Homöopathie-Riese Heel und das unschöne Gerede

Wenn man sich den Homöopathie-Riesen Heel anschaut, muss man sagen: Respekt. 184 Millionen Euro Umsatz 2010 sind kein Pappenstiel.

Heel hat es in den letzten 20 Jahren zumeist sehr gut verstanden, den Ball flach zu halten und nicht zu oft aufzufallen. Zwar eckt man gelegentlich etwas an – so wurde Heel von der FDA 2005 verwarnt, weil sie fünf Grippeprodukte, darunter eine „homöopathische Grippeimpfung“, mit nicht haltbaren Behauptungen beworben hatten – aber so etwas gehört in dieser Branche einfach zum Geschäft. Was soll man machen, wenn man Homöopathie verkauft? Ehrlich sagen wie gut es wirkt?

Insgesamt sind sie dabei aber schlauer vorgegangen als z.B. Boiron, die verklagt wurden und sich mit 5 Millionen Dollar Schadenersatz an die Kunden herausverglichen haben (weitere Verfahren sind anhängig), weil ihre Ente C200 (Entenleber unendlich verdünnt) bei Grippe nicht wirklich was gebracht hat. Ein so völlig bescheuertes Produkt hat Heel einfach nicht im Angebot.

Oder Nelson, die gerade ein kleineres Glassplitter-Problem in der Produktion und daher mit der FDA haben. Sie wurden auch 2006 von der BBC (so wie auch andere Produzenten) beim Verschreiben von Homöopathie gegen Malaria erwischt. Sie wollen es auch nie wieder tun. Versprochen!

Oder Ainsworths, auf deren Produktpalette man Dinge wie Blaues Licht, Opium, Röntgenstrahlung und Joghurt findet.

Keine Belege für die Wirksamkeit findet man auch bei Heel zu Genüge, aber Heel macht es Skeptikern meist so schwer wie möglich. Man packt einfach eine Menge von Stoffen in Niedrigpotenz in die Salben und Tropfen und bleibt in einem Wischiwaschi Bereich der vielleicht gerade noch so Naturheilmittel. Deklariert wird das Ganze dann als Homöopathie, um in diesem Marktsegment abzusahnen. Gewürzt mit ein paar zweitklassigen Studien und voilà, man hat ein Produkt.

Viele der Mittelchen von Heel schrammen solcherhand an der chemischen Plausibilität entlang und man kann sie einfach nicht mit einem Handstreich vom Tisch wischen. Wenn man z.B. Traumeel betrachtet, so stellt man fest, dass es ganze 14 Zutaten aufweist wie z.B. Eisenhut D1 und Tollkirsche D1. Es ist natürlich wesentlich schwerer zu beweisen, dass ein Stoff mit Inhalten in D1-Verdünnung keine Wirkung mehr hat. Zur Erinnerung: Bis etwa D6 besteht die Gefahr, dass eine Ingredienz noch wirksam ist.

Es gibt zu Traumeel tatsächlich eine Menge Studien, die Professor Ernst 2009 in einem Review betrachtet hat. Die Behauptung, dass das Mittel besser als Placebo wirke, ist aufgrund der Studienlage nicht haltbar. Macht nichts – so lange man einzelne Studien mit niedriger Qualität zur Hand hat, kann man immer noch Zweifel säen.

Man vergleiche dabei den Unterschied zu Boirons Oscillococcinum, das angeblich mit C200-verdünnter Entenleber Grippe heilt. Jeder halbwegs klar denkende Mensch wird sich ob der Idiotie dieser Behauptung an den Kopf greifen. Bei einem Mittel, das ein wenig Eisenhut, Arnika, Tollkirsche … enthält, ist das schon schwerer.

Umso bitterer für Heel vermutlich, dass sie dieses Jahr gleich zweimal ins Gerede gekommen sind.

Einmal durch das teuer gekaufte Institut an der Viadrina, das IntraG, das von Heel gesponsert wurde. Die Kozyrev-Arbeit ist ja mehr als peinlich, die Verwicklung mit Hartmut Müller (noch immer auf der Flucht) und seinem Global-Scaling-Betrug sicher auch. Die Hochschulstrukturkommission hat der Universität davon abgeraten, das Institut weiter zu führen. Die Frage ist: was macht Heel jetzt mit dieser heißen Kartoffel? Echte Aufmerksamkeit kann man als Homöopathie-Hersteller ja gerade nicht gebrauchen.

Eigentlich kann man nur erschreckt zurück zucken: da kauft man sich teuer ein Institut an einer Universität, um sich ein wenig Renommee zu verschaffen und was macht der Leiter? Tritt in ein Fettnäpfchen nach dem anderen.

