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Artikel Tagged ‘Aufklärung’

Zur Neutralisierung fundierter Kritik durch falsche journalistische Ausgewogenheit – Beispiel: Homöopathie

1. Dezember 2018 44 Kommentare

Homöopathie-Aufklärung ist eine tolle Sache. Allen, die geduldig immer wieder erläutern, warum wirkstofflose Zuckerkugeln keine Medizin sind, gebührt höchster Respekt. Hier sind an erster Stelle das Informationsnetzwerk Homöopathie und die GWUP sowie der Konsumentenbund bzw. deren unermüdliche und überwiegend ehrenamtliche AktivistInnen zu nennen. Auch wir bei Psiram versuchen, unseren Teil dazu beizutragen. Und tatsächlich sind seit etwa einem Jahr erste Erfolge zu verzeichnen. Der Tenor in den Medien hat sich verändert, über Homöopathie wird kritischer berichtet, (echte) Experten dürfen sich zu Wort melden, es gibt sogar politische Aktivitäten zur Eindämmung der verdünnten Zuckerflut. Die verhinderten Tortenverzierer haben es zunehmend schwer, ihre wissenschaftsfernen Märchen unwidersprochen zu verbreiten.

So weit, so gut.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, wie Homöopathie-Aufklärung idealerweise aussehen soll. Muss es die harte Konfrontation sein? Die „Wissenschaftskeule“? Soll man die Leute „da abholen, wo sie stehen“? Sind eventuell Kompromissvorschläge sinnvoll (ein bisschen Hokuspokus, ein bisschen Wissenschaft)? Ist es wichtig, auf die Globulisten zuzugehen, sie nicht zu verärgern, um ihnen dann mit dem kleinen Löffel und viel Sirup die bittere Realität näherzubringen, nämlich dass sie sich von einer kriminellen Bande, dem Bodensatz der Pharmaindustrie – zu faul zum Forschen, zu gierig und verblendet, um echte Medikamente herzustellen – ,  jahrelang haben veralbern lassen? Sind Gesetze und Verbote erforderlich, um diesen mehr als 200 Jahre währenden Betrug am Patienten zu beenden?

Welche Strategien auf Dauer am wirksamsten sind, muss sich erst noch herausstellen. Unsere Methode ist und bleibt der Realismus. Der kommt nicht immer freundlich daher, weshalb er oft auf Widerstand stößt. Das ist unsere Nische, und wir möchten diese Vorgehensweise nicht verallgemeinern oder gar als die einzig richtige darstellen.

Aus dieser Position heraus betrachten wir allzu nachgiebige Herangehensweisen natürlich mit Vorbehalten. Zwei Beispiele in Form von Homöopathie-Aufklärungsvideos sollen zeigen, welche Gefahren es mit sich bringt, wenn statt klarer Worte eine falsche journalistische Ausgewogenheit die Grenzen zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu verwischen droht – und wie Homöopathie-Aufklärung nicht aussehen sollte. Daraus ergibt sich ein Appell, speziell an Journalisten: Traut Euch, Fakten klar zu präsentieren und Unsinn als solchen zu bezeichnen. Redet nicht aus falsch verstandener Toleranz um den heißen Brei herum.  Mehr…

Kardinal fatal

3. November 2009 25 Kommentare

Wie sieht das Anforderungsprofil für einen Kardinal aus? Männlich? Klar! Katholisch? Sowieso! Theologie sollte man auch studiert haben und Priester geworden sein. Von Frauen muss oder sollte man sich ferngehalten haben, denn die könnten ja die Gedanken auf irdische Dinge lenken und sind ja überhaupt Trägerinnen der Erbsünde in besonderem Maße. Man sollte auch keine unüberwindliche Scheu haben, Kleidchen, Mützchen und Kettchen zu tragen, weil so etwas zur Amtstracht gehört. Kenntnisse von Geschichte und Naturwissenschaften gehören dagegen nicht zum Profil, sie sind eher hinderlich, ebenso wie Menschenfreundlichkeit, nicht nur gespielte Demut und Einfühlungsvermögen.

