Theologe vs. Wissenschaftler: Es tut so weh, wenn man verliert…

Und weil es so weh tut, möchte man natürlich als Theologe unbedingt den Streisand-Effekt nutzen, damit auch wirklich alle davon erfahren. Völlig logisch. So gerade geschehen:

Professor Jerry Coyne (Ökologie und Evolution) an der Universität von Chicago und der Theologe John Haught von der Georgetown University haben im Oktober zum Thema “Are science and religion compatible?“ debattiert. Beide hatten im Vorhinein eingewilligt, dass die Debatte inklusive der Zuschauerfragen aufgezeichnet würde. Die Veranstaltung wurde vom Gaines Center for the Humanities an der Universität von Kentucky ausgerichtet, auf der man auch die die Videos früherer Debatten findet.

Jerry Coyne war sich in seinem schriftlichen Report recht sicher, dass er sich sehr gut geschlagen hat. Er hatte als Vorbereitung die Bücher von Haught gelesen (die wohl nicht so extrem spannend sind) und sich frühere Debatten auf youtube mit John Haught angesehen. Coyne hat dabei wohl vor allem mit Zitaten aus Haughts Büchern gepunktet und am Ende gab es sogar Standing Ovations! (nach Angaben des Veranstalters wohl das erste mal überhaupt bei einer von ihnen ausgerichteten Debatte). Es dürfte wohl recht spannend gewesen sein.

Nur, so genau werden wir es wohl nie erfahren. Denn das Video wird es nicht zu sehen geben. Haught hat nämlich quasi im Nachhinein die Erlaubnis zur Veröffentlichung zurückgezogen und der Direktor des Gaines Centers hält ihm die Stange.

Jerry Coyne ist jedenfalls ziemlich verärgert und findet klare Worte:

I am deeply angry about this stand, and can see only one reason for what Haught has done: cowardice. He lost the debate; his ideas were exposed for the mindless theological fluff that they were; and I used his words against him, showing that even “sophisticated” theology, when examined under the microscope of reason, is just a bunch of made-up stuff, tales told by idiots, full of sound and fury, signifying nothing.

Die Ausstrahlung des Videos mag John Haught verhindert haben, aber der Vorfall ist bereits in der Wikipedia unter seinem Personeneintrag beschrieben und Nachrichtenportale, die es sonst nicht interessiert hätte, berichten darüber. Er hat nicht nur verloren, er hat auch noch für die Verbreitung der Niederlage gesorgt. Und die Niederlage, die sich die Leute vorstellen, wird immer schlimmer sein, als die reale. Es gibt wenig, auf dass das Internet so allergisch reagiert, wie Zensur.

Censorship like this is not good for academic discourse; it serves only to protect the weak bastion of theology from the cannons of reason. Shame on you, John Haught, and shame on the Gaines Center for being complicit in the censorship.

12 Gedanken zu „Theologe vs. Wissenschaftler: Es tut so weh, wenn man verliert…“

  1. … man beachte die Dramatische Dimension, Zitat Jerry Coyne:

    „even “sophisticated” theology, when examined under the microscope of reason, is just a bunch of made-up stuff, tales told by idiots, full of sound and fury, signifying nothing.“

    „Life’s but a walking shadow, a poor player,
    That struts and frets his hour upon the stage,
    And then is heard no more. It is a tale
    Told by an idiot, full of sound and fury,
    Signifying nothing.“

    Macbeth Act 5, scene 5, 19–28

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  2. Solange meine Steuergelder für eine rhetorische Ausbildung aka Theologie verwendet werden und ich den ganzen Schmuh bezahlen muss, solange ist das alles andere als „lame“.
    Religion und Theologie haben, wie alles andere, genauso ein Anrecht auf „Bashing“ – 1337-5p34k Galore!

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  3. Ich lese jetzt überall, dass beide zugestimmt haben, dass die Debatte aufgezeichnet wird. Damit ist gleich die Einwilligung zur Veröffentlichung erteilt? Dann lasst uns mal schnell ein paar Gesetze im Presserecht ändern, denn das sind ja völlig neue Erkenntnisse. Auch die Definition von Zensur wurde scheinbar überarbeitet. Aber war ja klar: Orthodoxe Wissenschaftler schaffen ja laufend neue Erkenntnisse … geek alarm …

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  4. Ne, die Aufzeichnung macht man eigentlich nur um Speicherplatz zu füllen, der ja ansonsten brachliegen würde…Wer kommt schon auf die völlig irrwitzige Idee, dass die Aufnahme eventuell zur Veröffentlichung einer öffentlichen Debatte genutzt werden würde?

    Was ist denn „orthodoxe Wissenschaftler“ schon wieder für eine Wortkreation?
    Reiht sich das nahtlos in „Islamophobie“ und „Schulmedizin“ ein, damit die kategorischen Schubladendenker nicht allzu viel Mühe haben ihr kleines Etikettiermaschinchen anzuwerfen – alles außer schwarz-weiß ist aber auch unübersichtlich und macht die Welt nur unnötig kompliziert.

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  5. Da frag ich mich doch tatsächlich, warum z.B. Spiegel Redakteure Diktiergeräte nutzen?
    Wahrscheinlich fürs Spiegel web radio 2014 … Antitainment, für sie nehme ich „orthodoxe Wissenschaftler“ zurück und etikettiere sie um in „unorthodoxer Kurzdistanzdenker“.

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  6. Wie konnte mir nur dieser Riesendenkfehler unterlaufen, mea culpa, ich habe wohl vergessen, dass die Diktiergeräte ungehört dann später ins Diktiergeräteendlager kommen, damit das aufgenommene Material bloß nie ans Tageslicht kommt oder gar verschriftlicht wird.
    Das Lager befindet sich natürlich direkt neben dem Fernsehkameraendlager.
    Redakteur ist quasi ein Fremdwort und bedeutet Diktiergerätentsorgunsmanager – Der Punkt geht dann wohl an Sie.
    Den unorthodoxen Kurzdistanzdenker brauchen Sie mir dank ihrer unterhaltsamen schriftlichen Demonstration nicht erklären.

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  7. Das Zauberwort war „Verschriftlichen“, allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Um daraus ein ganzes zu machen fehlt noch „Kürzen“ und „Redigieren“ und am Ende, in so einem Fall „Überspielen“.

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  8. Also bei mir gibt’s den Spiegel nicht als Hörbuch am Kiosk, aber vielleicht variiert die Redaktion je nach Bundesland das Ausgabemedium – Ist aber dennoch ne nette Binsenweisheit mit dem Verschriftlichen, für manche ist das gar schon ein magischer Vorgang.
    Das Sie ja augenscheinlich über eine große Expertise auf dem Feld verfügen, würde mich es interessieren warum ähnliche Debatten von anderen Größen wie Hitchens, Dawkins, Dennett, Boteach, McGrath, Coyne (George) etc. ungekürzt und ohne großes Schmollen der Dikussionspartner veröffentlicht wurden und werden, sogar wenn die Debatten von religiös-weltanschaulichen Veranstaltern arrangiert wurden?
    (Liegt es in dem Fall an den unorthodoxen Kameramännern, den unorthodoxen Menschen in der Regie oder aber den orthodoxen Wissenschaftlern, oder andersrum, schließlich scheint orthodox ja beliebig einsetzbar zu sein?)

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