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Strom aus Wind und Sonne

11. Oktober 2011 37 Kommentare

Da der vorhergehende Artikel zur Stromversorgung Deutschlands hitzige Kommentare im Forum zur Folge hatte, hier ein paar weitere Daten zum Thema. Ein Poster im Forum hat uns auf ein interessantes, aktuelles Dokument zum Thema aufmerksam gemacht. Da es qualitativ besser ist, als die Zahlen die wir angenommen haben, haben wir entschieden, es als Basis dieses Eintrags zu nehmen. Die Arbeit beleuchtet die notwendigen Speicherkapazitäten, um Europa nur mit Energie aus Sonne und Wind zu versorgen.

Ein paar Basisdaten: Deutschland verfügt zur Zeit in Summe über eine Speicherkapazität von etwa 40 GWh, also 0,4 TWh 0,04 TWh* durch diverse Pumpspeicherkraftwerke. Im Jahr 2010 hatte Deutschland einen Bruttoverbrauch von etwa 600 TWh. Der Anteil erneuerbarer Energieträger am Bruttobedarf beträgt zur Zeit etwa 17%.

Das obige Dokument schätzt im ersten Teil die notwendige Speicherkapazität um eine 100%ige Versorgung zu gewährleisten mit etwa 12%-15% des jährlichen Verbrauchs ab. Umgerechnet auf Deutschland bedeutet das im besten Fall also eine notwendige Speicherkapazität von 72 TWh. Zur Erinnerung, Deutschland verfügt über Pumpspeicherkraftwerke mit einer Kapazität von 0,4 TWh 0,04 TWh*. Man müsste also die Kapazität mehr als verhundertfachenvertausendfachen(!)

Um die Wahrheit zu sagen, von einer so hohen Zahl sind wir gar nicht ausgegangen, da wir auch nicht 100% angepeilt hatten. Eine Versechsfachung der Produktionskapazität durch Wind und Solar wird noch eine Weile dauern.

Aber die Arbeit geht noch weiter. Sie schlägt auch eine Lösung vor, wie man die notwendigen Speicherkapazitäten drastisch verringern könnte. 72 TWh bzw. die im Dokument veranschlagten 400 TWh für Europa sind einfach jenseits jeglicher Machbarkeit.

Die Idee ist einfach. Man erhöht die Produktion. Bei der ersten Rechnung hat man mit einer Produktion von exakt der benötigten Menge an Strom aus Wind und Solar kalkuliert. Bei der zweiten Kalkulation produziert man um 50% mehr Strom als man braucht. Die Überproduktion verringert die Deltas, die man kompensieren muss. Aber das bedeutet, 50% mehr Windkraftanlagen, 50% mehr Solaranlagen, eine Verneunfachung der derzeitigen Anlagen.

Wenn man das tut, kann man die notwendige Kapazität auf 1% von den angegebenen 12% senken. Damit würde Deutschland nur mehr Speicherkapazitäten von etwa 6 TWh benötigen, also nur mehr etwa das 15-fache150-fache von den aktuell vorhandenen Kapazitäten.

Die im nächsten Jahrzehnt gebauten bis fertiggestellten weiteren Kapazitäten sind zwar an sich nicht ohne, aber im Endeffekt nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn man Faktor 15150 erreichen möchte. Und 50% mehr Produktion ist auch nicht von schlechten Eltern.

Europaweit sieht die Situation zwar besser aus, allein Norwegen kann 82 TWh, vermutlich mit Ausbau noch mehr, an Speicherkapazität aufbringen. Aber da hat man das Transportproblem. Wie bringt man Strom von Norwegen wieder nach Deutschland? Schätzungen zufolge müsste man etwa 30 Milliarden Euro ausgeben, um das Netz zwischen Norwegen und Zentraleuropa auszubauen.

Über diese Zahlen nachdenken darf jetzt jeder selber.
*Siehe Kommentare.

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Bild: Deutschland verschenkt Strom ins Ausland

10. Oktober 2011 56 Kommentare

Wir möchten hier Bild ja fast zu dem kognitiven Sprung gratulieren, den sie mit ihrem Artikel Deutschland verschenkt Strom ins Ausland geschafft haben. Sie haben gemerkt, was das Problem bei Ökostrom ist: Lagerung und unkontrollierte Produktion.