Joachim Paul Kardinal Meisner hat in seiner Predigt zu Allerheiligen am 01.11.2009 nach dem Manuskript, das dem Spiegel vorlag, u.a. Folgendes gesagt:

Ähnlich wie einst die Nationalsozialisten im einzelnen Menschen primär nur den Träger des Erbgutes seiner Rasse sahen, definiert auch der Vorreiter der neuen Gottlosen, der Engländer Richard Dawkins, den Menschen als ‚Verpackung der allein wichtigen Gene‘

und

der vom Menschen selbst geschaffene Mensch trete nicht mehr als ein Geschenk des Schöpfers in die Welt, sondern als ein Produkt unseres Machens, das nach selbst gewählten Bedürfnissen selektiert werden könne. Über diesem Menschen leuchtet nicht mehr der Glanz der Gottesebenbildlichkeit, der ihm seine Würde und Unantastbarkeit gebe, sondern nur noch die Macht des menschlichen Könnens.

sowie

Das System des Nationalsozialismus und des Kommunismus im vergangenen Jahrhundert hat uns gezeigt, wohin das führt: Nicht zu mehr Glück und Freiheit des Menschen, sondern an den Rand des Abgrunds, in letzter Konsequenz zur Abschaffung des Menschen. Dafür stehen die KZ’s und Gulags.

Meisner vergleicht demnach ein weiteres Mal den „Gottlosen“ mit dem Nazi und dem Kommunisten. Natürlich vergisst er, dass sich die katholische Kirche viele Jahrhunderte lang selber nicht als Wohltäter an der Menschheit gezeigt hat. Ein Mehr an „Glück und Freiheit“ war ihr auch nicht zu verdanken, im Gegenteil. Genau der Ansatz, dass sich ein Mensch über einen anderen Menschen erhebt, hat nicht nur zu Konzentrationslagern und Gulags geführt, sondern auch zu Hexenverbrennungen und anderen systematischen Gräueltaten. Die katholische Kirche rettet heute dabei nur die Gnade der frühen Geburt. Und die Aufklärung, die bis heute aber auf erbitterten Widerstand solcher Leute wie Meisner trifft. Meisner ist nicht, wie es einem „guten Hirten“ im Grunde anstände, am Seelenheil des „Gottlosen“ gelegen oder er fühlt schon dessen Schmerz vor, wenn er dereinst nach seiner Lehre im Höllenfeuer schmurgelt. Nein, Meisner kann dem „Gottlosen“ nicht verzeihen, dass er, Joachim Paul Kardinal Meisner für den „Gottlosen“ nur der Herr Meisner ist und nicht von Gott auserwählt, eine Stufe unter der göttlich gewollten Unfehlbarkeit zu agieren. Er sieht ihn auch nicht als Geschenk Gottes, sondern bestenfalls als eine Prüfung seiner Geduld und Nachsicht. Meisner kann dem „Gottlosen“ nicht verzeihen, dass er, Meisner, keine Macht über ihn hat. Das geht bei einem so aufgeblasenen Größenselbst nicht. Das verletzt die Eitelkeit. Deswegen träumt Meisner auch von einer katholisch geprägten Gesellschaft mit einer starken Volksfrömmigkeit. Da galt der Priester noch etwas schon von Amts wegen und der Kardinal war als potentieller Aspirant auf den Papst-Thron ja irgendwie schon auf der Ebene 3 der gefühlten Glaubenshierarchie.

Die Perfidie und die Schwäche in Meisners Argumentation, die für jemanden, der angeblich mal Philosophie studiert hat, exorbitant ist, wurzelt darin, dass die Erkenntnis, den Menschen als Summe seiner Erbanlagen zu sehen (und noch ein wenig mehr) eben nicht in eine Abwertung bestimmter Menschen mündet. Dawkins sagt eben nicht, diese oder jene Ausstattung sei besser im soziologischen Sinne als eine andere, sondern nur, dass es bessere und schlechtere Anpassungen gibt im Hinblick auf die Umwelt.

Vielleicht ist Meisner die Schwäche seiner Argumentation aber auch bewusst und er transponiert die Angstmacherei seiner Vorgänger vor hunderten Jahren nur in die Gegenwart. Dante liest heute kaum noch jemand, während die NS-Zeit im Schulunterricht behandelt wird. Fürchten sich Menschen (gut, jetzt mal nicht die niederbayerische Bäuerin, die auch noch Dämonen fürchtet) heute noch vor dem Teufel? Nur etwa jeder Vierte glaubt noch an ihn. Fürchten sich Menschen vor einem Strafgericht Gottes? Nur 30% sind nach der gleichen Umfrage bemüht, ein „gottgefälliges Leben“ zu führen, während 47% glauben, mit dem Tod ende alles für sie persönlich. Und wie sieht es auf der Habenseite aus? Bei den meisten stehen sehr irdische Güter eher auf der Wunschliste als die Möglichkeit des ewigen Hallelujas.