Und zum Zweiten durch die Angriffe ihres teuer eingekauften PR-„Experten“ Fritzsche, dessen Treiben in der Süddeutschen als digitaler Rufmord bezeichnet wurde. Das Treiben schlug sogar in den englischen Raum durch; man findet eine Übersetzung des Artikels in der Süddeutschen bei Quackometer.

Auf Druck von Skeptikern und Bloggern haben sich schon Weleda und die Deutsche Homöopathie Union vom Schmutzwerfer Fritzsche losgesagt; wenn er weiter peinlich bleibt, werden wohl noch weitere folgen. Herr Fritzsche hat die DHU auch schon von seiner Seite als Sponsor entfernt, den angeblich transparenten Sponsorbetrag von 38.000 Euro aber nicht gesenkt. Da wir natürlich vollstes Vertrauen in Herrn Fritzsches Integrität haben, hat die DHU offenbar nur homöopathische Sponsorarbeit geleistet.

Die Bloggercommunity sollte dran bleiben und das Thema nicht versacken lassen. Speziell das IntraG ist eine Schande für die Wissenschaft, eine Verhöhnung jedes Studenten an der Viadrina. Zu Heel gibt es sicher noch mehr zu sagen – man könnte z.B. zu jedem Produkt ihrer Palette eine Übersicht zur Evidenz aufstellen. Ist vermutlich gar nicht so viel Arbeit.

26 Gedanken zu „Homöopathie-Riese Heel und das unschöne Gerede“

  1. /Klugscheissermodus an

    Nur zur info, ihr könnt kein „vollstes Vertrauen“ in Herrn Fritsches Integrität haben. Nein, nicht wegen Herrn Fritsches (nicht vorhandener) Integrität, sondern weil es keinen Superlativ von „voll“ gibt in der deutschen Sprache.
    Ihr könntet „volles Vertrauen“ in ihn haben, aber eben leider kein „vollstes“.

    Das ist wie mit dem Wort „einzig“. Manche sagen, die Firma Heel ist die einzigste Firma mit Hirn.
    Natürlich muss es heißen „einzige“ und nicht „einzigste“ Firma, wobei in diesem Fall natürlich eh jede Aussage falsch ist. 😉

    /Klugscheissermodus aus

    Danke für den schönsten Artikel von Welt, wo es geben tut.
    Ihr seid seit Jahren die ALLERBESTEN.

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  2. Mal abgesehen davon, daß ich die Formulierung speziell im oben zu lesenden Kontext als sarkasmus-verstärkend aufgefaßt habe, hat Stephan generell selbstverständlich recht. Oder was meinst Du, poochiee, warum mittels Deines links kein Eintrag, sondern das Wort nur in zwei Beispielen gefunden wird, in einem sogar korrigiert?
    Immerhin wird es in der Bedeutung 3a verwendet – und von ‚völlig, vollständig, ganz, uneingeschränkt‘ ist halt nichts steigerbar.

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  3. Warum soll man nicht „vollstes“ Vertrauen haben? Homöopathen können schließlich auch absolut nichts verdünnen – an dieser Stelle deute ich auf ein Röhrchen Vacuum C9, das ich zur allgemeinen Belustigung meiner Kollegen auf dem Schreibtisch stehen habe.

    nichts, nichtser, am nichtsigsten C9

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  4. Wenn man schon sprachlich korinthenkacken will, warum zieht man dann nicht dieses Schmuckstück raus? Das ist immerhin schon mal eine inhaltliche Ebene:

    Keine Belege für die Wirksamkeit findet man auch bei Heel zu Genüge

    „Nichts“ kann man nicht finden. Trotzdem weiß man, was der Autor meint. Könnte sogar mit Ironie zu tun haben. Aber das ist dann noch eine Stufe schwieriger.

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  5. Schöner und informativer Artikel, ja, danke dafür! Und wirklich schön geschrieben. Aber wenn alle schon auf der Rechtschreibung rumhacken, hänge ich noch schnell das „zu Genüge“ ran – muss natürlich „zur Genüge“ heißen. Ist aber ganz bestimmt nur ein Tippfehler. Wäre mir auch nicht aufgefallen, wenn der Marx Brother es nicht zitiert hätte. 😉
    http://www.duden.de/rechtschreibung/Genuege

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  6. Auch das, Groucho, wurde von mir automagisch als sarkasmus-verstärkend einsortiert. Und wenn weiter oben poochiee dies oder ähnliches zur Begründung angebracht hätte, wäre (für mich) alles ok gewesen. Doch die tatsächliche Reaktion schrie ja förmlich nach Gegenwind 😉

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  7. @Minerva: Hast natürlich recht, was Homöopathen betrifft, deren Logik und Fähigkeiten müssen eh außerirdischen Ursprungs sein. Die schaffen es schließlich, Vacuum zu verdünnen.

