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Artikel Tagged ‘Brustkrebs’

Jim Humbles tödliche Geschäfte

6. Juni 2014 44 Kommentare
Adrian Jones: Freut sich, mit tödlichen Ratschlägen Geld zu verdienen.

Adrian Jones: Freut sich, mit tödlichen Ratschlägen Geld zu verdienen.

Der Jim Humble Verlag

Über Jim Humble und sein MMS haben wir oft berichtet, wie auch im letzten Blogartikel. Dazu noch eine „unbedingte“ Anseh-Empfehlung: Kontraste: Ätzende Alternativmedizin – Angebliche Wundermittel gefährden Patienten. Das „unbedingt“ in Anführungszeichen, da man eine Kotztüte bereit halten sollte. Die lebensgefährlichen Ratschläge, die die Journalisten von Jim Humble und Andreas Kalcker erhalten, lassen einem die Haare zu Berge stehen.

Es wird auch über die bei uns schon dokumentierte Einlauf-Folter von autistischen Kindern berichtet; im Bericht haben offenbar auch schon einige Darmverätzungen davongetragen.

Die Eltern sind trotzdem begeistert: seit sie das machen, stehen die Kinder brav „bei Fuß“ und rennen nicht mehr munter umher. Wie merkwürdig muss man drauf sein, wenn man kleinen Kindern die Bedeutung von Begriffen wie Folter und (elterlichem) Terror beigebracht hat und das auch noch als Erfolg wertet?

Was weniger bekannt ist (im Bericht allerdings auch thematisiert wird): Der selbsternannte Bischof promotet in seinem Verlag auch “schwarze Salbe” (Adrian Jones: Schwarze Salbe, das natürliche Skalpell).

Was in Jim Humbles Kopf vorgeht, darüber kann man spekulieren; was medizinisches Wissen angeht, kann man aufgrund der Interviews davon ausgehen, dass es gegen Null tendiert. Aber eines drängt sich auf: er scheint ein pervers-sadistisches Interesse daran zu haben, andere leiden und sterben zu sehen.

Schwarze Salbe

Als wären die Heilsversprechen durch MMS nicht schon absurd genug, soll die “Schwarze Salbe” gegen Brustkrebs helfen. Hier wird es wirklich tödlich. Nimmt man MMS in genügender Verdünnung ein, ist es bestenfalls völlig wirkungslos, ansonsten wird es einem schlecht, zerstört u.U. einige DNA-Stränge und langfristig die Nieren nebst anderer Kleinigkeiten – man stirbt nur selten unmittelbar daran. Man muss ja bei solchen Quacksalbereien bescheiden und schon mit wenig zufrieden sein. Mehr…

Blinde Frauen in der Brustkrebsdiagnostik

30. Januar 2012 2 Kommentare

Die österreichische Zeitung Der Standard hat gestern ein sehr spannendes Interview mit dem Gynäkologen Dr. Frank Hoffmann online gestellt, der in der Brustkrebsdiagnostik tätig ist und eine verblüffend einfache und hochinteressante Idee hatte:

Warum nicht die Abtastung der Brust zur Erkennung von Knoten durch blinde Frauen durchführen lassen? Blinde haben einen ausgeprägteren Tastsinn (teilweise zumindest, siehe z.B. Tactile acuity is enhanced in blindness. ) und sollten daher nach Ausbildung besser darin sein als Ärzte. Soweit die Idee.

Laut Artikel und Webseite hat sich die Methodik in den letzten Jahren in einem Pilotprojekt und darüber hinaus bewährt, und der in diesem Sinne neu geschaffene Berufsstand der Medizinischen Tastuntersucherin (MTU) ist bereits erfolgreich im Einsatz. 14 blinde Frauen sind in Deutschland angestellt oder freischaffend unterwegs.

Um die Untersuchung nachvollziehbar und beschreibbar zu machen, wurde ein Verfahren entwickelt, das jeden Punkt der Brust bezeichnet. Dadurch kann die Untersucherin die Position des Knotens exakt nennen und Missverständnisse werden vermieden. Es ist wohl wichtig zu betonen, dass diese Untersuchung andere Formen der Diagnostik wie Ultraschall und die Mammographie nicht ersetzen soll, nur die Abtastungsuntersuchung wird damit verbessert. Verantwortlich bleibt der Arzt. Ärzte, die meist nur wenige Minuten Zeit für die Untersuchung haben, erklärt Dr. Hoffmann, entdecken Knoten ab einer Größe von ca. 1,5 cm. Die blinden Untersucherinnen aber schon ab sechs bis acht mm.

Sehr spannend.

Wir sind da allerdings immer etwas skeptisch. Die Idee an sich klingt durchaus plausibel, uns fehlen aber die überprüfbaren Zahlen. Wir würden uns eine unabhängige Studie zum Thema wünschen, z.B.: Ärzte, Sehende, Frauen, die sich selbst untersucht haben und Blinde Untersucherinnen zum Vergleich. Interessant wäre zu ermitteln, welchen Einfluss die Blindheit auf die taktilen Fähigkeiten in dem Bereich hat. Wieviel Einfluss hat die Spezialisierung auf die Untersuchung bzw. welchen Anteil hat die Ausbildung der MTUs an ihrer Quote. Auch die Dauer der Untersuchung ist interessant. Welchen Einfluss hat die „Extrazeit“, die sich die MTUs für die Patientin nehmen können?

