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Artikel Tagged ‘Krankenkassen’

Der Scharlatan ist ein Meister aus Deutschland

3. April 2018 42 Kommentare

Ein Kommentar von Udo Endruscheit im GWUP-Blog unter dem Artikel Weltberühmt: „Cancer quackery from Germany“  hat uns dazu angeregt, ihn um einen Gastbeitrag für unser Blog zu bitten. Daraus ist ein beeindruckender gesundheitspolitischer Rant entstanden, für den wir uns herzlich bedanken.

 

Mit Volldampf in die Regierungsarbeit – auch in der Gesundheitspolitik! Markige Sprüche, umfangreiche Forderungen von allen Seiten, es gibt offenbar eine Menge zu tun. Der Skeptiker hätte da auch noch ein spezielles, nach seiner Ansicht vordringliches Anliegen: Erst einmal in die Rumpelkammer schauen und ordentlich aufräumen! Dann ist auch wieder Raum für Neues.

Und in der gesundheitspolitischen Rumpelkammer gibt es einiges aufzuräumen. Denn in so mancher Beziehung ist Deutschlands Gesundheitswesen so ziemlich einmalig – leider im negativen Sinne.

Deutschland – das ist das Land der „Heilkundeausübenden“ mit Hauptschulabschluss, Multiple-Choice-Prüfung und beinahe völliger Therapiefreiheit, wie sie praktisch kein approbierter Arzt hat. Was Wunder, dass sich diese „Heilkundeausübenden“ auf breiter Front der verachteten „Schulmedizin“ überlegen fühlen. Was sie mit der stillschweigenden Duldung, wenn nicht Unterstützung der Gesundheitspolitik tun – denn wie sonst sollte man die neuen „Leitlinien für die Heilpraktikerprüfung“ deuten, die nicht im Mindesten das Problem einer medizinischen Parallelwelt lösen können, sondern sie eher noch verfestigen? Das alles, ohne die Übergangsregelungen der Bundesrepublik Deutschland für ein Gesetz aus dem Jahre 1939 anzutasten, wodurch dessen Ziel, das Ende jeglicher Laienheilung, ins Gegenteil verkehrt wurde. Mehr…

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 5)

28. Juni 2016 Keine Kommentare

Teil5

Oder: Aber ein Aktuar hat’s abgesegnet! – Der Risikopool.

In den letzten Wochen haben wir Einiges über die wunderbare Welt der Solidargemeinschaften gelernt, wo man eigentlich genau das Gleiche macht wie die Krankenkassen – nur besser, weil „ganzheitlich“. Zum Abschluss unserer kleinen Reihe schauen wir uns den „worst case“ an: Was, wenn tatsächlich jemand – Gasp! – krank wird?

Liebe Solidargemeinschaften in Bremen, Freiburg, Heidelberg und Magstadt (Where the F**k???), nur für den Fall, dass ihr hier mitlest (und so Google will, werdet ihr das tun), ich will es euch mal so erklären, dass ihr das auch versteht: Klein, überschaubar und „dezentral“ ist ganz, ganz toll. Für Eckkneipen, den Jesuslatschen-Händler eures Vertrauens und die frühen Kartoffeln vom Bauern. Die Leute von „Solidarkunst“ können inzwischen ihren Namen tanzen gehen, denn die haben zumindest so weit mitgedacht und beschränken als Zusatzversicherung ihre Solidarität auf die „kleinen und mittleren Kosten“.

Wenn es um die Absicherung des Krankheitsrisikos geht, um den Zugang zu effektiv lebensverlängernden Maßnahmen, wenn man sich im Fall der Fälle ganz auf’s Gesundwerden konzentrieren möchte, unabhängig vom persönlichen Einkommen, dann ist man froh, wenn möglichst viele andere Menschen, im Idealfall die gesamten 82 Millionen Bundesbürger, solidarisch sind. Die 72 Millionen, die sich in der GKV am Risikostrukturausgleich unter den Krankenkassen beteiligen tun’s zur Not auch.

