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Artikel Tagged ‘GEO’

Gesund leben und sterben

11. Januar 2012 18 Kommentare

Körper, Geist und Seele – der Gruner und Jahr Verlag ist anscheinend ganz besessen davon, mit seinen Publikationen auf diesen uralten Zug aufzuspringen. Speziell die Titelbilder der entsprechenden Publikationen lassen kein Klischee aus: was an abgedroschenen Phrasen schon 1000 mal gesagt und visualisiert wurde, wird hier zum 1001. mal wiedergekäut. Wir haben ja schon öfter mal Vorschläge zu etwas realistischeren Aufmachungen gemacht, z.B. bei GeoWissen.

Hier unser Gegenvorschlag, nicht ganz so sanftfühlend wellnessig. Medizin ist nun mal etwas, das dort anfängt, wo Selbstheilungskraft, positiv Denken und Kalendersprüche aufhören.

Und bevor Klagen kommen: Dieser Beitrag beschäftigt sich (noch) nicht mit dem Inhalt dieses Heftes, sondern nur dem Titel.

How much medicine is evidence-based?

26. September 2011 Keine Kommentare

A few weeks ago we noticed a claim in GEO, a German magazine, stating that only 40% of medicine were evidence-based. Since the article contained lots of errors (we blogged about its flaws) and no real source was given (apart from the allegation this was a quote from a former president of State Chambers of Physicians), we were inclined to dismiss the contention without further consideration.

But then we pondered the question and started digging. We found an official document on Evidence-Based Medicine and we discovered a website of the British Medical Journal dedicated to evidence based medicine supporting the claim.

Clinical Evidence

Clinical evidence for medicine

The BMJ Site displays a nice diagram showing that 51% of medicine were of unknown effectiveness! 51%. And another 15 percent were harmful/likely ineffective. We were flabbergasted. According to these figures, medicine(about 40% proven efficiacy) was not much better than alternative medicine(about 0% proven efficiacy).

 

 

A rate of unknown effectiveness of as much as 51% for medicine? Wow. We were stunned and decided to ask Professor Edzard Ernst about the BMJ page.

You probably know the following page: http://clinicalevidence.bmj.com/ceweb/about/knowledge.jsp
This overview isn’t exactly much to write home about. What is your opinion on this?
Isn’t it unfair to look down upon alternative methods when there is still so much unknown in medicine?

  • Firstly, the low percentage of proven treatments is partly due to the fact that this figure includes alternative medicine.
  • Secondly, the figure relates to all treatments even those that are very rarely used. If you look at the percentage of effective treatments that are actually in daily use, you arrive at figures around 80%.
  • Thirdly the process of applying science to medicine is relatively young – so we are looking at work in progress.
  • Fourthly, if one area is not optimal, this is no reason to allow another one to be even worse.

Alternative medicine is included in those figures? Well, ok, that explains a lot.

“By definition”, I begin
“Alternative Medicine”, I continue
“Has either not been proved to work,
Or been proved not to work.
You know what they call “alternative medicine”
That’s been proved to work?
Medicine.”

(Storm by Tim Minchin)

Wieviel Medizin ist evidenzbasiert?

26. September 2011 9 Kommentare

Vor einigen Wochen stolperten wir im GEO-Magazin über die Behauptung, dass nur 40 % der medizinischen Behandlungen evidenzbasiert seien. Da der Artikel viele Fehler enthielt (wir haben über die Mängel gebloggt) und keine echte Quelle angegeben war (abgesehen von der Behauptung, dass es sich um ein Zitat eines früheren Präsidenten der Bundesärztekammer handle), waren wir geneigt, die Aussage ohne weitere Betrachtung zu verwerfen.

Aber dann dachten wir über die Frage nach und begannen zu suchen. Wir fanden ein offizielles Dokument zu Evidenzbasierter Medizin und eine der Evidenzbasierten Medizin gewidmete Webseite des British Medical Journal, die beide diese Behauptung stützen.

Clinical Evidence

Klinische Evidenz für Medizin

Die BMJ-Seite enthält ein nettes Diagramm, das zeigt, dass die Wirksamkeit von 51 % der medizinischen Behandlungen unbekannt ist. 51 %. Weitere 15 % sind schädlich oder zumindest wahrscheinlich ineffektiv. Wir waren verblüfft. Nach diesen Zahlen wäre Medizin (etwa 40 % erwiesene Wirksamkeit) gar nicht soviel besser als Alternativmedizin (etwa 0 % erwiesene Wirksamkeit).

 

 

Ein Anteil von 51 % bei medizinischen Behandlungen mit unbekannter Wirksamkeit? Wow. Perplex fragten wir Professor Edzard Ernst:

Sie kennen vermutlich die folgende Seite:
http://clinicalevidence.bmj.com/ceweb/about/knowledge.jsp

Die Übersicht ist ja nicht gerade berauschend. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ist es nicht unfair auf alternative Methoden herunter zu blicken, wenn es noch solche Lücken in der Medizin gibt?

