Die Diskussion des politischen Kontexts der frühen Waldorf-Bewegung hat einige wichtige Fragen aufgeworfen. Wie mehrere Listenteilnehmer richtig aufzeigten, war dieser Kontext nicht der Nazismus; die Nazis kamen erst acht Jahre nach Steiners Tod an die Macht. Tatsächlich verbindet sich der reale historische Kontext direkt mit dem vorigen Austausch über anthroposophische Einstellungen zur Demokratie.
In dem Ausmaß, wie sich die frühe Waldorf-Bewegung vor einer politischen Aufsicht fürchtete, befürchtete sie die demokratische Politik, nicht aber die nationalsozialistische Politik. Die Aufzeichnungen der frühen Waldorf-Geschichte spiegelt mehr oder weniger das Gegenteil dessen wider, was Stephen eingangs vermutete: Die Führer der Waldorf-Bewegung waren häufig gegenüber der demokratischen Weimarer Republik feindlich eingestellt, die ein Gegner des Nazismus war, während dieselben Waldorf-Führer dem Nazi-Regime in seinen frühen Jahren oft bemerkenswerte Sympathien entgegen brachten.
Die erste Waldorf-Schule wurde 1919 gegründet, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, gerade als die allererste Demokratie Deutschlands ihre ersten Schritte unternahm. Dieser Zeitraum von 1918 bis 1933 wird als Weimarer Republik bezeichnet. Die Weimarer Republik ersetzte den autoritären Staat des Deutschen Reiches, der am Ende des Ersten Weltkrieges zusammengebrochen war. Das demokratische System der Weimarer Zeit wurde von Gegnern des Nazismus errichtet und repräsentierte alles, was die Nazis verachteten.