Über Wunderwirkungen des Alkohols bei Homöopathie und Peer Review


Im Februar 2010 erschien im ansonsten eher zweitrangigen Journal „International Journal of Oncology“ (Herausgeber ist der Grieche Professor Spandidos aus Athen) ein von Homöopathen gefeierter Artikel mit dem Titel Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells (Zytotoxische Effekte von ultrahoch verdünnten Heilmitteln auf Brustkrebszellen, Frenkel M, Mishra BM, Sen S, Yang P, Pawlus A, Vence L, Leblanc A, Cohen L, Banerji P, Banerji P. (2010). Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells. Int J Oncol. 2010 Feb;36(2):395-403. ). Der Text ist hier zu lesen.

Kurzgesagt behaupten die Autoren eine Wirksamkeit hochverdünnter (bis 10 hoch 400)  Nosoden (hergestellt aus dem Tumor von Brustkrebspatienten) und von pflanzlichen Mitteln. Die Wirksamkeit sei der des bekannten Zytostatikums Taxol ebenbürtig. Autoren sind Mitarbeiter und Pathologen einer „Integrative Medicine Program-Unit 145“ der University of Texas Anderson Cancer Center aus Houston, sowie indische Homöopathen einer „P. Banerji Homeopathic Research Foundation“ aus Kolkata (Kalkutta, Indien). Amerikanische Homöopathen waren sofort begeistert:

Homeopathy as good as chemotherapy for breast cancer.

(Homöopathie so wirksam bei Brustkrebs wie eine Chemotherapie). Auch die Homöopathie-freundliche Organisation von Prinz Charles lobte die Arbeit:

For instance, in this month’s International Journal of Oncology, the lead scientist from one of the most reputable cancer centres in the world has confirmed the ability of four homeopathic remedies to bring about programmed cell death in breast cancer cell lines in the laboratory.

Buchautor Ralph W Moss sprach von einem „Meilenstein“

A landmark paper on homeopathy and cancer has appeared in the February 2010 issue of the International Journal of Oncology… I think the real question is whether science is a set of dogmatic „facts“ determining in advance what is possible or impossible, or a methodology for rigorously testing hypotheses and following the data wherever it leads. I applaud Moshe Frenkel, Lorenzo Cohen, and their coworkers for taking the second path. To me, they have performed a great service to science, at considerable personal risk to their own careers.

und bezogen auf Kritiker der Studie wurde er Hamlet-hobbyphilosophisch:

They have trouble stretching their minds and imagining that there are other possible explanations for the action of homeopathic remedies—in other words, there are more things in heaven and earth than are dreamt of in their philosophy. (http://www.cancerdecisions.com/content/view/415/72/lang,english/)

Und nach dieser so überzeugenden Arbeit müsste auch Benevistes Wassergedächtnis neu belebt werden:

One such innovative theory is of „water memory,“ which was proposed by the French scientist Jacques Benveniste to explain the purported therapeutic powers of homeopathic remedies (Benveniste 1994). With this MDA publication, open-minded scientists may need to revisit Benveniste’s original claims.

Was ist nun dran an dieser nobelpreisträchtigen Entdeckung? Dieser Frage gingen mehrere englischsprachige Blogs nach:
http://scienceblogs.com/insolence/2010/03/a_homeopathic_bit_of_breast_cancer_scien.php

http://scepticsbook.com/2010/02/14/a-giant-leap-in-logic-from-a-piece-of-bad-science/

Darunter auch mindestens ein Krebsforscher. In der Studie kamen Carcinosin, 30C; Conium maculatum, 3C (gefleckter Schierling); Phytolacca decandra, 200C (giftige Kermesbeere) und Thuja occidentalis, 30C zum Einsatz.  Erinnern wir uns: C ist die centesimal Verdünnung also jeweils 1:100 (D ist dezimal 1:10). Die C3 als niedrigste Potenz ist also eine D6 (1:1 Million). Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde diskutiert ob man es überhaupt schafft, eine D6 zu übertreffen. Die Firma Madaus forschte zu dieser Frage. Denn bei jedem Verdünnungsschritt bleiben Moleküle oder Atome an der Glaswand haften und verfälschen bei immer höheren Verdünnungen die Konzentrationsangabe. Wie dem auch sei, ab D23 ist die Avogadro’sche Zahl erreicht. Ein Molekül eines Zellgiftes kann aber in der Theorie nur eine Zelle abtöten. Hier geht’s um bis zu C200 ! (10 hoch 400)