  • Erstens: Zum Teil beruht die niedrige Prozentzahl der Behandlungen mit bewiesener Wirksamkeit darauf, dass in dieser Übersicht auch die Alternativmedizin enthalten ist.
  • Zweitens enthält die Einschätzung alle medizinischen Behandlungen, auch solche, die nur selten angewendet werden. Betrachtet man die Prozente für effektive Behandlungen, die täglich angewendet werden, kommt man auf einen Wert von etwa 80 %.
  • Drittens ist der Prozess Wissenschaft auf Medizin anzuwenden noch relativ jung – wir betrachten da einen Vorgang, der noch lange nicht abgeschlossen ist.
  • Viertens, wenn ein Bereich nicht optimal ist, so ist das keine Rechtfertigung für einen anderen, noch schlechter zu sein.

Alternativmedizin ist in den Zahlen inkludiert? Na dann, das erklärt einiges.

“By definition”, I begin
“Alternative Medicine”, I continue
“Has either not been proved to work,
Or been proved not to work.
You know what they call “alternative medicine”
That’s been proved to work?
Medicine.”

(Storm von Tim Minchin)

GEO – Das Letzte.

29. August 2011 82 Kommentare

Nachdem schon Ulrich Berger in seinem „Kritisch Gedacht“-Blog auf die Apologie von Frau Thorbrietz eine vernünftige Antwort gegeben hat, hier auch von uns ein paar deutliche Worte hinterher:

           Liebe Frau Thorbrietz, werter Herr Schröder,

man erkennt Sie ja beide in Ihren Antworten auf die Entrüstung, die Ihr „einseitiger und tendenziöser Artikel“ heraufbeschworen hat, kaum wieder.

Plötzlich „propagiert GEO keine Esoterik oder ähnliches“, aber listet im Kasten Misteltherapie, Akupunktur, Cranberrysaft, Johanniskraut, Qigong, Hypnose, Yoga, Homöopathie unter solch nebelhaften Kategorien wie „GUT BELEGT, WIRKSAM, SANFT“, „BELIEBT, ABER UMSTRITTEN“ und „VIEL HOFFNUNG, WENIG EVIDENZ“ auf – was denken Sie eigentlich, was Ihr normaler Leser dabei denkt! Was liest der da? : „Nach Metaanalysen vieler kontrollierter Studien ist der Homöopathie-Effekt mehr als doppelt so hoch wie die allein durch ein Placebo erklärbare Genesung.“ Und wie wäre es mit der aktuellen Studie? Fehlanzeige. Naturwissenschaftliche Plausibilität? Fehlanzeige. Oh ja, Sie beeilen sich zu sagen: „Eine detaillierte Analyse und Bewertung kann so ein Übersichtskasten wie der in GEO nicht leisten.“ Aber doch vielleicht Sie? Als Wissenschaftsjournalisten?

„Wir sehen es aber als diskussionsfördernd, notwendig und journalistisch richtig an, die Grabenkämpfe innerhalb der medizinischen Weltanschauungen zu thematisieren.“ Ganz abgesehen von den tendenziösen Worten „Grabenkampf“ und „Weltanschauung“ – wo bitte wird eine Debatte thematisiert? Wer bekommt denn die Ehre, bei Ihnen an dieser Debatte (oder soll ich sagen controversy?) teilzunehmen? Zählt man die Personen einmal durch, sieht Ihre Debatte so aus: 12:1 für die Esoterik! Und Michael Baum lassen Sie ja wohl eher ein Eigentor schießen. Und alle lassen irgendetwas nettes über „alternative“ Medizin hören (auch ein Wort, von dem Sie sich geflissentlich distanzieren, nachdem Sie es hingeschrieben haben).

Kritische Stimmen der Wissenschaftler? Ja – gegen die wissenschaftliche Medizin, gegen double-blind-studies, gegen das Gesundheitssystem, gegen die „Tabletten“. Wie wäre es gewesen, mal einen eso-kritischen Wissenschaftler mit ins Boot zu nehmen? Aber der würde wohl in eine andere Richtung rudern, als in das Wunderland „jenseits von Grabenkampf und Ideologie“. Und das hätte zur Methode des Artikels schlecht gepasst.
„Aber das sind doch berechtigte Vorwürfe!“ würden Sie gern einwerfen. Und wo sind die berechtigten Vorwürfe gegen die Scharlatanerie? Ist „BELIEBT, ABER UMSTRITTEN“ eine klare Aussage? Ach ja, da haben wir doch: „“Am schlimmsten sind unbewiesene Krebstherapien“, von denen Sie übrigens die Misteltherapie auch mit „BELIEBT, ABER UMSTRITTEN“ durchwinken. Ist das wissenschaftliche Redlichkeit? Mit Ihnen als Schiedsrichter ist das Endergebnis 12:1.