Mehr erfährt man zu diesem Projekt auf der Webseite discovering hands und im erwähnten Interview.

Hier ein Video, in dem der Arzt seine Methodik beschreibt:

Ein bisschen „homöopathische“ Brustkrebsforschung, oder: Wer hätte gedacht, dass Alkohol so giftig ist?

13. März 2010 5 Kommentare

Der vorletzte Blog hat sich bereits mit diesem Thema befasst, und wir hatten darin schon auf Oracs Blog verwiesen. Auf mehrfachen Wunsch haben wir den Artikel übersetzt. Orac ist Fachmann zu dem Thema – er forscht an Brustkrebs und arbeitet mit gleichen Zellinien, die in der kritisierten Studie verwendet werden.

(Dieser Artikel ist von Orac übernommen. Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis von Orac)

Homöopathen sind lästig.

Sie sind lästig aus mehreren Gründen. Der erste ist ihr magisches Denken, und, machen wir uns nichts vor, ihr Denken ist reine Magie, und zwar Analogie-Magie. Das ist alles, was hinter dem Simile Prinzip steckt. Normalerweise sagt es aus, dass „Gleiches Gleiches hervorruft“, aber die Homöopathie dreht das herum und behauptet, das gelte nur für normale Konzentrationen, und wäre bei hohen Verdünnungen genau umgekehrt. Irgendwie würde der magische Vorgang des heftigen Schüttelns bei jeder Verdünnung das Mittel dazu befähigen, das zu heilen was es normalerweise hervorruft. Wissenschaftler wissen natürlich, das dieses ganze Schütteln und Verdünnen Quatsch ist, wenn man bedenkt, dass eine typische homöopathische C30 Zubereitung eine Substanz so verdünnt, dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass auch nur ein Molekül übrig bleibt.

Dies bringt uns zum zweiten magischen Prinzip, das hinter der Homöopathie steckt: Das Gesetz der Ansteckung, das besagt, dass Dinge, die mal Kontakt hatten, weiter aufeinander wirken wenn der Kontakt beendet ist. Die perfekte Verkörperung davon ist das behauptete „Wassergedächtnis“, mit dem die Homöopathen sich um die Tatsache herummogeln wollen, dass ihre Zubereitungen kein einziges Molekül Wirkstoff enthalten. Irgendwie soll das Wasser sich „erinnern“, dass es mit dem Wirkstoff Kontakt hatte und auf magische Weise vergessen, mit was es sonst noch Kontakt hatte, wie Fäkalien, Lebensmitteln und allem anderen. Denn Wasserfälle und andere natürliche Prozesse schütteln das Wasser nicht genau so gut.

Besonders lästig an den Homöopathen ist aber, dass Sie so fest an ihre Magie glauben, dass Sie immer wieder versuchen, die Wissenschaft zu missbrauchen um ihren Glauben zu „beweisen“. Kürzlich flatterte mir eine neue Studie ins Haus die beweisen soll, dass ihr Unsinn funktioniert:

Frenkel M, Mishra BM, Sen S, Yang P, Pawlus A, Vence L, Leblanc A, Cohen L, Banerji P, Banerji P. (2010). Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells. Int J Oncol. 2010 Feb;36(2):395-403

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Über Wunderwirkungen des Alkohols bei Homöopathie und Peer Review

10. März 2010 6 Kommentare


Im Februar 2010 erschien im ansonsten eher zweitrangigen Journal „International Journal of Oncology“ (Herausgeber ist der Grieche Professor Spandidos aus Athen) ein von Homöopathen gefeierter Artikel mit dem Titel Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells (Zytotoxische Effekte von ultrahoch verdünnten Heilmitteln auf Brustkrebszellen, Frenkel M, Mishra BM, Sen S, Yang P, Pawlus A, Vence L, Leblanc A, Cohen L, Banerji P, Banerji P. (2010). Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells. Int J Oncol. 2010 Feb;36(2):395-403. ). Der Text ist hier zu lesen.

Kurzgesagt behaupten die Autoren eine Wirksamkeit hochverdünnter (bis 10 hoch 400)  Nosoden (hergestellt aus dem Tumor von Brustkrebspatienten) und von pflanzlichen Mitteln. Die Wirksamkeit sei der des bekannten Zytostatikums Taxol ebenbürtig. Autoren sind Mitarbeiter und Pathologen einer „Integrative Medicine Program-Unit 145“ der University of Texas Anderson Cancer Center aus Houston, sowie indische Homöopathen einer „P. Banerji Homeopathic Research Foundation“ aus Kolkata (Kalkutta, Indien). Amerikanische Homöopathen waren sofort begeistert:

Homeopathy as good as chemotherapy for breast cancer.