Die in der ansprechend aufgemachten Studie erkennbaren Unzulänglichkeiten, was die Datendokumentation und Datenpräsentation betraf, waren jedoch so gravierend, dass einer der Blogger das Weiterlesen schon abbrechen wollte. Es zeigte sich, dass die Arbeit keineswegs eine zytotoxische Wirksamkeit von Homöopathika auf Krebszellen belegte. Petrischalen-Ergebnisse sind nur sehr bedingt auf den komplexen Organismus Mensch zu übertragen. Angaben zu Unterschieden in den verwendeten Lösungsmitteln waren für den Leser verwirrend. Merkwürdigerweise erwähnen die Autoren Unterschiede bei den Lösungsmitteln, und zwar bei der Untersuchung mit der HPLC-Chromatographie:

All four remedies had very similar HPLC chromatograms to each other, with only trace amounts of limited number of peaks. They were not significantly distinct from the solvent and they lacked the distinct peak seen in the solvent.

Dies deutet auf Unterschiede hin. Leider werden die HPLC-Kurven nicht gezeigt. Dieser Punkt erlaubt schließlich einen plausiblen Ockham-Schluss: das verwendete verdünnte (1%ig und 1 Promill) Lösungsmittel der indischen Heilmittel mit 87% igem Alkohol sowie des Vergleichs-Nullmittels mit Alkohol übten offenbar einen zellschädigen Effekt aus. Der hochprozentige Alkohol schien die Experimentatoren so vernebelt zu haben, dass sie eine zwingend notwendige statistische Aufarbeitung der Daten, die zu den Wahrscheinlichkeitsaussagen herangezogen wurden, einfach vergaßen. Sie hätte (nach grobem Augenmaß der gezeigten Grafiken bei fehlenden Datenangaben) auch wahrscheinlich keine signifikanten Unterschiede gezeigt. Merkwürdigerweise gingen auch zahlreiche Zellen unter, die nur mit dem „Null-Lösungsmittel“ in Kontakt kamen.

Wieso diese unzulängliche Untersuchung ins Journal kam und den peer review Prozess unbeschadet überstand weiß man nicht. Vielleicht war hier beim review wieder etwas hochprozentiges im Spiel.

6 Gedanken zu „Über Wunderwirkungen des Alkohols bei Homöopathie und Peer Review“

  1. Soooo, hab mal kurz den Cookie-Blocker für eure Cookie-verseuchte Blogsite rausgenommen, um doch mal was zu schreiben (ziemlich viele Daten werden hier übrigens von denen gesammelt, die auf Anonymität so viel Wert legen).

    Jetzt mein Anliegen: Was ist so schön an der heutigen Wissenschaft mit ihren Studien? Die Bliebigkeit. Man findet in jeder Studie ein paar „Fehler“, die das ganze als falsch entlarven.

    Good news für euch: Ihr werdet immer Recht behalten 😛

  2. cookie verseuchte seite ? also ich sehe nur ein cookie… der dieser seite zugehört. wenn du vorher woanders warst und deine cookies nicht am ende der session gelöscht werden dann gehören sie zu anderen seiten… mal nur richtig hinschauen.
    mit der beliebigkeit scheint aber eher umgekehrt zu sein… der Jörg Wipplinger gibt das recht gut wieder 😉
    http://diewahrheit.at/video/das-geheimnis-der-esoterik#menu

  3. Ich hab sogar ganze 4 Cookies weil ich dauerhaft angemeldet bin. Sehr verseucht 😉

    Fehler in Studien zu Finden ist ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Arbeit. Das schützt eben auch vor Falschinformationen.

  4. aber das sind typische eso allüren… in jedem gebiet, von denen sie keine ahnung haben immer schön mitreden wollen. jetzt scheint es auch schon die informatik zu betreffen.
    ich möchte mich hier wirklich nicht darüber auslassen wo so mancher link hinführt und was so manch ein script auf so mancher eso seite tut 😉 wo zu denn auch ? wo zu sollte ich einem esoteriker diese infos zugänglich machen ? da sehe ich absolut keine notwendigkeit. eher im gegenteil. sollen sie an werbung ersticken *grins

  5. Jetzt mein Anliegen: Was ist so schön an der heutigen Wissenschaft mit ihren Studien? Die Bliebigkeit. Man findet in jeder Studie ein paar “Fehler”, die das ganze als falsch entlarven.

    Good news für euch: Ihr werdet immer Recht behalten 😛

    Das Typische an solchem Stammtischgeschwätz ist, etwas ohne wirkliche Ahnung nieder zu machen, um im Gegenzug dazu keinerlei Alternative anbieten zu können.

    Immer nach dem Motto: Weil Menschen irren oder betrügen können, ist alles falsch. Und das verbreitet man am bestem über das Internet, welches genau auf solcher Forschung beruht.

    Möge der Geist der Reflektion über solche Leute kommen …

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