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Artikel Tagged ‘Jacques Benveniste’

Ig-Nobelpreis 2013

13. September 2013 3 Kommentare
Der Stinker -offizielles Maskottchen des Ig-Nobelpreises

Der Stinker – offizielles Maskottchen des Ig-Nobelpreises

Gestern Abend war es wieder soweit, der Ig-Nobelpreis wurde zum 23. Mal in mehreren Kategorien vergeben. Wer es nicht kennt: es handelt sich um eine Parodie auf den echten Nobelpreis, bei dem „spezielle“ Erfolge im wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Bereich gewürdigt werden.

Ig kommt von „ignoble“: unwürdig, schmachvoll, schändlich und bezeichnet damit einen Preis, den man eigentlich nicht haben möchte. Hier ist anzumerken, dass das nicht unbedingt stimmt, der Preis wird häufig persönlich entgegengenommen.

Es wurden zwar zum Teil echte Helden der Pseudowissenschaft „gewürdigt“, wie z.B. Jacques Benveniste für seine Behauptung, dass Wasser intelligent sei und Erinnerungen habe (und später, dass es diese sogar übers Telefon weitergeben kann) oder Bestsellerautor Erich von Däniken für seine Schwurbeleien über uralte Astronauten aus dem Weltall, aber auch echte Forschung, die einfach nur lustige Themen hatte, wird immer wieder geehrt.

Das muss man auch als Kritikpunkt am Preis an sich sehen, dass hier Dinge vermengt werden, die nicht zusammen gehören. Auch wenn man vielleicht bei Forschungsergebnissen, dass Schimpansen ihre Artgenossen anhand von Fotos von deren Hintern identifizieren können die Augenbrauen hochzieht, ist es doch Wissenschaft.

Nicht immer, aber manchmal haben diese seltsamen Forschungsergebnisse auch praktische Auswirkungen. Die ebenfalls mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeichnete Erkenntnis, dass Malaria übertragende Moskitos Limburger Käse genauso mögen wie den Geruch menschlicher Füße, war nützlich für die Entwicklung besserer Moskito-Fallen.

Pseudowissenschaft dagegen schafft keine Erkenntnisse, sie dient nur dazu, das entsprechende Glaubenssystem zu bestätigen und zu verfestigen.

Daher sollten diese Dinge, auch scherzhaft, besser nicht vermengt werden.

Trotz dieser Kritik ist es ein phantastischer Preis, der jedes Jahr von echten Nobelpreisträgern vergeben wird. Und auch dieses Jahr sind wieder lustige Dinge dabei: Mehr…

Ig-Nobelpreis 2011

1. Oktober 2011 1 Kommentar

Vorgestern fand, wie jedes Jahr seit 1991, die Verleihung des hochbegehrten Ig-Nobelpreises statt. Preisträger sind üblicherweise Personen, die entweder ziemlichen Unsinn verzapft haben, oder deren Forschung sehr skurril ist/wirkt. Die Bandbreite reicht dabei von himmelschreiendem Double-Facepalm von:

  • Jacques Benvenistes „Nachweis“, dass Wasser ein Gedächtnis hat (Ig-Nobelpreis 1991) und seine Erinnerungen sogar über Telefon oder Internet kommunizieren kann (Ig-Nobelpreis 1998)

über lebensgefährlichen Blödsinn von

  • Jasmuheen aka Ellen Greve, die ein Buch darüber geschrieben hat, dass man von Lichtnahrung leben könne,

über skurrile und durchaus lesenswerte Arbeiten wie:

bis hin zu Forschung, die in der Folge Leben rettete:

  • „On human odour, malaria mosquitoes, and Limburger cheese“, eine Studie die feststellte, dass sich Malaria übertragende Mücken im gleichen Maß vom Geruch von Limburger Käse wie dem menschlicher Füße angezogen fühlen und damit Wissen generierte, das für „bessere Mückenfallen“ genutzt werden konnte.

Man darf nicht vergessen, auch skurriles Wissen ist Wissen. Den echten Wissenschaftlern unter den Preisträgern möchten wir unseren Dank für amüsante Forschung sagen und hoffen, dass sie die Ehrung mit Humor nehmen (Was einige durch persönliche Annahme des Preises auch getan haben). Den anderen möchten wir diesen schönen Link schenken. Sie können immerhin noch als abschreckendes Beispiel dienen.

Eine Liste der aktuellen Preise findet man nebenan auf den Scienceblogs, eine Liste aller Preisträger auf der Improbable Research Homepage. Hier noch die köstliche Aufzeichnung der natürlich absolut bierernsten Verleihung auf YouTube: (Anm.: Die ersten ca. 10 Minuten enthalten ein Standbild vor Beginn der Veranstaltung)

Über Wunderwirkungen des Alkohols bei Homöopathie und Peer Review

10. März 2010 6 Kommentare


Im Februar 2010 erschien im ansonsten eher zweitrangigen Journal „International Journal of Oncology“ (Herausgeber ist der Grieche Professor Spandidos aus Athen) ein von Homöopathen gefeierter Artikel mit dem Titel Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells (Zytotoxische Effekte von ultrahoch verdünnten Heilmitteln auf Brustkrebszellen, Frenkel M, Mishra BM, Sen S, Yang P, Pawlus A, Vence L, Leblanc A, Cohen L, Banerji P, Banerji P. (2010). Cytotoxic effects of ultra-diluted remedies on breast cancer cells. Int J Oncol. 2010 Feb;36(2):395-403. ). Der Text ist hier zu lesen.