Gratuliere, war sicher nicht einfach dieses gut gehütete Geheimnis herauszufinden.

Viele Leute stellen sich das mit dem Strom eventuell so vor:
Da ist der Herr Bäcker, der backt Brötchen. Und dann komm ich als Kunde und kaufe welche. Ganz einfach. Und wenn mehr Nachfrage ist, dann backt er einfach mehr Brötchen. Und wenn er zuviele hat, wirft er im schlimmsten Fall welche weg. Ganz klar.

Tja, liebe Mitbürger, mit kalorischen Kraftwerken geht das tatsächlich so. Die schalte ich ein und aus wann ich will. Die stinken nur ein wenig. Und auch Atomkraftwerke kann ich regeln.

Aber bei dem guten, gesunden, grünen Ökostrom ist das leider nicht so. Ich kann der Sonne nicht befehlen, wann und wieviel sie scheinen soll (speziell nachts und im Winter ist sie irgendwie unkooperativ). Und der Wind ist sogar noch unkontrollierbarer. Bei dem kann ich mich nicht mal darauf verlassen, dass er nachts weg ist…

Ich habe also einen Bäcker, der manchmal 5 und manchmal 50 Brötchen produziert. Je nachdem wie das Wetter so ist. Und da bleibe ich eben manchmal hungrig. Aber es kommt noch schlimmer: Die überzähligen Brötchen kann er nicht wegwerfen. Die muss er loswerden. Sofort und unbedingt! Sonst verbrennt er sich die Finger.

Lastkurve Stromnetz (Quelle: Wikipedia)

Eigentlich ist das ja nicht so kompliziert zu verstehen, oder? Man hat eine unberechenbare Energiequelle, die mal mehr, mal weniger produziert. Ob ich die Energie haben will oder nicht, lässt sie ziemlich kalt.

Ich will aber genau die Energie im Diagramm links, immer die gleichbleibende Menge für die Grundlast, eine kontrollierte Menge für die Mittellast und schnelle Reserven für die Spitzenlast. Na, wie hoch ist die Chance, dass mir Wind und Sonne genau so eine Kurve liefern? Sie haben es erraten: Praktisch gleich Null.

 

Der Bild-Artikel oder genauer, der RWE-Chef hat auch schon die Lösung: Mehr Stromspeicher bauen, vor allem Pumpspeicherkraftwerke braucht das Land. (Wir verfügen tatsächlich über keine bessere Methode um Energie zu speichern als „Wasser auf einen Berg zu pumpen“)

Gute Idee. Nur eine kleine Frage, Herr RWE-Chef: Wohin bauen wir die denn? Ich würde die Frage ja an Ihrer Stelle an die Grünen delegieren, die wollen keinen Atomstrom und lieben Ökostrom. Die wollen Ihnen ganz sicher erklären, wo sie Ihre Pumpspeicherkraftwerke hin tun können. Wenn sie nicht gerade dagegen demonstrieren.

Ach ja, und der Clou: Wenn wir bald mehr Ökostrom produzieren, brauchen wir natürlich auch mehr Pumpspeicherkraftwerke. Und wenn dann mal eine Woche Miesepeter ist, auch kein Problem. Für den Fall baue ich einfach noch ein paar kalorische Kraftwerke und verfeuere ein bisschen Kohle (die Klimageschichte ist sowieso eine Lüge, wir können problemlos weitermachen wie bisher). Ist das nicht toll? Und so grün.

Dämmert es langsam? Der Ausstieg aus der Atomkraft wird nicht nur teuer, er wird auch schwierig. Strom und Ökostrom ist kein triviales Thema. Mehr Überlandleitungen. Mehr Pumpspeicherkraftwerke. Mehr kalorische Kraftwerke um Mittellast und Spitzenlast zu decken… Wenn Ihr das wollt, sicher, vorwärts!

Aber zur Beruhigung, man kann das Zeug ja auch alles woanders bauen, oder? Also 20 km weiter, muss ja nicht gerade vor meinem Haus sein…

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