Laut Wikipedia hat z.B. Artabana zur Zeit etwa 200 Gemeinschaften mit jeweils 5 bis 30 Mitgliedern. Das macht – nach Adam Riese und Eva Zwerg, wie meine von mir sehr geschätzte Mathe-Lehrerin zu sagen pflegte – irgendwas zwischen 1.000 und 6.000 „solidarische“ Mitglieder. Die Gemeinsame Betriebskrankenkasse Köln (GBK) ist mit über 30.000 Mitgliedern 2010 fast in die Insolvenz geschliddert, weil von diesen 30.000 zahlenden Mitgliedern stabile 0,07 Promille an erworbener Hämophilie, einer seltenen, aber wegen der notwendigen Gerinnungsfaktoren extrem kostenintensiven und potentiell tödlichen Erkrankung, litten. Für alle, die hier mitgerechnet haben: Ja, 2 (!) von 30.000. Für die mitlesenden Steiner-Adepten: Es könnten Sanguiniker gewesen sein. Vielleicht waren es auch Phlegmatiker. Man weiß es nicht. Interessiert auch nicht. Einer von ihnen war ein sechsjähriges Kind. Die GBK ging dann mittels Fusion in einer größeren Krankenkasse auf, so dass ein ausreichender Risikopool gebildet werden konnte, der die Versorgung der betroffenen Patienten sicherzustellen vermochte.

Nichtsdestotrotz versichern die „Solidargemeinschaften“ gutherzig, dass ihr Risikopool funktioniert. Ich kann „Risikopool“ kaum tippen, so sehr bringt mich das zum Lachen. Pool? Risiko-Planschbecken, wohl eher. Wassernapf für’n Bello. Pfütze. Wenn die lokale Gemeinschaft nicht mehr leistungsfähig ist, schießt die nächsthöhere Ebene, die regionale Gemeinschaft, zu. Dann der Verein auf der Bundesebene. Und dann … ist Schicht im Schacht. Die Zeit für Verzweiflungstaten, wie dem Versuch, mit dem Hut in der Hand noch einen echten Versicherer aufzutun, der die Betroffenen aufnimmt. Der Moment, die Ulla (Schmidt) mal zuhause in Aachen aufzusuchen, um ihr ein paar Goldruten, auch bekannt als Solidago, vorbeizubringen. Denn die hat 2009 der privaten Krankenversicherung die Verpflichtung aufgedrückt, ihre ehemaligen Versicherten wieder aufzunehmen, zum Basistarif und ihnen zumindest das Leistungsniveau der GKV zukommen zu lassen. Da können dann auch die Privatversicherten mal solidarisch sein.

Übrigens, nur für den Fall, dass jemand denkt, ich hätte es erfunden, um mich über die naive und provinzielle Konzeption der „Solidargemeinschaften“ lustig zu machen: „Magstadt“ gibt es wirklich. Das ist kein fiktionalisiertes Kaff voller statistischer Anomalien, wie „Midsomer“, wo man eher an einem besonders phantasievollen Mord als an einer Herz-Kreislauf-Krankheit stirbt, oder die Gegend um den Lake Wobegon. Es liegt – laut Tante Wiki – am Rande des „Glemswalds“ und derdieoderdas „Gäus“, zwischen Sindelfingen und Renningen.


Wenn Impfgegner eine Krankenkasse gründen wollen, oder: Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 1)

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 2)

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 3)

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 4)

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 4)

3. Juni 2016 8 Kommentare

Teil4

Versicherungsschutz in homöopathischen Dosen – „Anderweitige Absicherung im Krankheitsfall“ und Rechtsanspruch

Die Asterix-Einleitung ist zwar schon ziemlich abgegriffen, aber einmal soll sie doch noch herausgeholt werden, weil sie hier so schön passt: Wir befinden uns im Jahre 10 nach dem Fliegenden Spaghetti-Monster und im Jahre 6 nach der allgemeinen Versicherungspflicht, Ulla sei’s gedankt. Ganz Deutschland ist versichert … Ganz Deutschland? Nein! Ein paar von mathematisch herausgeforderten Anthroposophen besetzte Buchenholz-Tische hören nicht auf, dem Sirenengesang der funktionierenden Absicherung im Krankheitsfall Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die nebenamtlichen Kassenfunktionäre, die mit nichts als rudimentären Satzungen zu Entscheidungen über Leben, Hammerzehen und Tod in Heidelberg, Freiburg, Bremen und Magstadt (Where the F**k?) zusammenkommen.

