um das Falsche und Verkehrte auf Kosten von Menschenleben zu propagieren. Das zu sehen geht wirklich ins Mark, oder wie einer in den comments sagte: Parts of this interview are simply bone-chilling, man bekommt eine Gänsehaut.

Auch im Facebook-Thread bei GEO hat Sebastian Reusch von SciLogs schon klar gestellt was Sache ist:

Ich finde es absolut unverschämt, wie die Autorin dieses Artikel dem Mediziner Michael Baum unterstellt, er würde kein Interesse an der Gesundheit von Patienten haben. (…) Sehr viele Menschen, insbesondere ehemalige Brustkrebspatienten, haben diesem Mann sehr viel zu verdanken, dazu muss man sich einfach mal die Karriere von Herrn Baum anschauen und man sieht sofort, was er alles erreicht hat und wovon Krebspatienten heute durch seine Arbeit profitieren können. Nicht zuletzt war er derjenige, der das Chemotherapeutikum Tamoxifen für die Behandlung von Brustkrebs etablierte. Durch seine Arbeiten überleben also Menschen.

Um einen weiteren Punkt von seinen Errungenschaften herauszunehmen: Baum hat 1981 ein „psychosocial oncology research team“ auf die Beine gestellt. Wenn jemand den Patienten also als ganzen Menschen sieht und versteht, dass neben einer körperlichen Heilung auch die Psychologie des Patienten eine bedeutende Rolle spielt, dann war es Michael Baum. Baum hat verstanden, dass eine Chemotherapie nervenraubend ist und einen Patienten im wahrsten Sinne des Wortes zermürben kann, wenn man ihn nicht psychologisch unterstützt. Wie seine Person in diesem Artikel also schlecht dargestellt wird, ist absolut nicht hinnehmbar.

Prof. Michael Baum Interview (1/6) – Richard Dawkins

Und ja, das Interview dauert insgesamt eine Stunde, aber es lohnt sich – man erlebt nämlich etwas, was sonst im normalen sceptic-talk irgendwie nicht so aufleuchtet: Die Würde der Wissenschaft.

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Edit: „Jemand“ gegen Sebastian Reusch und den Link zu SciLogs ergänzt/rw

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