(Homöopathie so wirksam bei Brustkrebs wie eine Chemotherapie). Auch die Homöopathie-freundliche Organisation von Prinz Charles lobte die Arbeit:

For instance, in this month’s International Journal of Oncology, the lead scientist from one of the most reputable cancer centres in the world has confirmed the ability of four homeopathic remedies to bring about programmed cell death in breast cancer cell lines in the laboratory.

Buchautor Ralph W Moss sprach von einem „Meilenstein“

A landmark paper on homeopathy and cancer has appeared in the February 2010 issue of the International Journal of Oncology… I think the real question is whether science is a set of dogmatic „facts“ determining in advance what is possible or impossible, or a methodology for rigorously testing hypotheses and following the data wherever it leads. I applaud Moshe Frenkel, Lorenzo Cohen, and their coworkers for taking the second path. To me, they have performed a great service to science, at considerable personal risk to their own careers.

und bezogen auf Kritiker der Studie wurde er Hamlet-hobbyphilosophisch:

They have trouble stretching their minds and imagining that there are other possible explanations for the action of homeopathic remedies—in other words, there are more things in heaven and earth than are dreamt of in their philosophy. (http://www.cancerdecisions.com/content/view/415/72/lang,english/)

Und nach dieser so überzeugenden Arbeit müsste auch Benevistes Wassergedächtnis neu belebt werden:

One such innovative theory is of „water memory,“ which was proposed by the French scientist Jacques Benveniste to explain the purported therapeutic powers of homeopathic remedies (Benveniste 1994). With this MDA publication, open-minded scientists may need to revisit Benveniste’s original claims.

Was ist nun dran an dieser nobelpreisträchtigen Entdeckung? Dieser Frage gingen mehrere englischsprachige Blogs nach:
http://scienceblogs.com/insolence/2010/03/a_homeopathic_bit_of_breast_cancer_scien.php

http://scepticsbook.com/2010/02/14/a-giant-leap-in-logic-from-a-piece-of-bad-science/

Darunter auch mindestens ein Krebsforscher. In der Studie kamen Carcinosin, 30C; Conium maculatum, 3C (gefleckter Schierling); Phytolacca decandra, 200C (giftige Kermesbeere) und Thuja occidentalis, 30C zum Einsatz.  Erinnern wir uns: C ist die centesimal Verdünnung also jeweils 1:100 (D ist dezimal 1:10). Die C3 als niedrigste Potenz ist also eine D6 (1:1 Million). Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde diskutiert ob man es überhaupt schafft, eine D6 zu übertreffen. Die Firma Madaus forschte zu dieser Frage. Denn bei jedem Verdünnungsschritt bleiben Moleküle oder Atome an der Glaswand haften und verfälschen bei immer höheren Verdünnungen die Konzentrationsangabe. Wie dem auch sei, ab D23 ist die Avogadro’sche Zahl erreicht. Ein Molekül eines Zellgiftes kann aber in der Theorie nur eine Zelle abtöten. Hier geht’s um bis zu C200 ! (10 hoch 400)

Die in der ansprechend aufgemachten Studie erkennbaren Unzulänglichkeiten, was die Datendokumentation und Datenpräsentation betraf, waren jedoch so gravierend, dass einer der Blogger das Weiterlesen schon abbrechen wollte. Es zeigte sich, dass die Arbeit keineswegs eine zytotoxische Wirksamkeit von Homöopathika auf Krebszellen belegte. Petrischalen-Ergebnisse sind nur sehr bedingt auf den komplexen Organismus Mensch zu übertragen. Angaben zu Unterschieden in den verwendeten Lösungsmitteln waren für den Leser verwirrend. Merkwürdigerweise erwähnen die Autoren Unterschiede bei den Lösungsmitteln, und zwar bei der Untersuchung mit der HPLC-Chromatographie:

All four remedies had very similar HPLC chromatograms to each other, with only trace amounts of limited number of peaks. They were not significantly distinct from the solvent and they lacked the distinct peak seen in the solvent.

Dies deutet auf Unterschiede hin. Leider werden die HPLC-Kurven nicht gezeigt. Dieser Punkt erlaubt schließlich einen plausiblen Ockham-Schluss: das verwendete verdünnte (1%ig und 1 Promill) Lösungsmittel der indischen Heilmittel mit 87% igem Alkohol sowie des Vergleichs-Nullmittels mit Alkohol übten offenbar einen zellschädigen Effekt aus. Der hochprozentige Alkohol schien die Experimentatoren so vernebelt zu haben, dass sie eine zwingend notwendige statistische Aufarbeitung der Daten, die zu den Wahrscheinlichkeitsaussagen herangezogen wurden, einfach vergaßen. Sie hätte (nach grobem Augenmaß der gezeigten Grafiken bei fehlenden Datenangaben) auch wahrscheinlich keine signifikanten Unterschiede gezeigt. Merkwürdigerweise gingen auch zahlreiche Zellen unter, die nur mit dem „Null-Lösungsmittel“ in Kontakt kamen.

Wieso diese unzulängliche Untersuchung ins Journal kam und den peer review Prozess unbeschadet überstand weiß man nicht. Vielleicht war hier beim review wieder etwas hochprozentiges im Spiel.

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