Da meint der selbstnannte Marketingexperte in Sachen Gottes schon andere Ängste bemühen zu müssen. Und so kommt es, dass der freundliche Richard Dawkins in den zweifelhaften Ruf gestellt wird, nicht der Gesandte des Teufels zu sein, sondern der leibhaftige Vorbote von KZs und Gulags. Amen.

Meisner sollte in Rente gehen. Am besten spätestens zum 31.10.2009.

Leider gibt es so etwas bei Kardinälen nicht. Die haben für ihre unverbesserlichen, volksverhetzenden und bösartigen Sprüche auch noch Publikum und öffentliche Aufmerksamkeit, bis sie von selber von der Kanzel fallen.

Alles Gute zum Geburtstag, Herr Darwin!

5. Februar 2009 24 Kommentare

Charles Darwin wird am 12. Februar 200. Jahre alt. Im Sommer geht die Evolutionstheorie, deren „Vater“ er ist, in das 151. Jahr, Respekt. Vieles haben wir seitdem dazugelernt, aber die Fundamente der Grundidee wurden immer stärker und breiter.

Charles Darwin gilt für seine Forschungen und Veröffentlichungen zur Evolutionstheorie als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler. Die von ihm begründete Evolutionstheorie hat die Biologie grundlegend beeinflusst, da beinahe alle Teildisziplinen angefangen von der Molekularbiologie bis hin zur Ökologie von ihr betroffen sind.

Damit hat er nicht nur ein grundlegendes Verständnis zur Entstehung der Arten geschaffen sowie einen Grundstein der modernen Biowissenschaften gelegt, sondern auch in einer vorher noch nie dagewesenen Weise das Weltbild vieler Menschen erschüttert. Das brachte ihm von Seiten Glaubender Anfeindungen und Spott ein. Darwin hat den Menschen als Ziel einer göttlichen Weltordnung aus dem Zentrum geholt und mit anderen Lebewesen in eine Reihe gestellt. Er hat dem Menschen eine ehrliche und auf Fakten gestützte Geschichte gegeben, indem er seine Funde vorurteilsfrei interpretierte und sich nicht scheute, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Darwin hat eine Vergangenheit von uns allen entdeckt, die dem nicht gefällt, der sich lieber als Ebenbild Gottes sehen möchte.

Noch bis in die heutige Zeit wird immer wieder von christlichen Kreationisten und anderen Gläubigen versucht, die Evolutionstheorie in Abrede zu stellen. Beweise, die zur Widerlegung (Falsifizierung) führen könnten, bleiben sie indes schuldig. Schützenhilfe für die Evolutionsbiologie kommt auch aus der Geologie: Moderne Arten, die erst kürzlich entstanden sind, waren in alten Schichten bislang nicht zu finden. Funde in Gesteinsablagerungen lesen sich wie ein Geschichtsbuch des Lebens auf unserem Planeten, das viel dicker ist, als unsere Vorfahren wissen konnten. In aufeinander folgenden Schichten, deren Alter man gut bestimmen kann, kann man nacheinander die schrittweise Entstehung unserer heutigen Pferde aus hundegroßen Vorfahren ohne vernünftigen Zweifel und detailliert nachweisen. Ähnliches gilt auch für den Menschen. In der Fossilgeschichte des Menschen ist kein Platz und kein Bedarf für göttliche Schöpfungsmythen und auch die Arche Noah ist abgewrackt worden.

Trotz der unzähligen Daten auch aus anderen Wissenschaften, welche die Evolutionstheorie stützen, arrangierten sich die Kirchen mit der Evolutionstheorie nur widerwillig, stellt doch diese Theorie nicht nur ihr Menschenbild in Frage, sondern auch die Legitimation ihrer Macht.

Letztendlich man kann mit Recht sagen, dass die Anerkennung oder die Leugnung der Evolutionstheorie ein Gradmesser für aufgeklärtes und erwachsenes Denken darstellt.

Der Mensch ist genauso sicher aus Vorformen entstanden wie die Geschenke nicht vom Weihnachtsmann stammen.
Seit 150 Jahren kann der Mensch erwachsen sein – wenn er denn will.

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