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  8. @poochiee

    Duden: voll. Bedeutung: im höchsten Maߟe

    Dann bedeutet also „Ich habe vollstes Vertrauen in seine Fähigkeiten.“ in etwa „€žIch habe im höchsten Maߟe Vertrauen in seine Fähigkeiten.“

    Absolutadjektive sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.

    Eigentlich können diese nur gesteigert werden, wenn sie in einem übertragenen Sinn oder in relativer Bedeutung gebraucht werden.

    Der Hyperlativ stirbt halt nicht aus.

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  9. @ Manuel:

    Das passiert, wenn man die roten Captcha-Buchstaben als erstes eingibt oder danach noch was am Text ändert… oder so… habs korrigiert 😉

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  10. Gehen wir mal voll zurück zum Beitrag der DHU an Herrn F’s Einkommen: Ich glaube das ist eine große Flasche „SCRIBULINUM“; die Tinte mit Ehrlichkeit C400.

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  11. Mist, das hatte ich ja völlig vergessen^^ Erinnerungsdank an Rainer Zueni-Smous. Nachdem weledas Abgang eine 5000€-Dotierung offenbarte, krabbelt eine meiner Hausspinnen cron- bzw regelmäßig über das „über das blog“ von Fischers Fritze und brachte dann irgendwann auch als Beute die textliche Umsetzung des zweiten Absprungs nach Hause. Doch

    hat die DHU offenbar nur homöopathische Sponsorarbeit geleistet.

    ist so unbedingt (‚offenbar‘) nicht haltbar, da dieselben Zahlen mit einem entsprechenden Salär-Upgrade eines oder mehrer des verbleibenden harten Kernes erklärbar sind.
    .
    Schönen Dank auch an Ponder für den frustlösenden Hinweis. Oder die Genese eines neuen Aberglaubens 😉

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  12. Pingback: Psiram » Warnbrief der FDA an den Homöopathikahersteller Nelson
  13. Pingback: Die Homöopathie-Lüge @ gwup | die skeptiker
  14. Besonders lustig bei der FDA-Abmahnung von Nelson finde ich den Absatz:

    „b. The investigator also observed for Batch #36659 that one out of every six bottles did not receive the dose of active homeopathic drug solution due to the wobbling and vibration of the bottle assembly during filling of the active ingredient. The active ingredient was instead seen dripping down the outside of the vial assembly. Your firm lacked controls to ensure that the active ingredient is delivered to every bottle.“

    Genial. Das heißt, es ist nicht nur nichts drin, es war auch nie was drin.

    Nicht, dass irgendjemand den nicht vorhandenen Unterschied bemerkt hätte.

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  15. Pingback: Psiram » Das Goldene Brett 2012
  16. Pingback: Psiram » Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW17, 2018)
  17. @Gesine
    „hat Stephan generell selbstverständlich recht“
    Ojeh…. ist denn die deutsche Sprache wirklich soo schwer ?
    Schöne Beispiele für Esoterik bei der Verwendung meiner Muttersprache sind diese Zitate aus dem Artikel:
    „Wenn man z.B. Traumeel betrachtet, so stellt man fest, dass es ganze 14 Zutaten aufweist…“ und, ein kleine Tiefpunkt, „Die Hochschulstrukturkommission hat der Universität davon abgeraten, das Institut weiter zu führen.“
    Kopfschüttel….

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  18. @ Gudea
    Hast du es dir zur Lebensaufgabe gemacht, alle Psiram-Blogs nach deiner Meinung nach fehlerhaften Formulierungen abzuklappern? Dann kannst du schon einmal mit deinem Beitrag in #20 anfangen.
    Ich hoffe, dir wird bald klar, wie armselig dein Grammar Nazi Auftritt hier ist.

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  19. @RainerO: Zumal mehrere hübsche Muphrys hier ein Glashaus-Steinewerfen-Szenario vermuten lassen:

    Ojeh…. ist denn die deutsche Sprache wirklich soo schwer ? […] und, ein kleine Tiefpunkt, […] Kopfschüttel….

    „Wenn Auslassungspunkte am Ende eines Ganzsatzes stehen, entfällt der Schlusspunkt.“ (Quelle) Zwischen Wortende und Auslassungspunkte gehört ein Leerzeichen, außer es wird ein Wortteil durch Auslassungspunkte ersetzt. Vier Auslassungspunkte sind unüblich, es sind immer drei.

    Am Satzanfang beginnt man mit Großbuchstaben. Wenn „Ojeh“ nur einleitender Satzteil sein soll, hätte man statt Auslassungspunkten besser einen Gedankenstrich oder ein Komma gesetzt.

    Zwischen Wortende und folgendem Satzzeichen steht kein Leerzeichen.

    Es müsste heißen: „ein kleiner Tiefpunkt“.

    Außerdem: Warum enthält Gudea uns eventuell gefundene große Tiefpunkte vor?

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