Ich bin richtig stolz auf die Asterix-Analogie, weil es eine Menge Parallelen gibt: Das kleine, gallische Dorf, das sich jeglichem technologischem Fortschritt stur entgegenstellt, einfach aus Prinzip, das hoch entwickelte bürokratische System der Römer und nicht zuletzt die Misteln in Miraculix‘ Zaubertrank. Allerdings beschränkten sich gesundheitliche Probleme in dem kleinen gallischen Dorf auf Polytrauma durch spontanen Hinkelsteineinschlag und gelegentliches Wechseln der Hautfarbe(n) (vgl. „Asterix und der Kampf der Häuptlinge“) – ohne hier die Evidenz zu kennen, traue ich mich zu sagen, dass sich Misteln in diesen Fällen als traditionelles Arzneimittel bewährt haben dürften. Mehr…

Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 2)

28. März 2016 Keine Kommentare

teil2

Teil 2 unserer Reihe über die Solidargemeinschaften beschäftigt sich nun etwas genauer mit einigen dieser merkwürdigen Gemeinschaften.


Das „Konzept“ in ihren eigenen Worten – die Solidargemeinschaften

Ich lese bereits seit einigen Jahren bei Psiram mit und habe mich schon lange gefragt, wo eigentlich die leichten Themen bleiben. Meist geht es hier um die 1.000 Wege, die sich die Anhänger esoterischer Gesundheitsideologien ausdenken, um sicherzustellen, dass ihr Nachwuchs nicht die Volljährigkeit erreicht. Das Verweigern von Impfungen, das Vorenthalten wirksamer Behandlungen und das willentliche Infizieren mit Krankheiten stehen hoch im Kurs. Deswegen gibt es viel zu wenig zu lachen, was vermutlich dem Vorurteil Vorschub leistet, Skeptiker suchten zum Lachen subterrane Räumlichkeiten auf.

Es war mir deswegen ein Herzensanliegen, von den Solidargemeinschaften zu berichten, denn das ist „Skeptizismus light“. Leicht als Bullshit zu enttarnen, man braucht sich auch nicht mühsam in irgendwas einlesen, man kann sich großartig darüber amüsieren, aber niemand kommt wirklich zu Schaden. Außer den Leuten, die immer brav ihre Versicherungsbeiträge und -prämien zahlen, natürlich, denn die finanzieren das System, innerhalb dessen sich die Mitglieder der Solidargemeinschaften diesen Spaß erlauben können. Aber nachdem Skeptiker, wie wir ja wissen, allesamt pickelige Jünglinge mit kleinen Schniepis sind, die bei ihren Eltern im Keller wohnen und keiner geregelten Erwerbsarbeit nachgehen, kann uns das ja egal sein.
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Wenn Impfgegner eine Krankenkasse gründen wollen, oder: Magstadt? Where the F**k is Magstadt? (Teil 1)

22. März 2016 8 Kommentare

KK-Serie

Wie konnten wir sie nur so lange übersehen? Seit bald zwanzig Jahren spielen Teile unserer Klientel „Krankenkasse“, trotzdem wurden die „Solidargemeinschaften“ bislang noch mit keinem Wort im Blog erwähnt. Glücklicherweise hat sich mit labude. eine Leserin unseres Blogs bereit erklärt, diese Lücke zu schließen. Damit beginnen wir eine Reihe zu den „besseren, weil ganzheitlichen“ Krankenkassen, hochpopulär in den Dunstkreisen von Anthroposophen. Wir wollten sachlich und neutral, labude. wollte poltern. Das habe die Krankenkassen-Mafia, die diesen Spaß finanziert, beim letzten Bilderberger zur Auflage gemacht, sagt sie.


 

Ich hab‘ nichts gegen Waldorf-Erziehung. Ein paar meiner besten Freunde waren auf Waldorf-Schulen. In den 1980er Jahren. Ihre Schilderungen von Familientreffen sind zum Schreien komisch. Während ich meinen Eltern immer noch nicht ganz verziehen habe, dass sie mir mit 16 noch nicht mal ein ganz winzigkleines Piercing (das wäre wirklich kaum aufgefallen!) in der Augenbraue erlaubten, werfen die ihren Eltern vor, dass sie ohne Abitur und Englisch-Kenntnisse kaum eine Chance auf einen interessanten, lebensunterhaltssichernden Job hatten. Aber dafür eine Menge selbstgeflochtener Körbe. Ich hab‘ mir das Piercing dann mit 18 stechen lassen – und es mit 18 1/2 wieder rausgenommen, es sah wirklich ein bisschen doof aus. Meine Freunde mussten das Abitur nachmachen, mit Mitte 20, neben einem Beruf, den sie gehasst haben, und wurden in ihrer persönlichen Lebensplanung um Jahre zurück geworfen. Mehr…

