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Eleganter Unsinn

22. Februar 2009 10 Kommentare


(für das Bild danke an www.wordle.net)

Nicht nur Scharlatane und Quacksalber bedienen sich mit Vorliebe einer Sprache, die beeindruckend klingt, aber inhaltlich völlig nichtssagend oder völliger Unsinn ist.

Legendär dazu ist Alan Sokals Artikel
„Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation“

Sokal ist ein New Yorker Physiker, der sich darüber geärgert hat, wie immer mehr eigentlich recht klar definierte Begriffe aus den Naturwissenschaften von anderen zur beliebigen Metaphernbildung missbraucht wurden. Legendär ist der Artikel, weil es deswegen sogar eine Sondernummer der Zeitschrift „Social Text“ gegeben hat. Keiner der Redakteure hat bemerkt, was er für einen furchtbaren Unsinn geschrieben hat.

Ein Schlusssatz aus dem Artikel:
„Die Lehre von Wissenschaft und Mathematik ist von ihrem autoritären und elitären Charakter zu befreien; und der Inhalt dieser Fächer muss durch das Einbeziehen der Erkenntnisse der feministischen, schwulen, multikulturellen und ökologischen Kritik bereichert werden.“

Dieser Satz nur um zu zeigen, dass es auch einem Fachfremden, normal intelligenten Menschen möglich gewesen wäre, den Unsinn zu erkennen. Schwule oder feministische Mathematik? Wie bitte?

Umso peinlicher für die Zeitschrift, als Sokal den Hoax aufdeckte.

Obwohl das Beispiel aus dem englischen Sprachraum kommt, scheinen gerade im deutschen Sprachraum sehr viele anfällig für nichtssagendes Geschwurbel zu sein. Möglich, das dieser Eindruck einer falschen Wahrnehmung entspringt, aber es gibt Indizien, das dem nicht so ist: Gerade im englischsprachigen Raum war die Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Texten nie ausgeprägt, ganz im Gegenteil galt es als Zeichen höchster Fähigkeit, Komplexes verständlich auszudrücken. Schon Darwins Texte sind wunderbar und klar zu lesen. Es gibt viele solcher Autoren, spontan fallen mir Oliver Sacks, Richard Dawkins, Carl Sagan, Steven J. Gould nur so als Beispiel ein.

Bei deutschsprachigen Autoren hat man des öfteren das Gefühl, dass sie ihr Werk als gescheitert sehen, sollte es ein Fachfremder je verstehen können. Die Kritik daran ist nicht neu, und für unsere zartbesaiteten Esos, die uns Polemik vorwerfen, mal ein kurzes Beispiel, was Schopenhauer über Hegel gesagt hat; die Bandagen waren schon damals hart:

„Hegel, von oben herunter zum großen Philosophen gestempelt, ein platter, geistloser, ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der, mit beispielloser Frechheit, Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, welche von seinen feilen Anhängern als unsterbliche Weisheit ausposaunt und von Dummköpfen richtig dafür genommen wurden, wodurch ein so völliger Chorus der Bewunderung entstand, wie man ihn nie zuvor vernommen hatte. Die einem solchen Menschen gewaltsam verschaffte, ausgebreitete geistige Wirksamkeit hat den intellektuellen Verderb einer ganzen gelehrten Generation zur Folge gehabt.“

Schopenhauer war zwar ein alter Griesgram, aber so Unrecht hatte er nicht. Hegel hat furchtbar geschwurbelt. Das hat nicht aufgehört, man tue sich nur mal dieses Interview mit Peter Sloterdijk an.

Da wird er dümmlich gefragt, warum er Peter als Vorname habe. Eine normale Antwort wäre: „Weil mich meine Eltern so genannt haben“. Bei ihm wird daraus: „Das drückt zunächst die Vollmacht des Namensgebers aus.“ Einem Schüler würde so eine Sprache in einem Aufsatz um die Ohren gehauen. Sagt es ein Philosoph, gilt sie als angemessen. Es ist allerdings ein Meisterstück, aus der schlichten Frage, wer ihm seinen Namen gab, ein breites Spekulationsfeld über „Namensgeber“, Vollmachten“ und vorläufige („zunächst“) Ausdrücke zu eröffnen. Es schaudert einem förmlich, stellt man sich diese Sprachmethode auf ernsthafte Themen angewendet vor.

Die Furcht, den Satz vom Kaiser zu sagen, dass er doch nackt ist, scheint sehr ausgeprägt.

Die Eigenschaft vieler Menschen, Unverständliches so zu interpretieren, dass sie einfach nur unfähig sind, es zu verstehen, ist eigentlich eine positive Eigenschaft die zeigt, dass man eigene Grenzen erkannt hat. Das Fiese daran ist, dass damit nicht nur harmlose Kulturphilosophen wie Sloterdijk, sondern auch Scharlatane aller Art spielen. Es ist ihre eigentliche Kunst, dem Anderen einzureden, er wäre blöd und unwissend.

Beispiele finden sich bei Esowatch zuhauf. Aktuell sei auf Dieter Broers verwiesen,der so erstaunliche Sätze wie „Steuerung mittels quantentheoretischer Wahrscheinlichkeitsamplituden, die aus dem Hyperraum projiziert werden“ von sich geben kann ohne rot zu werden.

Leute, lasst euch nicht verarschen. Klar, es gibt sehr komplexe Dinge, die wirklich nur schwer oder erst mal auch gar nicht zu begreifen sind und intensive Beschäftigung damit notwendig machen. Nur wird dies ein seriöser Autor auch zugeben. Es ist immer ein erkennbarer Unterschied, ob jemand versucht, Banales durch Schwurbelsprache zu tarnen, oder ob sich jemand bemüht, Komplexes möglichst verständlich zu beschreiben.

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