Das ist symptomatisch für diesen schlüpfrigen und doppelbödigen Artikel: Dass Sie, wo Sie nur können, die Pseudomedizin aufbürsten, hübsch machen, paradieren lassen, dass Sie, wo Sie nur können, die wissenschaftliche Medizin im Schmuddellicht stehen lassen, wie hier:

„Jeder Zweite beklagte, dass die Schulmedizin oft nur die Symptome behandele und nicht die Ursachen von Krankheiten. Jeder Dritte kritisiert, dass „zu rasch starke Medikamente“ verschrieben würden und „zuwenig auf Nebenwirkungen geachtet“ werde.“

Na, da sind Sie ja wieder fein raus: Verantwortung abgeschoben – es ist ja nur eine Umfrage, Medizin angeschwärzt. Und der Leser sitzt, nickt gemütlich dazu und denkt sich: Alle sagen es, GEO sagt es, also ist mein Arzt ein Idiot.

Dass Sie völlig unreflektiert Eso-Phrasen kolportieren, bedarf eigentlich keines Kommentars mehr: „ganzheitliche Ansätze, die nicht nur auf Symptome abzielen, sondern auf das gesamte Befinden“ – ganz klar, wer hier Symptome behandelt, und wer den ganzen Menschen. „Das Beste beider Systeme vereinen“ Reicht 50:50? „Für eine medizinische Forschung und Praxis jenseits von Grabenkampf und Ideologie“ – Ideologie wie etwa die der „Schulmedizin“? „Der Brückenbau zwischen den Heilsystemen“ der Brückenbau ins Nichts? „Methoden, die sich über Jahrhunderte bewährt haben.“ – und deshalb keiner Prüfung bedürfen? „Paradigmenwechsel“ – kein Kommentar.

Liebe Frau Thorbrietz, werter Herr Schröder, der Artikel ist schon schlimm genug, wie er so dick und gemütlich auf der falschen Seite liegt. Aber dass Sie beide sich auch noch als unparteiische Vermittler, als gewissenhafte Interpreten der wissenschaftlichen Debatte darstellen wollen und dazu kein Mittel Ihrer professionellen Rhetorik scheuen, das ist, mit Verlaub: DAS LETZTE.

Die neue „Heilkunst“ bei GEO

3. August 2011 93 Kommentare

Als die GEO-Redaktion in den Urlaub gefahren ist, hat sie offenbar die Tür nicht abgeschlossen – denn anders kann man sich diesen plötzlichen Ausverkauf der journalistischen Ethik nicht erklären, mit dem sich das Magazin durch die Titelgeschichte „Die neue Heilkunst“ lächerlich gemacht hat. Dasselbe Blatt, das in seiner Rubrik „Geoskop“ dem Laien über ein neues Radioteleskop in China oder Antisemitismus in deutschen Städten berichtet, lässt eine denkbar ungeeignete Autorin einen Hurra-Artikel schreiben, durch den die Laien hinters Licht geführt werden. Also da sitzt man beim Frühstück, macht GEO auf und denkt: Nein, so kann man doch gar nicht in die Scheiße greifen! Der erste Absatz:

„Es sind nicht die Patienten, die zu entscheiden haben! Mit zornesrotem Kopf steht Michael Baum, Krebsforscher, am Rednerpult und verteidigt die traditionelle Sicht seiner Zunft. Gerade hat sich im Publikum eine junge Anwältin gemeldet und ein flammendes Plädoyer gehalten – gegen die Ignoranz der Onkologen! Während ihrer Brustkrebsbehandlung sei man nie auf ihre Beschwerden eingegangen. Erst als sie sich einen naturheilkundlichen Therapeuten suchte, sei es ihr viel besser gegangen.“
Alles Anekdoten, unwissenschaftliche Einzelbeobachtungen“ faucht der Experte …“

Da haben wir sie schon, die Marionetten der esoterischen Mehr…

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Endlich – ein seriöses Magazin schreibt Klartext!

19. November 2008 16 Kommentare

Geo-Wissen ist schon seit Jahren dafür bekannt, komplexes Wissen seriös und lesbar für den intelligenten Laien aufzubereiten. Zum Thema Alternative Medizin muss man die Redaktion beglückwünschen – sie haben die Situation und die Themen auf dem Titelbild auf den Punkt gebracht: „Alternativmedizin killt im Bedarfsfall, ansonsten ist sie überflüssig.

Leider ist das oben ein Fake, eine Wunschvorstellung. In Wirklichkeit gab es dieses Titelbild:

Rehäugig-sanfter Schwachsinn mit der alleinigen Aufgabe, das Heft an eine vermutete Zielgruppe der Rehäugig-Schwachsinnigen zu verkaufen. Dem Verlag scheint es nicht gut zu gehen.

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