Petition im Bundestag gegen Homöopathie-Erstattung

6. April 2015 42 Kommentare

Am 26.03.2015 ist im Bundestag eine Petition gegen die Erstattung der Homöopathie als sog. Satzungsleistung eingebracht worden. Sie ist kurz und knackig:

Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass homöopathische Behandlungsmethoden nicht mehr als Satzungsleistung von gesetzlichen Krankenkassen gezahlt werden dürfen.

Begründung
Es gibt keinen Wirkungsnachweis für homöopathische Behandlungen.

Im Gegenteil: über 150 methodisch akkurate klinische Studien der letzten 15 Jahre haben gezeigt, dass homöopathische Mittel Scheinmedikamente sind. Die behauptete Wirkweise steht mit der heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnis in krassem Widerspruch.

Die Übernahme der Kosten für homöopathische Behandlungen als Satzungsleistungen widerspricht somit §2 Absatz 1 der Allgemeinen Vorschriften des SGB 5. Dort steht: „Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.”

Die Übernahme homöopathischer Behandlungen als Satzungsleistungen widerspricht somit dem Solidaritätsgedanken der gesetzlichen Krankenversicherung. Im §1 SGB5 steht: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.”

Die Übernahme der Kosten für homöopathische Behandlungen widerspricht somit dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB5): „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.”

Die Homöopathie entspricht diesen gesetzlichen Anforderungen an ein Arzneimittel nachweislich nicht.

Wir sind der gleichen Ansicht, auch wenn das Bundesministerium für Gesundheit bisher anderer Ansicht ist. (Unsere Ansicht ausführlicher hier und hier).

Die Mitzeichnungsfrist endet am 29.04.2015.

Mitmachen!

Danke.

Die Krankenkassen und die Paramed… äh, Alternativmedizin (2) – Dürfen die das?

4. November 2014 3 Kommentare

krankenkassen

Wie steht es eigentlich um die gesetzlichen Grundlagen für solche Exzesse der Irrationalität? Versuchen wir, uns zunächst an das Sozialgesetzbuch zu halten.

§ 12 SGB V – Wirtschaftlichkeitsgebot

(1) 1 Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 2 Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Was ist notwendig? Das, was nachgewiesenermaßen wirksam ist, sollte man meinen. Wer prüft, ob der Nachweis dafür erbracht und somit eine Leistung von den Kassen zu übernehmen ist? Ein mächtiges, in der Öffentlichkeit aber eher selten thematisiertes Gremium: der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Abgesehen von seiner blamablen Entscheidung, die Akupunktur als Kassenleistung anzuerkennen, weil die Schein-Akupunktur doch so gut wirksam sei, ist dieses Gremium eigentlich nicht dafür bekannt, sich besonders für paramedizinische Verfahren zu erwärmen.
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Die Krankenkassen und die Paramed… äh, Alternativmedizin (1) – Wo kommt das her und wie wird man das los?

4. November 2014 3 Kommentare

krankenkassen

Der Wettbewerb ist die Triebkraft der Entwicklung hin zu mehr Effizienz in unserer Gesellschaft, und der Verzicht auf ihn würde letztlich Stagnation bedeuten, die man sich in reaktionären Utopien vergolden oder in Dystopien schwarzmalen kann. Aber der Wettbewerb ist auch blind, und seine Ergebnisse können nicht immer begrüßt werden. Wie dem zu begegnen ist, das ist eine der großen Fragen unserer Zeit.

Nehmen wir nur einmal die Krankenkassen. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen ist festgeschrieben und für alle Kassen, für alle Versicherten im Prinzip gleich. Diese Gleichheit ist eine Spätfolge der Französischen Revolution (welche von manchen verdächtigt wird, Gott abgeschafft und so Hitler und Stalin hervorgebracht zu haben), und in den USA gälte sie als finsterster Sozialismus. Wir halten sie für eine soziale Errungenschaft, um das klar auszusprechen.
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