Kurzgesagt behaupten die Autoren eine Wirksamkeit hochverdünnter (bis 10 hoch 400)  Nosoden (hergestellt aus dem Tumor von Brustkrebspatienten) und von pflanzlichen Mitteln. Die Wirksamkeit sei der des bekannten Zytostatikums Taxol ebenbürtig. Autoren sind Mitarbeiter und Pathologen einer „Integrative Medicine Program-Unit 145“ der University of Texas Anderson Cancer Center aus Houston, sowie indische Homöopathen einer „P. Banerji Homeopathic Research Foundation“ aus Kolkata (Kalkutta, Indien). Amerikanische Homöopathen waren sofort begeistert:

Homeopathy as good as chemotherapy for breast cancer.

(Homöopathie so wirksam bei Brustkrebs wie eine Chemotherapie). Auch die Homöopathie-freundliche Organisation von Prinz Charles lobte die Arbeit:

For instance, in this month’s International Journal of Oncology, the lead scientist from one of the most reputable cancer centres in the world has confirmed the ability of four homeopathic remedies to bring about programmed cell death in breast cancer cell lines in the laboratory.

Buchautor Ralph W Moss sprach von einem „Meilenstein“

A landmark paper on homeopathy and cancer has appeared in the February 2010 issue of the International Journal of Oncology… I think the real question is whether science is a set of dogmatic „facts“ determining in advance what is possible or impossible, or a methodology for rigorously testing hypotheses and following the data wherever it leads. I applaud Moshe Frenkel, Lorenzo Cohen, and their coworkers for taking the second path. To me, they have performed a great service to science, at considerable personal risk to their own careers.

und bezogen auf Kritiker der Studie wurde er Hamlet-hobbyphilosophisch:

They have trouble stretching their minds and imagining that there are other possible explanations for the action of homeopathic remedies—in other words, there are more things in heaven and earth than are dreamt of in their philosophy. (http://www.cancerdecisions.com/content/view/415/72/lang,english/)

Und nach dieser so überzeugenden Arbeit müsste auch Benevistes Wassergedächtnis neu belebt werden:

One such innovative theory is of „water memory,“ which was proposed by the French scientist Jacques Benveniste to explain the purported therapeutic powers of homeopathic remedies (Benveniste 1994). With this MDA publication, open-minded scientists may need to revisit Benveniste’s original claims.

Was ist nun dran an dieser nobelpreisträchtigen Entdeckung? Dieser Frage gingen mehrere englischsprachige Blogs nach:
http://scienceblogs.com/insolence/2010/03/a_homeopathic_bit_of_breast_cancer_scien.php

http://scepticsbook.com/2010/02/14/a-giant-leap-in-logic-from-a-piece-of-bad-science/

Darunter auch mindestens ein Krebsforscher. In der Studie kamen Carcinosin, 30C; Conium maculatum, 3C (gefleckter Schierling); Phytolacca decandra, 200C (giftige Kermesbeere) und Thuja occidentalis, 30C zum Einsatz.  Erinnern wir uns: C ist die centesimal Verdünnung also jeweils 1:100 (D ist dezimal 1:10). Die C3 als niedrigste Potenz ist also eine D6 (1:1 Million). Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde diskutiert ob man es überhaupt schafft, eine D6 zu übertreffen. Die Firma Madaus forschte zu dieser Frage. Denn bei jedem Verdünnungsschritt bleiben Moleküle oder Atome an der Glaswand haften und verfälschen bei immer höheren Verdünnungen die Konzentrationsangabe. Wie dem auch sei, ab D23 ist die Avogadro’sche Zahl erreicht. Ein Molekül eines Zellgiftes kann aber in der Theorie nur eine Zelle abtöten. Hier geht’s um bis zu C200 ! (10 hoch 400)

Die in der ansprechend aufgemachten Studie erkennbaren Unzulänglichkeiten, was die Datendokumentation und Datenpräsentation betraf, waren jedoch so gravierend, dass einer der Blogger das Weiterlesen schon abbrechen wollte. Es zeigte sich, dass die Arbeit keineswegs eine zytotoxische Wirksamkeit von Homöopathika auf Krebszellen belegte. Petrischalen-Ergebnisse sind nur sehr bedingt auf den komplexen Organismus Mensch zu übertragen. Angaben zu Unterschieden in den verwendeten Lösungsmitteln waren für den Leser verwirrend. Merkwürdigerweise erwähnen die Autoren Unterschiede bei den Lösungsmitteln, und zwar bei der Untersuchung mit der HPLC-Chromatographie:

All four remedies had very similar HPLC chromatograms to each other, with only trace amounts of limited number of peaks. They were not significantly distinct from the solvent and they lacked the distinct peak seen in the solvent.

Dies deutet auf Unterschiede hin. Leider werden die HPLC-Kurven nicht gezeigt. Dieser Punkt erlaubt schließlich einen plausiblen Ockham-Schluss: das verwendete verdünnte (1%ig und 1 Promill) Lösungsmittel der indischen Heilmittel mit 87% igem Alkohol sowie des Vergleichs-Nullmittels mit Alkohol übten offenbar einen zellschädigen Effekt aus. Der hochprozentige Alkohol schien die Experimentatoren so vernebelt zu haben, dass sie eine zwingend notwendige statistische Aufarbeitung der Daten, die zu den Wahrscheinlichkeitsaussagen herangezogen wurden, einfach vergaßen. Sie hätte (nach grobem Augenmaß der gezeigten Grafiken bei fehlenden Datenangaben) auch wahrscheinlich keine signifikanten Unterschiede gezeigt. Merkwürdigerweise gingen auch zahlreiche Zellen unter, die nur mit dem „Null-Lösungsmittel“ in Kontakt kamen.

Wieso diese unzulängliche Untersuchung ins Journal kam und den peer review Prozess unbeschadet überstand weiß man nicht. Vielleicht war hier beim review wieder etwas hochprozentiges im Spiel.

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